03.05.2024 · IWW-Abrufnummer 241329
Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 04.04.2024 – 6 UF 204/23
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OLG Frankfurt 6. Senat für Familiensachen
Tenor
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Ehegatten hälftig. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten, die beide die afghanische Staatsangehörigkeit besitzen, haben am XX.XX.2022 in Stadt4/Afghanistan die Ehe in Form einer sogenannten „Handschuh-Ehe“ miteinander geschlossen, wobei durch das Generalkonsulat der islamischen Republik Afghanistan in Bonn am XX.XX.2022 eine Heiratsbescheinigung ausgestellt wurde. In der Heiratsbescheinigung vom XX.XX.2022 ist die Antragsgegnerin als Vorname1 A, geboren am XX.XX.2000 mit der Passnummer … aufgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf die vom Generalkonsulat von Afghanistan in Bonn mit Siegel und Unterschrift vom 05. März 2024 bestätigte im Original vorgelegte Heiratsbescheinigung verwiesen. Bei der Eheschließung war nur die Antragsgegnerin anwesend, der am XX.XX.1996 geborene Antragsteller hingegen nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Heiratsbescheinigung vom XX.XX.2022 Bezug genommen. Die Verlobung der Beteiligten hatte bereits am 15. Januar 2019 in Afghanistan stattgefunden. Der Antragsgegner lebt seit 2015 in Deutschland und verfügt hier über eine Aufenthaltserlaubnis als anerkannter Flüchtling. Seit der Verlobungsfeier telefonierten die Beteiligten regelmäßig miteinander, insbesondere fanden auch Videotelefonate statt. Zwischen den Beteiligten bestehen unterschiedliche Auffassungen über das Geburtsdatum der und den Vornamen der Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin stammt ursprünglich aus Stadt5/Afghanistan und gehört zur Volksgruppe der Hazare. Bis zu ihrer Flucht im Frühjahr 2022 lebte sie in Stadt4/Afghanistan. Bei ihrer Flucht war sie im Besitz eines am 30. Juli 2019 durch das Kabul Central Passport Department ausgestellten afghanischen Reisepasses auf die Personalien Vorname1 A, geboren am XX.XX.2000 in Stadt5, der ID-Nummer … und der Passnummer … . Auf die Kopie des afghanischen Reisepasses wird verwiesen. Die Antragsgegnerin reiste zunächst mit dem Fahrzeug in den Land1 und flog von dort aus nach Land2, wo sie für fünf Monate verblieb. Im Rahmen der weiteren Flucht reiste sie mit einem Visum nach Land3. Das Visum ist auf die Personalien Vorname1 A, geboren am XX.XX.2000, Passnummer … ausgestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Visum Bezug genommen. Nach ihrer Einreise nach Deutschland am 20. August 2022 hielt sich die Antragsgegnerin zunächst in Stadt1 auf und traf dort erstmals persönlich auf den Antragsteller. Beide hielten sich sodann für etwa drei Wochen zusammen bei einem Bekannten des Antragstellers in der Nähe von Stadt2 auf. Am 15. September 2022 wurde die Antragsgegnerin als unbegleitete minderjährige Jugendliche aufgrund einer Selbstmeldung durch das Jugendamt in Stadt3 in Obhut genommen. Gegenüber dem Jugendamt gab sie bei der Alterseinschätzung den Namen Vorname2 A und das Geburtsdatum XX.XX.2006 an. Ihren Familienstand gab sie mit ledig an. Ausweispapiere legte sie nicht vor. Im Einzelnen wird auf die Niederschrift über die Alterseinschätzung des Jugend- und Sozialamtes der Stadt3 vom 15. September 2022 Bezug genommen. Der Antragsgegnerin wurde mit Bescheid vom 31. Januar 2024 unter den Personalien Vorname2 A, geb. am XX.XX.2006 in Stadt5/Afghanistan subsidiärer Schutzstatus zuerkannt. Auf den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 31. Januar 2024 wird Bezug genommen. Die Antragsgegnerin lebt in einer traumapädagogischen Mädchen-Wohngruppe in Stadt8 und stand bis zu ihrer Volljährigkeit unter der Vormundschaft des Landkreises Stadt6-Stadt7.
Der Antragsteller hat erstinstanzlich behauptet, die Antragsgegnerin habe ausschließlich die Ehe mit ihm geschlossen, um ein Visum für die Einreise nach Deutschland zu erhalten. Nach ihrer Einreise nach Deutschland habe sie sich jünger gemacht als sie tatsächlich sei und unter dem Namen Vorname1 A einen Asylantrag gestellt. Sie habe ihm dazu erklärt, sie werde sich mit falschem Namen und minderjährigem Alter in Deutschland melden, um ihre Familienangehörigen nachholen zu können. Es sei ihr ausschließlich darum gegangen, ein Aufenthaltsrecht für Deutschland zu erhalten. Ihren wahren Willen, nämlich keine Ehe mit ihm zu führen, habe sie nicht deutlich gemacht. Erst am 01. September 2022 habe sie ihm erklärt, sie wolle auf keinen Fall mit ihm zusammenleben.
Der Antragsteller hat erstinstanzlich beantragt,
die am XX.XX.2022 in Stadt4/Afghanistan geschlossene Ehe der Beteiligten wird aufgehoben,
hilfsweise, die Ehe zu scheiden.
Die Antragsgegnerin hat erstinstanzlich keine Anträge gestellt.
Sie hielt die Ehe für nichtig. Unter Vorlage der Ablichtung einer am 29. Februar 2023 auf die Personalien Vorname1 A ausgestellten afghanischen National Identity Card behauptete sie, erst am XX.XX.2006 geboren zu sein. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopie des Ausweises verwiesen. Zum Zeitpunkt der Eheschließung am XX.XX.2022 sei sie damit noch nicht einmal 16 Jahre alt gewesen.
Das Amtsgericht hat am 19. Oktober mündlich verhandelt und beide Beteiligten persönlich angehört. Der Antragsteller hat ausgeführt, vom Zeitpunkt der Verlobungsfeier am 15. Januar 2019 an, mit der Antragsgegnerin telefoniert zu haben. Dabei sei über die Einreise nach Deutschland und die Absicht gesprochen worden, dass die Antragsgegnerin hier ihr Studium fortsetzen wolle. Etwa Anfang September 2022 habe sie ihm dann erklärt, dass sie sich trennen wolle. Sie habe die ganze Reise alleine bewältigt und wolle jetzt auch alleine wohnen. Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, dass bei den Telefonaten nach der Verlobungsfeier am 15. Januar 2019 über die Eheschließung und ihre Reise nach Deutschland, nicht aber über das gemeinsame Leben in Deutschland gesprochen worden sei. Die Angaben in ihrem afghanischen Reisepass seien falsch, weil man als minderjährige Frau nicht alleine nach Deutschland einreisen dürfe. Bei der Beantragung des Visums habe sie wieder über ihr Geburtsdatum gelogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der Sitzung vom 19. Oktober 2023 verwiesen.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 02. November 2023 hat das Amtsgericht die am XX.XX.2022 in Stadt4/Afghanistan geschlossene Ehe der Beteiligten auf den Hilfsantrag hin geschieden und den Antrag auf Aufhebung der Ehe zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Voraussetzungen der Aufhebung der Ehe nicht vorlägen. Das Gericht habe keine Bedenken an der Wirksamkeit der zwischen den Beteiligten geschlossenen Ehe in Afghanistan, auch wenn es sich hierbei um eine Handschuhehe handele. Die Formerfordernisse des Rechts des Staates, in dem die Eheschließung vorgenommen worden sei, lägen vor. Das Alter der Antragsgegnerin stehe einer Eheschließung nicht entgegen. Nach Art. 70 des afghanischen Zivilgesetzbuchs trete die Ehefähigkeit bei Frauen ein, wenn sie das 16. Lebensjahr vollendet hätten. Zur Überzeugung des Gerichts stehe fest, dass die Antragsgegnerin bei Eheschließung am XX.XX.2022 bereits 22 Jahre alt gewesen sei. Bei Eheschließung sei sie daher nach afghanischem und (dem nicht maßgeblichen) deutschen Recht bereits volljährig gewesen. Die Angaben der Antragsgegnerin, die behaupte erst am XX.XX.2006 geboren zu sein, seien nicht glaubhaft. Im afghanischen Reisepasses, in der Heiratsbescheinigung und im Visumsantrag zur Einreise in die … seien als Geburtsdatum jeweils der XX.XX.2000 angegeben. Soweit sich die Antragsgegnerin auf ihren afghanischen Ausweis berufe, seien ihre Erklärungen zum Ursprung des falschen Geburtsdatums in den übrigen Papieren weder nachvollziehbar noch glaubhaft. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass in dem afghanischen Reisepass, der mehrere Jahre vor der Eheschließung ausgestellt worden sei, die Eintragung eines falschen Geburtsdatums nur zum Zwecke einer erst Jahre später geplanten Ausreise veranlasst worden sei. Das Gericht sei überzeugt, dass das im afghanischen Reisepass angegebene Geburtsdatum richtig sei. Dieser Wertung stehe auch nicht das angegebene Geburtsdatum in ihrem afghanischen Ausweis entgegen. Der Ausweis sei erst am 20. Februar 2023 ausgestellt worden, als die Antragsgegnerin schon etwa ein halbes Jahr in Deutschland gelebt habe. Offensichtlich sei, dass die Antragsgegnerin sich habe jünger machen wolle, als sie tatsächlich sei. Merkwürdig sei auch, dass der Vorname der Antragsgegnerin nun plötzlich auf Vorname2 laute, wohingegen der Vorname in allen anderen Papieren auf Vorname1 laute. Letztlich sei das Gericht überzeugt, dass die Angaben über das Geburtsdatum im Reisepass korrekt seien. Dass die Eheschließung am XX.XX.2022 durch Stellvertreter erfolgt sei, sei unerheblich, da dies nach dem maßgeblichen Ortsrecht am Ort der Trauungshandlung zulässig sei. Der Anerkennung der Ehe stehe auch der deutsche ordre public nicht entgegen. Die bloße Stellvertretung in der Erklärung zur Eheschließung bei der Handschuhehe führe grundsätzlich nicht zu einer Unvereinbarkeit mit dem ordre public. Anhaltspunkte für eine Stellvertretung im Willen bei der Eheschließung, der zu einem Verstoß gegen den ordre public führen könnte, lägen nach den Angaben der Antragsgegnerin nicht vor. Denn die Antragsgegnerin habe die Eheschließung gebilligt, wenn nicht gar gutgeheißen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers lägen keine Gründe für eine Aufhebung der wirksamen Ehe vor. Soweit der Antragsteller behauptet habe, die Antragsgegnerin habe alleine die Ehe mit ihm geschlossen, um auf diese Weise an ein Visum für Deutschland zu kommen, fehle substantiierter Vortrag. Der Antragsteller habe nicht dargelegt, dass er vor der Eheschließung mit der Antragsgegnerin Gespräche über die Gestaltung des Ehelebens geführt habe. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Antragsgegnerin aus einem Krisengebiet stamme, bei dem die Flucht Alltag sei, gerade nach der Machtübernahme durch die Taliban. Eine gemeinsame Lebensplanung sei zwar nicht besprochen worden. Wenn der Antragsteller unter diesen Umständen aber eine Ehe eingehe, ohne die für ihn wesentlichen Grundlagen der geplanten Ehe besprochen zu haben, habe er sich in einem von ihm selbst hervorgerufenen Motivationsirrtum befunden, der jedoch nicht von der Antragsgegnerin durch eine Täuschung verursacht sei. Auf den Hilfsantrag hin sei die Ehe zu scheiden. Unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Ehegatten sei nach Art. 8 Rom III-VO deutsches Scheidungsrecht anzuwenden, weil die Ehegatten keine Rechtswahl getroffen hätten. Der Scheidungsantrag sei begründet, weil die Ehe gescheitert sei. Die Beteiligten würden seit September 2022 und damit länger als ein Jahr ununterbrochen voneinander getrennt leben. Der Versorgungsausgleich sei nicht durchzuführen, da das afghanische Recht diesen nicht kenne und keiner der Beteiligten einen Antrag auf dessen Durchführung gestellt habe. Im Einzelnen wird auf den Beschluss verwiesen.
