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  • 12.03.2024 · IWW-Abrufnummer 240244

    Oberlandesgericht Karlsruhe: Beschluss vom 14.11.2023 – 5 WF 124/23

    Das Bestehen von schweizerischen Rentenanwartschaften der betrieblichen Altersvorsorge kann nicht nach § 19 Abs. 3 VersAusglG zu einer Unbilligkeit des Ausgleichs eines Anrechts des anderen Ehegatten führen. Auch eine Abfindungszahlung nach § 23 VersAusglG kann darauf nicht gestützt werden. Die konkrete Höhe dieser Anwartschaften muss daher im Verfahren über den Versorgungsausgleich bei der Scheidung nicht aufgeklärt werden.


    Oberlandesgericht Karlsruhe 

    Beschluss vom 14.11.2023


    Tenor:
    1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Waldshut-Tiengen vom 25.08.2023 aufgehoben.
    2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
    3. Der Verfahrenswert wird auf 600 € festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Die sofortige Beschwerde wendet sich gegen die Festsetzung eines Zwangsgeldes im Versorgungsausgleichsverfahren.

    Die Antragstellerin und der Antragsgegner hatten 2013 geheiratet. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin wurde dem Antragsgegner am 22.06.2022 zugestellt.

    Während der Ehezeit hat u.a. der Antragsgegner Rentenanwartschaften in der Schweiz bei der AHV/IV und bei der betrieblichen Altersvorsorge erlangt. Hinsichtlich letzterer hatte der Antragsgegner eine Mitteilung der zuständigen A. Pensionskasse vom 02.05.2022 vorgelegt, in der einzelne Daten zur dortigen Versorgung mitgeteilt werden, aber weder ein Guthabensbetrag zum Zeitpunkt der Heirat, noch zum Stichtag des Ehezeitendes. Mit Verfügung vom 25.10.2022 wurde der Antragsgegner aufgefordert, folgende Unterlagen vorzulegen:

    - Auszug aus dem individuellen Konto AHV/IV,

    - Rentenvorausberechnung der AHV-Rente und

    - Berechnung der Freizügigkeits-/Austrittsleistung bezogen auf die Ehezeit der Pensionskasse.

    Eine Reaktion des Antragsgegners erfolgte nicht.

    Mit dem angefochtenen Beschluss vom 25.08.2023 setzte das Familiengericht gegen den Antragsgegner ein Zwangsgeld fest, da dieser seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei. Der Beschluss wurde dem Antragsgegner am 29.08.2023 zugestellt.

    Gegen den Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragsgegners mit Anwaltsschreiben vom 02.09.2023, eingegangen am gleichen Tag. Beigefügt ist für die Pensionskasse ein Vorsorgeausweis der offenbar seit dem 01.06.2023 zuständigen T. zum 15.06.2023. Mit weiterem Schreiben vom 18.09.2023 wurde der Auszug aus dem individuellen Konto vorgelegt. Die Akte gelangte wegen der Beschwerde gegen eine weitere Zwangsgeldfestsetzung zum Beschwerdegericht.

    Das Beschwerdegericht gab mit Verfügung vom 02.10.2023 die Akte an das Familiengericht zurück zur Durchführung eines Abhilfeverfahrens, dabei wurde auf die vorgelegten Unterlagen verwiesen.

    Mit Beschluss vom 17.10.2023 half das Familiengericht der sofortigen Beschwerde nicht ab und verwies auf die Begründung im angefochtenen Beschluss ohne auf die später vorgelegten Unterlagen einzugehen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

    II.

    Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß §§ 35 Abs. 5 FamFG, 567 ff. ZPO zulässig. Auf den Nichtabhilfebeschluss vom 17.10.2023 kommt es dafür nicht an, da die ordnungsgemäße Durchführung des Nichtabhilfeverfahrens (vgl. dazu Zöller/Heßler, ZPO, 34. Auflage 2022, § 572 Rn. 11 m.w.N.) keine Voraussetzung für eine Entscheidung im Beschwerdeverfahren ist (vgl. Zöller/Heßler, a.a.O., Rn. 4).

    Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

    1. Gemäß § 220 Abs. 3 FamFG kann das Gericht anordnen, dass die Ehegatten gegenüber dem Versorgungsträger Mitwirkungshandlungen zu erbringen haben, die für die Feststellung der in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anrechte erforderlich sind (vgl. auch § 4 Abs. 3 VersAusglG). Die Vollstreckung erfolgt gemäß § 35 FamFG durch die Festsetzung von Zwangsmitteln.

