06.09.2023 · IWW-Abrufnummer 237232
Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Urteil vom 27.07.2023 – 1 U 6/21
Zur Haftung des Jugendamts als Amtspfleger bei unangemessener Fremdunterbringung eines Kindes
Tenor
Auf die Berufung des Klägers zu 1 wird das das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25.11.2020 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1 3.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 22.1.2020 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger zu 1 allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger zu 1 aus der Inobhutnahme des Klägers zu 1 für die Zeit vom 11.1.2017 bis 15.4.2017 noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.
Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger zu 1 von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Dres. A, B, C & Kollegen in Höhe von 973,65 € freizustellen.
Die weitergehende Berufung des Klägers zu 1 wird zurückgewiesen und seine weitergehende Klage abgewiesen.
Die Berufung des Klägers zu 2 gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25.11.2020 wird zurückgewiesen.
Von den gerichtlichen Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 1 46%, der Kläger zu 2 42% und die Beklagte 12% zu tragen.
Von den außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits haben zu tragen:
der Kläger zu 1 46% der Auslagen der Beklagten,
der Kläger zu 2 42% der Auslagen der Beklagten,
die Beklagte 20% der Auslagen des Klägers zu 1.
Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Auslagen selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger und die Beklagte können die Vollstreckung der jeweiligen Gegenseite gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Gegenseite vor Beginn ihrer Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils vollstreckten Betrags leistet.
Gründe
I.
Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung von Schmerzensgeld, Feststellung einer Freistellungs- und Schadensersatzpflicht und Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten wegen einer Inobhutnahme des Klägers zu 1 in Anspruch.
Der am XX.XX.2010 geborene Kläger zu 1 ist der Sohn des Klägers zu 2. Die getrenntlebenden Eltern stritten um das Sorgerecht. Der Kläger zu 1 lebte bei seiner Mutter in Stadt1 und hatte regelmäßigen Umgang mit dem Kläger zu 2, der in Stadt2 wohnt. Der Kläger zu 2 teilte dem Jugendamt der Beklagten Ende November 2016 mit, dass der Kläger zu 1 ihm bei einem Wochenendbesuch mitgeteilt habe, dass seine Mutter ihn geschlagen habe. Am 28.11.2016 erhielt das Jugendamt ein diesbezügliches ärztliches Attest. In dem Sorgerechtsverfahren hatte der gerichtlich bestellte Sachverständige Q unter dem 15.11.2016 ein Gutachten erstellt (Bl. 155 ff. der Beiakte ... AG Stadt1, im Folgenden: BA I). Für den 30.11.2016 war bei dem Amtsgericht - Familiengericht Stadt1 ein Termin zur mündlichen Verhandlung über die Sorgerechtsanträge der Eltern des Klägers bestimmt. Mitarbeiter des Jugendamtes der Beklagten nahmen an diesem Tag vor der Verhandlung den Kläger zu 1 in Obhut, indem sie ihn von der Schule abholten. Er wurde in der Folgezeit in einem Kinderheim in Stadt3 untergebracht und besuchte dort auch die Schule.
Im Rahmen der Verhandlung am 30.11.2016 stimmten beide Eltern einer Inobhutnahme des Klägers zu 1 durch das Jugendamt der Beklagten zu, der Kläger zu 2 mit dem Vorbehalt, dass der Kläger zu 1 sich nicht längere Zeit in der Obhut aufhalten solle, und beantragten die Übertragung des Sorgerechts jeweils auf sich, notfalls Bestellung eines Ergänzungspflegers hinsichtlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts (Protokoll der Sitzung des Familiengerichts vom 30.11.2016, Bl. 304 der Beiakte ... AG Stadt1, im Folgenden: BA I). Das Familiengericht beauftragte den Sachverständigen, mit dem Kläger zu 1 ein ergänzendes Gespräch zu führen und seine Begutachtung alsdann zu ergänzen. Am 10.12.2016 erstattete der Sachverständige seine ergänzende Stellungnahme (Bl. 307 BA I).
Mit Beschluss vom 1.12.2016 (Bl. 1 der Beiakte ..., im Folgenden: BA II) übertrug das Familiengericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht bezüglich des Klägers zu 1 von seinen Eltern auf das Jugendamt der Beklagten. Die durch das Jugendamt bestimmte Pflegerin stimmte der weiteren Inobhutnahme zu.
Der Kläger zu 2 und die Mutter des Klägers zu 1 widerriefen ihre Einwilligung in die Inobhutnahme des Klägers zu 1 am 19.12.2016. Mit der einstweiligen Anordnung vom 20.12.2016 hat das Familiengericht den Beschluss vom 1.12.2016 nach gutachterlicher Anhörung und Einholung von Stellungnahmen aufrechterhalten und aufgrund einer angenommenen Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB erweitert (Bl. 145 ff. BA II).
Die Ehe des Klägers zu 2 mit der Mutter des Klägers zu 1 wurde am 11.1.2017 geschieden.
Am 11.1.2017 verhandelte das Familiengericht über die Sorgerechtsanträge und hörte den Sachverständigen Q an (Bl. 463 ff. BA I). Mit Beschluss vom 8.2.2017 wies das Familiengericht die Sorgerechtsanträge zurück und übertrug das Aufenthaltsbestimmungsrecht und weitere Teile des Sorgerechts auf das Jugendamt (Bl. 651 BA I). Hiergegen haben der Kläger zu 2 und die Mutter des Klägers zu 1 Beschwerde eingelegt.
Mit Beschluss vom 12.4.2017 setzte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main nach persönlicher Anhörung des Klägers zu 1 die Vollziehung des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 8.2.2017 vorläufig aus (Anhörungsprotokoll Bl. 72 ff., Beschluss vom 12.4.2017 Bl. 112 der Beiakte ...). Der Kläger zu 1 wurde am 15.4.2017 an die Kindesmutter herausgegeben.
Das Oberlandesgericht beauftragte im Sorgerechtsverfahren die Sachverständige X mit der Erstattung eines neuen Gutachtens, das unter dem 10.10.2017 erstellt und unter dem 23.1.2018 ergänzt wurde (Sonderband Gutachten zu BA I). Mit Beschluss vom 26.7.2018 hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main den Beschluss vom 8.2.2017 aufgehoben und die alleinige elterliche Sorge für den Kläger zu 1 auf den Kläger zu 2 übertragen (Bl. 1411 ff. BA I). Der Kläger zu 1 lebt seitdem bei seinem Vater.
Mit Bescheid vom 26.2.2019 (Anlage B 1) setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger zu 2 den für die Inobhutnahme zu leistenden Kostenbeitrag auf insgesamt 10.808,51 EUR fest. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers zu 2 ist bislang nicht entschieden.
Die Kläger machen geltend, dass die Mitarbeiter des Jugendamtes der Beklagten bei der Inobhutnahme pflichtwidrig gehandelt hätten. Die Mitarbeiter hätten zunächst den relevanten Sachverhalt unzureichend und unvollständig ermittelt. Dies gelte insbesondere bei der Abfassung oder Einreichung des entsprechenden Antrags bei dem Familiengericht. Die Mitarbeiter der Behörde der Beklagten hätten auch gegen ihre Pflicht verstoßen, das ihnen eingeräumte Ermessen bei der Antragstellung pflichtgemäß auszuüben und hierbei den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Die Ausgestaltung des Umgangs des Klägers zu 1 mit dem Kläger zu 2 während der Inobhutnahme sei unzureichend gewesen.
Die Kläger erachten die Zahlung eines Schmerzensgeldes für jeden Monat der Trennung des Klägers zu 1 von seinen Eltern in Höhe von 10.000,- € monatlich für den Kläger zu 1 und in Höhe von 4.000,- € monatlich für den Kläger zu 2 für angemessen. Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 1 die Trennung von seinen Eltern als dramatisch empfunden habe und dass das Jugendamt und auch die Einrichtung, in der der Kläger zu 1 untergebracht wurde, die Eltern aufforderten nicht einmal anzurufen, dass diese abgewimmelt wurden und dass von dem Kläger zu 2 zu Weihnachten zugesandte Weihnachtsgeschenke nicht übergeben worden seien.
Da nicht abschließend absehbar sei, welche gesundheitlichen Schäden der Kläger zu 1 aus dem Vorgang erlitten habe, sei ein entsprechender Feststellungsantrag erforderlich. Dem Kläger zu 2 stehe weiterhin ein Anspruch auf Ersatz der materiellen Schäden, insbesondere aber Freistellung von dem Kostenbeitrag gemäß § 91 ff. SGB VIII, zu.
Die Beklagte macht geltend, die Mitarbeiter ihres Jugendamtes hätten pflichtgemäß gehandelt. Im Hinblick auf das hoch streitige Sorgerechtsverfahren und auf Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Q in seinem Gutachten vom 14.11.2016 sei nach der Mitteilung über die Gewaltanwendung gegenüber dem Kläger zu 1 und nach der Vorlage eines entsprechenden Arztberichtes eine Inobhutnahme zwingend erforderlich gewesen. Nach Mitteilungen des Sachverständigen und der Verfahrenspflegerin habe sich die Inobhutnahme für den Kläger zu 1 auch positiv ausgewirkt. In der Zeit der Inobhutnahme hätten auch Umgänge mit dem Kläger zu 2 stattgefunden.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands und wegen des Wortlauts der in erster Instanz zuletzt gestellten Anträge Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass ein amtspflichtwidriges Vorgehen der Mitarbeiter der Beklagten nicht dargelegt worden sei. Eine Antragstellung gemäß § 42 Abs. 3 S. 2 SGB VIII sei nicht erforderlich gewesen, da die Mitarbeiter die Personensorgeberechtigten unmittelbar nach der erfolgten Inobhutnahme informiert hätten und die Eltern dieser auch zugestimmt hätten. Durch die familiengerichtliche Entscheidung vom 1. Dezember 2016 sei eine neue Kausalkette in Gang gesetzt worden, welche die Inobhutnahme durch das Jugendamt der Beklagten überholt habe. Aus dem Vorbringen der Kläger lasse sich unter Berücksichtigung des unbestrittenen Vorbringens der Beklagten auch keine rechtswidrige Abschottung des Klägers in Bezug auf einen Umgang mit seinen Eltern entnehmen. Da schon vor der Inobhutnahme ein Sachverständigengutachten und eine Stellungnahme der Verfahrenspflegerin vorgelegen hätten, die sich gegen einen Verbleib des Klägers zu 1 bei seinem Vater ausgesprochen hätten, könne dem Jugendamt nicht vorgeworfen werden, den Antrag des Klägers zu 2 auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts nicht unterstützt zu haben. Abschließend hat das Landgericht in dem in Kammerbesetzung ergangenen Urteil ausgeführt, es könne in dem Vorgehen der Mitarbeiter der Beklagten keine Fehler erkennen.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit der eingelegten Berufung und verfolgen die ursprünglichen Klageanträge weiter. Sie machen geltend, dass entgegen der Auffassung des Landgerichts die Inobhutnahme des Klägers zu 1 einen grundrechtswidrigen massiven Eingriff in die Grundrechte des Klägers zu 1 und seiner Eltern darstelle. Der Kläger zu 2 sei auch vorrangig zur Betreuung des Kindes prädestiniert und zu berücksichtigen gewesen. Das Landgericht habe seine Tatsachenfeststellungen nicht richtig und vollständig getroffen. Das Landgericht habe sich zu Unrecht nicht mit der Frage beschäftigt, ob die Inobhutnahme selbst berechtigt gewesen sei. Das Jugendamt der Beklagten habe den Kläger zu 2 auch unmittelbar dahingehend beraten müssen, dass er den Kläger zu 1 gar nicht zurück nach Stadt1 gebe. Es habe den Kläger zu 1 zwar aus der Obhut der Kindesmutter nehmen, aber unmittelbar den Vater verständigen und ihn das Kind abholen lassen müssen. Die fehlerhafte Inobhutnahme des Klägers zu 1 sei noch dadurch bestärkt worden, dass der Antrag bei Gericht gestellt und damit begründet wurde, dass der Kläger zu 1 in der Einrichtung verbleiben müsse, nachdem beide Eltern ihre zunächst erteilte Zustimmung widerrufen hätten. Der Kläger zu 1 sei auch nach der Inobhutnahme von den Mitarbeitern der Beklagten abgeschottet worden. Das Landgericht habe entschieden, ohne im Vorfeld einen einzigen Hinweis zu erteilen, ohne im Termin zur mündlichen Verhandlung einen Hinweis zu erteilen und habe auch eine Güteverhandlung nicht einmal versucht. Der Kläger zu 2 habe mit dem Kläger zu 1 für ca. 2 Wochen nach der Inobhutnahme gar keinen Kontakt gehabt, danach seien 3 Wochen lang sporadisch kurze Telefonate möglich gewesen. Anschließend sei ein 14-tägiger Umgang von 2 Stunden, erstmals am 21.12.2016 möglich, gewesen.
Die Kläger beantragen:
1. Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (2-04 O 448/19) vom 25.11.2020 wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass der Kläger zu 2 von der Beklagten von einem Kostenbeitrag aus §§ 91-94 SGB VIII für die Inobhutnahme des Klägers zu 1 für den Zeitraum 30.11.2016 bis 15.4.2017 freizustellen ist, hilfsweise der Beklagten hierzu nichts schuldet.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger zu 1 allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger zu 1 aus der Inobhutnahme des Klägers zu 1 für die Zeit vom 30.11.2016 bis 15.4.2017 noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1 ein Schmerzensgeld nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszins hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen, das ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2 ein Schmerzensgeld nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszins hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen, das ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
6. Die Beklagte wird verpflichtet, die Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Dres. A, B, C & Kollegen i.H.v. 2733,67 EUR freizustellen.
Die Beklagte beantragt:
Die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertritt insbesondere im Hinblick auf die rechtlichen Hinweise des Senats vom 19.1.2023 die Auffassung, dass es bei einer auf § 1666 BGB gestützten Maßnahme, nämlich der Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und seiner Übertragung auf das Jugendamt, nicht in Betracht komme, dass das Jugendamt eine der gerichtlichen Entscheidung zuwiderlaufende Regelung treffe und das Kind in die Obhut eines Elternteils gebe. Es bestehe auch keine Verpflichtung zu weiteren Ermittlungen, weil diese vom Familiengericht vorgenommen würden. Da das erstinstanzliche Urteil in Kammerbesetzung ergangen sei und eine Pflichtverletzung des Jugendamts nicht festgestellt habe, könne auch ein schuldhaftes Verhalten des Jugendamts nicht angenommen werden.