Mit seiner am 01. Dezember 2023 eingegangenen Beschwerde gegen den ihm am 10. November 2023 zugestellten Beschluss verfolgt der Antragsteller sein erstinstanzliches Begehren weiter. Auch die Antragsgegnerin verfolgt mit ihrer am 06. Dezember 2023 eingegangenen Beschwerde gegen den ihr am 09. November 2023 zugestellten Beschluss ihr erstinstanzliches Begehren weiter.
Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens führt der Antragsteller im Übrigen aus, dass er von einem Zusammenleben der Beteiligten ausgegangen sei. Dass die Beteiligten keine Pläne über eine gemeinsame Wohnung oder Kinder gemacht hätten, heiße lediglich, dass er vom Normalfall eines Zusammenlebens ausgegangen sei. Im Übrigen sei darüber gesprochen worden, dass die Antragsgegnerin hier ihr in Afghanistan begonnenes Medizinstudium fortsetzen solle. Deshalb habe er die Antragsgegnerin auch aufgesucht, als er von ihrer Ankunft erfahren habe. Das Gericht verkenne, dass in der kulturellen Tradition der Beteiligten Diskussionen über das künftige Eheleben überhaupt keine Rolle spielen würden. Der Anschein der arglistigen Täuschung werde alleine durch das Verhalten der Antragsgegnerin zur Erlangung eines russischen Visums und ihr Verhalten nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begründet. Warum sonst sollte die Antragsgegnerin sich unter falschem Namen und falschem Geburtsdatum in Deutschland anmelden. Im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 01. Dezember 2023 verwiesen.
Der Antragsteller beantragt,
die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben und die Ehe der Beteiligten aufzuheben, hilfsweise zu scheiden.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen und im Übrigen die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben und die Anträge des Antragstellers zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin ist weiterhin der Meinung, keine wirksame Ehe mit dem Antragsteller eingegangen zu sein. Die Auffassung des Amtsgerichts, sie sei bei Eingehung der Handschuhehe am XX.XX.2022 nicht ganz 21 ½ Jahre alt gewesen sei rechtsfehlerhaft. Die Feststellungen zum Alter der Antragsgegnerin würden nicht überzeugen. Das Gericht könne keine Altersschätzung vornehmen. Die Auffassung des Gerichts würde von den weiteren am Asylverfahren beteiligten Fachstellen nicht geteilt. Das Jugendamt sei am 15. September 2022 zu der Einschätzung gekommen, dass Minderjährigkeit vorliege. Auch das BAMF habe keine Zweifel am Alter der Antragsgegnerin. Bei Zweifeln am Alter der Antragsgegnerin hätte das Amtsgericht ein Altersgutachten einholen müssen. Die „Merkwürdigkeit“ der unterschiedlichen Vornamen der Antragsgegnerin in ihren Dokumenten könne nicht zur Begründung herangezogen werden, dass die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Handschuhehe bereits volljährig gewesen sei. Das Erstgericht habe nicht belastbar feststellen können, dass die Antragsgegnerin bei Eheschließung am XX.XX.2022 bereits volljährig gewesen sei. Auch die Ausführungen des Gerichts zur mangelnden Aufhebungsmöglichkeit seien nicht überzeugend, was der Antragsteller zum Teil zu Recht anführe. Hierauf komme es mangels wirksamer Ehe nicht an. Im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 06. Februar 2024 Bezug genommen.
Der Senat hat das Verfahren auf die Einzelrichterin übertragen und diese hat mündlich verhandelt. Die Beteiligten wurden erneut persönlich angehört. Die Antragsgegnerin gab dabei an, dass es sich bei dem in Ablichtung vorliegenden afghanischen Reisepass um ihren eigenen handelt. Der Reisepass sei erstellt worden, damit sie aus Afghanistan ausreisen dürfe. Unter 18 Jahren dürfe man nicht ausreisen. Die in den Dokumenten verwendeten unterschiedlichen Vornamen hätten die gleiche Bedeutung;Vorname2 stamme aus dem Persischen, A aus dem Paschtunischen. Sie habe über verschiedene Tazkira verfügt, eine auf den NamenVoranme1 und einem Alter von 23/24 Jahren und eine auf den Namen Vorname2 und einem Geburtsdatum XX.XX.2006. Auch bei der Eheschließung seien falsche Angaben zu ihrem Vornamen und Geburtsdatum gemacht worden. Der Antragsteller hat angegeben, die Antragsgegnerin habe ihm nach ihrer Einreise nach Deutschland erklärt, sich hier als Minderjährige bei den Behörden registrieren zu lassen, um später ihre Familienangehörigen nach Deutschland holen zu können. Sie habe dabei gesagt „Optisch sehe ich wie eine Minderjährige aus, warum sollte ich da dann keinen Gebrauch davon machen.“. Wegen der weiteren Einzelheiten und des Ergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll vom 25. März 2023 Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 58 FamFG statthaften, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten Beschwerden beider Beteiligter sind unbegründet.
Insbesondere ist das Oberlandesgericht Frankfurt (und war erstinstanzlich auch das Amtsgericht Darmstadt) für die beantragte Entscheidung international zuständig. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die bei Fällen mit Auslandsberührung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und beachten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2010 - XII ZB 68/09 -, NJW 2010, 1351, Rn. 8), folgt vorliegend aus Art. 3 der Verordnung (EU) 2019/1111 des Rates vom 25. Juni 2019 über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen (Brüssel IIb), weil beide Ehegatten im Zeitraum zwischen Zustellung des Scheidungsantrages und letzter mündlicher Verhandlung zu irgendeinem Zeitpunkt gemeinsam ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten.
Gemäß Art. 4, 18 Absatz 1 Satz 1 Rom III-VO ist grundsätzlich deutsches Recht anzuwenden, wenn die Ehegatten keine Rechtswahl nach Artikel 5 bis 7 Rom III-VO getroffen haben und beide Ehegatten im Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten. Dies gilt unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Ehegatten. Die Rom III-VO gilt jedoch, wie sich aus Art. 1 Abs. 1, Abs. 2b, c Rom III-VO ergibt, nicht für die Beseitigung der Ehe aufgrund von Fehlern oder Hindernissen bei deren Eingehung. Nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB ist bezüglich der Aufhebung der Ehe afghanisches Recht anwendbar (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2023 - XII ZB 274/21 -, NJW 2023, 3582, beck-online). Das erklärt sich daraus, dass die Scheidung eine wirksame Ehe als Vorbedingung voraussetzt, während die Mängel der Eheschließung nach dem Eheschließungsstatut zu beurteilen sind (Rieck/Lettmaier AuslFamR, Internationales Familien- und Verfahrensrecht Rn. 17, beck-online).
Das Amtsgericht hat vorliegend die Ehe der Beteiligten zu Recht unter Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung der Ehe auf den Hilfsantrag hin geschieden. Ein Eheaufhebungsgrund liegt nicht vor.
Der Senat hat - wie auch das Amtsgericht - zunächst keine Zweifel an der formellen Wirksamkeit der geschlossenen Ehe. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung, die von den Beteiligten mit ihren Beschwerden nicht in Zweifel gezogen wurden, verwiesen werden. Die am XX.XX.2022 erfolgte Bestätigung der Eheschließung durch die Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan in Bonn ist für das Zustandekommen der Ehe nach dem gemäß Art. 13 EGBGB maßgeblichen Heimatrecht der beiden afghanischen Staatsangehörigen als ausreichend anzusehen. Danach wurde die Ehe am XX.XX.2022 in Stadt4/Afghanistan geschlossen.
Der Anerkennung der in Afghanistan unstreitig als Handschuhehe geschlossenen Ehe im Inland steht nach den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts der deutsche ordre public nicht entgegen. Auch insoweit kann der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in der amtsgerichtlichen Entscheidung verweisen, die die Beteiligten mit ihren jeweiligen Beschwerden angegriffen haben. Nachdem keiner der Beteiligten vorliegend geltend macht, dass die Eheschließung am XX.XX.2022 nicht dem Willen eines oder beider Ehegatten entsprochen habe, liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, der Stellvertreterehe unter Berufung auf Art. 6 EGBGB die Wirksamkeit zu versagen.
Der Senat teilt auch die Auffassung des Amtsgerichts, wonach ein Verstoß gegen Art. 6 EGBGB im Hinblick auf das durch Art. 13 Abs. 3 EGBGB vorgeschriebene Mindestalter für eine Eheschließung hier nicht vorliegt. Art. 13 Abs. 3 EGBGB legt das Mindestalter der Eheschließung unabhängig vom anwendbaren Recht verbindlich fest. Nach Art. 13 Abs. 3 Satz 1 EGBGB ist eine Ehe nichtig, wenn die Nupturienten im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Dass Art. 13 Abs. 3 EGBGB, der durch das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17. Juli 2017 eingeführt wurde, durch das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 01. Februar 2023 - Az. 1 BvL 7/18 - für verfassungswidrig erklärt wurde, ist für den vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich, weil keine vernünftigen Zweifel an der Volljährigkeit der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Eheschließung vorliegen.
