22.02.2024 · IWW-Abrufnummer 239889
Oberlandesgericht Karlsruhe: Beschluss vom 17.04.2023 – 5 WF 29/23
Ausreichende Bestimmtheit von Umgangsregelungen.
Eine Umgangsregelung "... von Freitag nach der Schule ..." ist jedenfalls für die Tage nicht vollstreckbar, an denen keine Schule stattfindet.
Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss vom 17.04.2023
Tenor:
- Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Offenburg vom 29.12.2022 in Ziffern 1 und 2 des Tenors aufgehoben und der Antrag des Antragstellers auf Verhängung von Ordnungsmitteln abgewiesen.
- Gerichtskosten für das Vollstreckungsverfahren erster und zweiter Instanz werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden in beiden Instanzen nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die Festsetzung von Ordnungsmitteln in einem Umgangsverfahren.
Antragsteller und Antragsgegnerin sind die Eltern des Kindes G., geboren 2015 (7 Jahre alt). Das Kind lebt bei der Mutter, der Vater nimmt Umgang wahr. Mit Beschluss vom 25.08.2022 regelte das Familiengericht den regelmäßigen Umgang des Kindes mit dem Vater wie folgt:
Der Antragsteller und Kindesvater, Herr G., hat das Recht zum laufenden Umgang mit G. (geboren 2015) alle 14 Tage von Freitag nach der Schule bis Montag früh zum Beginn der Schule, beginnend mit dem 16.09. bis 19.09.2022 sowie an jedem Mittwoch einer Woche nach der Schule bis Donnerstag früh zum Beginn der Schule, beginnend mit dem 14.09./15.09.2022.
Die Schule begann für das Kind aber erst am Montag, dem 19.09.2022. Die Mutter verweigerte aus diesem Grund den Umgang vom 16.09. bis 19.09.2022.
Mit Anwaltsschreiben vom 02.11.2022 beantragte der Vater die Festsetzung von Ordnungsmitteln.
Die Mutter trat dem entgegen.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 29.12.2022 setzte das Familiengericht gegen die Mutter ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 € fest, da die Umgangsverpflichtung auszulegen sei. Der Beschluss wurde der Mutter am 30.12.2022 zugestellt.
Gegen den Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Mutter mit Anwaltsschriftsatz vom 13.01.2023, eingegangen per beA am gleichen Tag. Darin macht sie geltend, die Daten seien nicht eindeutig festgelegt, im Übrigen sei vereinbart gewesen, dass das Kind das Einschulungswochenende bei der Mutter verbringt.
Der Vater tritt der Beschwerde entgegen. Er sei nicht mit einer Änderung der gerichtlichen Umgangsregelung einverstanden gewesen.
Mit Beschluss vom 14.02.2023 half das Familiengericht der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte das Verfahrens dem Senat zur Entscheidung vor.
Im Beschwerdeverfahren erhielten die Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
Die Voraussetzungen für die Anordnung von Ordnungsmitteln wegen einer Zuwiderhandlung gegen einen Vollstreckungstitel zur Regelung des Umgangs liegen nicht vor, § 89 Abs. 1 FamFG. Die hier zu vollstreckende Verpflichtung ist für die konkret vorliegende Konstellation nicht vollstreckungsfähig.
Für die Vollstreckung muss die gerichtliche Entscheidung einen vollstreckbaren Inhalt aufweisen, insbesondere hinreichend bestimmt sein. Umgangsregelungen müssen so konkret gefasst sein, dass den Beteiligten ausreichend deutlich wird, welche Pflichten sie zu erfüllen haben. Dafür ist eine genaue und erschöpfende Bestimmung über Art, Ort und Zeit des Umgangs erforderlich (BGH vom 01.12.2012 - XII ZB 188/11, FamRZ 2012, 533, juris Rn. 18; Musielak/Borth/Frank/Frank, Familiengerichtliches Verfahren, 7. Auflage 2022, § 89 FamFG Rn. 2), insbesondere auch eine konkrete Uhrzeit (OLG Bamberg vom 12.03.2013 - 7 WF 356/12, FamRZ 2013, 1759, juris Rn. 23; Sternal/Giers, FamFG, 21. Auflage 2023, § 89 Rn. 4; Johannsen/Henrich/Althammer/Rake, Familienrecht, 7. Auflage 2020, § 1684 BGB Rn. 27). Dabei wird die hier gewählte Formulierung ("Umgang ... von Freitag nach der Schule ...") für den Normalfall des Schulbesuchs jedenfalls dann als ausreichend angesehen, wenn die Abholung des Kindes an der Schule durch den umgangsberechtigten Elternteil angeordnet ist, weil dann die Verpflichtung des betreuenden Elternteils eindeutig ist, zu veranlassen, dass der Vater das Kind zum Schulende abholen kann (vgl. OLG Celle vom 31.01.2020 - 10 UF 10/20, FamRZ 2020, 1370, juris Rn. 7; Musielak/Borth/Frank/Frank, a.a.O., § 156 FamFG Rn. 11). Mit dieser Formulierung ist aber keine ausreichend bestimmte Verpflichtung des betreuenden Elternteils geregelt, wie an Tagen ohne Schulbesuch des Kindes zu verfahren ist. Dies gilt ganz besonders für Tage, an denen nicht nur das Kind selbst am Schulbesuch verhindert ist, sondern überhaupt kein Schulunterricht stattfindet, da in solchen Fällen nicht festgestellt werden kann, wann die Schule endet. Außerdem ist für diese Fälle kein Ort der Übergabe geregelt. Die mögliche Bestimmbarkeit durch ergänzende Auslegung einer im Titel enthaltenen Regelung reicht im förmlichen Vollstreckungsverfahren nicht aus.
Zwar liegt angesichts der Erklärung der Mutter, das Kind solle das betreffende "Einschulungswochenende" bei ihr verbringen, womit sich der Vater aber nicht einverstanden erklärt hat, spätestens mit Beginn des Samstags ein Verstoß gegen den Sinn der Umgangsregelung nahe, auch wenn dieser nicht genau zeitlich konkretisiert werden kann. Für die Verhängung von Ordnungsmitteln in solchen Fällen ist aber eine Rechtsgrundlage (vergleichbar der Vorschrift des § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB, nach der bei ernsthafter und endgültiger Leistungsverweigerung eine hinreichend bestimmte Mahnung entbehrlich ist) im formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren nicht ersichtlich (so wie hier im Ergebnis auch OLG Bamberg vom 12.03.2013 - 7 WF 356/12, FamRZ 2013, 1759, juris Rn. 21 ff.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 87 Abs. 5, 81 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 FamFG. Da es wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls an zwingenden Vollstreckungsvoraussetzungen fehlt, entspricht es der Billigkeit, dass von der Erhebung von Gerichtskosten abgesehen wird und im Übrigen keine Kostenerstattung erfolgt.
Der Festsetzung eines Verfahrenswerts für das Beschwerdeverfahren, der sich nach dem Abwehrinteresse der Antragsgegnerin richten würde (vgl. Musielak/Borth/Frank/Frank, a.a.O., § 42 FamGKG Rn. 5), bedarf es nicht, da nach der Kostenentscheidung keine Gerichtskosten erhoben werden.