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  • 10.08.2017 · IWW-Abrufnummer 195797

    Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Beschluss vom 27.03.2017 – 2 WF 163/16

    Zu den Voraussetzungen der Mutwilligkeit bei Beantragung von Verfahrenskostenhilfe in Umgangsverfahren, wenn vor Anrufung des Familiengerichts das Jugendamt nicht beteiligt worden ist.


    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    Beschl. v. 27.03.2017

    Az.: 2 WF 163/16

    Tenor:

    Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Korbach vom 11.4.2016 abgeändert.

    Dem Antragsteller wird für das erstinstanzliche Umgangsverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin RA1, Stadt1, bewilligt.

    Gerichtskosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

    Gründe

    I.

    Der Antragsteller begehrt Verfahrenskostenhilfe für ein Umgangsverfahren.

    Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die nicht verheirateten Eltern des am ...2013 geborenen Kindes A. Eine gemeinsame Sorgeerklärung gemäß § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB hatten die Beteiligten in den ersten beiden Lebensjahren des Kindes nicht abgegeben. Bei der Beurkundung der Vaterschaft beim Jugendamt wurde das Sorgerecht nicht thematisiert. Allerdings hatte der Antragsteller die Antragsgegnerin nach der Geburt des Kindes mehrfach auf die Errichtung des gemeinsamen Sorgerechts angesprochen. Die Antragsgegnerin antwortete zunächst ausweichend, dass sie erst abwarten wolle, ob er sich als Vater des Kindes auch bewähre. Der Antragsteller wiederholte sein Anliegen in regelmäßigen Abständen und bekam zunächst die gleiche Antwort. Nach einiger Zeit teilte die Antragsgegnerin ihm mit, dass sie das gemeinsame Sorgerecht nunmehr generell ablehne. Auch diese Gespräche wurden einige Male geführt, sodann gab der Antragsteller seine Bemühungen zunächst auf, da diese nur zu weiteren Konflikten führten, die sich bereits zuvor gezeigt hatten.

    Nach der Trennung Anfang 201X verblieb das Kind bei der Antragsgegnerin. Nachdem der Antragsteller am ... eine eigene Wohnung bezogen hatte, bat er die Antragsgegnerin um Umgang mit dem Kind und erneut um das gemeinsame Sorgerecht. Die Antragsgegnerin war dem überhaupt nicht mehr zugänglich. Sie bezichtigte ihn, ein "Hurensohn" und "Rabenvater" zu sein. Er würde das Kind nicht bekommen und auch nicht sehen können. Es solle zunächst das Jugendamt eingeschaltet werden. Der Antragsteller thematisierte die Angelegenheit im Abstand von ein bis zwei Monaten regelmäßig gegenüber der Antragsgegnerin, stets mit demselben Ergebnis. In der Umgangsrechtsangelegenheit wurde dann auch das Jugendamt eingeschaltet. Es gab mehrere gemeinsame Gespräche, in denen Umgangslösungen erarbeitet wurden. Diese wurden sodann für die Dauer von wenigen Wochen praktiziert, bis die Antragsgegnerin dazu überging, den Umgang wieder einzuschränken. Nur zeitweise fand der Umgang in der Weise statt, dass der Antragsteller seinen Sohn mehrmals pro Woche bei der Antragsgegnerin in deren Wohnung besuchte.

    Nachdem der Umgang Ende 2015 für einige Wochen unterbrochen war, nahm der Antragsteller anwaltliche Hilfe in Anspruch. Durch Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten vom 22.12.2015 machte der Antragsteller sein Umgangsrecht außergerichtlich geltend und verlangte, dass er das Kind im Abstand von 3 Tagen für die Zeit von 14.30 Uhr bis 18.30 Uhr zu sich in die Wohnung nehmen dürfe.

    Durch das außergerichtliche Schreiben ihrer anwaltlichen Bevollmächtigten vom 5.1.2016 stellte die Antragsgegnerin das Umgangsrecht des Antragstellers nicht grundsätzlich in Abrede. Allerdings könne der Umgang aus ihrer Sicht nicht in der verlangten Häufigkeit und in der geforderten Weise stattfinden. Die gewünschten Umgangstermine seien schon zeitlich ungünstig. Überdies rauche der Antragsteller stark und halte keine Räumlichkeiten für ein Kind vor. Der Sohn habe sich im Haushalt des Antragstellers schon dreimal mit Flöhen infiziert. Der Antragsteller müsse ein kindgerechtes Verhalten erst noch erlernen. Deshalb schlage die Antragsgegnerin vor, dass der Umgang zunächst einige Monate einmal wöchentlich oder alle zwei Wochen in den Räumlichkeiten des Jugendamtes stattfinde.

