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  • 04.02.2025 · IWW-Abrufnummer 246277

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 13.01.2025 – 6 WF 155/24

    Weder der Umstand, dass der Putativvater nicht bereit war, nach Einholung eines Privatgutachtens die Vaterschaft vorgerichtlich anzuerkennen noch derjenige, dass die Kindesmutter versichert hat, in der gesetzlichen Empfängniszeit nur mit dem Putativvater verkehrt zu haben, rechtfertigen es, dem als Vater festzustellenden Beteiligten die Kosten des Vaterschaftsfeststellungsverfahren alleine aufzuerlegen, wenn dieser zum Zeitpunkt des Verkehrs keine Beziehung mit der Mutter geführt hat und ihm die Lebensverhältnisse der Mutter nicht bekannt waren.


    OLG Frankfurt 6. Senat für Familiensachen, Beschluss vom 13.01.2025, Az. 6 WF 155/24

    Tenor

    Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

    Die Beteiligte zu 2. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

    Gründe
    I.

    Die Beteiligten streiten über die Kosten eines Abstammungsverfahrens.

    Die Beteiligte zu 1. begehrt, vertreten durch den Beistand, die Feststellung der Vaterschaft des Beteiligten zu 3. Die Beteiligte zu 2. (im Folgenden Kindesmutter) hat angegeben, dass sie dem Beteiligten zu 3. in der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt hat. Ein außergerichtlicher durchgeführter Vaterschaftstest hatte zuvor den Beteiligten zu 3. als Vater festgestellt. Der Beteiligte zu 3. hat angegeben, dass es grundsätzlich möglich sei, dass er der Vater des Kindes sei. Der privat durchgeführte Test sei unter zweifelhaften Umständen zustande gekommen, weshalb er dies durch einen Vaterschaftstest geklärt haben wolle. Er habe weder mit der Kindesmutter zusammengewohnt noch eine Beziehung mit ihr geführt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der Sitzung vom 27. Februar 2024 verwiesen. Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 06. März 2024 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die Entnahme der Speichelprobe bei dem Beteiligten zu 3. verzögerte sich und konnte schließlich innerhalb vom Amtsgericht verlängerten Frist bis zum 31. Juli 2024 am 23. Juli 2024 im Rahmen der stationären Entwöhnungsbehandlung des Beteiligten zu 3. in einer Fachklinik erfolgen. Nach dem am 25. Juli 2024 erstatteten Sachverständigengutachten ist die Vaterschaft des Beteiligten zu 3. praktisch erwiesen.

    Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht die Vaterschaft des Beteiligten zu 3. festgestellt und ihm und der Kindesmutter ohne Begründung die Kosten des Verfahrens jeweils hälftig auferlegt und zugleich angeordnet, dass jeder seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt. Die Kindesmutter hat am 20. November 2024 bei dem Amtsgericht Widerspruch eingelegt und diesen auf den Kostenausspruch beschränkt. Sie macht geltend, dass die Kosten des Verfahrens von dem Beteiligten zu 3. zu tragen seien, weil dieser die Vaterschaft trotz privat durchgeführter Vaterschaftstests nicht freiwillig anerkannt habe.

    Der Beistand hat ausgeführt, dass bereits ein vorgerichtlich durchgeführter Gentest die biologische Vaterschaft des Beteiligten zu 3. ergeben habe. Ausschließlich der Beteiligte zu 3. habe durch sein Verhalten Anlass zum Verfahren gegeben, weshalb er auch die Kosten des Verfahrens zu tragen habe.

    Der Beteiligte zu 3. hat sich nicht geäußert.

    II.

    Die auf den Kostenausspruch beschränkte Beschwerde ist zulässig. Denn sie ist nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft, innerhalb der Frist des § 63 Abs. 1 FamFG und der nach § 64 Abs. 1, 2 FamFG vorgeschriebenen Form eingelegt und unterliegt - weil Gegenstand der Hauptsache keine vermögensrechtliche Angelegenheit ist - nicht der Wertgrenze des § 61 Absatz 1 FamFG (BGH, Beschluss vom 25. September 2013 - XII ZB 464/12 -, FamRZ 2013, 1876). Der Widerspruch war als Beschwerde gegen die Kostenentscheidung auszulegen, weil die Kindesmutter deren Überprüfung begehrt und dieses Ziel nur mit der Beschwerde erreichen kann.

