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  • 10.10.2014 · IWW-Abrufnummer 142930

    Oberlandesgericht Celle: Beschluss vom 19.08.2014 – 10 UF 186/14

    1. Fehlt dem in Form eines Stufenantrages geltend gemachten Anspruch ausnahmsweise unabhängig vom Ergebnis einer etwaigen Auskunft bereits ohne Zweifel die materiell-rechtliche Grundlage (hier: Annahme der vollständigen Verwirkung eines Unterhaltsanspruches), so ist bereits auf der Auskunftsstufe der Antrag insgesamt durch Endbeschluß zurückzuweisen.
    2. Eine auf der endgültigen Verneinung der materiell-rechtliche Grundlage beruhende isolierte Zurückweisung allein des Auskunftsanspruches eines Stufenantrages in Form eines Teilbeschlusses stellt eine unzulässige Teilentscheidung dar. Da mit der Entscheidung auf der Auskunftsstufe nicht zugleich eine rechtskräftige Feststellung zum Grund des Leistungsanspruchs erfolgt, besteht die Möglichkeit deren abweichender Beurteilung auf den weiteren Stufen.
    3. Zur Verwirkung von Elternunterhaltsansprüchen, die auf Vorgänge außerhalb des Anwendungsbereichs deutschen Rechts gestützt werden soll (hier: Übergabe eines Säuglings nach dem Tod der Mutter an die Großeltern in der Zeit ab 1956 in der damaligen Sowjetunion)


    10 UF 186/14
    629 F 1642/14 Amtsgericht Hannover

    Beschluß

    In der Familiensache
    Region H.,
    Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
    Verfahrensbevollmächtigte:
    Anwaltsbüro H. & G.,
    gegen
    S. L.,
    Antragsgegner und Beschwerdegegner,
    Verfahrensbevollmächtigte:
    Rechtsanwältin R. M. H.,

    hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht V., den Richter am Oberlandesgericht H. und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. K. am 19. August 2014 beschlossen:

    1. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird vorläufig auf die Gebührenstufe bis 1.500 € festgesetzt.

    2. Die Beteiligten werden gemäß § 117 Abs. 3 FamFG darauf hingewiesen, daß der Senat in der Sache ohne erneute mündliche Verhandlung zu entscheiden beabsichtigt und eine antragsgemäße Verpflichtung des Antragsgegners auf der Auskunftsstufe erwägt. Den Beteiligten wird Gelegenheit für etwaige weitere Stellungnahmen sowie dem Antragsgegner für ein Anerkenntnis des Auskunftsantrages gegeben bis zum
    19. September 2014,
    wobei der Senat eine Entscheidung unmittelbar nach Fristablauf beabsichtigt.

    Gründe:

    I.

    Die antragstellende Region H. (im weiteren: die Antragstellerin) nimmt im vorliegenden Verfahren den Antragsgegner aus im streitgegenständlichen Zeitraum ab 1. Juli 2013 durch Leistungsgewährung nach SGB XII an dessen Vater in monatlicher Höhe von 673 € übergegangenem Recht auf Elternunterhalt in Anspruch. Der Antragsgegner ist der wiederholten außergerichtlichen Aufforderung zur Auskunftserteilung über seine unterhaltsmaßgeblichen Einkünfte - anders als noch auf seit 2006 regelmäßig erfolgte entsprechende Anfragen - nicht nachgekommen; die Antragstellerin konnte auch unter Inanspruchnahme von Rechtshilfe durch das zuständige Finanzamt, die Rentenversicherungsträger und das JobCenter keine hinreichenden Auskünfte erlangen. Daraufhin hat sie mit am 14. März 2014 eingereichtem Schriftsatz einen entsprechenden Stufenantrag anhängig gemacht, der dem Antragsgegner unter Fristsetzung zur Anzeige der Verteidigungsanzeige binnen zwei Wochen sowie zur Antragserwiderung binnen weiterer zwei Wochen am 4. April 2014 zugestellt worden ist. Abgesehen von einer fristgerechten Verteidigungsanzeige hat der Antragsteller innerhalb der bis zur 6. Mai 2014 laufenden Erwiderungsfrist keinerlei Schriftsätze eingereicht. Einer ausdrücklichen Auflage unter Fristsetzung bis zum sodann auf den 28. Mai 2014 anberaumten Anhörungstermin durch das Amtsgericht zur Vorlage von Einkommensnachweisen für das Kalenderjahr 2013 ist der Antragsgegner nicht nachgekommen. Im Termin hat er einen vom selben Tage datierenden Schriftsatz vorgelegt, in dem er sich gegen seine Verpflichtung bereits zur Auskunftserteilung auf grobe Unbilligkeit beruft und einen Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung gemäß § 1611 Abs. 1 Satz 2 BGB geltend macht. Dazu hat er - teils im Schriftsatz, teils im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Amtsgericht - angegeben, im Oktober 1955 in der damaligen Sowjetunion geboren zu sein. Nach dem Tod seiner Mutter am 28. Februar 1956 habe sein Vater veranlaßt, daß er von seinen in Weißrußland lebenden Großeltern väterlicherseits aufgenommen worden und dort bis zu seinem sechsten Lebensjahr geblieben sei. In der Folgezeit habe er sich zeitweilig „auch ein paar Monate“ bei seinem Vater aufgehalten, sei dann aber in den „ebenfalls in St. Petersburg befindlichen“ Haushalt seiner Großeltern mütterlicherseits gewechselt. 1993 sei er nach Deutschland gekommen. Erst 2006, als er wegen etwaiger Unterhaltsansprüche seines Vaters angeschrieben worden sei, habe er erfahren, daß dieser ebenfalls in Deutschland lebte.

