18.12.2013 · IWW-Abrufnummer 134005
Oberlandesgericht Brandenburg: Beschluss vom 15.10.2013 – 3 WF 115/13
Wer die alleinige elterliche Sorge gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB beansprucht, braucht im Rahmen des Verfahrens der Verfahrenskostenhilfe nur substantiiert vorzutragen, dass zwischen den beteiligten Eltern die Kooperationsfähigkeit fehlt, zum Wohle des Kindes die notwendigen Entscheidungen von erheblicher Bedeutung gemeinsam zu treffen. Allein der Umstand, dass ein Elternteil den anderen bei der Entscheidung über wichtige Angelegenheiten des Kindes gewähren lässt, rechtfertigt aber die Aufhebung der gemeinsamen Sorge grundsätzlich nicht. Gleiches gilt für unterschiedliche Auffassungen zur Gestaltung des Umgangsrechts.
Oberlandesgericht Brandenburg
Beschl. v. 15.10.2013
Az.: 3 WF 115/13
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gemäß §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe für die Folgesache "elterliche Sorge" versagt. Denn insoweit bietet ihre Rechtsverfolgung auch bei der im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., §114 Rn. 19; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf-/Gutjahr, 2. Aufl., § 1 Rn. 167) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO. Die Voraussetzungen dafür, entsprechend dem Antrag der Antragstellerin die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben und die elterliche Sorge für den gemeinsamen Sohn M... der beteiligten Ehegatten ihr allein zu übertragen, liegen nicht vor.
Gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ist dem Antrag, die elterliche Sorge einem Elternteil allein zu übertragen, stattzugeben, soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am Besten entspricht. Der Gesetzgeber hat mit der Neuregelung der Übertragung der elterlichen Sorge durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16.12.1997 kein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinne geschaffen hat, dass ein Vorrang zugunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge besteht und die Alleinsorge eines Elternteils nur in Ausnahmefällen als ultima ratio, als letzte Möglichkeit, in Betracht kommt (vgl. nur BGH, FamRZ 2008, 592 Rn. 10). Deshalb hängt die Frage, ob es bei der gemeinsamen Sorge bleiben kann, von der entsprechenden Einsicht der Eltern und ihrer Fähigkeit, sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten, ab; entscheidend sind also die objektive Kooperationsfähigkeit und die subjektive Kooperationsbereitschaft der Eltern (KG, FamRZ 2000, 504; OLG Brandenburg, 2. Familiensenat, FamRZ 1998, 1047, 1048). Die Eltern können aber, solange ihnen die Konsensfindung, dies ist die Herbeiführung von Übereinstimmung und Gemeinsamkeit, zum Wohl des Kindes zumutbar sei, nicht aus der Verpflichtung dazu entlassen werden könnten (OLG Brandenburg, 2. Familiensenat, FamRZ 2003, 1952, 1953). Eine gegen die gemeinsame Sorge sprechende Einigungsunfähigkeit muss gerade in Bezug auf das Kind vorliegen, das heißt die Eltern dürfen grundsätzlich in Erziehungsfragen bzw. in allen Angelegenheiten des Kindes von erheblicher Bedeutung zu einer einvernehmlichen Regelung nicht in der Lage sein (BVerfG, FuR 2004, 405, 407). Bei der Entscheidung darüber, ob die gemeinsame elterliche Sorge in Betracht kommt, kann auch von Bedeutung sein, ob in absehbarer Zeit sorgerechtsrelevante Entscheidungen gemeinsam zu treffen sind (OLG Brandenburg, 2. Familiensenat, FamRZ 2003, 1952, 1953; OLG Brandenburg, 3. Familiensenat, FamRZ 2002, 567 f.). Da die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf einen Elternteil das Elternrecht des anderen Elternteils gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG beeinträchtigt, haben sich die Gerichte selbst in den Fällen, in denen sie eine vollständige Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge für nicht praktizierbar halten, nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit Teilentscheidungen - als milderem Mittel - zu begnügen, wo immer dies dem Kindeswohl Genüge tut (BVerfG, FamRZ 2004, 1015).