II.
Die Berufung des Klägers zu 1 ist zum Teil begründet. Dem Kläger zu 1 steht ein Anspruch auf Entschädigung wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu. Wegen dieses Haftungstatbestandes ist auch der Antrag auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz künftiger Schäden berechtigt. Außerdem steht dem Kläger zu 1 ein Anspruch auf Freistellung von den Kosten vorgerichtlicher Rechtsverfolgung zu.
Entgegen dem von den Klägern vertretenen Standpunkt stellte die Inobhutnahme des Klägers zu 1 anfangs keine schuldhafte Amtspflichtverletzung dar. Dem Jugendamt kann auch nicht vorgeworfen werden, den Kläger zu 2 unzureichend beraten zu haben oder im familiengerichtlichen Verfahren sachwidrige Anträge gestellt zu haben.
Soweit die Kläger meinen, das Jugendamt habe im Vorfeld der gerichtlichen Entscheidungen vom 1. bzw. 20.12.2016 den Sachverhalt unzulänglich ermittelt bzw. es habe mit einer verfehlten Antragstellung die gerichtliche Entscheidung maßgeblich beeinflusst, trifft das nicht zu. Das Amtsgericht hatte denselben Erkenntnisstand wie alle Verfahrensbeteiligten. Es hat die Beteiligten einschließlich der Verfahrenspflegerin am 30.11.2016 und am 11.1.2017 angehört. Es hat das Gutachten des Sachverständigen Q und dessen Ergänzung vom 8.12.2016 berücksichtigt und den Kläger zu 1 persönlich angehört. Der von den Klägern ohnehin ohne nähere Einzelheiten erhobene Vorwurf, das Jugendamt habe den Sachverhalt, also insbesondere die für einen Aufenthalt des Klägers zu 1 bei dem Kläger zu 2 sprechenden Umstände, dem Gericht nicht hinreichend unterbreitet, trifft daher nicht zu. Das Jugendamt hat auch keinerlei Anträge gestellt. Dieses Vorbringen der Kläger hat in den Verhandlungsprotokollen des Familiengerichts und den zum Verfahren eingereichten Schriftsätzen keine Grundlage. Selbst wenn es anders wäre, bliebe für die gerichtliche Entscheidung das Familiengericht verantwortlich. Die von den Klägern geltend gemachte Prägung des Verfahrensgangs durch die als weichenstellend angesehene Inobhutnahme durch das Jugendamt besteht bei rechtlicher Bewertung nicht. Die Verantwortung für die Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht lag unabhängig von der vorhergehenden Inobhutnahme bei dem Familiengericht. Über die Frage, ob die Inobhutnahme aufrechterhalten werden soll, haben die Beteiligten am 30.11.2016 verhandelt. Die Eltern des Klägers haben der Inobhutnahme zunächst, wenn auch mit zeitlichen Vorbehalten, zugestimmt und diese Zustimmung erst am 19.12.2016 widerrufen. Daher war, unabhängig von der unmittelbar folgenden Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, die Fortdauer der Inobhutnahme zunächst auch legitimiert durch das Einverständnis der Eltern in der Verhandlung am 30.11.2016. Die sich am 1.12.2016 anschließende Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf das Jugendamt war für die Fortdauer der Inobhutnahme nicht kausal, weil die Eltern zunächst noch einverstanden waren. Auf den kurzen Zeitraum vom Beginn der Inobhutnahme am Vormittag des 30.11.2016 bis zum Einverständnis der Eltern bei der Verhandlung am 30.11.2016 kommt es für die vorliegende Klage ohnehin nicht an. Denn die hier erhobenen Ansprüche haben ihre Wurzel in der Dauer der Inobhutnahme und nicht darin, dass diese am 30.11.2016 kurze Zeit vor der Verhandlung begonnen hat.
Soweit die Kläger geltend machen, dass das Jugendamt den Kläger zu 2 dahingehend habe beraten müssen, dass er den Kläger zu 1 nicht an die Kindesmutter herausgeben soll, nachdem dieser ihm von Schlägen seiner Mutter berichtet hatte, trifft das nicht zu. Auf die bloße Schilderung der Angaben des Klägers zu 1 musste das Jugendamt einen solchen Rat nicht geben. Denn jedenfalls durfte das Jugendamt seine Gefährdungseinschätzung von dem Inhalt des ärztlichen Attests, dessen Übersendung erst am Montag, dem 28.11.2016, erfolgte, abhängig machen. Zu dieser Zeit hatte der Kläger zu 2 den Kläger zu 1 aber bereits wieder zur Kindesmutter zurückgebracht.
Das Jugendamt der Beklagten als Ergänzungspfleger bzw. die gemäß § 55 Abs. 2 SGB VIII mit der Ausübung der Ergänzungspflegschaft betraute Mitarbeiterin des Jugendamts haben aber bei der ihnen übertragenen Entscheidung über den Aufenthalt des Klägers zu 1 die ihnen dem Kläger zu 1 gegenüber obliegende Amtspflicht und die ihnen gemäß §§ 1833, 1793 Abs. 1, 1915 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 56 Abs. 1 SGB VIII obliegende Pflicht zur Personensorge dadurch schuldhaft verletzt, dass sie das Aufenthaltsbestimmungsrecht über den 11.1.2016 hinaus weiterhin zugunsten einer Fremdunterbringung des Klägers zu 1 ausgeübt haben.
Die dem angefochtenen Urteil zugrundeliegende Ansicht, dass die gerichtlichen Entscheidungen über die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts einen neuen Kausalverlauf in Gang gesetzt haben, weshalb das Jugendamt bzw. die mit der Ausübung betraute Amtspflegerin für die Fortdauer der außerfamiliären Unterbringung des Klägers zu 1 nicht verantwortlich sei, trifft nicht zu. Das Jugendamt bzw. die mit der Ausübung der Pflegschaft betraute Beamtin des Jugendamts waren rechtlich in der Lage, über den Aufenthalt des Klägers zu 1 selbst zu entscheiden. Die weitere, durch die Pflegerin erfolgte Genehmigung der Inobhutnahme war durch die gerichtliche Entscheidung nicht zwingend vorgegeben. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht konnte auch im Sinne einer Unterbringung des Kindes bei seinen Angehörigen ausgeübt werden. Soweit die Beklagte hiergegen einwendet, dass sich das Jugendamt bei der Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrecht mit der gerichtlichen Entscheidung nicht habe in Widerspruch setzten dürfen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Rechtlich ist ein Ergänzungspfleger bei der Ausübung des ihm übertragenen Teilbereichs der Personensorge nicht auf bestimmte Maßnahmen beschränkt, sondern hat orientiert am Kindewohl sachgemäße Entscheidungen zu treffen. Demgemäß gibt es auch in der Rechtsprechung Beispiele, dass eine Ergänzungspflegerin, der das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen ist, ein Kind nicht fremdunterbringt, sondern zu einem der Elternteile oder zu Verwandten gibt (vgl. den Sachverhalt, der dem Beschluss des BVerfG vom 27.11.2020 - 1 BvR 836/20, dort Rdn. 23, zugrunde lag. Dort wurde eine Ungeeignetheit beider Eltern zur Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts angenommen. Die Ergänzungspflegerin gab das Kind aber in die Obhut des Vaters; vgl auch BVerfG B. v. 27.8.2014 - 1 BvR 1822/14, wo die Kinder trotz Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf das Jugendamt zunächst bei der Mutter verblieben; auch in BayObLG FamRZ 1994, 975 hat die Ergänzungspflegerin das Kind zwar der Mutter weggenommen, es aber bei der Familie seiner Halbschwester untergebracht.). Eine zwangsläufige, rechtliche Verknüpfung besteht daher nicht. Mit der Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts war im vorliegenden Fall aber auch in tatsächlicher Hinsicht nicht festgelegt, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht im Sinne einer Beendigung der außerfamiliären Unterbringung ausgeübt werden kann. Die Entscheidungen vom 1.12. und 20.12.2016 haben nicht zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger zu 1 auf längere Dauer außerhalb der Familie untergebracht werden muss. Von einer eigenen Entscheidungszuständigkeit hinsichtlich des Aufenthalts des Klägers zu 1 geht im Übrigen auch das Jugendamt der Beklagten aus, denn in der Verhandlung am 11.1.2017 hatte der Vertreter des Jugendamts dargelegt, dass der Ergänzungspfleger auch zugunsten eines Aufenthalts bei einem Elternteil entscheiden könne (S. 12 des Verhandlungsprotokolls, Bl. 474 BA I).
Demgemäß kommt es darauf an, ob die Entscheidung, die Unterbringung in der Einrichtung aufrechtzuerhalten, sachgemäß war und einer am Kindeswohl orientierten Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts entsprach. Schuldhafte Verletzungen dieser der Pflegerin bzw. dem Jugendamt obliegenden Pflichten können eine Haftung wegen Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG oder gemäß §§ 1833, 1915 BGB i.V.m. § 56 Abs. 1 SGB VIII begründen (Winkler in BeckOK Sozialrecht, 67. Ed., § 55 SGB VIII Rdn. 14; Kunkel in Kunkel u.a., SGB VIII, 8. Aufl., § 55 Rdn. 41; BGH NJW 2014, 692; BGHZ 77, 224). Der Amtspfleger muss - wie jeder Beamte - sein Amt im Einklang mit dem objektiven Recht ausüben und die Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft prüfen. Kommt er auf dieser Grundlage zu einer vertretbaren Auffassung, handelt er nicht schuldhaft, auch wenn seine Auffassung später durch ein Gericht missbilligt wird; eindeutige höchstrichterliche Rechtsprechung ist bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe zu berücksichtigen (vgl. dazu Palandt-Sprau, 80. Aufl., § 839 Rdn. 32, 53; BGH NJW 1992, 3229; NJW 2003, 3693, 3696; VersR 1989, 184).
Für die am Kindeswohl zu orientierende Entscheidung der Amtspflegerin, ob an der Genehmigung der Inobhutnahme und damit an der Fremdunterbringung in dem Kinderheim festzuhalten war, hält der Senat die Grundsätze für maßgeblich, die das Bundesverfassungsgericht generell bei einer zu einer Fremdunterbringung führenden oder sie ermöglichenden Entscheidung im Rahmen von § 1666 BGB für maßgeblich hält. Das Bundesverfassungsgericht hat zur Fremdunterbringung eines Kindes aus Anlass eines tiefgreifenden Elternkonflikts ausgeführt (B. v. 22.9.2014 - 1 BvR 2108/14), dass eine solche Maßnahme gerechtfertigt ist, wenn der permanente Elternkonflikt das Kindeswohl in hohem Maße und mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet. Zwar reiche die Beeinflussung des Kindes durch einen Elternteil und die dadurch bei dem Kind hervorgerufene Verweigerungshaltung gegenüber dem anderen Elternteil für sich genommen regelmäßig nicht aus, um eine Unterbringung des Kindes bei Dritten zu veranlassen. Wegen des Fehlverhaltens eines Elternteils würde das Kind ansonsten praktisch beide verlieren (vgl. Staudinger/Coester, BGB, 2009, § 1666 Rz. 147; Salgo, in: Festschrift für Dieter Schwab, 2005, S. 891, 906). Wenn ein massiver Elternkonflikt aber zu erheblichen Schädigungen und im Einzelnen benannten Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu Suizidgedanken bei dem Kind geführt habe, gebe dieser Befund Anlass zu einer Sorgerechtsmaßnahme nach § 1666 BGB (vgl. BGH, Beschluss v. 26.10.2011 - XII ZB 247/11 -, FamRZ 2012, 99, m. Anm. Luthin, Rz. 26) und könne einen Eingriff in das elterliche Erziehungsgrundrecht auch verfassungsrechtlich rechtfertigen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlange aber, dass die Maßnahme zur Erreichung des Zwecks, eine nachhaltige Gefährdung des Kindes abzuwenden, geeignet sei. Das setze voraus, dass die konkrete Gefahr, die dem Kind bei dem Verbleib in der Familie drohe, beseitigt oder abgemildert werde. An der Geeignetheit fehle es, wenn die Trennung des Kindes von den Eltern mit anderweitigen Beeinträchtigungen des Kindeswohl einhergehe, welche durch die Beseitigung der festgestellten Gefahr nicht aufgewogen würden. Die Folgen der Fremdunterbringung dürften für das Kind nicht gravierender sein als die Folgen eines Verbleibs in der Herkunftsfamilie. Die Fremdunterbringung müsse außerdem erforderlich sein; es müsse das von mehreren gleichgut geeigneten Mitteln das das Elternrecht am wenigsten beeinträchtigende Mittel gewählt werden; es müsse versucht werden, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der Eltern gerichtete Maßnahmen das Ziel zu erreichen. Schließlich dürfe die Trennung des Kindes von den Eltern nicht außer Verhältnis zur Abwendung der Kindeswohlgefahr stehen.
In anderen Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Eignung hervorgehoben, dass es darauf ankomme, dass die Fremdunterbringung die Situation des Kindes in der Gesamtbetrachtung verbessert (BVerfG, B. v. 27.11.2020 - 1 BvR 836/20, Rdn. 29; B. v. 24.3.2014 - 1 BvR 160/14, Rdn. 38).
Eine nach diesen Maßstäben nicht gerechtfertigte Fremdunterbringung kann eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Kindes darstellen, da es sich um einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Anspruch auf ein ungestörtes Leben und Aufwachsen in vertrauten familiären Verhältnissen handelt. Wenn unter Berücksichtigung der gesamten Umstände ein solcher schwerwiegender Eingriff nicht anders befriedigend ausgeglichen werden kann, kommt auf der Rechtsfolgenseite auch die Zuerkennung einer Geldentschädigung in Betracht.
Nach diesen Maßstäben steht dem Kläger zu 1 ein Entschädigungsanspruch zu.
Die Inobhutnahme und die anschließend durch das Jugendamt aufrechterhaltene Bestimmung des Aufenthalts in einem Kinderheim können abgesehen von einer kurzen Übergangszeit nicht damit gerechtfertigt werden, dass der Kläger zu 1 von seiner Mutter geschlagen wurde und er deshalb zum Schutz vor Misshandlung nicht bei seiner Mutter belassen werden konnte. Selbst wenn man die Äußerungen des Klägers zu 1, er sei von seiner Mutter wiederholt geohrfeigt worden, und die ärztlich festgestellten Hämatome im Gesicht als zunächst hinreichende Anzeichen für einen Verstoß der Mutter gegen das Gebot zu gewaltfreier Erziehung ansehen konnte, rechtfertigen diese Umstände keine über mehrere Monate andauernde Wegnahme des Klägers von seiner Familie.