    Der Antragstellerin ist antragsgemäß ein Schriftsatznachlaß zu diesem erst im Anhörungstermin erfolgten Vortrag des Antragsgegners eingeräumt worden. Sie hat fristgerecht vorgetragen, der Antragsgegner habe in der Vergangenheit im Hinblick auf die im Kern zutreffend wiedergegebene Vorgeschichte der Familie einen Verwirkungseinwand ausdrücklich nicht geltend gemacht. Der Unterhaltsberechtigte sowie seine nunmehrige Ehefrau hätten zudem im Rahmen der regelmäßig erfolgenden Überprüfung des Hilfebedarfs auch seit 2006 fortlaufend bestehende familiäre Kontakte zum Antragsgegner angegeben, so werde etwa berichtet, dieser schaue monatlich vorbei und helfe beim Einkaufen. Im übrigen sei der Verwirkungseinwand ggf. nach Vorliegen der Auskünfte zur unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit zu prüfen.

    Das Amtsgericht hat - nach Gewährung weiteren rechtlichen Gehörs für den Antragsgegner - mit ausdrücklichem Teil-Beschluß vom 9. Juli 2014 den Auskunftsantrag der Antragstellerin abgewiesen, die Kostenentscheidung der Schlußentscheidung vorbehalten, den Verfahrenswert für die Auskunftsstufe auf 500 € festgesetzt und die Beschwerde zugelassen. Zur Begründung der Antragsabweisung auf der Auskunftsstufe hat es ausgeführt, daß der Antragstellerin aus übergegangenem Recht weder ein Auskunfts- noch ein Zahlungsanspruch zustehe, da ein solcher gemäß § 1611 Abs. 1 S. 1 Alt. 3, S. 2 BGB verwirkt sei. Der Unterhaltsberechtigte habe sich einer vorsätzlichen schweren Verfehlung gegen den Antragsgegner schuldig gemacht, indem er diesen im Alter von vier Monaten in den Haushalt seiner Schwiegereltern bzw. seiner Eltern gegeben habe, ohne eine Vater-Kind-Beziehung aufrechtzuerhalten. Die Beschwerdezulassung erfolge, da es bislang an einer einheitlichen Beurteilung der Frage fehle, ob der vorliegend angenommene Verwirkungseinwand bereits die Zurückweisung auf der Auskunftsstufe und damit vor Klärung der wirtschaftlichen Verhältnisse rechtfertigen könne.

    Gegen diese, ihr am 14. Juli 2014 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 31. Juli 2014 beim Amtsgericht eingelegte und am 15. August 2014 gegenüber dem Senat begründete Beschwerde, mit der die Antragstellerin ihr Auskunftsbegehren - zwischenzeitlich bezüglich des auf Hinweis des Senates angepaßten Zeitraums des Kalenderjahres 2013 - weiterverfolgt. Sie stellt dabei materiell vor allem darauf ab, daß nach ständiger Rechtsprechung der Verwirkungseinwand keine Wirkung auf der Auskunftsstufe entfalte und die Prüfung, ob dieser Einwand durchgreife und zum vollständigen oder teilweisen Wegfall des Unterhaltsanspruches führen könne erst auf der Zahlungsstufe und unter Berücksichtigung der vorliegenden wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen erfolgen dürfe. Zudem rechtfertigten die bisherigen Feststellungen auch nicht die Annahme des Vorliegens der - vom Unterhaltsverpflichteten vollumfänglich darzulegenden und zu beweisenden - Voraussetzungen für eine vollständige Verwirkung.