Wer die alleinige elterliche Sorge beansprucht, braucht im Rahmen des Verfahrens der Verfahrenskostenhilfe allerdings nur substantiiert vorzutragen, dass zwischen den beteiligten Eltern die Kooperationsfähigkeit fehlt, zum Wohle des Kindes die notwendigen Entscheidungen von erheblicher Bedeutung gemeinsam zu treffen (FamVerf-/Gutjahr, § 2 Rn. 62). Doch selbst diesen relativ geringen Anforderungen genügt das Vorbringen der Antragstellerin nicht. Denn es ist nicht ersichtlich, warum die Eltern nicht in der Lage sein sollten, zum Wohl des Kindes notwendige Entscheidungen von erheblicher Bedeutung gemeinsam zu treffen. Da der Aufenthalt des Kindes bei der Mutter unstreitig ist, ist diese gemäß § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB ohnehin befugt, in Angelegenheiten des täglichen Lebens die alleinige Entscheidung zu treffen. Soweit es Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung betrifft, ist nicht erkennbar, dass es an der notwendigen Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft fehlt.
Die Antragstellerin hat auf eine Therapiebedürftigkeit seitens des Kindes hingewiesen. Der Antragsgegner hat sich gegen die bereits eingeleitete Therapie aber nicht gewendet. Allein der Umstand, dass ein Elternteil den anderen bei der Entscheidung über wichtige Angelegenheiten des Kindes gewähren lässt, rechtfertigt - unabhängig von der Frage, ob dies aus Gleichgültigkeit oder wegen des Vertrauens in die Entscheidungskompetenz des anderen Elternteils geschieht - die Aufhebung der gemeinsamen Sorge grundsätzlich nicht (vgl. OLG Brandenburg, 2. Familiensenat, Beschluss vom 24.11.2013 - 10 UF 263/11).
Die Antragstellerin beruft sich weiter darauf, dass es hinsichtlich der Regelung des Umgangs des Antragsgegners mit dem Sohn unterschiedliche Auffassungen gebe und der Antragsgegner zu Gesprächen nicht bereit sei. Dies reicht auch bei summarischer Betrachtung nicht aus.
Soweit es den Umgang betrifft, besteht die Möglichkeit, diesen entweder in einem isolierten Verfahren mit dem Ziel einer sofort wirksamen Regelung oder aber als weitere Folgesache im Scheidungsverbund anhängig zu machen, um eine gerichtliche Regelung für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung zu erreichen. Vorliegend ist es auch nicht etwa so, dass die Interessen der Eltern hinsichtlich des Umgangs völlig entgegengesetzt wären. Vielmehr ist die Antragstellerin grundsätzlich bereit, dem Antragsgegner regelmäßigen Umgang zu gewähren. Sie ist nur aufgrund einer aus ihrer Sicht eingetretenen Verhaltensänderung des gemeinsamen Sohnes der Meinung, dass bei dem Umgang mit dem Vater der Halbbruder nicht anwesend sein solle. Dies berührt aber, worauf das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat, nicht die Frage, ob es dem Kindeswohl besser entspricht, die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben.
Auch mit dem Vortrag, der Antragsgegner sei nicht gesprächsbereit, kann die Antragstellerin nicht durchdringen. Der Antragsgegner selbst hat betont, dass er zu Gesprächen bereit sei, er nur einen Beratungstermin, der gemeinsam mit der Antragstellerin habe stattfinden sollen, kurzfristig aus beruflichen Gründen habe absagen müssen. Die Antragstellerin hat nicht im Einzelnen dargelegt, wann sich der Antragsgegner Gesprächen, sei es mit ihr allein oder einer dritten (Beratungs-)Person entzogen hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO.