20.08.2024 · IWW-Abrufnummer 243313
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 17.07.2024 – XII ZB 421/23
a) Die Verletzung von Verfahrensvorschriften begründet nur dann eine Beschwerdeberechtigung nach § 59 Abs. 1 FamFG , wenn der Rechtsmittelführer durch die verfahrenswidrig ergangene Entscheidung gleichzeitig in materiellen Rechten betroffen ist und es bei einer korrekten Verfahrensgestaltung auch in materiell-rechtlicher Hinsicht zu einer günstigeren Entscheidung für den Rechtsmittelführer hätte kommen können (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2018 - XII ZB 641/17 -FamRZ 2019, 229).
b) Ein Beschwerdeführer, der sich mit seinem Rechtsmittel gegen die ohne seine Zustimmung ausgesprochene Scheidung seiner Ehe wendet, ist beschwerdeberechtigt im Sinne von § 59 Abs. 1 FamFG .
c) Für den notwendigen Inhalt der nach § 117 Abs. 1 FamFG erforderlichen Beschwerdebegründung können im Wesentlichen die Anforderungen herangezogen werden, die für eine Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO gelten (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2018 - XII ZB 418/18 -FamRZ 2019, 378).
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Juli 2024 durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Botur und die Richterin Dr. Pernice
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg vom 17. Juli 2023 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.
Wert: 12.000 €
Gründe
I.
1
Der Antragsgegner wendet sich gegen die Verwerfung seiner Beschwerde gegen einen Beschluss, mit dem das Amtsgericht die Scheidung der Ehe der Beteiligten ausgesprochen hat.
2
Die Beteiligten sind verheiratet und leben seit dem 11. Januar 2020 getrennt. Die Antragstellerin hat beantragt, die Ehe zu scheiden, und Folgesachen anhängig gemacht. Der Antragsgegner hat der Scheidung nicht zugestimmt. Das Amtsgericht hat die Ehe der Beteiligten nach Anhörung der Antragstellerin geschieden und die Folgesachen geregelt, ohne den dem Verhandlungstermin ferngebliebenen Antragsgegner persönlich anzuhören. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners, mit der er dem Scheidungsantrag entgegengetreten ist, hat das Oberlandesgericht verworfen. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner auf den Scheidungsausspruch beschränkten Rechtsbeschwerde.
II.
3
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
4
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 111 Nr. 1 , 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4 , 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Die angefochtene Entscheidung verletzt weder das Willkürverbot ( Art. 3 Abs. 1 GG ) noch das Grundrecht des Antragsgegners auf effektiven Rechtsschutz ( Art. 2 Abs. 1 , 19 Abs. 4 , 20 Abs. 3 GG ).
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1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Beschwerde sei unzulässig, weil der Antragsgegner seine Beschwerdeberechtigung nicht dargelegt habe. Die Verletzung von Verfahrensvorschriften begründe nur dann eine Beschwerdeberechtigung nach § 59 Abs. 1 FamFG , wenn es bei einer korrekten Verfahrensgestaltung auch in materiell-rechtlicher Hinsicht zu einer günstigeren Entscheidung für den Rechtsmittelführer hätte kommen können. Dazu verhalte sich die Beschwerdebegründung indes nicht. Die bloße Bemerkung in der Beschwerdebegründung, die Entscheidungen zur Ehescheidung, zum "Haushalt" und zur Ehewohnung seien fehlerhaft, genüge ganz offensichtlich nicht.
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2. Dies hält sich im Ergebnis im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
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a) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts fehlt es allerdings nicht an der erforderlichen Beschwerdeberechtigung des Antragsgegners.
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aa) Nach § 59 Abs. 1 FamFG steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch die erstinstanzliche Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Eine Rechtsbeeinträchtigung in diesem Sinne liegt dabei vor, wenn der Entscheidungssatz des angefochtenen Beschlusses unmittelbar in ein dem Beschwerdeführer zustehendes Recht eingreift. Dies ist der Fall, wenn die angefochtene Entscheidung ein bestehendes Recht des Beschwerdeführers aufhebt, beschränkt, mindert, ungünstig beeinflusst oder gefährdet, die Ausübung dieses Rechts stört oder dem Beschwerdeführer die mögliche Verbesserung seiner Rechtsstellung vorenthält oder erschwert (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 237, 157 =FamRZ 2023, 1615Rn. 12 mwN). Bei einer Verletzung von Verfahrensvorschriften ist die Beschwerdeberechtigung - dies hat auch das Beschwerdegericht zutreffend erkannt - nur dann gegeben, wenn der Rechtsmittelführer durch die verfahrenswidrig ergangene Entscheidung gleichzeitig in materiellen Rechten betroffen ist und es ohne den Verfahrensverstoß auch in materiell-rechtlicher Hinsicht zu einer für ihn günstigeren Entscheidung hätte kommen können (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2018 - XII ZB 641/17 -FamRZ 2019, 229Rn. 23 mwN).