    II.

    Der Senat beabsichtigt vorliegend gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ohne Wiederholung der erstinstanzlich erfolgten Verfahrenshandlungen, insbesondere ohne erneute mündliche Verhandlung, von der kein entscheidungserheblicher weiterer Erkenntnisgewinn zu erwarten ist, in der Sache zu entscheiden und hat gemäß § 117 Abs. 3 FamFG vorab darauf hinzuweisen.

    Der Senat erwägt dabei, auf die Beschwerde der Antragstellerin den amtsgerichtlichen Teilbeschluß zu ändern und den Antragsgegner zur begehrten Auskunft zu verpflichten.

    Die Einschätzung des Senates in der Sache beruht auf folgenden vorläufigen Erwägungen:

    1. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde ist gemäß § 61 FamFG bereits aufgrund der erfolgten Zulassung durch das Amtsgericht unabhängig von der vom Senat vorzunehmenden Beurteilung des Wertes des Beschwerdegegenstandes zulässig (wobei letzterer sich im übrigen nicht etwa aus der amtsgerichtlichen Festsetzung des Verfahrenswertes für die Auskunftsstufe ergibt.)

    2. Im übrigen wäre der Wert des Beschwerdegenstandes der Antragstellerin ohnehin auf jedenfalls mehr als 600 € zu beziffern. Die Antragstellerin verfolgt in der Sache einen Zahlungsanspruch von monatlich bis zu 673 € für die Zeit seit Juli 2013. Allein aus der für den Verfahrenswert maßgeblichen Zeit von (bis April 2014 als kostenrechtlicher Rückstand zuzüglich 12 Monate laufender Unterhalt =) 21 Monaten ergäbe sich ein auf der Zahlungsstufe denkbarer Verfahrenswert von bis zu 14.133 €. Dabei hängt der Erfolg des Begehrens der Antragstellerin allein ab vom Umfang der in der Auskunftsstufe zu klärenden Leistungsfähigkeit des Antragsgegners und entfällt dieser durch die Versagung der Auskunft zugleich in seiner weiteren Durchsetzbarkeit vollständig. Insofern ergäbe sich selbst bei Annahme eines 90%igen Abschlages im Hinblick auf die ungewisse Leistungsfähigkeit noch immer jedenfalls ein Verfahrenswert der Auskunftsstufe von 1.413,30 €, den der Senat entsprechend festsetzt. Im Hinblick auf den zur Ermittlung der Beschwer zugrunde zulegenden weit höheren Faktors gemäß § 9 ZPO von 42 Monaten zuzüglich der bei Einleitung fälligen Ansprüche für weitere 9 Monate liegt der Wert des Beschwerdegegenstandes jedenfalls weit über 600 €.

    3. Die Beschwerde der Antragstellerin müßte - soweit der Senat nicht eine Auskunftsverpflichtung aussprechen würde - schon aus formellen Gründen deswegen zumindest den vorläufigen Erfolg der Zurückverweisung der Sache haben, als es sich bei dem amtsgerichtlichen Beschluß jedenfalls um eine unzulässige Teilentscheidung handelt. Dies würde – gemäß §§ 117 Abs. 2 Satz 1 FGG, 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und Satz 3 ZPO auch ohne Erfordernis des allerdings tatsächlich bereits angekündigten dahingehenden Hilfsantrages der Antragstellerin - jedenfalls soweit es nicht zu einer zugleich die Gefahr widersprechender Entscheidungen ausschließenden Auskunftsverpflichtung in der Sache kommt - eine Aufhebung des Teilbeschlusses und die Zurückverweisung der Sache gebieten.

    Das Amtsgericht hat ausdrücklich eine Teilentscheidung allein über die Auskunftsstufe getroffen, in der - dann konsequenterweise - auch die Kostenentscheidung einer späteren Schlußentscheidung (über den bereits rechtshängigen, derzeit aber noch nicht bezifferten Zahlungsanspruch) vorbehalten worden ist. Dabei ist es jedoch – wie insbesondere nach den inhaltlichen Ausführungen unzweifelhaft ist – tragend davon ausgegangen, daß aus im einzelnen dargelegten Gründen auf die Antragstellerin insgesamt kein Unterhaltsanspruch habe übergehen können, da dem zugrundeliegenden Elternunterhaltsanspruch des Vaters des Antragsgegners diesem gegenüber durchgreifend der Verwirkungseinwand aus § 1611 Abs. 1 BGB entgegenstehe. Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung hätte das Amtsgericht allerdings bereits auf der Auskunftsstufe den Antrag insgesamt zurückweisen können und müssen.