    Mit anwaltlichem Schreiben vom 2.2.2016 meldete sich die Antragsgegnerin erneut beim Antragsteller und bezichtigte ihn der sexuellen Nötigung.

    Der Antragsteller habe sie am 12.1.2016 körperlich bedrängt und versucht, ihr die Hose auszuziehen. Am 15.1.2016 habe er versucht, sie zu küssen. Im Wiederholungsfall drohte sie Anträge nach dem Gewaltschutzgesetz an.

    Mit Antragsschrift vom 17.3.2016 hat der Antragsteller beim Amtsgericht beantragt, ihm ein Umgangsrecht dergestalt einzuräumen, dass der Antragsteller berechtigt sei, das Kind im zweiwöchigen Rhythmus jeweils in der Zeit von Samstag 10.00 Uhr bis Sonntag 18.00 Uhr zu sich zu nehmen. Gleichzeitig hat er beim Amtsgericht ein weiteres Verfahren eingeleitet, in dem er das gemeinsame Sorgerecht für das Kind beantragt hat. Für beide Verfahren hat der Antragsteller die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten beantragt.

    Unmittelbar nach Zustellung der Antragsschriften fand am 24.3.2016 beim Jugendamt ein Besprechungstermin statt, an dem der Antragsteller und die Antragsgegnerin teilnahmen. Die Beteiligten errichteten eine Urkunde über die gemeinsame elterliche Sorge nach § 1626a BGB. Außerdem unterzeichneten sie eine Umgangsvereinbarung, wonach der Antragsteller den Sohn an jedem Dienstag und Donnerstag jeweils um 16.00 Uhr zu sich nimmt und um 18.00 Uhr zurückbringt. Weiterhin sollte der Antragsteller berechtigt sein, bis um 19.30 Uhr bei der Antragsgegnerin zu bleiben und das Kind zu Bett zu bringen. Danach teilte der Antragsteller mit, das Verfahren habe sich erledigt und bat um Aufhebung des anberaumten Termins.

    Durch den angefochtenen Beschluss vom 11.4.2016 stellte das Amtsgericht fest, dass sich das Umgangsverfahren erledigt hat. Gleichzeitig hat das Amtsgericht den Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Umgangsverfahren zurückgewiesen, weil die Rechtsverfolgung mutwillig sei. Der Antragsteller habe vor Einleitung des Verfahrens nicht versucht, eine Einigung über das Jugendamt herbeizuführen. Dass ein solcher Versuch von vornherein nicht erfolgversprechend gewesen sei, sei nicht zu erkennen. Das Gegenteil sei der Fall, da sich die Eltern beim Jugendamt auf die Umgangsregelung verständigen konnten. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin Umgangskontakte zuvor nicht grundsätzlich abgelehnt habe.

    Gegen den ihm am 18.4.2016 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller hinsichtlich der Versagung der Verfahrenskostenhilfe sofortige Beschwerde eingelegt. Die Rechtsverfolgung sei nicht mutwillig gewesen. Nach dem außergerichtlichen Schriftverkehr sei nicht zu erwarten gewesen, dass die Vermittlungsbemühungen des Jugendamtes zum Erfolg führen würden. Die schnelle Einigung beim Jugendamt sei lediglich darauf zurückzuführen gewesen, dass das Gerichtsverfahren bereits eingeleitet und hierdurch Druck auf die Antragsgegnerin ausgeübt worden sei.

    Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Ein Beteiligter, der davon ausgehen müsse, die Kosten des Verfahrens (teilweise) tragen zu müssen, hätte vor Anrufung des Gerichts zunächst eine Beratung beim Jugendamt versucht.

    Der beim Senat zuständige Einzelrichter hat das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß §§ 76 Abs. 2 FamFG, 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO auf den Senat übertragen.

    Im parallel geführten Sorgerechtsverfahren ist der Verfahrenskostenhilfeantrag des Antragstellers ebenfalls vom Amtsgericht zurückgewiesen worden. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde ist beim Senat unter dem Aktenzeichen .../16 anhängig, hier wurde mit Beschluss vom heutigen Tage Verfahrenskostenhilfe bewilligt.

    II.

    Die gemäß §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

    Dem mittellosen Antragsteller ist für das erstinstanzliche Umgangsverfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, weil seine Rechtsverfolgung gemäß §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts nicht mutwillig war.

