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  • 23.03.2023 · IWW-Abrufnummer 234357

    Oberlandesgericht Oldenburg: Beschluss vom 14.11.2022 – 11 UF 187/22

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    OBERLANDESGERICHT  OLDENBURG

    B e s c h l u s s

    11 UF 187/22
    18 F 110/21 AD Amtsgericht Bersenbrück    Erlassen am 21.11.2022

    In der Familiensache

    1) AA, Ort1,
    Anzunehmender / Beschwerdeführer,

    2) BB, geb. CC, Ort1,
    Annehmende / Beschwerdeführerin

    3) DD, Ort1,
    Annehmender / Beschwerdeführer

    Verfahrensbevollmächtigte zu 1-3:
    (...),
    Geschäftszeichen: (...)

    hat der 11. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht (...), die Richterin am Oberlandesgericht (...) und den Richter am Oberlandesgericht (...)

    am 14. November 2022 beschlossen:

    1. Die Beschwerde der Beteiligten vom 21.09.2022 gegen den Beschluss des Amtsgerichtes ‒Familiengerichtes- Bersenbrück vom 16.08.2022, 18 F 110/21 AD, wird als unbegründet zurückgewiesen.
    2. Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beteiligten zu 1) bis 3) je zu 1/3, im Übrigen findet eine Erstattung von Kosten nicht statt.
    3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

    Gründe:

    I.
    Dem Beschwerdeverfahren gegenständlich ist die beabsichtigte Annahme des Beteiligten zu 1) durch die Beteiligten zu 2) und 3). Die Beteiligten sind deutsche Staatsangehörige, bei den Beteiligten zu 2) und 3) handelt es sich um die Urgroßeltern des Anzunehmenden. Nach den Angaben der Beteiligten besteht ein enges und qualitativ gutes familiäres Verhältnis zwischen den Beteiligten, der Anzunehmende unterhält auch engen Kontakt zu seiner leiblichen Mutter.

    Das Amtsgericht Bersenbrück hat den Antrag auf Annahme durch Beschluss vom 16.08.2022 (Bl. 35ff) abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es insbesondere ausgeführt, eine sittliche Rechtfertigung für die beantragte Annahme liege nicht vor. Zwischen den Beteiligten bestehe bereits ein verwandtschaftliches Verhältnis, dieses nun in ein Eltern-Kind-Verhältnis umzuwandeln, sei ein unnötiger Eingriff in das bestehende und gelebte familiäre Gefüge. Die geäußerte Absicht, sich gegenseitig zu unterstützen und die Erbfolge regeln zu wollen, führe nicht zu einer anderen Bewertung. Dies lasse sich auch innerhalb des bestehenden Familienverbundes bewerkstelligen.

    Gegen die erstinstanzliche Entscheidung wenden sich die Beteiligten mit ihrer Beschwerde vom 21.09.2022 (Bl. 44ff). Zur Begründung des Rechtsmittels führen die Beteiligten insbesondere aus, es bestehe ein sehr gutes und enges familiäres Verhältnis, welche alle Voraussetzungen für ein Eltern-Kind-Verhältnis aufweise. Das gute Verhältnis zwischen dem Anzunehmenden und seiner Mutter spreche nicht gegen die beantragte Annahme, zumal die Mutter dieser zugestimmt habe. Auch die Umwandlung der bestehenden Verwandtschaftsverhältnisse sei unkritisch, vielmehr bei Adoptionen unter Verwandten typisch. Der Anzunehmende werde durch die Adoption auch nicht zum Vater seiner Mutter, sondern allenfalls zu einem Onkel. Dem erstinstanzlichen Antrag sei daher stattzugeben.

    II.
    Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Senat hat auf die fehlenden Erfolgsaussichten des Rechtsmittels bereits durch Verfügung vom 20.10.2022 (Bl. 54f) hingewiesen. In diesem Hinweis hat der Senat das Folgende ausgeführt:

    Das Rechtsmittel ist in der Sache ohne Aussicht auf Erfolg, mithin unbegründet. Wie das Amtsgericht in seinem Beschluss vom 16.08.2022 zu Recht ausgeführt hat, ist eine sittliche Rechtfertigung für die beantragte Annahme insbesondere vor dem Hintergrund der bestehenden Verwandtschaftsverhältnisse nicht ersichtlich.
    Die Annahme eines Volljährigen als Kindes ist nach § 1767 Abs. 1 BGB dann zulässig, wenn diese sittlich gerechtfertigt ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist. Besteht ein Eltern-Kind-Verhältnis noch nicht, muss eine so starke innere Verbundenheit vorhanden sein, die eine Verfestigung hin zu einem tatsächlichen Eltern-Kind-Verhältnis erwarten lässt (vgl. Götz in Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 1767 Rdn. 4).

    Hierbei sind die Motive der Beteiligten eingehend und von Amts wegen zu prüfen und gegeneinander abzuwägen. Das Entstehen einer Eltern-Kind-Beziehung muss als Hauptzweck deutlich überwiegen, wobei es unschädlich ist, wenn weitere Nebenzwecke bestehen. Führt diese Gesamtabwägung zu begründeten Zweifeln, gehen diese zulasten der Annahme (vgl. BayObLG, Beschluss vom 21.05.1985, 1 Z 30/85 in NJW 1985, 2094; OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.02.1999, 20 W 190/88, juris Rdn. 2). Hierbei soll nach dem Willen des Gesetzgebers eine Volljährigenadoption zur Verhinderung von Missbrauch nur „in wirklichen Ausnahmefällen“ genehmigt werden (Braun in Behrentin, Handbuch Adoptionsrecht, 2017, Rdn. 748).  