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bb) Daran gemessen hat das Beschwerdegericht dem Antragsgegner die nach § 59 FamFG erforderliche Beschwerdeberechtigung zu Unrecht abgesprochen. Zwar hat sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde ausschließlich auf eine Verletzung von Verfahrensrecht berufen und ausgeführt, die mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung sei fehlerhaft, weil er nicht angehört worden sei. Zu Recht macht indes die Rechtsbeschwerde geltend, dass die Beschwerdeberechtigung nach § 59 Abs. 1 FamFG nicht von entsprechenden Darlegungen des Rechtsmittelführers abhängig ist, das Beschwerdegericht vielmehr von Amts wegen die Zulässigkeitsvoraussetzungen zu prüfen hat. Die unmittelbare Betroffenheit des Antragsgegners in eigenen Rechten ergibt sich dabei vorliegend ohne Weiteres aus der Beschlussformel und den Gründen der mit der Beschwerde angegriffenen Entscheidung, weil hierdurch die Ehe der Beteiligten ohne Zustimmung des Antragsgegners gegen dessen erklärten Willen geschieden worden ist. Der vorliegende Fall liegt damit anders als der der Senatsentscheidung vom 17. Oktober 2018 (XII ZB 641/17 -FamRZ 2019, 229) zugrunde liegende. Denn dort hatte die Antragstellerin den auf ihren angekündigten, aber im Termin nicht gestellten, gleichwohl auch nicht zurückgenommenen Antrag ergangenen Scheidungsbeschluss mit der Beschwerde angegriffen und dies ausschließlich mit der Verletzung von Verfahrensrecht begründet, ohne in der Beschwerde deutlich zu machen, dass die Ehe aufrechterhalten werden soll. Nachdem der hiesige Antragsgegner der Scheidung nicht zugestimmt, die Zerrüttung der Ehe in Abrede gestellt und im Beschwerdeverfahren ausdrücklich beantragt hat, den Scheidungsantrag abzuweisen, bedurfte es hier keiner weiteren Klarstellung in der Beschwerdebegründung, dass sich der Beschwerdeführer durch den Scheidungsausspruch in eigenen Rechten verletzt sieht und er die damit verbundene Beschwer mit seiner Beschwerde beseitigen will.
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b) Auf diesem Rechtsfehler beruht die angefochtene Entscheidung jedoch nicht. Denn die Beschwerde ist, worauf der Senat mit Verfügung vom 8. Mai 2024 hingewiesen hat, mangels einer den Anforderungen entsprechenden Beschwerdebegründung unzulässig und daher im Ergebnis zu Recht und ohne Verletzung des Antragsgegners in seinem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz verworfen worden.
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aa) Nach § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat der Beschwerdeführer in Ehesachen und Familienstreitsachen zur Begründung seiner Beschwerde einen bestimmten Sachantrag zu stellen und diesen zu begründen. Da § 117 FamFG keine speziellen Regelungen zum Inhalt der Beschwerdebegründung beinhaltet, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen, ob ein Beschwerdeantrag hinreichend bestimmt und ausreichend begründet ist. Nach der auch für den Inhalt der Beschwerdebegründung maßgeblichen Regelung in § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2018 - XII ZB 418/18 -FamRZ 2019, 378Rn. 7 mwN) müssen in der Beschwerdebegründungsschrift die Umstände bezeichnet werden, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Zudem müssen konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten, bezeichnet ( § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO ) sowie etwaige neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel benannt werden ( § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO ).
12
bb) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung hier nicht gerecht. Zwar werden darin mit dem Vorbringen zum Unterbleiben einer Anhörung des Antragsgegners die der Rechtsverletzung zugrundeliegenden Umstände bezeichnet. Die Beschwerdebegründung enthält aber kein Vorbringen zur Entscheidungserheblichkeit des gerügten Verfahrensverstoßes und keinen Vortrag zu konkreten Anhaltspunkten, die Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung begründen. Die bloße Beanstandung, die Entscheidung sei mangels Anhörung des Antragsgegners fehlerhaft, genügt den Darlegungsanforderungen nicht. Warum die Voraussetzungen für eine Scheidung trotz einer unstreitig vorangegangenen Trennungszeit von mehr als drei Jahren und der damit verbundenen unwiderlegbaren Vermutung des Scheiterns der Ehe nach § 1566 Abs. 2 BGB nicht vorgelegen haben sollten und der Scheidungsausspruch daher unrichtig sein könnte, lässt die Beschwerdebegründung des Antragsgegners nicht erkennen.
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Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
Guhling Klinkhammer GünterBotur Pernice