    In der Sache ist die Beschwerde unbegründet. Das Amtsgericht hat im Ergebnis zutreffend die Gerichtskosten zwischen der Kindesmutter und dem Beteiligten zu 3. hälftig geteilt und ihnen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils auferlegt. Der Maßstab für die zu treffende Entscheidung über die Kosten des ersten Rechtszugs ergibt sich im zugrundeliegenden Vaterschaftsfeststellungsverfahren aus § 81 FamFG. Nach § 81 Abs. 1 S. 1, S. 2 FamFG kann das Gericht die Kosten eines Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen oder von der Erhebung von Kosten absehen. Nach § 81 Abs. 2 Nr. 1 FamFG kann das Gericht die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat. Grobes Verschulden verlangt Vorsatz oder eine Außerachtlassung der nach den Umständen erforderlichen Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße unter Nichtbeachtung dessen, was jedem einleuchten muss, wobei das Verschulden nicht lediglich im verfahrensmäßigen Verhalten eines Beteiligten, sondern auch im materiellen Recht begründet sein kann (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 7. April 2011 - 6 UF 17/11 -, Rn. 13, juris; vgl. auch Sternal/Weber, 21. Aufl. 2023, FamFG § 81 Rn. 38, beck-online). § 81 FamFG räumt dem Gericht bei der Entscheidung, welchem Beteiligten welche Kosten des Verfahrens auferlegt werden, einen weiten Gestaltungsspielraum ein. Im Hinblick darauf ist es verfehlt, die Kostenverteilung in Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft nach einem von dem konkreten Einzelfall unabhängigen Regel-Ausnahme-Verhältnis vorzunehmen (BGH, Beschluss vom 19. Februar 2014 - XII ZB 15/13 -, FamRZ 2014, 744). Bei dem Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft handelt es sich nicht um ein echtes Streitverfahren, weshalb für die im Rahmen eines erfolgreichen Verfahrens zur Vaterschaftsfeststellung zu treffende Entscheidung über die Verfahrenskosten nicht mehr allein auf das Obsiegen und Unterliegen abgestellt werden kann, wenn weitere Umstände vorliegen, die für eine sachgerechte Kostenentscheidung von Bedeutung sein können (vgl. BGH, a.a.O.; vgl. auch Dürbeck, NZFam 2019, 524). Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten des Abstammungsverfahrens ist jedoch regelmäßig unbillig, da es selbst nicht zur Unsicherheit über die Vaterschaft beigetragen oder Anlass zur Verfahrenseinleitung gegeben hat (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 31. Januar 2020 - 13 WF 4/20 -, BeckRS 2020, 1648; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26. Februar 2024 - 2 WF 182/21 -, BeckRS 2024, 21269 Rn. 14). Die in das Ermessen des Gerichts gestellte Kostenentscheidung unterliegt einer vollen Überprüfung durch das Beschwerdegericht, d.h. das Beschwerdegericht ist im Rahmen der von ihm zu treffenden Beschwerdeentscheidung nicht auf die bloße Überprüfung auf etwaige Ermessensfehler beschränkt, sondern zur eigenen Ermessensausübung berechtigt und verpflichtet (OLG Frankfurt, Beschluss vom 18. Dezember 2019 - 4 WF 162/19 -, FamRZ 2020, 1109, Rn. 9; BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2016 - XII ZB 372/16 -, FamRZ 2017, 97 zu § 18 Abs. 1 VersAusglG).

    Mangels Begründung des Amtsgerichts ist nicht ersichtlich, ob und von welchen Erwägungen dieses sich im Rahmen der von § 81 FamFG eröffneten Ermessensausübung hat leiten lassen, so dass der Senat eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen hat. Es entspricht vorliegend billigem Ermessen, dass die Kindesmutter und der Beteiligte zu 3. die Gerichtskosten hälftig und ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben. Die Voraussetzungen des § 81 Abs. 2 FamFG, der Regelbeispiele für eine einseitige Belastung eines der Beteiligten mit den Verfahrenskosten nennt, sind vorliegend nicht einschlägig. Insbesondere hat der Beteiligte zu 3. nicht grob schuldhaft Anlass für das Verfahren gegeben.