Bei der Prüfung des Vorliegens des Mindestalters für eine Ehe handelt es sich um eine von Amts wegen zu prüfende Frage, da der Umstand einer wirksamen Eheschließung in sämtlichen Ehesachen eine von Amts wegen zu klärende Vorfrage darstellt (BeckOK FamFG/Weber, 49. Ed. 1.2.2024, FamFG § 127 Rn. 4). Nach § 127 Abs. 1 FamFG hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Nach dessen Absatz 2 dürfen in Verfahren auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe von den Beteiligten nicht vorgebrachte Tatsachen hingegen nur berücksichtigt werden, wenn sie geeignet sind, der Aufrechterhaltung der Ehe zu dienen oder wenn der Antragsteller einer Berücksichtigung nicht widerspricht. Das Gericht muss dabei ermitteln, bis es sich eine ausreichende Überzeugung gebildet hat oder weitere Ermittlungen nicht für sachdienlich hält (Johannsen/Henrich/Althammer/Markwardt, 7. Aufl. 2020, FamFG § 127 Rn. 5). Die Ermittlungen des Gerichts müssen alle Beweismöglichkeiten erschöpfen und enden, wenn sich das Gericht eine hinreichende Überzeugung gebildet hat und weitere Ermittlungen keine besseren Erkenntnisse erbringen (Musielak/Borth/Frank/Borth, 7. Aufl. 2022, FamFG § 127 Rn. 3). Das Gericht muss den gesamten Inhalt des Verfahrens, insbesondere Umfang und Inhalt des Vorbringens des Beteiligten und den sonstigen Akteninhalt zur Überzeugungsbildung heranziehen und sich im Wege der freien Beweiswürdigung seine subjektive Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen des entscheidungserheblichen Sachverhalts verschaffen. Dabei setzt das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraus. Vielmehr darf und muss sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH, Urteil vom 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91 -, NJW 1993, 935, beck-online; Sternal/Sternal, 21. Aufl. 2023, FamFG § 29 Rn. 30; Prütting in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Auflage 2023, § 37 FamFG, Rn. 10a). Trotz Geltung der Inquisitionsmaxime behalten die allgemeinen Beweislastregeln Gültigkeit (Prütting/Helms, FamFG, 6. Auflage 2023, § 127 FamFG, Rn. 8). Der Amtsermittlungsgrundsatz gebietet es schließlich nicht, unschlüssige Anträge durch Ermittlungen von Amts wegen schlüssig zu machen (Musielak/Borth/Frank/Borth, 7. Aufl. 2022, FamFG § 127 Rn. 3).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist auch der Senat auf der Grundlage der im Verfahren gewonnenen Erkenntnisse überzeugt, dass die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits volljährig war. Gegen die Feststellungen des Amtsgerichts bringt die Beschwerde der Antragsgegnerin nichts von argumentativem Gewicht vor. Ausschlaggebend für die Auffassung des Senats, der die Erwägungen des Amtsgerichts auch an dieser Stelle teilt, ist, dass die Angaben der Antragsgegnerin zu ihrem angeblichen Geburtsdatum in Anbetracht der im Verfahren sonst gewonnenen Erkenntnisse nicht plausibel und damit nicht nachvollziehbar sind. Im Ausgangspunkt maßgeblich ist für den Senat, dass dem in Kopie vorliegenden afghanischen Reisepass der Antragsgegnerin eine erhöhte Beweiswirkung zukommt. Der Nationalpass ermöglicht den (widerlegbaren) Nachweis, dass der Inhaber mit der abgebildeten Person im Pass und den Angaben hinsichtlich des Namens, des Geburtstages und des Geburtsortes übereinstimmt (vgl. zur Identitätsfeststellung in einem Adoptionsverfahren: BGH, Beschluss vom 25. August 2021 - XII ZB 442/18 -, NZFam 2021, 964; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17. März 2004 - 1 C 1/03 -, NVwZ 2004, 1250, beck-online). Dies gilt grundsätzlich auch für Pässe aus Staaten mit einem unsicheren Urkundenwesen. Bei Vorlage eines echten Nationalpasses werden weitergehende Ermittlungen zur Identitätsklärung nur noch in Betracht gezogen werden müssen, wenn dem Gericht weitere Urkunden vorliegen oder sonstige Urkunden bekannt geworden sind, die Zweifel an der Richtigkeit der durch den Nationalpass dokumentierten Identität begründen können (vgl. BGH, a.a.O.; vgl. auch für Anträge nach dem PStG: OLG Hamm, Beschluss vom 20. Januar 2021, - 15 W 68/20 -, BeckRS 2021, 6781; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Januar 2018 - 3 Wx 129/17, BeckRS 2018, 3986, beck-online). Diese Erwägungen können uneingeschränkt auch für die Identitätsklärung im hiesigen Verfahren, in dem die Antragsgegnerin ein von dem im Reisepass abweichendes Geburtsdatum behauptet, herangezogen werden. Die Angaben der Antragsgegnerin und die zum Nachweis vorgelegte National Identity Card vom 29. Februar 2023 sind nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der durch den Nationalpass dokumentierten Identität zu begründen und damit die erhöhte Beweiswirkung des afghanischen Reisepasses vom 30. Juli 2019 zu erschüttern. Bei dem in Ablichtung vorliegenden afghanischen Reisepass handelt es sich zunächst zweifellos um den Reisepass der Antragsgegnerin. Sie hat wiederholt bestätigt, dass es sich bei der Ablichtung um ihren Reisepass handelt, der ihr im Rahmen ihrer Flucht aus Afghanistan von einem Schleuser abgenommen worden sei. Der afghanische Reisepass mit den biometrischen Merkmalen in Form eines Passbildes und eines Fingerabdrucks validiert und verifiziert die Identität der Antragsgegnerin. Entscheidend ist dabei, dass die Antragsgegnerin von ihrem Heimatland unter den in ihrem Reisepass ersichtlichen Daten identifiziert worden ist. Auf der Grundlage dieses Reisepasses konnte die Antragsgegnerin nicht nur die Ehe mit dem Antragsteller eingehen, sondern insbesondere auch Afghanistan verlassen und das Visum für die Einreise nach Land3 beantragen. Ausgehend hiervon hat der Senat keine Zweifel an den im Reisepass enthaltenen Identitätsmerkmalen, vielmehr kann die Identität der Antragsgegnerin als Vorname1 A, geboren am XX.XX.2000 als geklärt gelten.
Davon ausgehend könnten sich etwaige Zweifel an den Identitätsangaben nur aus den Angaben der Antragsgegnerin zu ihrem Namen und Geburtsdatum bei der Einreise nach Deutschland, aus dem Vortrag im hiesigen Verfahren und aus der in Kopie vorgelegten am 29. Februar 2023 von der Islamic Republic of Afghanistan ausgestellten National Identity Card ergeben. Die Würdigung der gesamten Ermittlungsergebnisse begründen indes auch nach Auffassung des Senats jedoch keine Zweifel an der Volljährigkeit der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Eheschließung.
Ausschlaggebend hierfür ist, dass der am 29. Februar 2023 - und damit einige Monate nach der Einreise nach Deutschland und nach der Inobhutnahme durch das Jugendamt - ausgestellten National Identity Card auf die Personalien Vorname2 A, geboren am XX.XX.2006, kein hinreichender Beweiswert für das behauptete Alter zukommt. Bei dem Passdokument handelt es sich um eine Tazkira, dem in Afghanistan üblichen Identitätsdokument, das ausschließlich durch das Personenstandesregisteramt des Ministeriums des Innern ausgestellt wird (vgl. hierzu RdSchr. d. BMI v. 28. Februar 2014 - V II 1 - 133 400 AFG/1 des Bundesministeriums des Innern und für Heimat zum Personenstandswesen in Afghanistan). Einer afghanischen Tazkira kann dabei zwar nicht bereits abstrakt und ohne Rücksicht auf die konkreten Umstände des Einzelfalls jeder Beweiswert für die Identitätsklärung abgesprochen werden, vielmehr ist dies eine Frage der freien Würdigung nach § 37 Abs. 1 FamFG der als Beweismittel vorgelegten Urkunde, ob diese ungeachtet der Unzulänglichkeiten des afghanischen Personenstands- und Beurkundungswesens im Einzelfall ausreichen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2021 XII ZB 442/18 -, NZFam 2021, 964, beck-online, juris Rn. 15). Aufgrund der im Verfahren gewonnenen Erkenntnisse, insbesondere aus den vorliegenden Urkunden und den von der Antragsgegnerin in den Anhörungen vor dem Amtsgericht und dem Oberlandesgericht getätigten Aussagen, ist der Senat vorliegend nicht davon überzeugt, dass das Ausweispapier ausreichende Gewähr für die Richtigkeit des darin ausgewiesenen Geburtsdatums bietet. Dafür maßgeblich ist zum einen, dass die Tazkira zu Namen und Geburtstag der Antragsgegnerin vom Inhalt des Reisepasses abweichende Daten enthält, die die Antragsgegnerin nicht plausibel aufklären konnte. Die Tazkira widerspricht auch den Identitätsangaben in den sonst vorliegenden Dokumenten, die aus der Zeit vor der Einreise nach Deutschland stammen. In die Beurteilung ist zum anderen einzubeziehen, dass die Tazkira erst zu einem Zeitpunkt ausgestellt wurde, als die Antragsgegnerin sich bereits in Deutschland aufhielt. Dass die Ausstellung der Tazkira auf einer persönlichen Anwesenheit der Antragsgegnerin in der afghanischen Behörde und einer Identitätsprüfung und -feststellung beruht, ist nicht ersichtlich und auch nicht nachvollziehbar dargetan. Konkrete Einzelheiten zur Beschaffung der Tazkira hat die Antragsgegnerin auch auf ausdrückliche Nachfrage in der Sitzung vom 25. März 2024 nicht gemacht, sondern lediglich angegeben, bei der Antragstellung selbst zugegen gewesen zu sein. Die Frage, wann die Tazkira konkret beantragt wurde, konnte die Antragsgegnerin nicht beantworten und gab nur an, zu glauben, dass dies vor der Machtübernahme der Taliban gewesen sein soll. Ob die Antragsgegnerin die Tazkira tatsächlich schon vor ihrer Ausreise beantragt hat, erscheint dem Senat durchaus zweifelhaft. Die Antragsgegnerin hat in der Sitzung vom 25. März 2023 nämlich selbst eingeräumt, über mehrere Tazkiras verfügt zu haben, eine auf den Namen Vorname2 mit einem Geburtsdatum XX.XX.2006 und eine weitere auf den Namen Vorname1 mit einem Geburtsdatum XX.XX.2000. Gemessen daran ist für den Senat schon nicht plausibel, weshalb die Antragsgegnerin vor ihrer Flucht überhaupt Bedarf für eine (weitere) Tazkira auf den Namen Vorname2 mit einem Geburtsdatum XX.XX.2006 hatte. Denn dies steht auch im Widerspruch zu den weiteren Ausführungen der Antragsgegnerin, wonach man unter 18 Jahren nicht aus Afghanistan ausreisen dürfe. Wurde über die Altersangabe im Reisepass getäuscht, um die ansonsten nicht mögliche - so die Angaben der Antragsgegnerin im Rahmen ihrer zweitinstanzlichen Anhörung - Ausreise aus Afghanistan zu ermöglichen, gibt es aus Sicht des Senats keinen plausiblen Grund, noch vor der beabsichtigten Ausreise aus Afghanistan eine Tazkira zu beantragen, die stattdessen die Minderjährigkeit bestätigt. Es erscheint lebensfremd, mit Blick auf die bevorstehende Ausreise mit falschen Personalien im Reisepass noch eine diesen Angaben widersprechende Tazkira zu beantragen. Denn damit hätte die Antragsgegnerin doch ihre Reiseabsichten im Zweifel eher gefährdet. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Angaben der Antragsgegnerin zum Grund der Falschangaben im Reisepass variieren und sich damit als widersprüchlich erweisen. Erstinstanzlich begründete sie das im Reisepass angegebene (falsche) Geburtsdatum XX.XX.2000 noch damit, dass man minderjährig als Frau nicht nach Deutschland einreisen dürfe. Zweitinstanzlich erklärte sie stattdessen, dass man minderjährig nicht aus Afghanistan ausreisen dürfe. Unabhängig von diesem Widerspruch ist damit nicht erklärt, weshalb die Dokumente auf unterschiedliche Vornamen lauten. Die Erklärungsversuche der Antragsgegnerin zu der Widersprüchlichkeit der in den Dokumenten unterschiedlich verwendeten Vornamen „Vorname1“ und „Vorname2“ überzeugen den Senat ebenso wenig. Die Antragsgegnerin hat sich nunmehr darauf berufen, sowohl Vorname1 als auch Vorname2 zu heißen. Während Vorname1 aus dem Persischen stamme, stamme Vorname2 aus dem Paschtunischen. Unabhängig von einer etwaigen Richtigkeit dieser Behauptung lässt sich hiermit jedoch schon nicht erklären, warum alle vorliegenden Dokumente bis zum Zeitpunkt der Inobhutnahme als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling - nämlich Heiratsbescheinigung, Reisepass, Visumsantrag - den Vornamen Vorname1 und das Geburtsdatum XX.XX.2006 tragen und die Antragsgegnerin nach dem Akteninhalt erstmals bei der Inobhutnahme durch das Jugendamt etwa zwei Wochen nach der Einreise nach Deutschland als Vornamen Vorname2 und als Geburtsdatum den XX.XX.2006 angab. Insoweit gewinnt das Vorbringen des Antragstellers erhebliche Entscheidungsrelevanz. Denn dieser hat vorgetragen, dass die Antragsgegnerin ihm nach ihrer Einreise nach Deutschland erklärt habe, sich gegenüber den deutschen Behörden als minderjährig darstellen zu wollen, um so den Familiennachzug möglich zu machen. Diesem Vorbringen ist die Antragsgegnerin zu keinem Zeitpunkt entgegengetreten. Auch in der Sitzung vom 25. März 2024 blieben die (wiederholten) Ausführungen des Antragstellers unbestritten. Die Gesamtumstände sprechen aus Sicht des Senats daher eindeutig für Falschangaben bei der Einreise.