Denn der Gefahr erneuter Misshandlungen konnte dadurch begegnet werden, dass der Kläger zu 1 bis zur endgültigen Entscheidung über das Sorgerecht bei seinem Vater untergebracht wurde. Selbst wenn man die Bedenken des Familiengerichts aus dem Beschluss vom 1.12.2016, dass ein sofortiger Aufenthaltswechsel zu dem Kläger zu 2 mangels professioneller Unterstützung nicht möglich sei, berücksichtigt, kann das nicht bedeuten, dass deshalb ein mehrmonatiger Aufenthalt in völlig fremder Umgebung die sachlich richtige Entscheidung ist. Das Jugendamt hätte dann für die entsprechende Unterstützung sorgen oder den Kläger zu 2 auffordern müssen, dafür Sorge zu tragen. Der Senat hält diese in dem gerichtlichen Beschluss formulierte Einschränkung aber für offensichtlich nicht überzeugend. Wenn wegen der Misshandlungsvorwürfe eine Rückkehr des Klägers zu 1 zu seiner Mutter zunächst nicht in Frage kam, unterscheidet sich die Problemlage nicht davon, dass ein Elternteil wegen Krankheit oder aus anderen Gründen an der tatsächlichen Sorge für das Kind gehindert ist. In einem solchen Fall müsste es aber als selbstverständlich erscheinen, dass das Kind dann sofort vom anderen Elternteil, mit dem es regelmäßig Umgang hat und mit dem es vertraut ist, versorgt wird. Ein Ortswechsel von Stadt1 nach Stadt2 und ein etwaiger Schulwechsel können dabei keine erheblichen Hinderungsgründe darstellen.
Dem zur Rechtfertigung der Unterbringung des Klägers zu 1 in einem Kinderheim weiter herangezogenen Aspekt des heftigen und langwierigen Streits seiner Eltern über das Sorge- und Umgangsrecht ist kein hinreichendes Gewicht beizumessen, vor allem, weil die mit der Fremdunterbringung einhergehende Belastung absehbar nicht geeignet war, die Situation des Klägers zu 1 zu verbessern. Auch wenn die Eltern des Klägers zu 1 möglicherweise nicht in der Lage waren, ihre Auseinandersetzung über das Sorge- und Umgangsrecht so auszutragen, dass sie für den Kläger zu 1 unschädlich blieb und er nicht in wiederholte und schwerwiegende Loyalitätskonflikte geriet, kann das unter den hier gegebenen Umständen die längerfristige oder dauernde Trennung des Kindes von beiden Eltern nicht rechtfertigen. Der ... Familiensenat des Oberlandesgerichts Frankfurt hat sich in seinem Beschluss vom 12.4.2017 den Ausführungen des Oberlandesgerichts Brandenburg (B. v. 21.3.2016 - 9 UF 142/15) angeschlossen, dass es zunehmend Lebenswirklichkeit geworden sei, dass Kinder getrennt lebender Eltern in Streitigkeiten um den Lebensmittelpunkt und das Umgangsrecht verstrickt und dadurch - auch schwer - belastet würden. Dies könne Anlass geben zu einer einstweiligen Zuweisung des Aufenthaltsbestimmungsrechts an einen Elternteil oder zu vorläufigen adäquaten Umgangsregelungen, dürfe aber für sich betrachtet - jenseits von Ausnahmefällen - kein Grund für eine vorläufige Entziehung großer Teile des elterlichen Sorgerechts sein. Kindern, die in einen hochkonflikthaften Streit zwischen Elternteilen, die sie beide lieben, hineingezogen werden, sei nicht damit gedient, dass sie mit der Folge einer nachhaltigen Beeinträchtigung ihrer Beziehung zu beiden Elternteilen außerhalb der Familie untergebracht würden. Das hält der Senat mit Bezug auf diesen Streitfall für unmittelbar einleuchtend. Es erscheint unter den hier gegebenen Umständen ausgeschlossen, dass das Jugendamt oder das Familiengericht ohne das auslösende Moment des Misshandlungsvorwurfs allein wegen des Elternkonflikts eine Fremdunterbringung angeordnet, empfohlen oder auch nur in Erwägung gezogen hätten. Denn grundsätzlich wurden beide Eltern als erziehungsgeeignet beurteilt. Bei der Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts musste die Amtspflegerin berücksichtigen, dass es sich bei der Unterbringung des Klägers zu 1 außerhalb seiner Familie nicht nur um keine Dauerlösung handeln konnte, sondern dass unter dem Gesichtspunkt der Belastung durch den Elternkonflikt eine Herausnahme des Kindes aus seiner Familie an sich überhaupt nicht veranlasst und, wenn überhaupt, dann allenfalls zur Beruhigung und Findung des Klägers zu 1 gerechtfertigt gewesen sein kann. Den Gesichtspunkt des zeitlich und sachlich begrenzten Zwecks der Fremdunterbringung haben die Pflegerin und das Jugendamt aber in der Folge nicht mehr hinreichend beachtet. Der ursprüngliche Zweck der Inobhutnahme hat in der Folgezeit die Entscheidungen des Jugendamts und der Amtspflegerin jedenfalls nicht mehr bestimmt; bereits in der Verhandlung am 11.1.2017 hat das Jugendamt den Standpunkt eingenommen, dass diese Vorwürfe unbegründet seien. Die Fremdunterbringung soll von einem Mitarbeiter des Jugendamts als Herstellung einer „Laborsituation“ bezeichnet worden sein. Dies verdeutlicht, dass es sich dabei allenfalls um eine kurzfristige Maßnahme handeln konnte, in deren Verlauf eine Beruhigung hätte eintreten können und sollen. Von diesem Ausgangspunkt aus musste aber das Jugendamt selbst dafür sorgen, dass es bei der angedachten Kurzfristigkeit blieb. Eine längere, über Monate andauernde Trennung von beiden Eltern konnte der Kläger zu 1 nicht als Entlastung von einem Konflikt erleben, sondern musste dies, wie es tatsächlich auch geschehen ist (vgl. Bericht des Kinderheims vom 10.4.2017, Bl. 872 BA I; Anhörungsprotokoll vom 6.4.2017, Seite 7, Bl. 78 der Beiakte ...), als ungerechtfertigte Folge dafür verstehen, dass er sich über die Misshandlung durch seine Mutter beschwert hatte, so dass er schlussendlich den Kläger zu 2 für seine Fremdunterbringung in dem Kinderheim verantwortlich machte.
Der Senat berücksichtigt, dass der Zweck, den Kläger zu 1 zu entlasten, nach der übereinstimmenden Wahrnehmung des Sachverständigen Q und der Verfahrensbeiständin des Klägers zu 1 zunächst auch erreicht worden ist, indem sich der Kläger zu 1 zunächst mit dem Aufenthalt im Kinderheim einverstanden und mit der damit verbundenen Entlastung von dem Streit der Eltern subjektiv zufrieden zeigte (Erg.GA Q vom 10.12.2016, S. 10, Bl. 316 BA I; Bericht der Verfahrensbeiständin bei der Verhandlung am 19.12.2016, BA II Bl. 138; Vermerk über die Anhörung vom 15.12.2016, Bl. 345 BA I). Bereits bei der Anhörung durch die Familienrichterin in Begleitung der Verfahrensbeiständin am 15.12.2016 (Vermerk Bl. 345 BA I) äußerte der Kläger zu 1 aber, dass er sein Zuhause vermisse, dass er Kontakt zu den Eltern wolle und dass sich diese Kontakte nicht nur auf Besuche beschränken sollten. Im Verhandlungstermin am 11.1.2017 berichtete die Amtspflegerin, dass der Kläger zu 1 verdeutlicht habe, dass es ihm in der Einrichtung nicht mehr so gut gefalle, dass er zur Mutter wolle und es so sein solle wie vorher, dass er also in Stadt1 lebe und den Kläger zu 2 besuche. Der Vertreter des Jugendamts berichtete, dass der Kläger zu 1 wegen eines Rückgangs der Belegung in der Einrichtung kaum Kontakte habe und dass er in der Schule auch nicht so gut angekommen sei, wie es für ihn gut wäre. An seiner Empfehlung im Ergänzungsgutachten vom 10.12.2016, den Kläger zu 1 außerfamiliär unterzubringen (ErgGA S. 11, Bl. 317 BA I), hat der Sachverständige unter dem Eindruck der Verhandlung vor dem Familiengericht am 11.1.2017 nicht uneingeschränkt festgehalten, sondern ausgeführt, dass die Inobhutnahme wegen der instabilen Situation in der Einrichtung für den Kläger zu 1 ein Problem darstelle und erneut einen Risikofaktor darstellen könne und beendet werden solle. Der Kläger zu 1 könne zu einem der Elternteile gegeben werden. Dort müsse eine Familienhilfe errichtet werden und eine psychotherapeutische Behandlung erfolgen.
Aufgrund der Belegungssituation in dem Kinderheim, die selbst die Amtspflegerin als „aktuell nicht mehr allzu kindeswohlgerecht“ (Bl. 473 BA I) ansah, der wenig befriedigenden Schulsituation und dem mittlerweile bei dem Kläger zu 1 in den Vordergrund getretenen Wunsch, in die Familie zurückzukehren, lag es daher sehr nahe, den Aufenthalt des Klägers zu 1 in dem Kinderheim zu beenden. Ebenso wie der Sachverständige hielt die Amtspflegerin eine Konfliktbearbeitung grundsätzlich auch im häuslichen Umfeld, also ohne Fremdunterbringung des Klägers, für möglich (Bl. 474). Eine Verbesserung der Situation des Klägers zu 1 gegenüber dem vorherigen Zustand hat die Amtspflegerin unter den Bedingungen der Unterbringung in dem Kinderheim offenbar selbst nicht angenommen. Die Stellungnahme des Jugendamts vom 11.4.2017, die auf dem Bericht des Kinderheims vom 10.4.2017 aufbaut, stellt selbst fest, dass der Aufenthalt in der Einrichtung bei abwechselnden Wochenendaufenthalten bei jeweils einem Elternteil den Kläger zu 1 überfordere. Auch daraus ergibt sich, dass der mit der Fremdplatzierung verfolgte Zweck, die Situation des Klägers zu 1 zu verbessern, unter den gegebenen Umständen nicht erreichbar war. Das war aber nicht erst im April 2017 erkennbar, sondern hatte sich schon im Januar 2017 abgezeichnet.
Hinsichtlich des zur Fortführung der Fremdplatzierung aufgeworfenen Vorschlags des Vertreters des Jugendamts und der Amtspflegerin in der Verhandlung am 11.1.2017, dass der Kläger zu 1 zunächst in einer Wohngruppe in Stadt1 untergebracht werden und dann auch wieder in Stadt1 die Schule besuchen könne, bestanden schon nach den Äußerungen des Vertreters des Jugendamts in der Verhandlung am 11.1.2017 Zweifel, dass eine Unterbringung in einer Wohngruppe in Stadt1 möglich sein werde, insbesondere weil die Eltern dem Träger der Wohngruppe zu zerstritten erscheinen könnten, so dass dann weitere Möglichkeiten einer Drittunterbringung erwogen werden müssten. Die Skepsis bezüglich der Wohngruppe war, wie sich in der zweiten Märzhälfte 2017 zeigte, berechtigt, weil weder die Eltern mit den Randbedingungen der Unterbringung in dem ins Auge gefassten Haus B einverstanden waren und insbesondere das Heim wegen der elterlichen Dissonanzen eine Grundlage für eine Zusammenarbeit nicht gesehen hat. Um dieses schon am 11.1.2017 für möglich gehaltene Scheitern zu verifizieren, haben Jugendamt und Amtspflegerin dem Kläger weitere zwei Monate Aufenthalt in der bereits am 11.1.2017 von ihnen als nicht mehr kindeswohlgerecht beurteilten Einrichtung zugemutet. Welche Überlegungen die Pflegerin bzw. das Jugendamt nach dem gescheiterten Versuch, den Kläger zu 1 im Haus B unterzubringen, angestellt haben, ist nicht näher dargelegt. Dass der Kläger zu 1 weiterhin über den Aufenthalt im Kinderheim unglücklich war, hat seine Anhörung durch das Oberlandesgericht im April 2014 eindrücklich bestätigt und musste der Pflegerin und dem Jugendamt schon zuvor bekannt sein. Ebenso bekannt war die Einschätzung des Sachverständigen aus der Anhörung am 11.1.2017, dass der Kläger zu 1 an sich auch bei einem Elternteil untergebracht werden könne, wenn parallel Familienhilfe und therapeutische Behandlung in Anspruch genommen würden. Es ist daher nicht nachvollziehbar und mit am Kindeswohl orientierten und die negativen Folgen einer Fremdunterbringung berücksichtigenden Überlegungen nicht begründbar, dass an der Fremdunterbringung festgehalten wurde, ohne dass damit eine greifbare Perspektive verbunden war, also mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, dass die Fortführung der Fremdunterbringung die Gesamtsituation des Klägers zu 1 verbessern würde.
Bereits in der Verhandlung am 11.1.2017 hatte der Vertreter des Jugendamts dargelegt, dass der Ergänzungspfleger auch zugunsten eines Aufenthalts bei einem Elternteil entscheiden könne, wenn die Voraussetzungen vorlägen und beispielsweise die Eltern die entsprechende Entscheidung mittragen könnten. Der Amtspflegerin war daher bewusst, dass ihr die Entscheidung über die weitere Fremdunterbringung oblag. Soweit die Unterbringung bei einem Elternteil daran geknüpft sein sollte, dass beide Eltern diese mittragen könnten, liegt darin aber ein Fehlverständnis, denn die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Ergänzungspflegerin erfolgte, weil die Eltern keine Einigkeit herstellen konnten, und beinhaltet deshalb, dass es auf das Einvernehmen beider Eltern für die Entscheidungen der Amtspflegerin nicht ausschlaggebend ankommen kann.
Das Festhalten an der Fremdunterbringung an einem vom bisherigen familiären Umfeld weit abgelegenen Ort erscheint auch nicht deshalb als vertretbar, weil der Beschluss des Familiengerichts vom 15.2.2017 von der Erforderlichkeit, den Kläger zu 1 aus dem Spannungsfeld der Eltern weitestgehend herauszuhalten, ausgegangen ist und deshalb eine Wohngruppenlösung als vorzugswürdig angesehen hat. Denn wie dargelegt, war es schon mit Stand vom 11.1.2017 unwahrscheinlich, dass eine solche Lösung realisiert werden könnte. Der Sachverständige, auf den sich das Familiengericht bei seiner Entscheidung bezogen hat, hat aber auch dargelegt (S. 10 des Verhandlungsprotokolls vom 11.1.2017, Bl. 472 BA I), dass die Eltern in einen Beratungsprozess zur Beilegung ihres Konflikts eintreten sollten, sodass zeitnah die Situation der Wohngruppe aufgelöst werden könne und dass die Maßnahme ohnehin befristet werden müsse. Daraus wird deutlich, dass offenbar keiner der Beteiligten den Nutzen der Fremdunterbringung garantieren konnte, weil er von Voraussetzungen abhing, die weder das Familiengericht noch das Jugendamt entscheidend beeinflussen konnten, nämlich von der Bereitschaft der Eltern, ihren Konflikt zu lösen. Es ist aber nicht verhältnismäßig, eine Herausnahme des Kindes aus seiner Familie unter derart ungewissen, experimentellen Erwartungen aufrechtzuerhalten. Es musste sich daher dem Jugendamt aufdrängen, dass bei dieser offensichtlich äußerst ungewissen Perspektive der Sinn der Fremdplatzierung verfehlt wurde.
Die schuldhaft fehlerhafte Beurteilung der Voraussetzungen für die weitere Aufrechterhaltung der außerfamiliären Unterbringung des Klägers zu 1 kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt der sog. Kollegialgerichtsrichtlinie als entschuldigt beurteilt werden. Nach diesem Grundsatz kann einem Amtsträger kein Schuldvorwurf gemacht werden, wenn sein Verhalten von einem mit Berufsrichtern besetzten Kollegialgericht als rechtmäßig beurteilt wird; das gilt auch, wenn diese Beurteilung durch die Vorinstanz im Rechtsstreit über einen Amtshaftungsanspruch erfolgt (Staudinger-Wöstmann, 2020, § 839 Rdn. 218). Dieser Grundsatz gilt aber nicht, wenn das betreffende Kollegialgericht die Verantwortlichkeit der beteiligten Amtsträger nur unvollständig erörtert hat (vgl. zu dieser Einschränkung der Kollegialgerichtsrichtlinie Staudinger/Wöstmann, Bearbeitung 2020, § 839 Rdn.213 mnW.). Hier ist einerseits zwar festzustellen, dass in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts, das in Kammerbesetzung entschieden hat, ausgeführt wird, dass in dem Vorgehen der Mitarbeiter der Beklagten keine Fehler zu erkennen seien. Das Landgericht hat aber zu der hier maßgeblichen Frage der Aufrechterhaltung der Fremdplatzierung durch das Jugendamt als Ergänzungspfleger überhaupt nicht Stellung genommen, sondern insoweit überhaupt keine eigenen Pflichten des Jugendamts angenommen, vielmehr mit Hinweis auf eine vermeintlich überholende Kausalität angenommen, dass die Verantwortlichkeit für die weitere Fremdplatzierung des Klägers nach den Entscheidungen vom 1. und 20.12.2016 und 8.2.2017 bei dem Familiengericht gelegen habe. Es hat daher nicht berücksichtigt, dass bei der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Ergänzungspfleger Verantwortung dafür trägt, dass eine etwaige Fremdunterbringung nach den dafür maßgebenden Rechtssätzen gerechtfertigt und dem Kindeswohl weiterhin dienlich ist. Entgegen der von der Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht handelt es sich nicht um eine Billigung der Amtsführung des Jugendamts als Ergänzungspfleger, wenn ein Kollegialgericht das Verhalten von Amtsträgern deshalb nicht überprüft, weil es eine unzutreffende Beschränkung des Pflichtenkreises annimmt.
Der Kläger zu 1 ist aufgrund der schuldhaften Amtspflichtverletzung in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden. Die Verletzung ist schwerwiegend und kann anders als durch eine Geldentschädigung nicht befriedigend ausgeglichen werden. Den weit überhöhten Vorstellungen des Klägers zu 1 zur Höhe der Entschädigung vermag der Senat allerdings nicht näherzutreten. Er hält eine Geldentschädigung in Höhe von 3.000 € für ausreichend.
Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Kläger zu 1 im Alter von nur 6 Jahren die längere Herausnahme aus seiner Familie als besonders belastend empfunden hat, mag er auch anfänglich eine gewisse Entlastung dadurch erlebt haben, dass er dem Streit seiner Eltern enthoben war. Dieser Effekt hat aber, wie die bereits erwähnten Äußerungen des Klägers zu 1 zeigen, sehr schnell nachgelassen. In dem Heim, in dem er untergebracht war, und in der Schule hat er keinen oder sehr wenig Anschluss gefunden, zumal er sich mit einigen Kindern nicht einmal verständigen konnte. Es ist daher verständlich und nachfühlbar, dass der Kläger sich einsam gefühlt hat. Wegen der unverhältnismäßigen Dauer der Fremdunterbringung ist es auch zu einem bedauerlichen Vertrauensverlust gegenüber dem Kläger zu 2 gekommen, weil der Kläger zu 1 seinen Vater für die missliche Lage verantwortlich gemacht hat. Denn ihm hatte er sich wegen des Gewaltvorwurfs anvertraut und musste nun die Unterbringung in einem heimatfernen Kinderheim als Sanktion, nicht als Hilfe erleben. Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung der Kläger, dass es sich gleichsam um eine Freiheitsentziehung gehandelt habe. Das war objektiv nicht der Fall, sodass unter diesem Gesichtspunkt eine weitere Rechtsgutsverletzung nicht anzunehmen ist. Maßstab kann auch nicht der von den Klägern herangezogene Vergleich mit einer länger andauernden, auf einer Fehldiagnose beruhenden psychiatrichen Behandlung sein. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Kläger zu 1 jedenfalls ab Januar 2017 regelmäßige Umgangskontakte mit seinen Eltern hatte. Der Senat kann nicht erschwerend die Enttäuschung des Klägers zu 1 über ein entgangenes Weihnachtsfest berücksichtigen, das er ohne die Fremdunterbringung im Kreis seiner Familie bei seinem Vater hätte verbringen sollen. Denn wie dargelegt kann dem Jugendamt nicht vorgeworfen werden, dass es zunächst und bis 11.1.2017 an der Fremdunterbringung noch festgehalten hat. Eine höhere Entschädigung kommt im Übrigen auch deshalb nicht in Frage, weil das Jugendamt dem Kläger zu 1 nicht in feindlicher Gesinnung begegnet ist, sondern subjektiv wohlmeinend gehandelt hat. Daran hat der Senat keinen Zweifel. Er hält es aber für unabdingbar, durch das Zuerkennen einer Geldentschädigung zu verdeutlichen, dass es nicht genügt, in guter Absicht zu handeln, wenn dabei die restriktiven Maßstäbe, die bei der Herausnahme eines Kindes aus der Familie und der Aufrechterhaltung dieses Zustands gelten, deutlich verletzt werden.
Der Antrag auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, künftigen Schaden zu ersetzen, ist zulässig und begründet. Da zugunsten des Klägers zu 1 die Haftung der Beklagten wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts feststeht, genügt für das Feststellungsinteresse die bloße Möglichkeit solcher Schäden (BGH, U. v. 29.6.2021 - VI ZR 52/18, juris Rdn. 30). Unter den hier bestehenden Umständen, da es sich um einschneidendes Erlebnis gehandelt hat und seelische Folgen, die behandlungsbedürftig sein könnten, nicht ganz fernliegend sind, ist der Feststellungsantrag auch begründet.
Dem Kläger zu 1 steht schließlich aus einem Streitwert von 10.000 € (Geldentschädigung in Höhe von 3.000 € und Wert des Feststellungsantrags in Höhe von 7.000 €; vgl. dazu den Streitwertbeschluss des Senats vom 27.7.2023) ein Anspruch auf Freistellung von den Kosten vorgerichtlicher Rechtsverfolgung zu (1,3 Gebühr zzgl. 20 € Pauschale und 19% Umsatzsteuer). Da es sich um einen deliktischen Eingriff handelt, kommt es auf die Voraussetzungen des Verzugs nicht an.
Die Berufung des Klägers zu 2 bleibt dagegen ohne Erfolg.
Dem Kläger zu 2 steht ein Anspruch auf Schmerzensgeld bzw. auf Geldentschädigung wegen eines deliktischen Eingriffs nicht zu.
Der Senat nimmt zunächst Bezug auf seine oben näher erläuterte Beurteilung, dass die Fremdunterbringung des Klägers zu 1 zunächst als vertretbar und nicht als schuldhafte Verletzung einer Amtspflicht angesehen werden muss. Das gilt im Verhältnis zu dem Kläger zu 2 entsprechend.
Es kann auch offen bleiben, ob bei der allein sachgemäßen Beendigung der Fremdunterbringung nach dem 11.1.2017 der Aufenthalt des Klägers zu 1 bei dem Kläger zu 2 hätte bestimmt werden müssen. Dass dies keineswegs zwingend war, zeigt bereits die auf der Grundlage im Wesentlichen gleicher Erkenntnisse getroffene Entscheidung des Familiensenats des Oberlandesgerichts vom 12.4.2017. Unabhängig davon ist dadurch nämlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers zu 2 in seiner Ausprägung als Abwehrrecht gegen Eingriffe in ein ungestörtes Familienleben nicht schwerwiegend beeinträchtigt worden. Denn der Kläger zu 1 hatte auch vorher nicht ständig bei dem Kläger zu 2 gewohnt. Das Verhalten des Jugendamts hat daher nicht einen vorher bestehenden Zustand nachhaltig verändert.
Soweit der Kläger zu 2 geltend macht, dass durch die Fremdunterbringung des Klägers zu 1 eine Beeinträchtigung seines Umgangsrechts mit dem Kläger zu 1 stattgefunden habe, ergibt sich hieraus kein greifbarer Anhaltspunkt für eine Amtspflichtverletzung.
Der Kläger zu 2 hat in 1. Instanz lediglich geltend gemacht, dass der Kläger zu 1 abgeschottet worden sei. Dem substantiierten Vorbringen der Beklagten zu telefonischen Kontakten und Besuchsmöglichkeiten ist der Kläger zu 2 nicht detailliert entgegengetreten. Auch das in der Berufungsbegründung weiter ausgeführte diesbezügliche Vorbringen des Klägers zu 2 ist unschlüssig, weil sich daraus nicht entnehmen lässt, dass und in welcher Weise Mitarbeiter des Jugendamtes der Beklagten hierbei in pflichtwidriger Weise eine Beeinträchtigung des Umgangs verursacht haben sollen.
Die vor der Inobhutnahme bestehende Umgangsregelung war aufgrund des Beschlusses vom 20.12.2016 obsolet. Das aufgrund dieses Beschlusses zur Regelung des Umgangs berufene Jugendamt war daher nicht verpflichtet, den Umgang der Kläger sofort wieder so zu gestalten, wie er vor der Inobhutnahme bestanden hatte. Dass gegenüber dem früheren Zustand eine Beschränkung der Kontakte bestand, ist daher nicht allein deshalb rechtswidrig. Im Übrigen fehlt es weiterhin an einem schlüssigen Sachvortrag, denn der Kläger zu 2 behauptet, dass der Kläger zu 2 ca. 4 Wochen nach der Inobhutnahme gar keinen Kontakt mit dem Kläger zu 1 gehabt habe. Danach seien 3 Wochen lang sporadisch kurze Telefonate möglich gewesen, anschließend alle 14 Tage ein Umgang für 2 Stunden. Dies habe erstmals am 21.12.2016 stattgefunden. Dieser Vortrag widerspricht hinsichtlich des ersten Umgangs bereits der behaupteten Abschottung über 4 Wochen. Aus der E-Mail des Klägers zu 2 vom 2.12.2016 (Anlage BK 5) ergibt sich auch, dass er an diesem Tage gerade mit dem Kläger zu 1 telefoniert habe. Hierzu passt die Wiedergabe der Angaben der Betreuer in der Einrichtung im ergänzenden Gutachten des Sachverständigen Q, wonach es bereits bis zum 8.12.2016 mehrere Telefonate der Kläger gegeben hatte. Ausweislich der Email vom 30.12.2016 war ein Besuch für den 5.1.2017 bestätigt. Unstreitig bestand jedenfalls ab der zweiten Januarhälfte wieder Wochenendumgang mit den Eltern. Insgesamt ergibt sich daher das Bild eines über den Beginn der Inobhutnahme hinweg ständigen, zu keiner Zeit vollständig unterbundenen Kontakts der Kläger miteinander.
Hinsichtlich der unterbliebenen Aushändigung einzelner Weihnachtsgeschenke ergibt sich aus der E-Mail einer Mitarbeiterin der Beklagten vom 17.1.2017, dass in der Jugendhilfeeinrichtung noch einige Geschenke für den Kläger zu 1 nach Weihnachten angekommen seien, die nicht mehr übergeben wurden. Dem ist der Kläger zu 2, wie auch dem weiteren diesbezüglichen Vorbringen der Beklagten, inhaltlich nicht konkret entgegengetreten. Ein unter dem Gesichtspunkt einer Amtspflichtverletzung relevantes Fehlverhalten des Jugendamts als Ergänzungspfleger lässt sich dem Vortrag des Klägers zu 2 insoweit ohnehin nicht entnehmen.
Der Berufungsantrag zu 2, der auf Freistellung von den Kosten der Inobhutnahme bzw. auf Feststellung, solche Kosten nicht zu schulden, gerichtet ist, hat wegen § 839 Abs. 3 BGB keinen Erfolg. Denn danach muss, wer von einer Amtspflichtverletzung betroffen ist, zunächst Primärrechtsschutz gegen etwaige rechtswidrige Verwaltungsentscheidungen in Anspruch nehmen. Die Annahme des Klägers zu 2, er dürfe für die Kosten der Inobhutnahme nicht in Anspruch genommen werden, muss daher zunächst in dem noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren und ggf. in einem anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren geklärt werden. Erst dann kann der Kläger zu 2 wegen der Belastung mit Kosten für die Inobhutnahme einen Amtshaftungsanspruch erheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Auf die Berufung des Klägers zu 1 wird das das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25.11.2020 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1 3.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 22.1.2020 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger zu 1 allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger zu 1 aus der Inobhutnahme des Klägers zu 1 für die Zeit vom 11.1.2017 bis 15.4.2017 noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.
Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger zu 1 von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Dres. A, B, C & Kollegen in Höhe von 973,65 € freizustellen.
Die weitergehende Berufung des Klägers zu 1 wird zurückgewiesen und seine weitergehende Klage abgewiesen.
Die Berufung des Klägers zu 2 gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25.11.2020 wird zurückgewiesen.
Von den gerichtlichen Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 1 46%, der Kläger zu 2 42% und die Beklagte 12% zu tragen.
Von den außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits haben zu tragen:
der Kläger zu 1 46% der Auslagen der Beklagten,
der Kläger zu 2 42% der Auslagen der Beklagten,
die Beklagte 20% der Auslagen des Klägers zu 1.
Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Auslagen selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger und die Beklagte können die Vollstreckung der jeweiligen Gegenseite gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Gegenseite vor Beginn ihrer Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils vollstreckten Betrags leistet.
Gründe
I.
Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung von Schmerzensgeld, Feststellung einer Freistellungs- und Schadensersatzpflicht und Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten wegen einer Inobhutnahme des Klägers zu 1 in Anspruch.
Der am XX.XX.2010 geborene Kläger zu 1 ist der Sohn des Klägers zu 2. Die getrenntlebenden Eltern stritten um das Sorgerecht. Der Kläger zu 1 lebte bei seiner Mutter in Stadt1 und hatte regelmäßigen Umgang mit dem Kläger zu 2, der in Stadt2 wohnt. Der Kläger zu 2 teilte dem Jugendamt der Beklagten Ende November 2016 mit, dass der Kläger zu 1 ihm bei einem Wochenendbesuch mitgeteilt habe, dass seine Mutter ihn geschlagen habe. Am 28.11.2016 erhielt das Jugendamt ein diesbezügliches ärztliches Attest. In dem Sorgerechtsverfahren hatte der gerichtlich bestellte Sachverständige Q unter dem 15.11.2016 ein Gutachten erstellt (Bl. 155 ff. der Beiakte ... AG Stadt1, im Folgenden: BA I). Für den 30.11.2016 war bei dem Amtsgericht - Familiengericht Stadt1 ein Termin zur mündlichen Verhandlung über die Sorgerechtsanträge der Eltern des Klägers bestimmt. Mitarbeiter des Jugendamtes der Beklagten nahmen an diesem Tag vor der Verhandlung den Kläger zu 1 in Obhut, indem sie ihn von der Schule abholten. Er wurde in der Folgezeit in einem Kinderheim in Stadt3 untergebracht und besuchte dort auch die Schule.
Im Rahmen der Verhandlung am 30.11.2016 stimmten beide Eltern einer Inobhutnahme des Klägers zu 1 durch das Jugendamt der Beklagten zu, der Kläger zu 2 mit dem Vorbehalt, dass der Kläger zu 1 sich nicht längere Zeit in der Obhut aufhalten solle, und beantragten die Übertragung des Sorgerechts jeweils auf sich, notfalls Bestellung eines Ergänzungspflegers hinsichtlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts (Protokoll der Sitzung des Familiengerichts vom 30.11.2016, Bl. 304 der Beiakte ... AG Stadt1, im Folgenden: BA I). Das Familiengericht beauftragte den Sachverständigen, mit dem Kläger zu 1 ein ergänzendes Gespräch zu führen und seine Begutachtung alsdann zu ergänzen. Am 10.12.2016 erstattete der Sachverständige seine ergänzende Stellungnahme (Bl. 307 BA I).
Mit Beschluss vom 1.12.2016 (Bl. 1 der Beiakte ..., im Folgenden: BA II) übertrug das Familiengericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht bezüglich des Klägers zu 1 von seinen Eltern auf das Jugendamt der Beklagten. Die durch das Jugendamt bestimmte Pflegerin stimmte der weiteren Inobhutnahme zu.
Der Kläger zu 2 und die Mutter des Klägers zu 1 widerriefen ihre Einwilligung in die Inobhutnahme des Klägers zu 1 am 19.12.2016. Mit der einstweiligen Anordnung vom 20.12.2016 hat das Familiengericht den Beschluss vom 1.12.2016 nach gutachterlicher Anhörung und Einholung von Stellungnahmen aufrechterhalten und aufgrund einer angenommenen Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB erweitert (Bl. 145 ff. BA II).
Die Ehe des Klägers zu 2 mit der Mutter des Klägers zu 1 wurde am 11.1.2017 geschieden.
Am 11.1.2017 verhandelte das Familiengericht über die Sorgerechtsanträge und hörte den Sachverständigen Q an (Bl. 463 ff. BA I). Mit Beschluss vom 8.2.2017 wies das Familiengericht die Sorgerechtsanträge zurück und übertrug das Aufenthaltsbestimmungsrecht und weitere Teile des Sorgerechts auf das Jugendamt (Bl. 651 BA I). Hiergegen haben der Kläger zu 2 und die Mutter des Klägers zu 1 Beschwerde eingelegt.
Mit Beschluss vom 12.4.2017 setzte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main nach persönlicher Anhörung des Klägers zu 1 die Vollziehung des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 8.2.2017 vorläufig aus (Anhörungsprotokoll Bl. 72 ff., Beschluss vom 12.4.2017 Bl. 112 der Beiakte ...). Der Kläger zu 1 wurde am 15.4.2017 an die Kindesmutter herausgegeben.
Das Oberlandesgericht beauftragte im Sorgerechtsverfahren die Sachverständige X mit der Erstattung eines neuen Gutachtens, das unter dem 10.10.2017 erstellt und unter dem 23.1.2018 ergänzt wurde (Sonderband Gutachten zu BA I). Mit Beschluss vom 26.7.2018 hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main den Beschluss vom 8.2.2017 aufgehoben und die alleinige elterliche Sorge für den Kläger zu 1 auf den Kläger zu 2 übertragen (Bl. 1411 ff. BA I). Der Kläger zu 1 lebt seitdem bei seinem Vater.
Mit Bescheid vom 26.2.2019 (Anlage B 1) setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger zu 2 den für die Inobhutnahme zu leistenden Kostenbeitrag auf insgesamt 10.808,51 EUR fest. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers zu 2 ist bislang nicht entschieden.
Die Kläger machen geltend, dass die Mitarbeiter des Jugendamtes der Beklagten bei der Inobhutnahme pflichtwidrig gehandelt hätten. Die Mitarbeiter hätten zunächst den relevanten Sachverhalt unzureichend und unvollständig ermittelt. Dies gelte insbesondere bei der Abfassung oder Einreichung des entsprechenden Antrags bei dem Familiengericht. Die Mitarbeiter der Behörde der Beklagten hätten auch gegen ihre Pflicht verstoßen, das ihnen eingeräumte Ermessen bei der Antragstellung pflichtgemäß auszuüben und hierbei den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Die Ausgestaltung des Umgangs des Klägers zu 1 mit dem Kläger zu 2 während der Inobhutnahme sei unzureichend gewesen.
Die Kläger erachten die Zahlung eines Schmerzensgeldes für jeden Monat der Trennung des Klägers zu 1 von seinen Eltern in Höhe von 10.000,- € monatlich für den Kläger zu 1 und in Höhe von 4.000,- € monatlich für den Kläger zu 2 für angemessen. Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 1 die Trennung von seinen Eltern als dramatisch empfunden habe und dass das Jugendamt und auch die Einrichtung, in der der Kläger zu 1 untergebracht wurde, die Eltern aufforderten nicht einmal anzurufen, dass diese abgewimmelt wurden und dass von dem Kläger zu 2 zu Weihnachten zugesandte Weihnachtsgeschenke nicht übergeben worden seien.
Da nicht abschließend absehbar sei, welche gesundheitlichen Schäden der Kläger zu 1 aus dem Vorgang erlitten habe, sei ein entsprechender Feststellungsantrag erforderlich. Dem Kläger zu 2 stehe weiterhin ein Anspruch auf Ersatz der materiellen Schäden, insbesondere aber Freistellung von dem Kostenbeitrag gemäß § 91 ff. SGB VIII, zu.
Die Beklagte macht geltend, die Mitarbeiter ihres Jugendamtes hätten pflichtgemäß gehandelt. Im Hinblick auf das hoch streitige Sorgerechtsverfahren und auf Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Q in seinem Gutachten vom 14.11.2016 sei nach der Mitteilung über die Gewaltanwendung gegenüber dem Kläger zu 1 und nach der Vorlage eines entsprechenden Arztberichtes eine Inobhutnahme zwingend erforderlich gewesen. Nach Mitteilungen des Sachverständigen und der Verfahrenspflegerin habe sich die Inobhutnahme für den Kläger zu 1 auch positiv ausgewirkt. In der Zeit der Inobhutnahme hätten auch Umgänge mit dem Kläger zu 2 stattgefunden.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands und wegen des Wortlauts der in erster Instanz zuletzt gestellten Anträge Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass ein amtspflichtwidriges Vorgehen der Mitarbeiter der Beklagten nicht dargelegt worden sei. Eine Antragstellung gemäß § 42 Abs. 3 S. 2 SGB VIII sei nicht erforderlich gewesen, da die Mitarbeiter die Personensorgeberechtigten unmittelbar nach der erfolgten Inobhutnahme informiert hätten und die Eltern dieser auch zugestimmt hätten. Durch die familiengerichtliche Entscheidung vom 1. Dezember 2016 sei eine neue Kausalkette in Gang gesetzt worden, welche die Inobhutnahme durch das Jugendamt der Beklagten überholt habe. Aus dem Vorbringen der Kläger lasse sich unter Berücksichtigung des unbestrittenen Vorbringens der Beklagten auch keine rechtswidrige Abschottung des Klägers in Bezug auf einen Umgang mit seinen Eltern entnehmen. Da schon vor der Inobhutnahme ein Sachverständigengutachten und eine Stellungnahme der Verfahrenspflegerin vorgelegen hätten, die sich gegen einen Verbleib des Klägers zu 1 bei seinem Vater ausgesprochen hätten, könne dem Jugendamt nicht vorgeworfen werden, den Antrag des Klägers zu 2 auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts nicht unterstützt zu haben. Abschließend hat das Landgericht in dem in Kammerbesetzung ergangenen Urteil ausgeführt, es könne in dem Vorgehen der Mitarbeiter der Beklagten keine Fehler erkennen.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit der eingelegten Berufung und verfolgen die ursprünglichen Klageanträge weiter. Sie machen geltend, dass entgegen der Auffassung des Landgerichts die Inobhutnahme des Klägers zu 1 einen grundrechtswidrigen massiven Eingriff in die Grundrechte des Klägers zu 1 und seiner Eltern darstelle. Der Kläger zu 2 sei auch vorrangig zur Betreuung des Kindes prädestiniert und zu berücksichtigen gewesen. Das Landgericht habe seine Tatsachenfeststellungen nicht richtig und vollständig getroffen. Das Landgericht habe sich zu Unrecht nicht mit der Frage beschäftigt, ob die Inobhutnahme selbst berechtigt gewesen sei. Das Jugendamt der Beklagten habe den Kläger zu 2 auch unmittelbar dahingehend beraten müssen, dass er den Kläger zu 1 gar nicht zurück nach Stadt1 gebe. Es habe den Kläger zu 1 zwar aus der Obhut der Kindesmutter nehmen, aber unmittelbar den Vater verständigen und ihn das Kind abholen lassen müssen. Die fehlerhafte Inobhutnahme des Klägers zu 1 sei noch dadurch bestärkt worden, dass der Antrag bei Gericht gestellt und damit begründet wurde, dass der Kläger zu 1 in der Einrichtung verbleiben müsse, nachdem beide Eltern ihre zunächst erteilte Zustimmung widerrufen hätten. Der Kläger zu 1 sei auch nach der Inobhutnahme von den Mitarbeitern der Beklagten abgeschottet worden. Das Landgericht habe entschieden, ohne im Vorfeld einen einzigen Hinweis zu erteilen, ohne im Termin zur mündlichen Verhandlung einen Hinweis zu erteilen und habe auch eine Güteverhandlung nicht einmal versucht. Der Kläger zu 2 habe mit dem Kläger zu 1 für ca. 2 Wochen nach der Inobhutnahme gar keinen Kontakt gehabt, danach seien 3 Wochen lang sporadisch kurze Telefonate möglich gewesen. Anschließend sei ein 14-tägiger Umgang von 2 Stunden, erstmals am 21.12.2016 möglich, gewesen.
Die Kläger beantragen:
1. Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (2-04 O 448/19) vom 25.11.2020 wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass der Kläger zu 2 von der Beklagten von einem Kostenbeitrag aus §§ 91-94 SGB VIII für die Inobhutnahme des Klägers zu 1 für den Zeitraum 30.11.2016 bis 15.4.2017 freizustellen ist, hilfsweise der Beklagten hierzu nichts schuldet.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger zu 1 allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger zu 1 aus der Inobhutnahme des Klägers zu 1 für die Zeit vom 30.11.2016 bis 15.4.2017 noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1 ein Schmerzensgeld nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszins hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen, das ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2 ein Schmerzensgeld nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszins hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen, das ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
6. Die Beklagte wird verpflichtet, die Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Dres. A, B, C & Kollegen i.H.v. 2733,67 EUR freizustellen.
Die Beklagte beantragt:
Die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertritt insbesondere im Hinblick auf die rechtlichen Hinweise des Senats vom 19.1.2023 die Auffassung, dass es bei einer auf § 1666 BGB gestützten Maßnahme, nämlich der Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und seiner Übertragung auf das Jugendamt, nicht in Betracht komme, dass das Jugendamt eine der gerichtlichen Entscheidung zuwiderlaufende Regelung treffe und das Kind in die Obhut eines Elternteils gebe. Es bestehe auch keine Verpflichtung zu weiteren Ermittlungen, weil diese vom Familiengericht vorgenommen würden. Da das erstinstanzliche Urteil in Kammerbesetzung ergangen sei und eine Pflichtverletzung des Jugendamts nicht festgestellt habe, könne auch ein schuldhaftes Verhalten des Jugendamts nicht angenommen werden.