    2. Hinsichtlich der Aufforderung zur Vorlage des Auszugs aus dem individuellen Konto ist der Antragsgegner der Aufforderung nachkommen.

    3. Der vom Familiengericht verlangten Vorlage der Rentenvorausberechnung bedarf es für die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung der Freiburger Familiensenate des Oberlandesgerichts Karlsruhe können die Rentenanwartschaften bei der Schweizer AHV/IV für die überschlägige Berechnung nach § 19 Abs. 3 VersAusglG mit Hilfe des Auszugs aus dem individuellen Konto hinreichend bestimmt werden (vgl. zuletzt Senat vom 16.01.2023 - 5 UF 58/22, FamRZ 2023, 1021, juris).

    4. Auf die Klärung der genauen Höhe der in der Schweiz erworbenen betrieblichen Rentenanwartschaften kommt es für das vorliegende Verfahren über den Versorgungsausgleich unter keinem Aspekt an.

    a) Diese ausländischen Anwartschaften sind gem. § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG selbst nicht ausgleichsreif.

    b) Ihr Bestehen kann auch nicht nach § 19 Abs. 3 VersAusglG zu einer Unbilligkeit des Ausgleichs eines Anrechts des anderen Ehegatten führen. Auch eine Abfindungszahlung nach § 23 VersAusglG kann darauf nicht gestützt werden.

    Für den Ausgleich von Vorsorgeansprüchen gegenüber einer schweizerischen Einrichtung der beruflichen Vorsorge sind nach der zum 01.01.2017 geänderten Vorschrift des Art. 63 Abs. 1bis schweiz. IPRG die Schweizer Gerichte ausschließlich zuständig, es wird Schweizer Recht angewendet, Art. 63 Abs. 2 schweiz. IPRG. Der somit nach Art. 122 ff. schweiz. ZGB und Art. 22 ff. schweiz. FZG erfolgende sog. Vorsorgeausgleich wird nach den Erfahrungen des Senats von den Schweizer Gerichten auch bei einer vorangegangenen Scheidung in Deutschland verlässlich, unkompliziert und zeitnah durchgeführt. Da bezüglich Schweizer betrieblicher Rentenansprüche eine Anerkennung ausländischer Entscheidungen in der Schweiz ausgeschlossen ist, könnte ein solcher Antrag auf Vorsorgeausgleich auch noch nach einer anderslautenden deutschen Entscheidung zum Versorgungsausgleich bei der Scheidung gestellt werden (vgl. zu den Einzelheiten Frank, BetrAV 2017, 30, 37 m.w.N.).

    Damit kann das Bestehen solcher Anrechte kein Absehen vom Ausgleich inländischer Rechte des anderen Ehegatten nach § 19 Abs. 3 VersAusglG rechtfertigen. Denn wenn im deutschen Versorgungsausgleichsverfahren nach dieser Vorschrift von einem Ausgleich der inländischen Anrechte des anderen Ehegatten abgesehen würde, könnte dieser dennoch den Ausgleichsantrag in der Schweiz stellen. Vor diesem Hintergrund kann keine Unbilligkeit des Ausgleichs inländischer Anrechte angenommen werden.

    Aus den gleichen Erwägungen kann auf das Bestehen Schweizer betrieblicher Rentenanwartschaften keine Abfindungszahlung nach § 23 VersAusglG gestützt werden.

    c) Auf die konkrete Höhe dieser Anwartschaften kommt es für den Versorgungsausgleich bei der Scheidung daher nicht an. Für den nach § 224 Abs. 4 VersAusglG erforderlichen Ausspruch ist eine hinreichende Benennung des Anrechts ausreichend. Dies ist vorliegend aber bereits geschehen.

    III.

    Die Verteilung der Kosten richtet sich nach der Kostenverteilung im Hauptsacheverfahren. Gerichtskosten entstehen vorliegend gem. KV Nr. 1912 FamGKG nicht (vgl. BGH vom 22.06.2011 - I ZB 77/10, NJW-RR 2011, 1363, juris Rn. 23).

    Die Festsetzung des Verfahrenswertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 40, 42 FamGKG und richtet sich ausgehend vom Abwehrinteresse des Antragsgegners nach der Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes (vgl. Musielak/Borth/Frank/Frank, FamFG, 7. Auflage 2022, § 42 FamGKG Rn. 5 m.w.N.).

    Rechtsgebiet§ 19 Abs. 3 VersAusglGVorschriften§ 19 Abs. 3 VersAusglG, § 23 VersAusglG