Der Nachweis des behaupteten Geburtsdatums XX.XX.2006 kann nach alledem - unabhängig von der Frage der Echtheit - durch die Tazkira bzw. durch deren Kopie nicht geführt werden. Ob das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen der Urkundenprüfung die Tazkira als echt beurteilt hat, ist letztlich ohne Entscheidungsrelevanz. Nach den allgemein bekannten Informationen des Auswärtigen Amtes kursieren in Afghanistan echte Dokumente unwahren Inhalts in einem erheblichen Umfang. Pässe und Personenstandsurkunden werden von afghanischen Behörden ohne adäquaten Nachweis ausgestellt. Das Legalisationsverfahren von öffentlichen Urkunden aus Afghanistan musste wegen der fehlenden Urkundensicherheit eingestellt werden (vgl. OLG Karlsruhe Beschluss vom 17. Oktober 2023 - 19 W 3/23 (Wx) -, BeckRS 2023, 30838 Rn. 15, beck-online).
Der Senat verkennt bei seiner Entscheidung nicht, dass das Jugendamt im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme der Antragsgegnerin von deren Minderjährigkeit ausgegangen ist. Die Alterseinschätzung, deren Einzelheiten in § 42f Abs. 1 SGB VIII geregelt sind, basierte den Vorgaben der Vorschrift folgend auf den Angaben der Antragsgegnerin und deren Inaugenscheinnahme. Nach der gesetzlichen Konzeption des § 42f SGB VIII ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen. Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betreffenden. Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen. Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen. Liegen danach keine aussagekräftigen Ausweispapiere vor, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen. Die Selbstauskunft hat Vorrang vor allen weiteren Verfahrensschritten. Der eigenen Angabe des/der Minderjährigen kommt besondere Bedeutung zu; nur wenn die Angabe des/der Minderjährigen nicht glaubhaft ist, kommt überhaupt eine Altersfeststellung in Betracht (vgl. hierzu Wiesner/Wapler/Steinbüchel, 6. Aufl. 2022, SGB VIII § 42f Rn. 5). Ausweispapiere konnten vorliegend nicht eingesehen werden. Die Existenz eines afghanischen Reisepasses mit den Angaben der Antragsgegnerin widersprechenden Identitätsmerkmalen war der Behörde ebenso wenig bekannt wie die Eheschließung, die Heiratsbescheinigung, der Visumsantrag oder das Visum mit den bekanntlich anderen Personalien der Antragsgegnerin. Anlass, an den Angaben der Antragsgegnerin zu zweifeln, bestand damals noch nicht. Aus den zuvor beschriebenen Gesamtumständen ergibt sich zweifellos, dass damit die Alterseinschätzung des Jugendamts nicht als Beweis für die behauptete Minderjährigkeit bei Eheschließung herangezogen werden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte aus den gleichen Gründen ebenso wenig einen Anlass, die Angaben der Antragsgegnerin anzuzweifeln, so dass auch die dortige Einschätzung ohne Beweiswert für die hier zu beurteilende Frage einer etwaigen Volljährigkeit bei Eheschließung bleibt.
Ob die Behauptungen des Antragstellers zum Medizinstudium der Antragsgegnerin in Afghanistan geeignet sind, weitere Zweifel an der Minderjährigkeit der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Eheschließung zu erwecken, kann mit Blick auf die bereits aufgezeigten Widersprüche dahinstehen. Die vom Antragsgegner zuletzt vorgelegten Bestätigungen über die Teilnahme der Antragsgegnerin an medizinischen Kursen im Zeitraum 10. Dezember 2020 bis 10. Januar 2021 und 01. Oktober 2021 bis 08. Oktober 2021 legen eher nahe, dass die Antragsgegnerin Medizin studiert hat. Die sich aus den Bestätigungen ergebenden Kursinhalte (Erste Hilfe, Injektionen, Blutentnahme, Ausstellen von Rezepten) und die Dauer der Kurse sprechen jedenfalls eher gegen die Annahme, es habe sich hier - wie die Antragsgegnerin meint - nur um Erste-Hilfe-Kurse gehandelt.
Die Summe der aufgezeigten Unstimmigkeiten und Widersprüchlichkeiten im Vorbringen der Antragsgegnerin belegt nach alledem zur Überzeugung des Gerichts, dass ihr gesamtes Vorbringen zu ihrem behaupteten Alter unglaubhaft ist. Die nicht plausiblen Angaben der Antragsgegnerin zu ihrem Geburtsdatum geben damit im Lichte der sonstigen Erkenntnisse keinen Anlass für weitere Ermittlungen des Senats, insbesondere die von der Antragsgegnerin mit der Beschwerde erstrebten Altersfeststellungsuntersuchungen sind nicht durchzuführen. Der in Kopie vorgelegte afghanische Reisepass ermöglicht bereits die notwendige Überzeugung des Senats, dass die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits volljährig gewesen ist.
Liegt danach eine wirksame Ehe vor, so rechtfertigt auch das Beschwerdevorbringen keine Aufhebung der Ehe. Das Amtsgericht hat die Aufhebung der zwischen den Beteiligten geschlossenen Ehe im Ergebnis zu Recht abgelehnt, weil der Antragsteller schon keine ausreichenden Tatsachen für das Vorliegen eines Eheaufhebungsgrundes dargelegt und im Übrigen auch den Beweis hierfür geführt hat. Das maßgebliche afghanische Recht - Art. 127 Abs. 2 afghan. ZGB - nennt als Aufhebungsgründe entweder einen Mangel, die Nichterfüllung einer Bedingung oder einen Betrug (vgl. Ebert/Rasoul in Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Afghanistan, Stand: 07.09.2021, 85 ff.). Der vom Antragsteller angeführte Aufhebungsgrund der arglistigen Täuschung könnte sich allenfalls als Verstoß gegen eine Bedingung im Sinne des Art. 131 afghan. ZGB oder als Betrug im Sinne des Art. 132 Abs. 1 afghan. ZGB darstellen. Nach Art. 131 Abs. 1 afghan. ZGB kann die Aufhebung nur geltend gemacht werden, wenn ein Ehegatte eine bestimmte Bedingung für den Ehevertrag in Bezug auf den anderen ausdrücklich stellt oder der Vertrag darauf basierend geschlossen wird, es sich aber später herausstellt, dass die Bedingung nicht eingehalten ist. Dass das spätere Zusammenleben der Beteiligten in Deutschland eine Bedingung in diesem Sinne darstellt, ist nach dem Tatsachenvortrag des Antragstellers schon nicht ersichtlich. Die Beteiligten haben vorliegend unstreitig keine Gespräche über die konkrete Ausgestaltung der Ehe nach einer erfolgreichen Flucht der Antragsgegnerin geführt. Nach den ergänzenden Angaben des Antragstellers in der Anhörung vor dem Senat fanden zwischen der Verlobungsfeier am 15. Januar 2019 und der Eheschließung am XX.XX.2022 tägliche Telefonate zwischen den Beteiligten statt. In Anbetracht dessen vermag der Umstand, dass die Beteiligten dabei nicht über ein etwaiges Zusammenleben nach einer erfolgreichen Flucht der Antragsgegnerin aus Afghanistan gesprochen haben, nicht mehr als einen Motivationsirrtum auf Seiten des Antragstellers begründen. Dem Antragsteller standen ausreichende Erkenntnisquellen zur Verfügung, eine etwaig andere Motivation der Antragsgegnerin in Erfahrung zu bringen. Ausschlaggebend ist im Ergebnis, dass keine Anhaltspunkte und auch kein Tatsachenvorbringen des Antragstellers dafür vorliegen, dass die Antragsgegnerin bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt der Eheschließung am XX.XX.2022 beabsichtigt haben soll, nicht mit dem Antragsteller zusammenleben zu wollen. Alleine aus dem beschriebenen Verhalten der Antragsgegnerin nach ihrer Einreise nach Deutschland kann jedenfalls nicht auf eine etwaige Motivation bei der zu diesem Zeitpunkt bereits gut 1 ½ Jahre zurückliegenden Eheschließung geschlossen werden. Der Antragsteller verkennt bei seiner Argumentation, dass sich der Wunsch der Antragsgegnerin, in Deutschland nicht mit ihm zusammenzuleben, ohne weiteres auch erst im Laufe der Zeit, insbesondere im Zuge der Flucht, die die Antragsgegnerin alleine bewältigt hat, gebildet haben kann. Hierfür spricht bereits das eigene Vorbringen des Antragstellers. Denn danach hat die Antragsgegnerin ihren Wunsch nach einer Trennung im September 2022 ausdrücklich darauf gestützt, alleine leben zu wollen, weil sie u.a. auch die Flucht alleine bewältigt habe. Das behauptete Verhalten der Antragsgegnerin erfüllt auch nicht den Tatbestand eines Betruges im Sinne des Art. 132 Abs. 1 afghan. ZGB. Betrug ist danach ein absichtliches, explizites oder konkludentes Handeln oder Schweigen einer der Vertragsseiten über einen bei der Ehefrau vorhandenen Mangel, bei dessen Kenntnis die Gegenpartei die Ehe nicht geschlossen hätte, oder die Behauptung eines nicht vorhandenen Merkmals, das den Wunsch einer der Ehepartner auf die Ehe hervorrufen soll. Nach dessen Abs. 2 Satz 2 hat die Gegenseite kein Recht auf Aufhebung, wenn der Betrug durch einen Dritten begangen wurde (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, a.a.O.). Eine Täuschung über das Vorhandensein eines (körperlichen oder geistigen) Mangels zum Zeitpunkt der Eheschließung im Sinne des Art. 129 Abs. 1 Satz afghan. ZGB liegt erkennbar nicht vor, da ein Mangel die Ehefrau betreffend schon nicht behauptet wird. Auch eine Täuschung über ein Merkmal im Sinne des Art. 132 Abs. 1 HS. 2 afghan. ZGB liegt nicht vor. Ohnehin ist unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich vorliegend um eine Handschuhehe gehandelt hat, nicht ersichtlich, in welchem Verhalten der Antragsgegnerin eine Täuschung des Antragstellers begründet sein soll. Die Ehe wurde hier auf beiden Seiten durch Stellvertreter geschlossen, so dass maßgeblich wäre, inwieweit diese getäuscht haben bzw. getäuscht worden sind. Der Beschwerdeführer hat auch in der Beschwerde keine Umstände vorgetragen, die eine andere als die amtsgerichtliche Entscheidung erfordern. Unter Berücksichtigung des § 127 Abs. 2 FamFG, wonach von den Beteiligten nicht vorgebrachte Tatsachen nur berücksichtigt werden dürfen, sofern sie ehefreundlich wirken (Abs. 2 Alt. 1), d.h. geeignet sind, der Aufrechterhaltung der Ehe zu dienen (BeckOK FamFG/Weber, 49. Ed. 1.2.2024, FamFG § 127 Rn. 7), scheiden insoweit weitere Ermittlungen aus. Ein Eheaufhebungsgrund ist nach alledem nicht ersichtlich.
Liegen danach die Voraussetzungen für eine Eheaufhebung nicht vor, so hat das Amtsgericht die Ehe der Beteiligten auf den Hilfsantrag hin zu Recht geschieden. Auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 150 Abs. 1 FamFG.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf §§ 40 Abs. 1, 43 Abs. 1 Satz 2, 39 Abs. 2 und 1 FamGKG. Eine Erhöhung der wechselseitig eingelegten Rechtsmittel hat wegen der Identität der Gegenstände nicht stattzufinden.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert, § 70 Abs. 2 S. 1 FamFG.