    Mutwillig ist die Rechtsverfolgung, wenn ein Beteiligter, der keine Verfahrenskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 2 ZPO).

    Mutwilligkeit ist zu bejahen, wenn ein einfacherer und billigerer Weg zum gleichen Erfolg führt. Er muss dem kostenaufwändigeren im Wesentlichen aber ganz gleichwertig sein. Mit schlechterem Rechtschutz braucht sich der Hilfebedürftige nicht zufrieden zu geben (Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 7. Aufl., S. 194 (Rn. 448) m.w.N.).

    In Umgangs- und Sorgerechtssachen ist in der Rechtsprechung und der Literatur umstritten, ob die Rechtsverfolgung mutwillig ist, wenn der Bedürftige vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens keinen Versuch einer außergerichtlichen Streitschlichtung unter Vermittlung des Jugendamtes unternommen hat. Letzteres wird zum Teil unter Hinweis auf die Subsidiarität und den Sozialhilfecharakter der Verfahrenskostenhilfe bejaht, so dass vom Hilfsbedürftigen immer zunächst zu verlangen sei, dass er die kostenfreien Angebote zur Erreichung seines Ziels wenigstens versuchsweise wahrgenommen habe, bevor er gerichtliche Hilfe in Anspruch nehme (OLG Köln FamRZ 2013, 1241; Markwardt, in: Johannsen/ Henrich, Familienrecht, 6. Auflage 2015, § 114 ZPO Rn. 28; Keuter, FamRZ 2009, 1891 f.).

    Nach anderer Auffassung soll es keinesfalls mutwillig im Sinne des § 114 ZPO sein, wenn ein Elternteil das Familiengericht anruft, ohne vorher die Beratung und Hilfe des Jugendamts in Anspruch genommen zu haben, weil dies nicht vorgeschrieben sei und die Erledigung verzögere (Zimmermann, in: Keidel, FamFG, 19. Auflage 2017, § 76 Rn. 17.). Es gebe keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine bemittelte Partei regelmäßig die außergerichtliche Streitschlichtung suchen werde. Es müsse deshalb grundsätzlich auch der bedürftigen Partei die Möglichkeit offen bleiben, sich nach eigenem Ermessen zwischen außergerichtlicher Streitschlichtung und gerichtlichem Verfahren zu entscheiden. Sei Letzteres gewählt, habe die Partei einen entsprechenden Rechtsgewährungsanspruch, auch wenn sie bedürftig sei (OLG Hamm FamFR 2011, 304; OLG Hamm NJW-RR 2011, 1577 [OLG Hamm 03.03.2011 - II-8 WF 34/11]).

    Nach einer vermittelnden Auffassung kann dem Hilfsbedürftigen zwar zunächst abverlangt werden, dass er die für ihn kostenfreien Angebote und Vermittlungsbemühungen des Jugendamtes zur Erreichung seines Zieles wenigstens versuchsweise wahrnehme, bevor er gerichtliche Hilfe in Anspruch nimmt. Nur soweit solche Bemühungen seitens des Jugendamtes bereits fehlgeschlagen oder erkennbar aussichtslos seien, könne die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe in Betracht kommen, da anderenfalls eine weitere Zeitverzögerung drohe (OLG Hamm FamRZ 2016, 1375; OLG Hamm NZFam 2015, 510; Brandenburgisches Oberlandesgericht FamRZ 2015, 1040; OLG Rostock FamFR 2011, 305; Viefhues, in: Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Auflage 2013, § 76 Rn. 55, jeweils m.w.N.).

    Nach einer anderen vermittelnden Auffassung soll es nicht grundsätzlich mutwillig sein, einen Antrag beim Familiengericht zu stellen, ohne zuvor die Beratung und Unterstützung durch das Jugendamt nachgesucht zu haben. Nur wenn nach den konkreten Umständen im Einzelfall aussichtsreiche Möglichkeiten einer vorgerichtlichen Verständigung bestanden, die jedoch nicht genutzt wurden, könne die Inanspruchnahme des Familiengerichts als mutwillig angesehen werden (OLG Karlsruhe NJW 2016, 1522 [OLG Karlsruhe 07.01.2016 - 20 WF 209/15]; Hennemann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 1684 Rn. 100).