II.
Die Berufung des Klägers zu 1 ist zum Teil begründet. Dem Kläger zu 1 steht ein Anspruch auf Entschädigung wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu. Wegen dieses Haftungstatbestandes ist auch der Antrag auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz künftiger Schäden berechtigt. Außerdem steht dem Kläger zu 1 ein Anspruch auf Freistellung von den Kosten vorgerichtlicher Rechtsverfolgung zu.
Entgegen dem von den Klägern vertretenen Standpunkt stellte die Inobhutnahme des Klägers zu 1 anfangs keine schuldhafte Amtspflichtverletzung dar. Dem Jugendamt kann auch nicht vorgeworfen werden, den Kläger zu 2 unzureichend beraten zu haben oder im familiengerichtlichen Verfahren sachwidrige Anträge gestellt zu haben.
Soweit die Kläger meinen, das Jugendamt habe im Vorfeld der gerichtlichen Entscheidungen vom 1. bzw. 20.12.2016 den Sachverhalt unzulänglich ermittelt bzw. es habe mit einer verfehlten Antragstellung die gerichtliche Entscheidung maßgeblich beeinflusst, trifft das nicht zu. Das Amtsgericht hatte denselben Erkenntnisstand wie alle Verfahrensbeteiligten. Es hat die Beteiligten einschließlich der Verfahrenspflegerin am 30.11.2016 und am 11.1.2017 angehört. Es hat das Gutachten des Sachverständigen Q und dessen Ergänzung vom 8.12.2016 berücksichtigt und den Kläger zu 1 persönlich angehört. Der von den Klägern ohnehin ohne nähere Einzelheiten erhobene Vorwurf, das Jugendamt habe den Sachverhalt, also insbesondere die für einen Aufenthalt des Klägers zu 1 bei dem Kläger zu 2 sprechenden Umstände, dem Gericht nicht hinreichend unterbreitet, trifft daher nicht zu. Das Jugendamt hat auch keinerlei Anträge gestellt. Dieses Vorbringen der Kläger hat in den Verhandlungsprotokollen des Familiengerichts und den zum Verfahren eingereichten Schriftsätzen keine Grundlage. Selbst wenn es anders wäre, bliebe für die gerichtliche Entscheidung das Familiengericht verantwortlich. Die von den Klägern geltend gemachte Prägung des Verfahrensgangs durch die als weichenstellend angesehene Inobhutnahme durch das Jugendamt besteht bei rechtlicher Bewertung nicht. Die Verantwortung für die Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht lag unabhängig von der vorhergehenden Inobhutnahme bei dem Familiengericht. Über die Frage, ob die Inobhutnahme aufrechterhalten werden soll, haben die Beteiligten am 30.11.2016 verhandelt. Die Eltern des Klägers haben der Inobhutnahme zunächst, wenn auch mit zeitlichen Vorbehalten, zugestimmt und diese Zustimmung erst am 19.12.2016 widerrufen. Daher war, unabhängig von der unmittelbar folgenden Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, die Fortdauer der Inobhutnahme zunächst auch legitimiert durch das Einverständnis der Eltern in der Verhandlung am 30.11.2016. Die sich am 1.12.2016 anschließende Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf das Jugendamt war für die Fortdauer der Inobhutnahme nicht kausal, weil die Eltern zunächst noch einverstanden waren. Auf den kurzen Zeitraum vom Beginn der Inobhutnahme am Vormittag des 30.11.2016 bis zum Einverständnis der Eltern bei der Verhandlung am 30.11.2016 kommt es für die vorliegende Klage ohnehin nicht an. Denn die hier erhobenen Ansprüche haben ihre Wurzel in der Dauer der Inobhutnahme und nicht darin, dass diese am 30.11.2016 kurze Zeit vor der Verhandlung begonnen hat.
Soweit die Kläger geltend machen, dass das Jugendamt den Kläger zu 2 dahingehend habe beraten müssen, dass er den Kläger zu 1 nicht an die Kindesmutter herausgeben soll, nachdem dieser ihm von Schlägen seiner Mutter berichtet hatte, trifft das nicht zu. Auf die bloße Schilderung der Angaben des Klägers zu 1 musste das Jugendamt einen solchen Rat nicht geben. Denn jedenfalls durfte das Jugendamt seine Gefährdungseinschätzung von dem Inhalt des ärztlichen Attests, dessen Übersendung erst am Montag, dem 28.11.2016, erfolgte, abhängig machen. Zu dieser Zeit hatte der Kläger zu 2 den Kläger zu 1 aber bereits wieder zur Kindesmutter zurückgebracht.
Das Jugendamt der Beklagten als Ergänzungspfleger bzw. die gemäß § 55 Abs. 2 SGB VIII mit der Ausübung der Ergänzungspflegschaft betraute Mitarbeiterin des Jugendamts haben aber bei der ihnen übertragenen Entscheidung über den Aufenthalt des Klägers zu 1 die ihnen dem Kläger zu 1 gegenüber obliegende Amtspflicht und die ihnen gemäß §§ 1833, 1793 Abs. 1, 1915 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 56 Abs. 1 SGB VIII obliegende Pflicht zur Personensorge dadurch schuldhaft verletzt, dass sie das Aufenthaltsbestimmungsrecht über den 11.1.2016 hinaus weiterhin zugunsten einer Fremdunterbringung des Klägers zu 1 ausgeübt haben.
Die dem angefochtenen Urteil zugrundeliegende Ansicht, dass die gerichtlichen Entscheidungen über die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts einen neuen Kausalverlauf in Gang gesetzt haben, weshalb das Jugendamt bzw. die mit der Ausübung betraute Amtspflegerin für die Fortdauer der außerfamiliären Unterbringung des Klägers zu 1 nicht verantwortlich sei, trifft nicht zu. Das Jugendamt bzw. die mit der Ausübung der Pflegschaft betraute Beamtin des Jugendamts waren rechtlich in der Lage, über den Aufenthalt des Klägers zu 1 selbst zu entscheiden. Die weitere, durch die Pflegerin erfolgte Genehmigung der Inobhutnahme war durch die gerichtliche Entscheidung nicht zwingend vorgegeben. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht konnte auch im Sinne einer Unterbringung des Kindes bei seinen Angehörigen ausgeübt werden. Soweit die Beklagte hiergegen einwendet, dass sich das Jugendamt bei der Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrecht mit der gerichtlichen Entscheidung nicht habe in Widerspruch setzten dürfen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Rechtlich ist ein Ergänzungspfleger bei der Ausübung des ihm übertragenen Teilbereichs der Personensorge nicht auf bestimmte Maßnahmen beschränkt, sondern hat orientiert am Kindewohl sachgemäße Entscheidungen zu treffen. Demgemäß gibt es auch in der Rechtsprechung Beispiele, dass eine Ergänzungspflegerin, der das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen ist, ein Kind nicht fremdunterbringt, sondern zu einem der Elternteile oder zu Verwandten gibt (vgl. den Sachverhalt, der dem Beschluss des BVerfG vom 27.11.2020 - 1 BvR 836/20, dort Rdn. 23, zugrunde lag. Dort wurde eine Ungeeignetheit beider Eltern zur Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts angenommen. Die Ergänzungspflegerin gab das Kind aber in die Obhut des Vaters; vgl auch BVerfG B. v. 27.8.2014 - 1 BvR 1822/14, wo die Kinder trotz Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf das Jugendamt zunächst bei der Mutter verblieben; auch in BayObLG FamRZ 1994, 975 hat die Ergänzungspflegerin das Kind zwar der Mutter weggenommen, es aber bei der Familie seiner Halbschwester untergebracht.). Eine zwangsläufige, rechtliche Verknüpfung besteht daher nicht. Mit der Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts war im vorliegenden Fall aber auch in tatsächlicher Hinsicht nicht festgelegt, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht im Sinne einer Beendigung der außerfamiliären Unterbringung ausgeübt werden kann. Die Entscheidungen vom 1.12. und 20.12.2016 haben nicht zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger zu 1 auf längere Dauer außerhalb der Familie untergebracht werden muss. Von einer eigenen Entscheidungszuständigkeit hinsichtlich des Aufenthalts des Klägers zu 1 geht im Übrigen auch das Jugendamt der Beklagten aus, denn in der Verhandlung am 11.1.2017 hatte der Vertreter des Jugendamts dargelegt, dass der Ergänzungspfleger auch zugunsten eines Aufenthalts bei einem Elternteil entscheiden könne (S. 12 des Verhandlungsprotokolls, Bl. 474 BA I).
Demgemäß kommt es darauf an, ob die Entscheidung, die Unterbringung in der Einrichtung aufrechtzuerhalten, sachgemäß war und einer am Kindeswohl orientierten Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts entsprach. Schuldhafte Verletzungen dieser der Pflegerin bzw. dem Jugendamt obliegenden Pflichten können eine Haftung wegen Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG oder gemäß §§ 1833, 1915 BGB i.V.m. § 56 Abs. 1 SGB VIII begründen (Winkler in BeckOK Sozialrecht, 67. Ed., § 55 SGB VIII Rdn. 14; Kunkel in Kunkel u.a., SGB VIII, 8. Aufl., § 55 Rdn. 41; BGH NJW 2014, 692; BGHZ 77, 224). Der Amtspfleger muss - wie jeder Beamte - sein Amt im Einklang mit dem objektiven Recht ausüben und die Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft prüfen. Kommt er auf dieser Grundlage zu einer vertretbaren Auffassung, handelt er nicht schuldhaft, auch wenn seine Auffassung später durch ein Gericht missbilligt wird; eindeutige höchstrichterliche Rechtsprechung ist bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe zu berücksichtigen (vgl. dazu Palandt-Sprau, 80. Aufl., § 839 Rdn. 32, 53; BGH NJW 1992, 3229; NJW 2003, 3693, 3696; VersR 1989, 184).
Für die am Kindeswohl zu orientierende Entscheidung der Amtspflegerin, ob an der Genehmigung der Inobhutnahme und damit an der Fremdunterbringung in dem Kinderheim festzuhalten war, hält der Senat die Grundsätze für maßgeblich, die das Bundesverfassungsgericht generell bei einer zu einer Fremdunterbringung führenden oder sie ermöglichenden Entscheidung im Rahmen von § 1666 BGB für maßgeblich hält. Das Bundesverfassungsgericht hat zur Fremdunterbringung eines Kindes aus Anlass eines tiefgreifenden Elternkonflikts ausgeführt (B. v. 22.9.2014 - 1 BvR 2108/14), dass eine solche Maßnahme gerechtfertigt ist, wenn der permanente Elternkonflikt das Kindeswohl in hohem Maße und mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet. Zwar reiche die Beeinflussung des Kindes durch einen Elternteil und die dadurch bei dem Kind hervorgerufene Verweigerungshaltung gegenüber dem anderen Elternteil für sich genommen regelmäßig nicht aus, um eine Unterbringung des Kindes bei Dritten zu veranlassen. Wegen des Fehlverhaltens eines Elternteils würde das Kind ansonsten praktisch beide verlieren (vgl. Staudinger/Coester, BGB, 2009, § 1666 Rz. 147; Salgo, in: Festschrift für Dieter Schwab, 2005, S. 891, 906). Wenn ein massiver Elternkonflikt aber zu erheblichen Schädigungen und im Einzelnen benannten Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu Suizidgedanken bei dem Kind geführt habe, gebe dieser Befund Anlass zu einer Sorgerechtsmaßnahme nach § 1666 BGB (vgl. BGH, Beschluss v. 26.10.2011 - XII ZB 247/11 -, FamRZ 2012, 99, m. Anm. Luthin, Rz. 26) und könne einen Eingriff in das elterliche Erziehungsgrundrecht auch verfassungsrechtlich rechtfertigen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlange aber, dass die Maßnahme zur Erreichung des Zwecks, eine nachhaltige Gefährdung des Kindes abzuwenden, geeignet sei. Das setze voraus, dass die konkrete Gefahr, die dem Kind bei dem Verbleib in der Familie drohe, beseitigt oder abgemildert werde. An der Geeignetheit fehle es, wenn die Trennung des Kindes von den Eltern mit anderweitigen Beeinträchtigungen des Kindeswohl einhergehe, welche durch die Beseitigung der festgestellten Gefahr nicht aufgewogen würden. Die Folgen der Fremdunterbringung dürften für das Kind nicht gravierender sein als die Folgen eines Verbleibs in der Herkunftsfamilie. Die Fremdunterbringung müsse außerdem erforderlich sein; es müsse das von mehreren gleichgut geeigneten Mitteln das das Elternrecht am wenigsten beeinträchtigende Mittel gewählt werden; es müsse versucht werden, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der Eltern gerichtete Maßnahmen das Ziel zu erreichen. Schließlich dürfe die Trennung des Kindes von den Eltern nicht außer Verhältnis zur Abwendung der Kindeswohlgefahr stehen.
In anderen Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Eignung hervorgehoben, dass es darauf ankomme, dass die Fremdunterbringung die Situation des Kindes in der Gesamtbetrachtung verbessert (BVerfG, B. v. 27.11.2020 - 1 BvR 836/20, Rdn. 29; B. v. 24.3.2014 - 1 BvR 160/14, Rdn. 38).
Eine nach diesen Maßstäben nicht gerechtfertigte Fremdunterbringung kann eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Kindes darstellen, da es sich um einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Anspruch auf ein ungestörtes Leben und Aufwachsen in vertrauten familiären Verhältnissen handelt. Wenn unter Berücksichtigung der gesamten Umstände ein solcher schwerwiegender Eingriff nicht anders befriedigend ausgeglichen werden kann, kommt auf der Rechtsfolgenseite auch die Zuerkennung einer Geldentschädigung in Betracht.
Nach diesen Maßstäben steht dem Kläger zu 1 ein Entschädigungsanspruch zu.
Die Inobhutnahme und die anschließend durch das Jugendamt aufrechterhaltene Bestimmung des Aufenthalts in einem Kinderheim können abgesehen von einer kurzen Übergangszeit nicht damit gerechtfertigt werden, dass der Kläger zu 1 von seiner Mutter geschlagen wurde und er deshalb zum Schutz vor Misshandlung nicht bei seiner Mutter belassen werden konnte. Selbst wenn man die Äußerungen des Klägers zu 1, er sei von seiner Mutter wiederholt geohrfeigt worden, und die ärztlich festgestellten Hämatome im Gesicht als zunächst hinreichende Anzeichen für einen Verstoß der Mutter gegen das Gebot zu gewaltfreier Erziehung ansehen konnte, rechtfertigen diese Umstände keine über mehrere Monate andauernde Wegnahme des Klägers von seiner Familie.