04.04.2024
Tenor
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Ehegatten hälftig. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten, die beide die afghanische Staatsangehörigkeit besitzen, haben am XX.XX.2022 in Stadt4/Afghanistan die Ehe in Form einer sogenannten „Handschuh-Ehe“ miteinander geschlossen, wobei durch das Generalkonsulat der islamischen Republik Afghanistan in Bonn am XX.XX.2022 eine Heiratsbescheinigung ausgestellt wurde. In der Heiratsbescheinigung vom XX.XX.2022 ist die Antragsgegnerin als Vorname1 A, geboren am XX.XX.2000 mit der Passnummer … aufgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf die vom Generalkonsulat von Afghanistan in Bonn mit Siegel und Unterschrift vom 05. März 2024 bestätigte im Original vorgelegte Heiratsbescheinigung verwiesen. Bei der Eheschließung war nur die Antragsgegnerin anwesend, der am XX.XX.1996 geborene Antragsteller hingegen nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Heiratsbescheinigung vom XX.XX.2022 Bezug genommen. Die Verlobung der Beteiligten hatte bereits am 15. Januar 2019 in Afghanistan stattgefunden. Der Antragsgegner lebt seit 2015 in Deutschland und verfügt hier über eine Aufenthaltserlaubnis als anerkannter Flüchtling. Seit der Verlobungsfeier telefonierten die Beteiligten regelmäßig miteinander, insbesondere fanden auch Videotelefonate statt. Zwischen den Beteiligten bestehen unterschiedliche Auffassungen über das Geburtsdatum der und den Vornamen der Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin stammt ursprünglich aus Stadt5/Afghanistan und gehört zur Volksgruppe der Hazare. Bis zu ihrer Flucht im Frühjahr 2022 lebte sie in Stadt4/Afghanistan. Bei ihrer Flucht war sie im Besitz eines am 30. Juli 2019 durch das Kabul Central Passport Department ausgestellten afghanischen Reisepasses auf die Personalien Vorname1 A, geboren am XX.XX.2000 in Stadt5, der ID-Nummer … und der Passnummer … . Auf die Kopie des afghanischen Reisepasses wird verwiesen. Die Antragsgegnerin reiste zunächst mit dem Fahrzeug in den Land1 und flog von dort aus nach Land2, wo sie für fünf Monate verblieb. Im Rahmen der weiteren Flucht reiste sie mit einem Visum nach Land3. Das Visum ist auf die Personalien Vorname1 A, geboren am XX.XX.2000, Passnummer … ausgestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Visum Bezug genommen. Nach ihrer Einreise nach Deutschland am 20. August 2022 hielt sich die Antragsgegnerin zunächst in Stadt1 auf und traf dort erstmals persönlich auf den Antragsteller. Beide hielten sich sodann für etwa drei Wochen zusammen bei einem Bekannten des Antragstellers in der Nähe von Stadt2 auf. Am 15. September 2022 wurde die Antragsgegnerin als unbegleitete minderjährige Jugendliche aufgrund einer Selbstmeldung durch das Jugendamt in Stadt3 in Obhut genommen. Gegenüber dem Jugendamt gab sie bei der Alterseinschätzung den Namen Vorname2 A und das Geburtsdatum XX.XX.2006 an. Ihren Familienstand gab sie mit ledig an. Ausweispapiere legte sie nicht vor. Im Einzelnen wird auf die Niederschrift über die Alterseinschätzung des Jugend- und Sozialamtes der Stadt3 vom 15. September 2022 Bezug genommen. Der Antragsgegnerin wurde mit Bescheid vom 31. Januar 2024 unter den Personalien Vorname2 A, geb. am XX.XX.2006 in Stadt5/Afghanistan subsidiärer Schutzstatus zuerkannt. Auf den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 31. Januar 2024 wird Bezug genommen. Die Antragsgegnerin lebt in einer traumapädagogischen Mädchen-Wohngruppe in Stadt8 und stand bis zu ihrer Volljährigkeit unter der Vormundschaft des Landkreises Stadt6-Stadt7.
Der Antragsteller hat erstinstanzlich behauptet, die Antragsgegnerin habe ausschließlich die Ehe mit ihm geschlossen, um ein Visum für die Einreise nach Deutschland zu erhalten. Nach ihrer Einreise nach Deutschland habe sie sich jünger gemacht als sie tatsächlich sei und unter dem Namen Vorname1 A einen Asylantrag gestellt. Sie habe ihm dazu erklärt, sie werde sich mit falschem Namen und minderjährigem Alter in Deutschland melden, um ihre Familienangehörigen nachholen zu können. Es sei ihr ausschließlich darum gegangen, ein Aufenthaltsrecht für Deutschland zu erhalten. Ihren wahren Willen, nämlich keine Ehe mit ihm zu führen, habe sie nicht deutlich gemacht. Erst am 01. September 2022 habe sie ihm erklärt, sie wolle auf keinen Fall mit ihm zusammenleben.
Der Antragsteller hat erstinstanzlich beantragt,
die am XX.XX.2022 in Stadt4/Afghanistan geschlossene Ehe der Beteiligten wird aufgehoben,
hilfsweise, die Ehe zu scheiden.
Die Antragsgegnerin hat erstinstanzlich keine Anträge gestellt.
Sie hielt die Ehe für nichtig. Unter Vorlage der Ablichtung einer am 29. Februar 2023 auf die Personalien Vorname1 A ausgestellten afghanischen National Identity Card behauptete sie, erst am XX.XX.2006 geboren zu sein. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopie des Ausweises verwiesen. Zum Zeitpunkt der Eheschließung am XX.XX.2022 sei sie damit noch nicht einmal 16 Jahre alt gewesen.
Das Amtsgericht hat am 19. Oktober mündlich verhandelt und beide Beteiligten persönlich angehört. Der Antragsteller hat ausgeführt, vom Zeitpunkt der Verlobungsfeier am 15. Januar 2019 an, mit der Antragsgegnerin telefoniert zu haben. Dabei sei über die Einreise nach Deutschland und die Absicht gesprochen worden, dass die Antragsgegnerin hier ihr Studium fortsetzen wolle. Etwa Anfang September 2022 habe sie ihm dann erklärt, dass sie sich trennen wolle. Sie habe die ganze Reise alleine bewältigt und wolle jetzt auch alleine wohnen. Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, dass bei den Telefonaten nach der Verlobungsfeier am 15. Januar 2019 über die Eheschließung und ihre Reise nach Deutschland, nicht aber über das gemeinsame Leben in Deutschland gesprochen worden sei. Die Angaben in ihrem afghanischen Reisepass seien falsch, weil man als minderjährige Frau nicht alleine nach Deutschland einreisen dürfe. Bei der Beantragung des Visums habe sie wieder über ihr Geburtsdatum gelogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der Sitzung vom 19. Oktober 2023 verwiesen.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 02. November 2023 hat das Amtsgericht die am XX.XX.2022 in Stadt4/Afghanistan geschlossene Ehe der Beteiligten auf den Hilfsantrag hin geschieden und den Antrag auf Aufhebung der Ehe zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Voraussetzungen der Aufhebung der Ehe nicht vorlägen. Das Gericht habe keine Bedenken an der Wirksamkeit der zwischen den Beteiligten geschlossenen Ehe in Afghanistan, auch wenn es sich hierbei um eine Handschuhehe handele. Die Formerfordernisse des Rechts des Staates, in dem die Eheschließung vorgenommen worden sei, lägen vor. Das Alter der Antragsgegnerin stehe einer Eheschließung nicht entgegen. Nach Art. 70 des afghanischen Zivilgesetzbuchs trete die Ehefähigkeit bei Frauen ein, wenn sie das 16. Lebensjahr vollendet hätten. Zur Überzeugung des Gerichts stehe fest, dass die Antragsgegnerin bei Eheschließung am XX.XX.2022 bereits 22 Jahre alt gewesen sei. Bei Eheschließung sei sie daher nach afghanischem und (dem nicht maßgeblichen) deutschen Recht bereits volljährig gewesen. Die Angaben der Antragsgegnerin, die behaupte erst am XX.XX.2006 geboren zu sein, seien nicht glaubhaft. Im afghanischen Reisepasses, in der Heiratsbescheinigung und im Visumsantrag zur Einreise in die … seien als Geburtsdatum jeweils der XX.XX.2000 angegeben. Soweit sich die Antragsgegnerin auf ihren afghanischen Ausweis berufe, seien ihre Erklärungen zum Ursprung des falschen Geburtsdatums in den übrigen Papieren weder nachvollziehbar noch glaubhaft. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass in dem afghanischen Reisepass, der mehrere Jahre vor der Eheschließung ausgestellt worden sei, die Eintragung eines falschen Geburtsdatums nur zum Zwecke einer erst Jahre später geplanten Ausreise veranlasst worden sei. Das Gericht sei überzeugt, dass das im afghanischen Reisepass angegebene Geburtsdatum richtig sei. Dieser Wertung stehe auch nicht das angegebene Geburtsdatum in ihrem afghanischen Ausweis entgegen. Der Ausweis sei erst am 20. Februar 2023 ausgestellt worden, als die Antragsgegnerin schon etwa ein halbes Jahr in Deutschland gelebt habe. Offensichtlich sei, dass die Antragsgegnerin sich habe jünger machen wolle, als sie tatsächlich sei. Merkwürdig sei auch, dass der Vorname der Antragsgegnerin nun plötzlich auf Vorname2 laute, wohingegen der Vorname in allen anderen Papieren auf Vorname1 laute. Letztlich sei das Gericht überzeugt, dass die Angaben über das Geburtsdatum im Reisepass korrekt seien. Dass die Eheschließung am XX.XX.2022 durch Stellvertreter erfolgt sei, sei unerheblich, da dies nach dem maßgeblichen Ortsrecht am Ort der Trauungshandlung zulässig sei. Der Anerkennung der Ehe stehe auch der deutsche ordre public nicht entgegen. Die bloße Stellvertretung in der Erklärung zur Eheschließung bei der Handschuhehe führe grundsätzlich nicht zu einer Unvereinbarkeit mit dem ordre public. Anhaltspunkte für eine Stellvertretung im Willen bei der Eheschließung, der zu einem Verstoß gegen den ordre public führen könnte, lägen nach den Angaben der Antragsgegnerin nicht vor. Denn die Antragsgegnerin habe die Eheschließung gebilligt, wenn nicht gar gutgeheißen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers lägen keine Gründe für eine Aufhebung der wirksamen Ehe vor. Soweit der Antragsteller behauptet habe, die Antragsgegnerin habe alleine die Ehe mit ihm geschlossen, um auf diese Weise an ein Visum für Deutschland zu kommen, fehle substantiierter Vortrag. Der Antragsteller habe nicht dargelegt, dass er vor der Eheschließung mit der Antragsgegnerin Gespräche über die Gestaltung des Ehelebens geführt habe. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Antragsgegnerin aus einem Krisengebiet stamme, bei dem die Flucht Alltag sei, gerade nach der Machtübernahme durch die Taliban. Eine gemeinsame Lebensplanung sei zwar nicht besprochen worden. Wenn der Antragsteller unter diesen Umständen aber eine Ehe eingehe, ohne die für ihn wesentlichen Grundlagen der geplanten Ehe besprochen zu haben, habe er sich in einem von ihm selbst hervorgerufenen Motivationsirrtum befunden, der jedoch nicht von der Antragsgegnerin durch eine Täuschung verursacht sei. Auf den Hilfsantrag hin sei die Ehe zu scheiden. Unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Ehegatten sei nach Art. 8 Rom III-VO deutsches Scheidungsrecht anzuwenden, weil die Ehegatten keine Rechtswahl getroffen hätten. Der Scheidungsantrag sei begründet, weil die Ehe gescheitert sei. Die Beteiligten würden seit September 2022 und damit länger als ein Jahr ununterbrochen voneinander getrennt leben. Der Versorgungsausgleich sei nicht durchzuführen, da das afghanische Recht diesen nicht kenne und keiner der Beteiligten einen Antrag auf dessen Durchführung gestellt habe. Im Einzelnen wird auf den Beschluss verwiesen.