    Die Entscheidung des Amtsgerichtes zur Auskunft enthält damit jedoch keine rechtskräftige Feststellung zum - hier verneinten - Grund des Leistungsanspruches (vgl. nur Zöller30–Greger, ZPO § 254 Rz. 9 m.w.N.). Damit wäre bei der vom Amtsgericht gewählten Vorgehensweise über diese Frage im Rahmen der noch zu treffenden Schlußentscheidung über den Anspruch des Antragstellers auf der Zahlungsstufe ohne rechtliche Bindung an die Teilentscheidung zur Auskunftsstufe erneut zu befinden. Dadurch wiederum ergäbe sich aber zugleich offenkundig die Möglichkeit einer abweichenden Beurteilung der nämlichen Frage – ggf. auch durch das Rechtsmittelgericht (vgl. zu den Erfordernissen eines zulässigen Teilurteils weitergehend auch Senatsbeschluß vom 23. Juli 2013 - 10 UF 74/12 - FamRZ 2014, 326 ff. = NdsRPfl 2013, 244 ff. = NJOZ 2014, 561 ff. = NJW-Spezial, 2013, 550 = juris = BeckRS 2013, 13090). Dies gilt im Streitfall ganz besonders auch deswegen, weil das Amtsgericht bei seiner Entscheidung zur Auskunftsstufe ergänzenden Vortrag der Antragstellerin in seinem letzten Schriftsatz nicht mehr berücksichtigt hat und ihm inhaltlich nicht weiter nachgegangen ist. Im Rahmen einer weiteren Entscheidung zur Zahlungsstufe wäre dagegen dieser Vortrag r– der dann in keinem Fall mehr zu einer Verzögerung des Verfahrens führen könnte – zwingend mit zu berücksichtigen (vgl. insofern ausdrücklich auch Zöller aaO Rz 8) und könnte für sich allein Grund für eine inhaltlich abweichende Beurteilung der nicht bereits rechtlich bindend beantworteten Frage der Verwirkung sein.

    4. Im Streitfall wird aber ohnehin auch in der Sache jedenfalls eine Auskunftsverpflichtung des Antragsgegners auszusprechen sein.

    a. Inhaltlich kommt vor einer solchen Auskunftserteilung und damit einer Klärung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragsgegners eine Abweisung des Anspruches der Antragstellerin insgesamt regelmäßig nicht in Betracht. Es entspricht vielmehr herrschender Auffassung, daß vor einer Prüfung des Einwandes aus § 1611 BGB die Höhe des in Rede stehenden Unterhaltsanspruches festzustellen ist (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19. Oktober 2001 - 11 UF 36/01 - NJW-RR 2002, 650 f. = MDR 202, 521 f. = juris [Tz. 24]; Palandt73–Brudermüller, BGB § 1611 Rz. 1 m.w.N.).

    b. Im Gegensatz zur Annahme des Amtsgerichts kann derzeit auch ein sicheres Fehlen eines auf die Antragstellerin übergegangenen Unterhaltsanspruches des Vaters des Antragsgegners nicht festgestellt werden.

    Zutreffend weist insofern bereits die Antragstellerin darauf hin, daß im Rahmen einer Entscheidung nach § 1611 BGB eine umfassende Abwägung vorzunehmen ist, in deren Rahmen regelmäßig gerade auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des auf Unterhalt in Anspruch Genommenen besondere Bedeutung haben. Dies gilt schon deswegen, weil die Rechtsfolge selbst einer vom Amtsgericht hier angenommenen vorsätzlichen schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen nicht etwa der automatische Wegfall der Unterhaltspflicht, sondern vielmehr eine solche in Höhe eines Betrages zur Folge hat, die der Billigkeit entspricht.