Denn der Gefahr erneuter Misshandlungen konnte dadurch begegnet werden, dass der Kläger zu 1 bis zur endgültigen Entscheidung über das Sorgerecht bei seinem Vater untergebracht wurde. Selbst wenn man die Bedenken des Familiengerichts aus dem Beschluss vom 1.12.2016, dass ein sofortiger Aufenthaltswechsel zu dem Kläger zu 2 mangels professioneller Unterstützung nicht möglich sei, berücksichtigt, kann das nicht bedeuten, dass deshalb ein mehrmonatiger Aufenthalt in völlig fremder Umgebung die sachlich richtige Entscheidung ist. Das Jugendamt hätte dann für die entsprechende Unterstützung sorgen oder den Kläger zu 2 auffordern müssen, dafür Sorge zu tragen. Der Senat hält diese in dem gerichtlichen Beschluss formulierte Einschränkung aber für offensichtlich nicht überzeugend. Wenn wegen der Misshandlungsvorwürfe eine Rückkehr des Klägers zu 1 zu seiner Mutter zunächst nicht in Frage kam, unterscheidet sich die Problemlage nicht davon, dass ein Elternteil wegen Krankheit oder aus anderen Gründen an der tatsächlichen Sorge für das Kind gehindert ist. In einem solchen Fall müsste es aber als selbstverständlich erscheinen, dass das Kind dann sofort vom anderen Elternteil, mit dem es regelmäßig Umgang hat und mit dem es vertraut ist, versorgt wird. Ein Ortswechsel von Stadt1 nach Stadt2 und ein etwaiger Schulwechsel können dabei keine erheblichen Hinderungsgründe darstellen.
Dem zur Rechtfertigung der Unterbringung des Klägers zu 1 in einem Kinderheim weiter herangezogenen Aspekt des heftigen und langwierigen Streits seiner Eltern über das Sorge- und Umgangsrecht ist kein hinreichendes Gewicht beizumessen, vor allem, weil die mit der Fremdunterbringung einhergehende Belastung absehbar nicht geeignet war, die Situation des Klägers zu 1 zu verbessern. Auch wenn die Eltern des Klägers zu 1 möglicherweise nicht in der Lage waren, ihre Auseinandersetzung über das Sorge- und Umgangsrecht so auszutragen, dass sie für den Kläger zu 1 unschädlich blieb und er nicht in wiederholte und schwerwiegende Loyalitätskonflikte geriet, kann das unter den hier gegebenen Umständen die längerfristige oder dauernde Trennung des Kindes von beiden Eltern nicht rechtfertigen. Der ... Familiensenat des Oberlandesgerichts Frankfurt hat sich in seinem Beschluss vom 12.4.2017 den Ausführungen des Oberlandesgerichts Brandenburg (B. v. 21.3.2016 - 9 UF 142/15) angeschlossen, dass es zunehmend Lebenswirklichkeit geworden sei, dass Kinder getrennt lebender Eltern in Streitigkeiten um den Lebensmittelpunkt und das Umgangsrecht verstrickt und dadurch - auch schwer - belastet würden. Dies könne Anlass geben zu einer einstweiligen Zuweisung des Aufenthaltsbestimmungsrechts an einen Elternteil oder zu vorläufigen adäquaten Umgangsregelungen, dürfe aber für sich betrachtet - jenseits von Ausnahmefällen - kein Grund für eine vorläufige Entziehung großer Teile des elterlichen Sorgerechts sein. Kindern, die in einen hochkonflikthaften Streit zwischen Elternteilen, die sie beide lieben, hineingezogen werden, sei nicht damit gedient, dass sie mit der Folge einer nachhaltigen Beeinträchtigung ihrer Beziehung zu beiden Elternteilen außerhalb der Familie untergebracht würden. Das hält der Senat mit Bezug auf diesen Streitfall für unmittelbar einleuchtend. Es erscheint unter den hier gegebenen Umständen ausgeschlossen, dass das Jugendamt oder das Familiengericht ohne das auslösende Moment des Misshandlungsvorwurfs allein wegen des Elternkonflikts eine Fremdunterbringung angeordnet, empfohlen oder auch nur in Erwägung gezogen hätten. Denn grundsätzlich wurden beide Eltern als erziehungsgeeignet beurteilt. Bei der Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts musste die Amtspflegerin berücksichtigen, dass es sich bei der Unterbringung des Klägers zu 1 außerhalb seiner Familie nicht nur um keine Dauerlösung handeln konnte, sondern dass unter dem Gesichtspunkt der Belastung durch den Elternkonflikt eine Herausnahme des Kindes aus seiner Familie an sich überhaupt nicht veranlasst und, wenn überhaupt, dann allenfalls zur Beruhigung und Findung des Klägers zu 1 gerechtfertigt gewesen sein kann. Den Gesichtspunkt des zeitlich und sachlich begrenzten Zwecks der Fremdunterbringung haben die Pflegerin und das Jugendamt aber in der Folge nicht mehr hinreichend beachtet. Der ursprüngliche Zweck der Inobhutnahme hat in der Folgezeit die Entscheidungen des Jugendamts und der Amtspflegerin jedenfalls nicht mehr bestimmt; bereits in der Verhandlung am 11.1.2017 hat das Jugendamt den Standpunkt eingenommen, dass diese Vorwürfe unbegründet seien. Die Fremdunterbringung soll von einem Mitarbeiter des Jugendamts als Herstellung einer „Laborsituation“ bezeichnet worden sein. Dies verdeutlicht, dass es sich dabei allenfalls um eine kurzfristige Maßnahme handeln konnte, in deren Verlauf eine Beruhigung hätte eintreten können und sollen. Von diesem Ausgangspunkt aus musste aber das Jugendamt selbst dafür sorgen, dass es bei der angedachten Kurzfristigkeit blieb. Eine längere, über Monate andauernde Trennung von beiden Eltern konnte der Kläger zu 1 nicht als Entlastung von einem Konflikt erleben, sondern musste dies, wie es tatsächlich auch geschehen ist (vgl. Bericht des Kinderheims vom 10.4.2017, Bl. 872 BA I; Anhörungsprotokoll vom 6.4.2017, Seite 7, Bl. 78 der Beiakte ...), als ungerechtfertigte Folge dafür verstehen, dass er sich über die Misshandlung durch seine Mutter beschwert hatte, so dass er schlussendlich den Kläger zu 2 für seine Fremdunterbringung in dem Kinderheim verantwortlich machte.
Der Senat berücksichtigt, dass der Zweck, den Kläger zu 1 zu entlasten, nach der übereinstimmenden Wahrnehmung des Sachverständigen Q und der Verfahrensbeiständin des Klägers zu 1 zunächst auch erreicht worden ist, indem sich der Kläger zu 1 zunächst mit dem Aufenthalt im Kinderheim einverstanden und mit der damit verbundenen Entlastung von dem Streit der Eltern subjektiv zufrieden zeigte (Erg.GA Q vom 10.12.2016, S. 10, Bl. 316 BA I; Bericht der Verfahrensbeiständin bei der Verhandlung am 19.12.2016, BA II Bl. 138; Vermerk über die Anhörung vom 15.12.2016, Bl. 345 BA I). Bereits bei der Anhörung durch die Familienrichterin in Begleitung der Verfahrensbeiständin am 15.12.2016 (Vermerk Bl. 345 BA I) äußerte der Kläger zu 1 aber, dass er sein Zuhause vermisse, dass er Kontakt zu den Eltern wolle und dass sich diese Kontakte nicht nur auf Besuche beschränken sollten. Im Verhandlungstermin am 11.1.2017 berichtete die Amtspflegerin, dass der Kläger zu 1 verdeutlicht habe, dass es ihm in der Einrichtung nicht mehr so gut gefalle, dass er zur Mutter wolle und es so sein solle wie vorher, dass er also in Stadt1 lebe und den Kläger zu 2 besuche. Der Vertreter des Jugendamts berichtete, dass der Kläger zu 1 wegen eines Rückgangs der Belegung in der Einrichtung kaum Kontakte habe und dass er in der Schule auch nicht so gut angekommen sei, wie es für ihn gut wäre. An seiner Empfehlung im Ergänzungsgutachten vom 10.12.2016, den Kläger zu 1 außerfamiliär unterzubringen (ErgGA S. 11, Bl. 317 BA I), hat der Sachverständige unter dem Eindruck der Verhandlung vor dem Familiengericht am 11.1.2017 nicht uneingeschränkt festgehalten, sondern ausgeführt, dass die Inobhutnahme wegen der instabilen Situation in der Einrichtung für den Kläger zu 1 ein Problem darstelle und erneut einen Risikofaktor darstellen könne und beendet werden solle. Der Kläger zu 1 könne zu einem der Elternteile gegeben werden. Dort müsse eine Familienhilfe errichtet werden und eine psychotherapeutische Behandlung erfolgen.
Aufgrund der Belegungssituation in dem Kinderheim, die selbst die Amtspflegerin als „aktuell nicht mehr allzu kindeswohlgerecht“ (Bl. 473 BA I) ansah, der wenig befriedigenden Schulsituation und dem mittlerweile bei dem Kläger zu 1 in den Vordergrund getretenen Wunsch, in die Familie zurückzukehren, lag es daher sehr nahe, den Aufenthalt des Klägers zu 1 in dem Kinderheim zu beenden. Ebenso wie der Sachverständige hielt die Amtspflegerin eine Konfliktbearbeitung grundsätzlich auch im häuslichen Umfeld, also ohne Fremdunterbringung des Klägers, für möglich (Bl. 474). Eine Verbesserung der Situation des Klägers zu 1 gegenüber dem vorherigen Zustand hat die Amtspflegerin unter den Bedingungen der Unterbringung in dem Kinderheim offenbar selbst nicht angenommen. Die Stellungnahme des Jugendamts vom 11.4.2017, die auf dem Bericht des Kinderheims vom 10.4.2017 aufbaut, stellt selbst fest, dass der Aufenthalt in der Einrichtung bei abwechselnden Wochenendaufenthalten bei jeweils einem Elternteil den Kläger zu 1 überfordere. Auch daraus ergibt sich, dass der mit der Fremdplatzierung verfolgte Zweck, die Situation des Klägers zu 1 zu verbessern, unter den gegebenen Umständen nicht erreichbar war. Das war aber nicht erst im April 2017 erkennbar, sondern hatte sich schon im Januar 2017 abgezeichnet.
Hinsichtlich des zur Fortführung der Fremdplatzierung aufgeworfenen Vorschlags des Vertreters des Jugendamts und der Amtspflegerin in der Verhandlung am 11.1.2017, dass der Kläger zu 1 zunächst in einer Wohngruppe in Stadt1 untergebracht werden und dann auch wieder in Stadt1 die Schule besuchen könne, bestanden schon nach den Äußerungen des Vertreters des Jugendamts in der Verhandlung am 11.1.2017 Zweifel, dass eine Unterbringung in einer Wohngruppe in Stadt1 möglich sein werde, insbesondere weil die Eltern dem Träger der Wohngruppe zu zerstritten erscheinen könnten, so dass dann weitere Möglichkeiten einer Drittunterbringung erwogen werden müssten. Die Skepsis bezüglich der Wohngruppe war, wie sich in der zweiten Märzhälfte 2017 zeigte, berechtigt, weil weder die Eltern mit den Randbedingungen der Unterbringung in dem ins Auge gefassten Haus B einverstanden waren und insbesondere das Heim wegen der elterlichen Dissonanzen eine Grundlage für eine Zusammenarbeit nicht gesehen hat. Um dieses schon am 11.1.2017 für möglich gehaltene Scheitern zu verifizieren, haben Jugendamt und Amtspflegerin dem Kläger weitere zwei Monate Aufenthalt in der bereits am 11.1.2017 von ihnen als nicht mehr kindeswohlgerecht beurteilten Einrichtung zugemutet. Welche Überlegungen die Pflegerin bzw. das Jugendamt nach dem gescheiterten Versuch, den Kläger zu 1 im Haus B unterzubringen, angestellt haben, ist nicht näher dargelegt. Dass der Kläger zu 1 weiterhin über den Aufenthalt im Kinderheim unglücklich war, hat seine Anhörung durch das Oberlandesgericht im April 2014 eindrücklich bestätigt und musste der Pflegerin und dem Jugendamt schon zuvor bekannt sein. Ebenso bekannt war die Einschätzung des Sachverständigen aus der Anhörung am 11.1.2017, dass der Kläger zu 1 an sich auch bei einem Elternteil untergebracht werden könne, wenn parallel Familienhilfe und therapeutische Behandlung in Anspruch genommen würden. Es ist daher nicht nachvollziehbar und mit am Kindeswohl orientierten und die negativen Folgen einer Fremdunterbringung berücksichtigenden Überlegungen nicht begründbar, dass an der Fremdunterbringung festgehalten wurde, ohne dass damit eine greifbare Perspektive verbunden war, also mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, dass die Fortführung der Fremdunterbringung die Gesamtsituation des Klägers zu 1 verbessern würde.
Bereits in der Verhandlung am 11.1.2017 hatte der Vertreter des Jugendamts dargelegt, dass der Ergänzungspfleger auch zugunsten eines Aufenthalts bei einem Elternteil entscheiden könne, wenn die Voraussetzungen vorlägen und beispielsweise die Eltern die entsprechende Entscheidung mittragen könnten. Der Amtspflegerin war daher bewusst, dass ihr die Entscheidung über die weitere Fremdunterbringung oblag. Soweit die Unterbringung bei einem Elternteil daran geknüpft sein sollte, dass beide Eltern diese mittragen könnten, liegt darin aber ein Fehlverständnis, denn die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Ergänzungspflegerin erfolgte, weil die Eltern keine Einigkeit herstellen konnten, und beinhaltet deshalb, dass es auf das Einvernehmen beider Eltern für die Entscheidungen der Amtspflegerin nicht ausschlaggebend ankommen kann.
Das Festhalten an der Fremdunterbringung an einem vom bisherigen familiären Umfeld weit abgelegenen Ort erscheint auch nicht deshalb als vertretbar, weil der Beschluss des Familiengerichts vom 15.2.2017 von der Erforderlichkeit, den Kläger zu 1 aus dem Spannungsfeld der Eltern weitestgehend herauszuhalten, ausgegangen ist und deshalb eine Wohngruppenlösung als vorzugswürdig angesehen hat. Denn wie dargelegt, war es schon mit Stand vom 11.1.2017 unwahrscheinlich, dass eine solche Lösung realisiert werden könnte. Der Sachverständige, auf den sich das Familiengericht bei seiner Entscheidung bezogen hat, hat aber auch dargelegt (S. 10 des Verhandlungsprotokolls vom 11.1.2017, Bl. 472 BA I), dass die Eltern in einen Beratungsprozess zur Beilegung ihres Konflikts eintreten sollten, sodass zeitnah die Situation der Wohngruppe aufgelöst werden könne und dass die Maßnahme ohnehin befristet werden müsse. Daraus wird deutlich, dass offenbar keiner der Beteiligten den Nutzen der Fremdunterbringung garantieren konnte, weil er von Voraussetzungen abhing, die weder das Familiengericht noch das Jugendamt entscheidend beeinflussen konnten, nämlich von der Bereitschaft der Eltern, ihren Konflikt zu lösen. Es ist aber nicht verhältnismäßig, eine Herausnahme des Kindes aus seiner Familie unter derart ungewissen, experimentellen Erwartungen aufrechtzuerhalten. Es musste sich daher dem Jugendamt aufdrängen, dass bei dieser offensichtlich äußerst ungewissen Perspektive der Sinn der Fremdplatzierung verfehlt wurde.
Die schuldhaft fehlerhafte Beurteilung der Voraussetzungen für die weitere Aufrechterhaltung der außerfamiliären Unterbringung des Klägers zu 1 kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt der sog. Kollegialgerichtsrichtlinie als entschuldigt beurteilt werden. Nach diesem Grundsatz kann einem Amtsträger kein Schuldvorwurf gemacht werden, wenn sein Verhalten von einem mit Berufsrichtern besetzten Kollegialgericht als rechtmäßig beurteilt wird; das gilt auch, wenn diese Beurteilung durch die Vorinstanz im Rechtsstreit über einen Amtshaftungsanspruch erfolgt (Staudinger-Wöstmann, 2020, § 839 Rdn. 218). Dieser Grundsatz gilt aber nicht, wenn das betreffende Kollegialgericht die Verantwortlichkeit der beteiligten Amtsträger nur unvollständig erörtert hat (vgl. zu dieser Einschränkung der Kollegialgerichtsrichtlinie Staudinger/Wöstmann, Bearbeitung 2020, § 839 Rdn.213 mnW.). Hier ist einerseits zwar festzustellen, dass in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts, das in Kammerbesetzung entschieden hat, ausgeführt wird, dass in dem Vorgehen der Mitarbeiter der Beklagten keine Fehler zu erkennen seien. Das Landgericht hat aber zu der hier maßgeblichen Frage der Aufrechterhaltung der Fremdplatzierung durch das Jugendamt als Ergänzungspfleger überhaupt nicht Stellung genommen, sondern insoweit überhaupt keine eigenen Pflichten des Jugendamts angenommen, vielmehr mit Hinweis auf eine vermeintlich überholende Kausalität angenommen, dass die Verantwortlichkeit für die weitere Fremdplatzierung des Klägers nach den Entscheidungen vom 1. und 20.12.2016 und 8.2.2017 bei dem Familiengericht gelegen habe. Es hat daher nicht berücksichtigt, dass bei der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Ergänzungspfleger Verantwortung dafür trägt, dass eine etwaige Fremdunterbringung nach den dafür maßgebenden Rechtssätzen gerechtfertigt und dem Kindeswohl weiterhin dienlich ist. Entgegen der von der Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht handelt es sich nicht um eine Billigung der Amtsführung des Jugendamts als Ergänzungspfleger, wenn ein Kollegialgericht das Verhalten von Amtsträgern deshalb nicht überprüft, weil es eine unzutreffende Beschränkung des Pflichtenkreises annimmt.
Der Kläger zu 1 ist aufgrund der schuldhaften Amtspflichtverletzung in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden. Die Verletzung ist schwerwiegend und kann anders als durch eine Geldentschädigung nicht befriedigend ausgeglichen werden. Den weit überhöhten Vorstellungen des Klägers zu 1 zur Höhe der Entschädigung vermag der Senat allerdings nicht näherzutreten. Er hält eine Geldentschädigung in Höhe von 3.000 € für ausreichend.
Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Kläger zu 1 im Alter von nur 6 Jahren die längere Herausnahme aus seiner Familie als besonders belastend empfunden hat, mag er auch anfänglich eine gewisse Entlastung dadurch erlebt haben, dass er dem Streit seiner Eltern enthoben war. Dieser Effekt hat aber, wie die bereits erwähnten Äußerungen des Klägers zu 1 zeigen, sehr schnell nachgelassen. In dem Heim, in dem er untergebracht war, und in der Schule hat er keinen oder sehr wenig Anschluss gefunden, zumal er sich mit einigen Kindern nicht einmal verständigen konnte. Es ist daher verständlich und nachfühlbar, dass der Kläger sich einsam gefühlt hat. Wegen der unverhältnismäßigen Dauer der Fremdunterbringung ist es auch zu einem bedauerlichen Vertrauensverlust gegenüber dem Kläger zu 2 gekommen, weil der Kläger zu 1 seinen Vater für die missliche Lage verantwortlich gemacht hat. Denn ihm hatte er sich wegen des Gewaltvorwurfs anvertraut und musste nun die Unterbringung in einem heimatfernen Kinderheim als Sanktion, nicht als Hilfe erleben. Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung der Kläger, dass es sich gleichsam um eine Freiheitsentziehung gehandelt habe. Das war objektiv nicht der Fall, sodass unter diesem Gesichtspunkt eine weitere Rechtsgutsverletzung nicht anzunehmen ist. Maßstab kann auch nicht der von den Klägern herangezogene Vergleich mit einer länger andauernden, auf einer Fehldiagnose beruhenden psychiatrichen Behandlung sein. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Kläger zu 1 jedenfalls ab Januar 2017 regelmäßige Umgangskontakte mit seinen Eltern hatte. Der Senat kann nicht erschwerend die Enttäuschung des Klägers zu 1 über ein entgangenes Weihnachtsfest berücksichtigen, das er ohne die Fremdunterbringung im Kreis seiner Familie bei seinem Vater hätte verbringen sollen. Denn wie dargelegt kann dem Jugendamt nicht vorgeworfen werden, dass es zunächst und bis 11.1.2017 an der Fremdunterbringung noch festgehalten hat. Eine höhere Entschädigung kommt im Übrigen auch deshalb nicht in Frage, weil das Jugendamt dem Kläger zu 1 nicht in feindlicher Gesinnung begegnet ist, sondern subjektiv wohlmeinend gehandelt hat. Daran hat der Senat keinen Zweifel. Er hält es aber für unabdingbar, durch das Zuerkennen einer Geldentschädigung zu verdeutlichen, dass es nicht genügt, in guter Absicht zu handeln, wenn dabei die restriktiven Maßstäbe, die bei der Herausnahme eines Kindes aus der Familie und der Aufrechterhaltung dieses Zustands gelten, deutlich verletzt werden.
Der Antrag auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, künftigen Schaden zu ersetzen, ist zulässig und begründet. Da zugunsten des Klägers zu 1 die Haftung der Beklagten wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts feststeht, genügt für das Feststellungsinteresse die bloße Möglichkeit solcher Schäden (BGH, U. v. 29.6.2021 - VI ZR 52/18, juris Rdn. 30). Unter den hier bestehenden Umständen, da es sich um einschneidendes Erlebnis gehandelt hat und seelische Folgen, die behandlungsbedürftig sein könnten, nicht ganz fernliegend sind, ist der Feststellungsantrag auch begründet.
Dem Kläger zu 1 steht schließlich aus einem Streitwert von 10.000 € (Geldentschädigung in Höhe von 3.000 € und Wert des Feststellungsantrags in Höhe von 7.000 €; vgl. dazu den Streitwertbeschluss des Senats vom 27.7.2023) ein Anspruch auf Freistellung von den Kosten vorgerichtlicher Rechtsverfolgung zu (1,3 Gebühr zzgl. 20 € Pauschale und 19% Umsatzsteuer). Da es sich um einen deliktischen Eingriff handelt, kommt es auf die Voraussetzungen des Verzugs nicht an.
Die Berufung des Klägers zu 2 bleibt dagegen ohne Erfolg.
Dem Kläger zu 2 steht ein Anspruch auf Schmerzensgeld bzw. auf Geldentschädigung wegen eines deliktischen Eingriffs nicht zu.
Der Senat nimmt zunächst Bezug auf seine oben näher erläuterte Beurteilung, dass die Fremdunterbringung des Klägers zu 1 zunächst als vertretbar und nicht als schuldhafte Verletzung einer Amtspflicht angesehen werden muss. Das gilt im Verhältnis zu dem Kläger zu 2 entsprechend.
Es kann auch offen bleiben, ob bei der allein sachgemäßen Beendigung der Fremdunterbringung nach dem 11.1.2017 der Aufenthalt des Klägers zu 1 bei dem Kläger zu 2 hätte bestimmt werden müssen. Dass dies keineswegs zwingend war, zeigt bereits die auf der Grundlage im Wesentlichen gleicher Erkenntnisse getroffene Entscheidung des Familiensenats des Oberlandesgerichts vom 12.4.2017. Unabhängig davon ist dadurch nämlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers zu 2 in seiner Ausprägung als Abwehrrecht gegen Eingriffe in ein ungestörtes Familienleben nicht schwerwiegend beeinträchtigt worden. Denn der Kläger zu 1 hatte auch vorher nicht ständig bei dem Kläger zu 2 gewohnt. Das Verhalten des Jugendamts hat daher nicht einen vorher bestehenden Zustand nachhaltig verändert.
Soweit der Kläger zu 2 geltend macht, dass durch die Fremdunterbringung des Klägers zu 1 eine Beeinträchtigung seines Umgangsrechts mit dem Kläger zu 1 stattgefunden habe, ergibt sich hieraus kein greifbarer Anhaltspunkt für eine Amtspflichtverletzung.
Der Kläger zu 2 hat in 1. Instanz lediglich geltend gemacht, dass der Kläger zu 1 abgeschottet worden sei. Dem substantiierten Vorbringen der Beklagten zu telefonischen Kontakten und Besuchsmöglichkeiten ist der Kläger zu 2 nicht detailliert entgegengetreten. Auch das in der Berufungsbegründung weiter ausgeführte diesbezügliche Vorbringen des Klägers zu 2 ist unschlüssig, weil sich daraus nicht entnehmen lässt, dass und in welcher Weise Mitarbeiter des Jugendamtes der Beklagten hierbei in pflichtwidriger Weise eine Beeinträchtigung des Umgangs verursacht haben sollen.
Die vor der Inobhutnahme bestehende Umgangsregelung war aufgrund des Beschlusses vom 20.12.2016 obsolet. Das aufgrund dieses Beschlusses zur Regelung des Umgangs berufene Jugendamt war daher nicht verpflichtet, den Umgang der Kläger sofort wieder so zu gestalten, wie er vor der Inobhutnahme bestanden hatte. Dass gegenüber dem früheren Zustand eine Beschränkung der Kontakte bestand, ist daher nicht allein deshalb rechtswidrig. Im Übrigen fehlt es weiterhin an einem schlüssigen Sachvortrag, denn der Kläger zu 2 behauptet, dass der Kläger zu 2 ca. 4 Wochen nach der Inobhutnahme gar keinen Kontakt mit dem Kläger zu 1 gehabt habe. Danach seien 3 Wochen lang sporadisch kurze Telefonate möglich gewesen, anschließend alle 14 Tage ein Umgang für 2 Stunden. Dies habe erstmals am 21.12.2016 stattgefunden. Dieser Vortrag widerspricht hinsichtlich des ersten Umgangs bereits der behaupteten Abschottung über 4 Wochen. Aus der E-Mail des Klägers zu 2 vom 2.12.2016 (Anlage BK 5) ergibt sich auch, dass er an diesem Tage gerade mit dem Kläger zu 1 telefoniert habe. Hierzu passt die Wiedergabe der Angaben der Betreuer in der Einrichtung im ergänzenden Gutachten des Sachverständigen Q, wonach es bereits bis zum 8.12.2016 mehrere Telefonate der Kläger gegeben hatte. Ausweislich der Email vom 30.12.2016 war ein Besuch für den 5.1.2017 bestätigt. Unstreitig bestand jedenfalls ab der zweiten Januarhälfte wieder Wochenendumgang mit den Eltern. Insgesamt ergibt sich daher das Bild eines über den Beginn der Inobhutnahme hinweg ständigen, zu keiner Zeit vollständig unterbundenen Kontakts der Kläger miteinander.
Hinsichtlich der unterbliebenen Aushändigung einzelner Weihnachtsgeschenke ergibt sich aus der E-Mail einer Mitarbeiterin der Beklagten vom 17.1.2017, dass in der Jugendhilfeeinrichtung noch einige Geschenke für den Kläger zu 1 nach Weihnachten angekommen seien, die nicht mehr übergeben wurden. Dem ist der Kläger zu 2, wie auch dem weiteren diesbezüglichen Vorbringen der Beklagten, inhaltlich nicht konkret entgegengetreten. Ein unter dem Gesichtspunkt einer Amtspflichtverletzung relevantes Fehlverhalten des Jugendamts als Ergänzungspfleger lässt sich dem Vortrag des Klägers zu 2 insoweit ohnehin nicht entnehmen.
Der Berufungsantrag zu 2, der auf Freistellung von den Kosten der Inobhutnahme bzw. auf Feststellung, solche Kosten nicht zu schulden, gerichtet ist, hat wegen § 839 Abs. 3 BGB keinen Erfolg. Denn danach muss, wer von einer Amtspflichtverletzung betroffen ist, zunächst Primärrechtsschutz gegen etwaige rechtswidrige Verwaltungsentscheidungen in Anspruch nehmen. Die Annahme des Klägers zu 2, er dürfe für die Kosten der Inobhutnahme nicht in Anspruch genommen werden, muss daher zunächst in dem noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren und ggf. in einem anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren geklärt werden. Erst dann kann der Kläger zu 2 wegen der Belastung mit Kosten für die Inobhutnahme einen Amtshaftungsanspruch erheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.