Mit seiner am 01. Dezember 2023 eingegangenen Beschwerde gegen den ihm am 10. November 2023 zugestellten Beschluss verfolgt der Antragsteller sein erstinstanzliches Begehren weiter. Auch die Antragsgegnerin verfolgt mit ihrer am 06. Dezember 2023 eingegangenen Beschwerde gegen den ihr am 09. November 2023 zugestellten Beschluss ihr erstinstanzliches Begehren weiter.
Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens führt der Antragsteller im Übrigen aus, dass er von einem Zusammenleben der Beteiligten ausgegangen sei. Dass die Beteiligten keine Pläne über eine gemeinsame Wohnung oder Kinder gemacht hätten, heiße lediglich, dass er vom Normalfall eines Zusammenlebens ausgegangen sei. Im Übrigen sei darüber gesprochen worden, dass die Antragsgegnerin hier ihr in Afghanistan begonnenes Medizinstudium fortsetzen solle. Deshalb habe er die Antragsgegnerin auch aufgesucht, als er von ihrer Ankunft erfahren habe. Das Gericht verkenne, dass in der kulturellen Tradition der Beteiligten Diskussionen über das künftige Eheleben überhaupt keine Rolle spielen würden. Der Anschein der arglistigen Täuschung werde alleine durch das Verhalten der Antragsgegnerin zur Erlangung eines russischen Visums und ihr Verhalten nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begründet. Warum sonst sollte die Antragsgegnerin sich unter falschem Namen und falschem Geburtsdatum in Deutschland anmelden. Im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 01. Dezember 2023 verwiesen.
Der Antragsteller beantragt,
die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben und die Ehe der Beteiligten aufzuheben, hilfsweise zu scheiden.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen und im Übrigen die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben und die Anträge des Antragstellers zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin ist weiterhin der Meinung, keine wirksame Ehe mit dem Antragsteller eingegangen zu sein. Die Auffassung des Amtsgerichts, sie sei bei Eingehung der Handschuhehe am XX.XX.2022 nicht ganz 21 ½ Jahre alt gewesen sei rechtsfehlerhaft. Die Feststellungen zum Alter der Antragsgegnerin würden nicht überzeugen. Das Gericht könne keine Altersschätzung vornehmen. Die Auffassung des Gerichts würde von den weiteren am Asylverfahren beteiligten Fachstellen nicht geteilt. Das Jugendamt sei am 15. September 2022 zu der Einschätzung gekommen, dass Minderjährigkeit vorliege. Auch das BAMF habe keine Zweifel am Alter der Antragsgegnerin. Bei Zweifeln am Alter der Antragsgegnerin hätte das Amtsgericht ein Altersgutachten einholen müssen. Die „Merkwürdigkeit“ der unterschiedlichen Vornamen der Antragsgegnerin in ihren Dokumenten könne nicht zur Begründung herangezogen werden, dass die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Handschuhehe bereits volljährig gewesen sei. Das Erstgericht habe nicht belastbar feststellen können, dass die Antragsgegnerin bei Eheschließung am XX.XX.2022 bereits volljährig gewesen sei. Auch die Ausführungen des Gerichts zur mangelnden Aufhebungsmöglichkeit seien nicht überzeugend, was der Antragsteller zum Teil zu Recht anführe. Hierauf komme es mangels wirksamer Ehe nicht an. Im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 06. Februar 2024 Bezug genommen.
Der Senat hat das Verfahren auf die Einzelrichterin übertragen und diese hat mündlich verhandelt. Die Beteiligten wurden erneut persönlich angehört. Die Antragsgegnerin gab dabei an, dass es sich bei dem in Ablichtung vorliegenden afghanischen Reisepass um ihren eigenen handelt. Der Reisepass sei erstellt worden, damit sie aus Afghanistan ausreisen dürfe. Unter 18 Jahren dürfe man nicht ausreisen. Die in den Dokumenten verwendeten unterschiedlichen Vornamen hätten die gleiche Bedeutung;Vorname2 stamme aus dem Persischen, A aus dem Paschtunischen. Sie habe über verschiedene Tazkira verfügt, eine auf den NamenVoranme1 und einem Alter von 23/24 Jahren und eine auf den Namen Vorname2 und einem Geburtsdatum XX.XX.2006. Auch bei der Eheschließung seien falsche Angaben zu ihrem Vornamen und Geburtsdatum gemacht worden. Der Antragsteller hat angegeben, die Antragsgegnerin habe ihm nach ihrer Einreise nach Deutschland erklärt, sich hier als Minderjährige bei den Behörden registrieren zu lassen, um später ihre Familienangehörigen nach Deutschland holen zu können. Sie habe dabei gesagt „Optisch sehe ich wie eine Minderjährige aus, warum sollte ich da dann keinen Gebrauch davon machen.“. Wegen der weiteren Einzelheiten und des Ergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll vom 25. März 2023 Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 58 FamFG statthaften, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten Beschwerden beider Beteiligter sind unbegründet.
Insbesondere ist das Oberlandesgericht Frankfurt (und war erstinstanzlich auch das Amtsgericht Darmstadt) für die beantragte Entscheidung international zuständig. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die bei Fällen mit Auslandsberührung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und beachten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2010 - XII ZB 68/09 -, NJW 2010, 1351, Rn. 8), folgt vorliegend aus Art. 3 der Verordnung (EU) 2019/1111 des Rates vom 25. Juni 2019 über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen (Brüssel IIb), weil beide Ehegatten im Zeitraum zwischen Zustellung des Scheidungsantrages und letzter mündlicher Verhandlung zu irgendeinem Zeitpunkt gemeinsam ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten.
Gemäß Art. 4, 18 Absatz 1 Satz 1 Rom III-VO ist grundsätzlich deutsches Recht anzuwenden, wenn die Ehegatten keine Rechtswahl nach Artikel 5 bis 7 Rom III-VO getroffen haben und beide Ehegatten im Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten. Dies gilt unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Ehegatten. Die Rom III-VO gilt jedoch, wie sich aus Art. 1 Abs. 1, Abs. 2b, c Rom III-VO ergibt, nicht für die Beseitigung der Ehe aufgrund von Fehlern oder Hindernissen bei deren Eingehung. Nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB ist bezüglich der Aufhebung der Ehe afghanisches Recht anwendbar (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2023 - XII ZB 274/21 -, NJW 2023, 3582, beck-online). Das erklärt sich daraus, dass die Scheidung eine wirksame Ehe als Vorbedingung voraussetzt, während die Mängel der Eheschließung nach dem Eheschließungsstatut zu beurteilen sind (Rieck/Lettmaier AuslFamR, Internationales Familien- und Verfahrensrecht Rn. 17, beck-online).
Das Amtsgericht hat vorliegend die Ehe der Beteiligten zu Recht unter Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung der Ehe auf den Hilfsantrag hin geschieden. Ein Eheaufhebungsgrund liegt nicht vor.
Der Senat hat - wie auch das Amtsgericht - zunächst keine Zweifel an der formellen Wirksamkeit der geschlossenen Ehe. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung, die von den Beteiligten mit ihren Beschwerden nicht in Zweifel gezogen wurden, verwiesen werden. Die am XX.XX.2022 erfolgte Bestätigung der Eheschließung durch die Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan in Bonn ist für das Zustandekommen der Ehe nach dem gemäß Art. 13 EGBGB maßgeblichen Heimatrecht der beiden afghanischen Staatsangehörigen als ausreichend anzusehen. Danach wurde die Ehe am XX.XX.2022 in Stadt4/Afghanistan geschlossen.
Der Anerkennung der in Afghanistan unstreitig als Handschuhehe geschlossenen Ehe im Inland steht nach den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts der deutsche ordre public nicht entgegen. Auch insoweit kann der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in der amtsgerichtlichen Entscheidung verweisen, die die Beteiligten mit ihren jeweiligen Beschwerden angegriffen haben. Nachdem keiner der Beteiligten vorliegend geltend macht, dass die Eheschließung am XX.XX.2022 nicht dem Willen eines oder beider Ehegatten entsprochen habe, liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, der Stellvertreterehe unter Berufung auf Art. 6 EGBGB die Wirksamkeit zu versagen.
Der Senat teilt auch die Auffassung des Amtsgerichts, wonach ein Verstoß gegen Art. 6 EGBGB im Hinblick auf das durch Art. 13 Abs. 3 EGBGB vorgeschriebene Mindestalter für eine Eheschließung hier nicht vorliegt. Art. 13 Abs. 3 EGBGB legt das Mindestalter der Eheschließung unabhängig vom anwendbaren Recht verbindlich fest. Nach Art. 13 Abs. 3 Satz 1 EGBGB ist eine Ehe nichtig, wenn die Nupturienten im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Dass Art. 13 Abs. 3 EGBGB, der durch das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17. Juli 2017 eingeführt wurde, durch das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 01. Februar 2023 - Az. 1 BvL 7/18 - für verfassungswidrig erklärt wurde, ist für den vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich, weil keine vernünftigen Zweifel an der Volljährigkeit der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Eheschließung vorliegen.