    Entgegen der Auffassung der Beschwerde sind vorliegend keine ausreichenden Gründe dafür ersichtlich, dass es dem Beteiligten zu 3. zumutbar gewesen wäre, die Vaterschaft außergerichtlich, d.h. ohne gutachterliche Klärung der biologischen Abstammung durch ein Sachverständigengutachten, anzuerkennen. Deshalb kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beteiligte zu 3. durch sein Verhalten Anlass für die Einleitung des Verfahrens und der Entstehung von einzelnen Gerichtskosten gegeben hat. Der mittlerweile als Vater feststehende Beteiligte zu 3. hatte zwar nicht bestritten, mit der Kindesmutter in der gesetzlichen Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt zu haben. Die Angabe der Kindesmutter, sie habe in der gesetzlichen Empfängniszeit nur mit dem Beteiligten zu 3. verkehrt, reicht zur Begründung eines groben Verschuldens des Antragsgegners dennoch nicht aus. Der Beteiligte zu 3. durfte berechtigterweise Zweifel an seiner Vaterschaft haben. Denn er hat unwidersprochen darauf verwiesen, mit der Kindesmutter in der Empfängniszeit keine Beziehung geführt und auch nicht mit ihr zusammengelebt zu haben. Fehlt dem Putativvater aber ein konkreter Einblick in die Lebensverhältnisse der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit, besteht für ihn bereits keine hinreichende Möglichkeit, abschätzen oder zu beurteilen, ob die Mutter des Kindes zu weiteren Männern eine intime Beziehung unterhalten hatte. In Anbetracht dessen ist es nachvollziehbar, dass er die Vaterschaft nicht ohne Weiteres urkundlich anerkannt hat. Dem steht auch nicht entgegen, dass er sich dabei nicht auf das Ergebnis des außergerichtlich durchgeführten Vaterschaftstests verlassen wollte. Der Putativvater kann geltend machen, dass er angesichts der hohen rechtlichen Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Abstammungsgutachtens nach dem GenDG (vgl. § 17 GenDG) eine gerichtliche Überprüfung des Gutachtens wünscht (vgl. hierzu Dürbeck, NZFam 2019, 524).

    In Anbetracht der hohen Anforderungen an die Durchführung genetischer Analysen zur Klärung der Abstammung (vgl. hierzu Prütting/Helms/Dürbeck, FamFG, 4. Aufl., § 177 Rn. 15 f.; Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, FamFG, Anhang zu § 177) kann dem Beteiligten zu 3. die Klärung über ein gerichtliches Gutachten nicht verwehrt werden. Dass vorliegend bei der Erstellung des außergerichtlich durchgeführten Vaterschaftstestes alle fachlichen Anforderungen, insbesondere bezüglich der Probeentnahmen, der Identitätssicherung der Proben und schließlich auch bei der Auswertung der Proben beachtet wurden und dem Test daher ein ähnlich hoher Beweiswert wie einer gerichtlichen Abstammungsbegutachtung zukommt, ist nicht ersichtlich.

    Es kann schließlich auch nicht angenommen werden, dass der Beteiligte zu 3. durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat, weshalb er gemäß § 81 Abs. 2 Nr. 4 FamFG die Kosten zu tragen hätte. Dass die Speichelprobe bei ihm schließlich erst nach wiederholter Aufforderung im Juli 2024 entnommen werden konnte, rechtfertigt für sich genommen die Anwendung der Vorschrift noch nicht. Denn der Beteiligte zu 3. hat sich nicht etwa hartnäckig geweigert, die Termine zur Probenentnahme zum Zweck der Erstattung des von dem Amtsgericht angeordneten Gutachtens zur Feststellung der Vaterschaft wahrzunehmen (vgl. hierzu OLG Celle, Beschluss vom 19. Februar 2016 - 10 WF 10/16 -, juris). Vielmehr kam es aufgrund des Krankenhausaufenthaltes und der späteren stationären Entwöhnungsbehandlung in einer Fachklinik erst im Juli 2024 zu einer Entnahme der Speichelprobe. Damit liegt nur eine geringfügige und noch nachvollziehbare Verzögerung vor.

    Schließlich ist im Rahmen der Billigkeitsentscheidung auch zu berücksichtigen, dass beide Eltern das Verfahren über eine Entscheidung über die Abstammung dadurch gleichermaßen veranlasst haben, dass sie innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 16. Januar 2014 - 3 WF 139/13 -, juris). Dann erscheint es in der Regel auch gerechtfertigt, die Kosten eines solchen Verfahrens gleichmäßig auf beide Eltern zu verteilen.

    Eine Wertfestsetzung ist für das Beschwerdeverfahren entbehrlich, weil für die Kostenbeschwerde keine wertabhängige Gerichtsgebühr, sondern die Festgebühr nach Nr. 1912 des Kostenverzeichnisses zum FamGKG anfällt.