    Für die Annahme einer Eltern-Kind-Beziehung sind Gemeinsamkeiten, familiäre Bindungen und innere Zuwendung erforderlich, wie sie zwischen Eltern und erwachsenen Kindern typischerweise vorliegen, insbesondere ein enger persönlicher Kontakt und die Bereitschaft zu dauerhaftem gegenseitigem Beistand, gegebenenfalls in Verbindung mit wirtschaftlicher Hilfe. Es muss sich um ein solches Maß an innerer Verbundenheit zwischen den Beteiligten handeln, dass sich die Beziehung klar von einer guten Bekanntschaft oder engen Freundschaft abhebt und in die Nähe einer echten, gelebten Beziehung zwischen einem Elternteil und dessen erwachsenem Kind rückt (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 21.03.2017, 1 UF 139/16, juris Rdn.17).

    Anhaltspunkte für eine enge Eltern-Kind-Beziehung sind insbesondere die Integration in das familiäre Beziehungsgeflecht, ein gewachsenes, gegenseitiges Grundvertrauen, gegenseitiges Einbeziehen in wichtige Angelegenheiten in angemessener Weise, die auf Dauer angelegte Bereitschaft zum gegenseitigen Beistand, Vorliegen eines Altersabstandes, welcher dem zwischen Eltern und leiblichen Kindern entspricht (natürliche Generationenfolge), persönlicher Umgang der Beteiligten wie Besuche an größeren Festen, Geburtstagen und Mitteilung wichtiger Familienereignisse und die gegenseitige Unterstützung bei Krankheit und wirtschaftlichen Schwierigkeiten.

    Indizien, die gegen eine enge Eltern-Kind-Beziehung sprechen sind insbesondere ein sehr hoher oder sehr geringer Altersunterschied, der einer üblichen Generationenfolge widerspricht, lediglich freundschaftliche oder kollegiale Beziehung, Schwierigkeiten in der sprachlichen Verständigung, Zugehörigkeit zu verschiedenen Kulturkreisen, fehlende Kenntnis der persönlichen Lebensumstände des anderen, Einbindung des Anzunehmenden in eine intakte Familie, aufenthaltsrechtliche/ staatsangehörigkeitsrechtliche Motive, Einsetzung des Annehmenden als günstige Haushalts- oder Pflegekraft, erbrechtliche Konsequenzen (Ersparnis von Erbschaftssteuer) (vgl. zu den positiven und negativen Indizien jeweils mwN: Müller, Adoptionsrecht in der Praxis, 3. Aufl., 2016, Rdn. 96 ff.; Braun in Behrentin, aaO, Rdn. 760 ff.; OLG Braunschweig, aaO Rdn. 17).

    Vorliegend verbleiben Zweifel an dem Vorliegen einer sittlichen Rechtfertigung. Zwar ist nach der Schilderung der Beteiligten von einem sehr engen Verhältnis zwischen den Annehmenden und dem Anzunehmenden auszugehen, auch im Zeitraum des Aufwachsens des Anzunehmenden. Dies ist aber für die Annahme einer sittlichen Rechtfertigung gerade nicht hinreichend, das Amtsgericht hat daher zu Recht die beantragte Annahme abgelehnt.
    Es besteht ein natürliches Verwandtschaftsverhältnis, aus dem heraus die Beteiligten sich unterstützen und helfen können, das Verhältnis des Anzunehmenden zu seiner eigenen Mutter ist intakt, das vorliegende Familiengefüge würde gewissermaßen auf den Kopf gestellt, würde nun der Anzunehmende als Kind seiner Urgroßeltern gelten, mithin der Generation der Eltern seiner eigenen Mutter angehören (ob nun als Vater seiner Mutter oder, so die Beschwerdebegründung, als Onkel seiner Mutter). Der Anzunehmende selbst hat im Rahmen seiner Anhörung dazu auch eindeutig ausgeführt, die Annehmenden seien für ihn „Oma und Opa“ gewesen. Eindeutig sind also die Annehmenden für den Anzunehmenden nicht an die Stelle seiner Eltern getreten, vielmehr habe sie ihre Unterstützungsleistungen aus dem bereits bestehenden Verwandtschaftsverhältnis heraus erbracht.
    Aus der Anhörung der Beteiligten vom 18.05.2022 (Bl. 32ff) ergeben sich zudem Anhaltspunkte dafür, dass es vorwiegend um eine günstige Regelung des Nachlasses gehen soll.

    Das Rechtsmittel hat insgesamt daher ganz offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
    Der Hinweis wurde den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten am 24.10.2022 (Bl. 57) zugestellt. Eine inhaltliche Stellungnahme ist innerhalb der den Beteiligten gesetzten Frist nicht eingegangen. Der Senat hält auch nach nochmaliger Beratung der Angelegenheit an seiner bereits dargelegten Auffassung fest.

    III.
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG, die Festsetzung des Verfahrenswertes folgt aus § 40 Absatz 1, § 42 Absätze 2 und 3 FamGKG.