Bei der Prüfung des Vorliegens des Mindestalters für eine Ehe handelt es sich um eine von Amts wegen zu prüfende Frage, da der Umstand einer wirksamen Eheschließung in sämtlichen Ehesachen eine von Amts wegen zu klärende Vorfrage darstellt (BeckOK FamFG/Weber, 49. Ed. 1.2.2024, FamFG § 127 Rn. 4). Nach § 127 Abs. 1 FamFG hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Nach dessen Absatz 2 dürfen in Verfahren auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe von den Beteiligten nicht vorgebrachte Tatsachen hingegen nur berücksichtigt werden, wenn sie geeignet sind, der Aufrechterhaltung der Ehe zu dienen oder wenn der Antragsteller einer Berücksichtigung nicht widerspricht. Das Gericht muss dabei ermitteln, bis es sich eine ausreichende Überzeugung gebildet hat oder weitere Ermittlungen nicht für sachdienlich hält (Johannsen/Henrich/Althammer/Markwardt, 7. Aufl. 2020, FamFG § 127 Rn. 5). Die Ermittlungen des Gerichts müssen alle Beweismöglichkeiten erschöpfen und enden, wenn sich das Gericht eine hinreichende Überzeugung gebildet hat und weitere Ermittlungen keine besseren Erkenntnisse erbringen (Musielak/Borth/Frank/Borth, 7. Aufl. 2022, FamFG § 127 Rn. 3). Das Gericht muss den gesamten Inhalt des Verfahrens, insbesondere Umfang und Inhalt des Vorbringens des Beteiligten und den sonstigen Akteninhalt zur Überzeugungsbildung heranziehen und sich im Wege der freien Beweiswürdigung seine subjektive Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen des entscheidungserheblichen Sachverhalts verschaffen. Dabei setzt das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraus. Vielmehr darf und muss sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH, Urteil vom 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91 -, NJW 1993, 935, beck-online; Sternal/Sternal, 21. Aufl. 2023, FamFG § 29 Rn. 30; Prütting in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Auflage 2023, § 37 FamFG, Rn. 10a). Trotz Geltung der Inquisitionsmaxime behalten die allgemeinen Beweislastregeln Gültigkeit (Prütting/Helms, FamFG, 6. Auflage 2023, § 127 FamFG, Rn. 8). Der Amtsermittlungsgrundsatz gebietet es schließlich nicht, unschlüssige Anträge durch Ermittlungen von Amts wegen schlüssig zu machen (Musielak/Borth/Frank/Borth, 7. Aufl. 2022, FamFG § 127 Rn. 3).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist auch der Senat auf der Grundlage der im Verfahren gewonnenen Erkenntnisse überzeugt, dass die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits volljährig war. Gegen die Feststellungen des Amtsgerichts bringt die Beschwerde der Antragsgegnerin nichts von argumentativem Gewicht vor. Ausschlaggebend für die Auffassung des Senats, der die Erwägungen des Amtsgerichts auch an dieser Stelle teilt, ist, dass die Angaben der Antragsgegnerin zu ihrem angeblichen Geburtsdatum in Anbetracht der im Verfahren sonst gewonnenen Erkenntnisse nicht plausibel und damit nicht nachvollziehbar sind. Im Ausgangspunkt maßgeblich ist für den Senat, dass dem in Kopie vorliegenden afghanischen Reisepass der Antragsgegnerin eine erhöhte Beweiswirkung zukommt. Der Nationalpass ermöglicht den (widerlegbaren) Nachweis, dass der Inhaber mit der abgebildeten Person im Pass und den Angaben hinsichtlich des Namens, des Geburtstages und des Geburtsortes übereinstimmt (vgl. zur Identitätsfeststellung in einem Adoptionsverfahren: BGH, Beschluss vom 25. August 2021 - XII ZB 442/18 -, NZFam 2021, 964; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17. März 2004 - 1 C 1/03 -, NVwZ 2004, 1250, beck-online). Dies gilt grundsätzlich auch für Pässe aus Staaten mit einem unsicheren Urkundenwesen. Bei Vorlage eines echten Nationalpasses werden weitergehende Ermittlungen zur Identitätsklärung nur noch in Betracht gezogen werden müssen, wenn dem Gericht weitere Urkunden vorliegen oder sonstige Urkunden bekannt geworden sind, die Zweifel an der Richtigkeit der durch den Nationalpass dokumentierten Identität begründen können (vgl. BGH, a.a.O.; vgl. auch für Anträge nach dem PStG: OLG Hamm, Beschluss vom 20. Januar 2021, - 15 W 68/20 -, BeckRS 2021, 6781; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Januar 2018 - 3 Wx 129/17, BeckRS 2018, 3986, beck-online). Diese Erwägungen können uneingeschränkt auch für die Identitätsklärung im hiesigen Verfahren, in dem die Antragsgegnerin ein von dem im Reisepass abweichendes Geburtsdatum behauptet, herangezogen werden. Die Angaben der Antragsgegnerin und die zum Nachweis vorgelegte National Identity Card vom 29. Februar 2023 sind nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der durch den Nationalpass dokumentierten Identität zu begründen und damit die erhöhte Beweiswirkung des afghanischen Reisepasses vom 30. Juli 2019 zu erschüttern. Bei dem in Ablichtung vorliegenden afghanischen Reisepass handelt es sich zunächst zweifellos um den Reisepass der Antragsgegnerin. Sie hat wiederholt bestätigt, dass es sich bei der Ablichtung um ihren Reisepass handelt, der ihr im Rahmen ihrer Flucht aus Afghanistan von einem Schleuser abgenommen worden sei. Der afghanische Reisepass mit den biometrischen Merkmalen in Form eines Passbildes und eines Fingerabdrucks validiert und verifiziert die Identität der Antragsgegnerin. Entscheidend ist dabei, dass die Antragsgegnerin von ihrem Heimatland unter den in ihrem Reisepass ersichtlichen Daten identifiziert worden ist. Auf der Grundlage dieses Reisepasses konnte die Antragsgegnerin nicht nur die Ehe mit dem Antragsteller eingehen, sondern insbesondere auch Afghanistan verlassen und das Visum für die Einreise nach Land3 beantragen. Ausgehend hiervon hat der Senat keine Zweifel an den im Reisepass enthaltenen Identitätsmerkmalen, vielmehr kann die Identität der Antragsgegnerin als Vorname1 A, geboren am XX.XX.2000 als geklärt gelten.
Davon ausgehend könnten sich etwaige Zweifel an den Identitätsangaben nur aus den Angaben der Antragsgegnerin zu ihrem Namen und Geburtsdatum bei der Einreise nach Deutschland, aus dem Vortrag im hiesigen Verfahren und aus der in Kopie vorgelegten am 29. Februar 2023 von der Islamic Republic of Afghanistan ausgestellten National Identity Card ergeben. Die Würdigung der gesamten Ermittlungsergebnisse begründen indes auch nach Auffassung des Senats jedoch keine Zweifel an der Volljährigkeit der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Eheschließung.
Ausschlaggebend hierfür ist, dass der am 29. Februar 2023 - und damit einige Monate nach der Einreise nach Deutschland und nach der Inobhutnahme durch das Jugendamt - ausgestellten National Identity Card auf die Personalien Vorname2 A, geboren am XX.XX.2006, kein hinreichender Beweiswert für das behauptete Alter zukommt. Bei dem Passdokument handelt es sich um eine Tazkira, dem in Afghanistan üblichen Identitätsdokument, das ausschließlich durch das Personenstandesregisteramt des Ministeriums des Innern ausgestellt wird (vgl. hierzu RdSchr. d. BMI v. 28. Februar 2014 - V II 1 - 133 400 AFG/1 des Bundesministeriums des Innern und für Heimat zum Personenstandswesen in Afghanistan). Einer afghanischen Tazkira kann dabei zwar nicht bereits abstrakt und ohne Rücksicht auf die konkreten Umstände des Einzelfalls jeder Beweiswert für die Identitätsklärung abgesprochen werden, vielmehr ist dies eine Frage der freien Würdigung nach § 37 Abs. 1 FamFG der als Beweismittel vorgelegten Urkunde, ob diese ungeachtet der Unzulänglichkeiten des afghanischen Personenstands- und Beurkundungswesens im Einzelfall ausreichen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2021 XII ZB 442/18 -, NZFam 2021, 964, beck-online, juris Rn. 15). Aufgrund der im Verfahren gewonnenen Erkenntnisse, insbesondere aus den vorliegenden Urkunden und den von der Antragsgegnerin in den Anhörungen vor dem Amtsgericht und dem Oberlandesgericht getätigten Aussagen, ist der Senat vorliegend nicht davon überzeugt, dass das Ausweispapier ausreichende Gewähr für die Richtigkeit des darin ausgewiesenen Geburtsdatums bietet. Dafür maßgeblich ist zum einen, dass die Tazkira zu Namen und Geburtstag der Antragsgegnerin vom Inhalt des Reisepasses abweichende Daten enthält, die die Antragsgegnerin nicht plausibel aufklären konnte. Die Tazkira widerspricht auch den Identitätsangaben in den sonst vorliegenden Dokumenten, die aus der Zeit vor der Einreise nach Deutschland stammen. In die Beurteilung ist zum anderen einzubeziehen, dass die Tazkira erst zu einem Zeitpunkt ausgestellt wurde, als die Antragsgegnerin sich bereits in Deutschland aufhielt. Dass die Ausstellung der Tazkira auf einer persönlichen Anwesenheit der Antragsgegnerin in der afghanischen Behörde und einer Identitätsprüfung und -feststellung beruht, ist nicht ersichtlich und auch nicht nachvollziehbar dargetan. Konkrete Einzelheiten zur Beschaffung der Tazkira hat die Antragsgegnerin auch auf ausdrückliche Nachfrage in der Sitzung vom 25. März 2024 nicht gemacht, sondern lediglich angegeben, bei der Antragstellung selbst zugegen gewesen zu sein. Die Frage, wann die Tazkira konkret beantragt wurde, konnte die Antragsgegnerin nicht beantworten und gab nur an, zu glauben, dass dies vor der Machtübernahme der Taliban gewesen sein soll. Ob die Antragsgegnerin die Tazkira tatsächlich schon vor ihrer Ausreise beantragt hat, erscheint dem Senat durchaus zweifelhaft. Die Antragsgegnerin hat in der Sitzung vom 25. März 2023 nämlich selbst eingeräumt, über mehrere Tazkiras verfügt zu haben, eine auf den Namen Vorname2 mit einem Geburtsdatum XX.XX.2006 und eine weitere auf den Namen Vorname1 mit einem Geburtsdatum XX.XX.2000. Gemessen daran ist für den Senat schon nicht plausibel, weshalb die Antragsgegnerin vor ihrer Flucht überhaupt Bedarf für eine (weitere) Tazkira auf den Namen Vorname2 mit einem Geburtsdatum XX.XX.2006 hatte. Denn dies steht auch im Widerspruch zu den weiteren Ausführungen der Antragsgegnerin, wonach man unter 18 Jahren nicht aus Afghanistan ausreisen dürfe. Wurde über die Altersangabe im Reisepass getäuscht, um die ansonsten nicht mögliche - so die Angaben der Antragsgegnerin im Rahmen ihrer zweitinstanzlichen Anhörung - Ausreise aus Afghanistan zu ermöglichen, gibt es aus Sicht des Senats keinen plausiblen Grund, noch vor der beabsichtigten Ausreise aus Afghanistan eine Tazkira zu beantragen, die stattdessen die Minderjährigkeit bestätigt. Es erscheint lebensfremd, mit Blick auf die bevorstehende Ausreise mit falschen Personalien im Reisepass noch eine diesen Angaben widersprechende Tazkira zu beantragen. Denn damit hätte die Antragsgegnerin doch ihre Reiseabsichten im Zweifel eher gefährdet. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Angaben der Antragsgegnerin zum Grund der Falschangaben im Reisepass variieren und sich damit als widersprüchlich erweisen. Erstinstanzlich begründete sie das im Reisepass angegebene (falsche) Geburtsdatum XX.XX.2000 noch damit, dass man minderjährig als Frau nicht nach Deutschland einreisen dürfe. Zweitinstanzlich erklärte sie stattdessen, dass man minderjährig nicht aus Afghanistan ausreisen dürfe. Unabhängig von diesem Widerspruch ist damit nicht erklärt, weshalb die Dokumente auf unterschiedliche Vornamen lauten. Die Erklärungsversuche der Antragsgegnerin zu der Widersprüchlichkeit der in den Dokumenten unterschiedlich verwendeten Vornamen „Vorname1“ und „Vorname2“ überzeugen den Senat ebenso wenig. Die Antragsgegnerin hat sich nunmehr darauf berufen, sowohl Vorname1 als auch Vorname2 zu heißen. Während Vorname1 aus dem Persischen stamme, stamme Vorname2 aus dem Paschtunischen. Unabhängig von einer etwaigen Richtigkeit dieser Behauptung lässt sich hiermit jedoch schon nicht erklären, warum alle vorliegenden Dokumente bis zum Zeitpunkt der Inobhutnahme als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling - nämlich Heiratsbescheinigung, Reisepass, Visumsantrag - den Vornamen Vorname1 und das Geburtsdatum XX.XX.2006 tragen und die Antragsgegnerin nach dem Akteninhalt erstmals bei der Inobhutnahme durch das Jugendamt etwa zwei Wochen nach der Einreise nach Deutschland als Vornamen Vorname2 und als Geburtsdatum den XX.XX.2006 angab. Insoweit gewinnt das Vorbringen des Antragstellers erhebliche Entscheidungsrelevanz. Denn dieser hat vorgetragen, dass die Antragsgegnerin ihm nach ihrer Einreise nach Deutschland erklärt habe, sich gegenüber den deutschen Behörden als minderjährig darstellen zu wollen, um so den Familiennachzug möglich zu machen. Diesem Vorbringen ist die Antragsgegnerin zu keinem Zeitpunkt entgegengetreten. Auch in der Sitzung vom 25. März 2024 blieben die (wiederholten) Ausführungen des Antragstellers unbestritten. Die Gesamtumstände sprechen aus Sicht des Senats daher eindeutig für Falschangaben bei der Einreise.