    Der Senat vertritt die Auffassung, dass es jedenfalls nicht grundsätzlich mutwillig ist, das Familiengericht ohne vorherige Inanspruchnahme des Jugendamtes anzurufen. Zwar steht den Eltern gemäß § 18 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII ein Recht auf kostenlose Beratung und Unterstützung durch das Jugendamt zu. Hieraus folgt aber keine grundsätzliche Pflicht zur vorgerichtlichen Beratung oder Streitschlichtung beim Jugendamt, bevor der mittellose Umgangsberechtigte das Familiengericht einschalten kann. Derartiges sieht das Verfahrensrecht ausdrücklich nicht vor und eine solche Pflicht ergibt sich auch nicht daraus, dass den Eltern im Rahmen ihrer elterlicher Verantwortung die Pflicht auferlegt ist, sich unter Beachtung des Kindeswohles zu einigen, § 1627 S. 2 BGB (so aber Keuter, a.a.O.). Auch für kostenarme Beteiligte besteht keine Pflicht zur außergerichtlichen Verständigung unter Aufgabe berechtigter Vorstellungen. Zu beachten ist zudem, dass eine Pflicht zur vorgerichtlichen Inanspruchnahme des Jugendamtes Verzögerungen zur Folge haben kann, die dem Beschleunigungsgrundsatz (§ 155 FamFG) zuwiderlaufen. Überdies bietet allein das familiengerichtliche Verfahren einen effektiven Rechtsschutz. Beratungs- und Hilfemöglichkeiten des Jugendamtes können nämlich versagen, wenn der Antragsteller die Durchsetzung seiner Rechte gegen den expliziten Willen des anderen Elternteils anstrebt. Im Einzelfall kann zweifelhaft sein, ob die Beratung und eine (oft im Wege einer Elternvereinbarung erzielte) Einigung der Eltern über Umgänge beim Jugendamt überhaupt eine "andere Möglichkeit" im Sinne des § 114 Abs. 2 ZPO darstellt, selbst wenn sie zustandekommt. Denn eine derartige Vereinbarung bleibt in Ermangelung einer gerichtlichen Durchsetzbarkeit nach §§ 88 ff. FamFG in ihren Möglichkeiten zu Gunsten des umgangsberechtigten Elternteils beschränkt und kommt daher vor allem dann in Betracht, wenn die Umgangsgewährungsbereitschaft des betreuenden Elternteils sich als tatsächlich vorhanden erweist. Es besteht auch kein genereller Erfahrungssatz des Inhalts, dass Vermittlungsbemühungen des Jugendamts stets Aussicht auf Erfolg in angemessener Zeit bieten, so dass eine bemittelte Partei vernünftigerweise stets vor der Inanspruchnahme von gerichtlicher Hilfe die Beratung des Jugendamts suchen würde. Vielmehr kann die Entscheidung für eine sofortige Inanspruchnahme des familiengerichtlichen Verfahrens durchaus auf billigenswerten Erwägungen beruhen. Somit sprechen gewichtige Gründe dafür, dass grundsätzlich auch der bedürftigen Partei zuzugestehen ist, sich zwischen der außergerichtlichen Vermittlung und dem gerichtlichen Verfahren zu entscheiden (ebenso OLG Karlsruhe NJW 2016, 1522 - 1523 [OLG Karlsruhe 07.01.2016 - 20 WF 209/15], Rn. 10).

    Daraus folgt aber nicht, dass die Anrufung des Familiengerichts bei unterbliebener Inanspruchnahme des Jugendamtes unter keinen Umständen mutwillig sein kann, wie die Gegenauffassung meint. Ein derartiges Rechtsverständnis kann mit der gesetzlichen Regelung zur Mutwilligkeit (§ 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO) nicht in Einklang gebracht werden und übersieht, dass es in Kindschaftsverfahren durchaus Fallkonstellationen gibt, in denen die sofortige Anrufung des Familiengerichts ohne vorherige außergerichtliche Bemühungen (insbesondere über das Jugendamt) als mutwillig angesehen werden kann. Hierbei ist insbesondere zu beachten, dass durch die vorherige Einschaltung des Jugendamtes eine Vermittlung zwischen den Eltern bereits auf einer deutlich niedrigeren Eskalationsstufe erfolgen und unter Umständen sogar einer Beschleunigung dienen kann (OLG Hamm FamRZ 2016, 1375, Rn. 11 m.w.N.; Viefhues, in: Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Auflage 2013, § 76 Rn. 56). Je nach Personalsituation gibt es Jugendämter, deren Fachkräfte besonders kompetent sind, Streitigkeiten zwischen Eltern in verhältnismäßig kurzer Zeit einer vernünftigen Lösung zuzuführen. Auch wenn keine Pflicht zur außergerichtlichen Einigung besteht, so kann doch die tatsächliche Einigungsbereitschaft eines Elternteiles zur Annahme der Mutwilligkeit des Verfahrenskostenhilfegesuchs aus anderen Gründen führen, denn ein reines "Titulierungsinteresse" an einem freiwillig gewährten, überwiegend unproblematisch und reibungslos funktionierenden Umgang mit dem eigenen Kind kann auch nach Auffassung des Senats die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nicht rechtfertigen.