    Zudem hat die Antragstellerin auf den (seinerseits unter Verstoß gegen die ihm insofern gesetzten Fristen und Auflagen) erstmals im Termin erfolgten Vortrag des Antragsgegners innerhalb der ihr insofern gewährten Frist in erheblicher Weise repliziert. So ergeben sich aus ihrem - bislang völlig unstreitigen - Vortrag bereits erhebliche Anhaltspunkte dafür, daß der Antragsgegner etwaige Verfehlungen seiner Vaters verziehen hat. Er hält seit Kenntnis von dessen Aufenthalt in Deutschland (im Rahmen seiner insbesondere berufsbedingt eingeschränkten Möglichkeiten) mit diesem regelmäßigen Kontakt und unterstützt ihn in verschiedener Weise. Zudem hat er im Rahmen seiner früheren Inanspruchnahme auf Auskunft selbst sogar ausdrücklich auf den Verwirkungseinwand verzichtet.

    Schließlich hat das Amtsgericht die von ihm für den Verwirkungsvorwurf herangezogenen Umstände in der Jugend des Antragsgegners, zu denen von beiden Seiten bislang lediglich rudimentär vorgetragen worden ist, jedenfalls nicht in dem offenkundig gebotenen zeitlichen und rechtlichen Kontext (vgl. insofern bereits Senatsurteil vom 2. November 2010 - 10 UF 176/10 - juris = BeckRS 2011, 17047 [in FamRZ 2011 987 f. nur redaktioneller Leitsatz]) gewürdigt. Das Amtsgericht hat die unstreitig 1956 in der damaligen Sowjetunion spielende Situation ersichtlich nach den aktuellen Maßstäben des deutschen Rechts bewertet. Dies stellt aber weder in historischer noch in rechtlicher Hinsicht den zutreffenden Bezugsrahmen dar. Ob gegenüber dem Unterhaltsberechtigten in Ansehung der rechtlichen Vorgaben wie der tatsächlichen Möglichkeiten in der Sowjetunion des Jahres 1956 aus den wenigen vorgetragenen Umständen ein unterhaltmaßgeblicher Vorwurf im Sinne einer vorsätzlichen schweren Verfehlung gemacht werden kann, bedürfte zumindest einer sorgfältigen Prüfung unter Berücksichtigung des bislang in keiner Weise festgestellten seinerzeitigen rechtlichen wie sozialen Kontext. Dabei trifft im übrigen die volle Darlegungs- und ggf. Beweislast für die tatsächlichen Grundlagen des Verwirkungseinwandes den Unterhaltsschuldner (vgl. Wendl8–Klinkhammer, § 2 Rn. 608; Palandt73–Brudermüller, BGB § 1611 Rz. 11).

    Es erscheint schon zweifelhaft, ob die Tatsache, daß der Unterhaltsberechtigte den Antragsgegner nach dem Tod der Kindesmutter im unmittelbaren Säuglingsalter in die - ihm im weiteren nicht ersichtlich in irgendeiner Weise abträgliche - Obhut der Großeltern gegeben hat, überhaupt als eine Verfehlung angesehen werden kann. Jedenfalls aber wäre eine solche auch danach zu beurteilen, welche rechtlichen Pflichten das damalige Recht der Sowjetunion dem Vater eines Halbwaisen überhaupt auferlegte und ob der Vater seinerzeit und im für die fragliche Familie maßgeblichen sozialen Kontext überhaupt andere Handlungsoptionen hatte. Vergleichbar hat etwa der Senat in einem Fall, in dem die Mutter eines 1943 nichtehelich in Oberschlesien geborenen Kindes dieses Anfang 1945 im Haushalt der Großmutter ließ und nach Westdeutschland umzog, das Vorliegen einer schweren Verfehlung verneint (vgl. Senatsurteil vom 2. November 2010 aaO).

    Soweit das Amtsgericht im übrigen davon ausgeht, der Vater habe „zu keiner Zeit im Leben des Antragsgegners für diesen Verantwortung getragen und keine eigenen Leistungen bei dessen Erziehung und Versorgung erbracht“ ist dies nicht einmal vom Antragsgegner geltend gemacht worden. Nach dessen Vortrag ist es in der Folgezeit vielmehr durchaus zu einer nicht unerheblichen Beteiligung des Vaters an seinem Leben gekommen.

    Insofern ist es im Streitfall jedenfalls ausgeschlossen, vor der Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragsgegners die Verwirkung eines ihm gegenüber bestehend Unterhaltsanspruches seines Vaters festzustellen.

    V. H. Dr. K.

    RechtsgebieteZPO, FamFG, BGBVorschriftenZPO §§ 354, 301, 538 Abs. 2 Nr. 7; FamFG §§ 113 Abs. 1 Satz 2, 117 Abs. 2 Satz 1; BGB § 1611 Abs. 1