Der Nachweis des behaupteten Geburtsdatums XX.XX.2006 kann nach alledem - unabhängig von der Frage der Echtheit - durch die Tazkira bzw. durch deren Kopie nicht geführt werden. Ob das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen der Urkundenprüfung die Tazkira als echt beurteilt hat, ist letztlich ohne Entscheidungsrelevanz. Nach den allgemein bekannten Informationen des Auswärtigen Amtes kursieren in Afghanistan echte Dokumente unwahren Inhalts in einem erheblichen Umfang. Pässe und Personenstandsurkunden werden von afghanischen Behörden ohne adäquaten Nachweis ausgestellt. Das Legalisationsverfahren von öffentlichen Urkunden aus Afghanistan musste wegen der fehlenden Urkundensicherheit eingestellt werden (vgl. OLG Karlsruhe Beschluss vom 17. Oktober 2023 - 19 W 3/23 (Wx) -, BeckRS 2023, 30838 Rn. 15, beck-online).
Der Senat verkennt bei seiner Entscheidung nicht, dass das Jugendamt im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme der Antragsgegnerin von deren Minderjährigkeit ausgegangen ist. Die Alterseinschätzung, deren Einzelheiten in § 42f Abs. 1 SGB VIII geregelt sind, basierte den Vorgaben der Vorschrift folgend auf den Angaben der Antragsgegnerin und deren Inaugenscheinnahme. Nach der gesetzlichen Konzeption des § 42f SGB VIII ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen. Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betreffenden. Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen. Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen. Liegen danach keine aussagekräftigen Ausweispapiere vor, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen. Die Selbstauskunft hat Vorrang vor allen weiteren Verfahrensschritten. Der eigenen Angabe des/der Minderjährigen kommt besondere Bedeutung zu; nur wenn die Angabe des/der Minderjährigen nicht glaubhaft ist, kommt überhaupt eine Altersfeststellung in Betracht (vgl. hierzu Wiesner/Wapler/Steinbüchel, 6. Aufl. 2022, SGB VIII § 42f Rn. 5). Ausweispapiere konnten vorliegend nicht eingesehen werden. Die Existenz eines afghanischen Reisepasses mit den Angaben der Antragsgegnerin widersprechenden Identitätsmerkmalen war der Behörde ebenso wenig bekannt wie die Eheschließung, die Heiratsbescheinigung, der Visumsantrag oder das Visum mit den bekanntlich anderen Personalien der Antragsgegnerin. Anlass, an den Angaben der Antragsgegnerin zu zweifeln, bestand damals noch nicht. Aus den zuvor beschriebenen Gesamtumständen ergibt sich zweifellos, dass damit die Alterseinschätzung des Jugendamts nicht als Beweis für die behauptete Minderjährigkeit bei Eheschließung herangezogen werden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte aus den gleichen Gründen ebenso wenig einen Anlass, die Angaben der Antragsgegnerin anzuzweifeln, so dass auch die dortige Einschätzung ohne Beweiswert für die hier zu beurteilende Frage einer etwaigen Volljährigkeit bei Eheschließung bleibt.
Ob die Behauptungen des Antragstellers zum Medizinstudium der Antragsgegnerin in Afghanistan geeignet sind, weitere Zweifel an der Minderjährigkeit der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Eheschließung zu erwecken, kann mit Blick auf die bereits aufgezeigten Widersprüche dahinstehen. Die vom Antragsgegner zuletzt vorgelegten Bestätigungen über die Teilnahme der Antragsgegnerin an medizinischen Kursen im Zeitraum 10. Dezember 2020 bis 10. Januar 2021 und 01. Oktober 2021 bis 08. Oktober 2021 legen eher nahe, dass die Antragsgegnerin Medizin studiert hat. Die sich aus den Bestätigungen ergebenden Kursinhalte (Erste Hilfe, Injektionen, Blutentnahme, Ausstellen von Rezepten) und die Dauer der Kurse sprechen jedenfalls eher gegen die Annahme, es habe sich hier - wie die Antragsgegnerin meint - nur um Erste-Hilfe-Kurse gehandelt.
Die Summe der aufgezeigten Unstimmigkeiten und Widersprüchlichkeiten im Vorbringen der Antragsgegnerin belegt nach alledem zur Überzeugung des Gerichts, dass ihr gesamtes Vorbringen zu ihrem behaupteten Alter unglaubhaft ist. Die nicht plausiblen Angaben der Antragsgegnerin zu ihrem Geburtsdatum geben damit im Lichte der sonstigen Erkenntnisse keinen Anlass für weitere Ermittlungen des Senats, insbesondere die von der Antragsgegnerin mit der Beschwerde erstrebten Altersfeststellungsuntersuchungen sind nicht durchzuführen. Der in Kopie vorgelegte afghanische Reisepass ermöglicht bereits die notwendige Überzeugung des Senats, dass die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits volljährig gewesen ist.
Liegt danach eine wirksame Ehe vor, so rechtfertigt auch das Beschwerdevorbringen keine Aufhebung der Ehe. Das Amtsgericht hat die Aufhebung der zwischen den Beteiligten geschlossenen Ehe im Ergebnis zu Recht abgelehnt, weil der Antragsteller schon keine ausreichenden Tatsachen für das Vorliegen eines Eheaufhebungsgrundes dargelegt und im Übrigen auch den Beweis hierfür geführt hat. Das maßgebliche afghanische Recht - Art. 127 Abs. 2 afghan. ZGB - nennt als Aufhebungsgründe entweder einen Mangel, die Nichterfüllung einer Bedingung oder einen Betrug (vgl. Ebert/Rasoul in Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Afghanistan, Stand: 07.09.2021, 85 ff.). Der vom Antragsteller angeführte Aufhebungsgrund der arglistigen Täuschung könnte sich allenfalls als Verstoß gegen eine Bedingung im Sinne des Art. 131 afghan. ZGB oder als Betrug im Sinne des Art. 132 Abs. 1 afghan. ZGB darstellen. Nach Art. 131 Abs. 1 afghan. ZGB kann die Aufhebung nur geltend gemacht werden, wenn ein Ehegatte eine bestimmte Bedingung für den Ehevertrag in Bezug auf den anderen ausdrücklich stellt oder der Vertrag darauf basierend geschlossen wird, es sich aber später herausstellt, dass die Bedingung nicht eingehalten ist. Dass das spätere Zusammenleben der Beteiligten in Deutschland eine Bedingung in diesem Sinne darstellt, ist nach dem Tatsachenvortrag des Antragstellers schon nicht ersichtlich. Die Beteiligten haben vorliegend unstreitig keine Gespräche über die konkrete Ausgestaltung der Ehe nach einer erfolgreichen Flucht der Antragsgegnerin geführt. Nach den ergänzenden Angaben des Antragstellers in der Anhörung vor dem Senat fanden zwischen der Verlobungsfeier am 15. Januar 2019 und der Eheschließung am XX.XX.2022 tägliche Telefonate zwischen den Beteiligten statt. In Anbetracht dessen vermag der Umstand, dass die Beteiligten dabei nicht über ein etwaiges Zusammenleben nach einer erfolgreichen Flucht der Antragsgegnerin aus Afghanistan gesprochen haben, nicht mehr als einen Motivationsirrtum auf Seiten des Antragstellers begründen. Dem Antragsteller standen ausreichende Erkenntnisquellen zur Verfügung, eine etwaig andere Motivation der Antragsgegnerin in Erfahrung zu bringen. Ausschlaggebend ist im Ergebnis, dass keine Anhaltspunkte und auch kein Tatsachenvorbringen des Antragstellers dafür vorliegen, dass die Antragsgegnerin bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt der Eheschließung am XX.XX.2022 beabsichtigt haben soll, nicht mit dem Antragsteller zusammenleben zu wollen. Alleine aus dem beschriebenen Verhalten der Antragsgegnerin nach ihrer Einreise nach Deutschland kann jedenfalls nicht auf eine etwaige Motivation bei der zu diesem Zeitpunkt bereits gut 1 ½ Jahre zurückliegenden Eheschließung geschlossen werden. Der Antragsteller verkennt bei seiner Argumentation, dass sich der Wunsch der Antragsgegnerin, in Deutschland nicht mit ihm zusammenzuleben, ohne weiteres auch erst im Laufe der Zeit, insbesondere im Zuge der Flucht, die die Antragsgegnerin alleine bewältigt hat, gebildet haben kann. Hierfür spricht bereits das eigene Vorbringen des Antragstellers. Denn danach hat die Antragsgegnerin ihren Wunsch nach einer Trennung im September 2022 ausdrücklich darauf gestützt, alleine leben zu wollen, weil sie u.a. auch die Flucht alleine bewältigt habe. Das behauptete Verhalten der Antragsgegnerin erfüllt auch nicht den Tatbestand eines Betruges im Sinne des Art. 132 Abs. 1 afghan. ZGB. Betrug ist danach ein absichtliches, explizites oder konkludentes Handeln oder Schweigen einer der Vertragsseiten über einen bei der Ehefrau vorhandenen Mangel, bei dessen Kenntnis die Gegenpartei die Ehe nicht geschlossen hätte, oder die Behauptung eines nicht vorhandenen Merkmals, das den Wunsch einer der Ehepartner auf die Ehe hervorrufen soll. Nach dessen Abs. 2 Satz 2 hat die Gegenseite kein Recht auf Aufhebung, wenn der Betrug durch einen Dritten begangen wurde (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, a.a.O.). Eine Täuschung über das Vorhandensein eines (körperlichen oder geistigen) Mangels zum Zeitpunkt der Eheschließung im Sinne des Art. 129 Abs. 1 Satz afghan. ZGB liegt erkennbar nicht vor, da ein Mangel die Ehefrau betreffend schon nicht behauptet wird. Auch eine Täuschung über ein Merkmal im Sinne des Art. 132 Abs. 1 HS. 2 afghan. ZGB liegt nicht vor. Ohnehin ist unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich vorliegend um eine Handschuhehe gehandelt hat, nicht ersichtlich, in welchem Verhalten der Antragsgegnerin eine Täuschung des Antragstellers begründet sein soll. Die Ehe wurde hier auf beiden Seiten durch Stellvertreter geschlossen, so dass maßgeblich wäre, inwieweit diese getäuscht haben bzw. getäuscht worden sind. Der Beschwerdeführer hat auch in der Beschwerde keine Umstände vorgetragen, die eine andere als die amtsgerichtliche Entscheidung erfordern. Unter Berücksichtigung des § 127 Abs. 2 FamFG, wonach von den Beteiligten nicht vorgebrachte Tatsachen nur berücksichtigt werden dürfen, sofern sie ehefreundlich wirken (Abs. 2 Alt. 1), d.h. geeignet sind, der Aufrechterhaltung der Ehe zu dienen (BeckOK FamFG/Weber, 49. Ed. 1.2.2024, FamFG § 127 Rn. 7), scheiden insoweit weitere Ermittlungen aus. Ein Eheaufhebungsgrund ist nach alledem nicht ersichtlich.
Liegen danach die Voraussetzungen für eine Eheaufhebung nicht vor, so hat das Amtsgericht die Ehe der Beteiligten auf den Hilfsantrag hin zu Recht geschieden. Auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 150 Abs. 1 FamFG.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf §§ 40 Abs. 1, 43 Abs. 1 Satz 2, 39 Abs. 2 und 1 FamGKG. Eine Erhöhung der wechselseitig eingelegten Rechtsmittel hat wegen der Identität der Gegenstände nicht stattzufinden.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert, § 70 Abs. 2 S. 1 FamFG.