    Aus diesen Gründen neigt der Senat den vermittelnden Auffassungen zu, wobei eine Festlegung auf eine der beiden vermittelnden Auffassungen unterbleiben kann, da beide auf ähnliche Ergebnisse hinauslaufen. Grundsätzlich sind nach Auffassung des Senates bei der Prüfung der Mutwilligkeit nicht nur die oben dargestellten allgemeinen Erwägungen zu beachten, die für oder gegen die Annahme einer Mutwilligkeit sprechen können. Entscheidend kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an, die gegebenenfalls gegeneinander abgewogen werden müssen.

    Hierbei muss mit der nötigen Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden können, dass eine außergerichtliche Verständigung (etwa beim Jugendamt) zustande gekommen wäre. Keinesfalls darf die Verweigerung der Verfahrenskostenhilfe zu einer reinen Sanktion dagegen werden, dass der antragstellende Elternteil die Beratung und die Hilfe des Jugendamtes vorgerichtlich nicht in Anspruch genommen hat (ähnlich OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1712). Dabei ist auch auf den konkreten Kontext einer beantragten Umgangsregelung abzustellen, denn Mutwilligkeit lässt sich in den unterschiedlichen denkbaren Konstellationen eines Erstantrages, eines Folgeantrages mit dem Ziel einer gegebenenfalls moderaten Ausdehnung oder Abänderung getroffener Regelungen oder gar eines Umgangsausschlussantrags nicht einheitlich beurteilen. Das Konfliktniveau zwischen den Eltern kann ebenso von Bedeutung sein wie ein möglicher enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Trennung und der sofortigen Inanspruchnahme des Familiengerichts. Andererseits kann die Angelegenheit so wichtig und eilbedürftig sein, dass es unzumutbar sein kann, zunächst eine Lösung über das Jugendamt zu versuchen. Zumindest im Regelfall wird man allerdings verlangen müssen, dass der Anspruchsteller den anderen Elternteil wenigstens einmal außergerichtlich aufgefordert haben muss, seinem Ansinnen zu entsprechen. Deshalb dürfte es durchaus mutwillig sein, unvermittelt einen Antrag auf gerichtliche Umgangsregelung zu stellen, ohne zuvor überhaupt Kontakt zum anderen Elternteil mit dem Ziel einer außergerichtlichen Regelung des Umgangs zu suchen (ebenso OLG Karlsruhe NJW 2016, 1522 [OLG Karlsruhe 07.01.2016 - 20 WF 209/15]).

    Nach diesen Grundsätzen war die Rechtsverfolgung in dem vorliegenden Umgangsverfahren nicht mutwillig. Vorliegend konnte die Inanspruchnahme der Beratung durch das Jugendamt nicht als aussichtsreiche Möglichkeit einer vorgerichtlichen oder außergerichtlichen Verständigung angesehen werden. Bereits die in der Vergangenheit beim Jugendamt erzielten Einigungen hatten sich nie als dauerhaft belastbar erwiesen. Überdies hatte die Antragsgegnerin das außergerichtliche Schreiben des Antragstellers vom 22.12.2015 zurückgewiesen und lediglich einen begleiteten Umgang beim Jugendamt in Aussicht gestellt. Zusätzlicher Streitstoff war entstanden, indem die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Schreiben vom 2.2.2016 der sexuellen Nötigung bezichtigte. Vor diesem Hintergrund war es aus Sicht des Antragstellers aussichtslos, dass sich die Beteiligten beim Jugendamt auf den Umgang verständigen würden und die Antragsgegnerin darüber hinaus sogar noch die elterliche Mitsorge für das Kind einräumen würde. Diese Entwicklung war nicht als wahrscheinlich vorauszusehen, so dass die Inanspruchnahme des Familiengerichtes nicht als mutwillig eingestuft werden kann.

    Damit ist der sofortigen Beschwerde stattzugeben und dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen. Aufgrund der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage ist ihm weiterhin gemäß § 78 Abs. 2 FamFG seine Verfahrensbevollmächtigte beizuordnen.

    RechtsgebieteFamFG, ZPOVorschriftenFamFG § 76; ZPO § 114