20.08.2024 · IWW-Abrufnummer 243314
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 19.06.2024 – XII ZB 456/23
Wird ein nicht durch das Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz geschütztes Altersvorsorgekapital nach Kündigung des Vertrages während der Ehezeit auf einen anderen Altersvorsorgevertrag übertragen, handelt es sich versorgungsausgleichsrechtlich regelmäßig nicht um ein einheitliches Anrecht, das nur hinsichtlich des ehezeitlich gebildeten Kapitals auszugleichen wäre (Abgrenzung zu Senatsbeschluss vom 8. August 2018 - XII ZB 25/18 -FamRZ 2018, 1741).
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juni 2024 durch die Richter Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur und die Richterinnen Dr. Pernice und Dr. Recknagel
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 29. August 2023 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Wert: 1.000 €
Gründe
I.
1
Auf den am 10. November 2020 zugestellten Antrag hat das Familiengericht die am 12. Dezember 2012 geschlossene Ehe des Antragstellers (im Folgenden: Ehemann) und der Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) geschieden und in der abgetrennten Folgesache den Versorgungsausgleich geregelt. Während der Ehezeit (1. Dezember 2012 bis 31. Oktober 2020; § 3 Abs. 1 VersAusglG ) haben beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der privaten Altersversorgung erworben, darunter der Ehemann ein Anrecht aus einer Rentenversicherung bei der Beteiligten zu 4, dessen Ehezeitanteil der Versorgungsträger mit 16.317,60 € bei einem vorgeschlagenen Ausgleichswert von 8.058,80 € unter Berücksichtigung von 200 € Teilungskosten angegeben hat.
2
Versicherungsbeginn des bei der Beteiligten zu 4 bestehenden Anrechts ist der 1. Februar 2018. Auf den Vertrag sind monatliche Beiträge von 50 € und ein Einmalbetrag in Höhe von 15.470 € eingezahlt worden. Zuvor hatte der Ehemann eine private Rentenversicherung bei der A. Versicherung geführt, auf die zum Ehezeitbeginn am 1. Dezember 2012 ein Vertragsguthaben von 10.633,37 € angespart war. Am 1. Februar 2018 betrug das Vertragsguthaben 16.181,87 €, woraus nach Abzug von Steuern 15.474,53 € an den Ehemann ausgezahlt wurden.
3
Das Familiengericht hat die Anrechte jeweils intern geteilt mit Ausnahme eines Anrechts der Ehefrau aus einer Lebensversicherung, von dessen Ausgleich es wegen Geringfügigkeit nach § 18 Abs. 2 VersAusglG abgesehen hat.
4
Gegen diese Entscheidung hat der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung der Ehefrau Beschwerde eingelegt, mit der er den zusätzlichen Ausgleich eines von der Ehefrau erworbenen Grundrentenzuschlags verfolgt hat. Der Ehemann hat ebenfalls Beschwerde eingelegt, mit der er einen Ausschluss des Ausgleichs seines Anrechts bei der Beteiligten zu 4 erreichen wollte. Das Oberlandesgericht hat die Beschlussformel um den Ausgleich des Grundrentenzuschlags ergänzt und die Beschwerde des Ehemanns zurückgewiesen; gegen die Zurückweisung richtet sich seine zugelassene Rechtsbeschwerde.
II.
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Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
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1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung, soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren von Belang, wie folgt begründet: Ein durch Vermögen geschaffenes oder aufrecht erhaltenes Anrecht sei auszugleichen, ohne dass das Gesetz nach der Herkunft des Vermögens oder nach dem Zeitpunkt seines Erwerbes unterscheide. Daher komme es nicht darauf an, ob das in eine Altersversorgung eingezahlte Kapital aus einem bereits vor der Ehezeit erwirtschafteten Vermögen stamme. Anderes könne beim Wechsel des Versorgungsträgers einer bestehenden Altersvorsorge gelten. Ob ein solcher Wechsel als Auflösung des bestehenden und Neubegründung eines anderen Anrechts oder als Fortführung eines einheitlichen Anrechts anzusehen sei, bedürfe einer wertenden Betrachtung nach Sinn und Zweck des Versorgungsausgleichs.
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Das bei der Beteiligten zu 4 neu begründete Anrecht weise zwar eine hohe strukturelle Ähnlichkeit zu dem früher bei der A. Versicherung geführten Anrecht auf und sei auch mit gleich hohen Beiträgen von monatlich 50 € bedient worden. Der weit überwiegende Betrag, den der Ehemann auf den Vertrag bei der Beteiligten zu 4 eingezahlt habe (15.470 €), stamme aus einer Einmalzahlung, die aus dem früheren Vertrag bei der A. Versicherung ausbezahlt worden sei. Der Wechsel des Versorgungsträgers sei zudem Folge eines Wechsels der Bankverbindung des Ehemanns, welcher zur Beendigung des Vertrages mit der A. Versicherung geführt habe.
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Im Ergebnis könne jedoch nicht von einer Fortführung des Versicherungsverhältnisses, sondern es müsse von der Auflösung des bestehenden und Neubegründung eines neuen Vertrages ausgegangen werden. Denn es bestehe für die abgeschlossenen Verträge keine Bindung nach dem Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetz, welche eine dauerhafte Bindung des Kapitals an den Versorgungszweck gewährleiste. Im Unterschied zu einem zertifizierten Altersvorsorgevertrag sei das Kapital des abgelösten Vertrages bei der A. Versicherung frei verwendbar gewesen. Es komme dann nicht darauf an, ob das in die neue Lebensversicherung eingezahlte Kapital aus einem bereits vor der Ehezeit erwirtschafteten Vermögen stamme. Daher sei das Anrecht bei der Beteiligten zu 4 voll in den Versorgungsausgleich einzubeziehen.
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2. Die Ausführungen des Oberlandesgerichts halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
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Ob der Wechsel des Versorgungsträgers im Versorgungsausgleich als eine Auflösung des bestehenden und Neubegründung eines anderen Anrechts oder als Fortführung eines einheitlichen Anrechts anzusehen ist, bedarf ebenso wie die Frage, ob eine Versorgung überhaupt einzubeziehen ist oder nicht, einer wertenden Betrachtung nach Sinn und Zweck des Versorgungsausgleichs (Senatsbeschluss vom 8. August 2018 - XII ZB 25/18 -FamRZ 2018, 1741Rn. 27 mwN). Diese kann im Fall von nicht staatlich geförderten privaten Altersversorgungen jedoch regelmäßig nicht zu einer einheitlichen Betrachtungsweise sukzessiver Versorgungsverhältnisse führen.
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a) Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG ist ein Anrecht auszugleichen, sofern es durch Arbeit oder Vermögen geschaffen oder aufrechterhalten worden ist. Anrechte im Sinne des Gesetzes sind im In- oder Ausland bestehende Anwartschaften auf Versorgungen und Ansprüche auf laufende Versorgungen ( § 2 Abs. 1 VersAusglG ).
12
Wie der Senat bereits entschieden hat, ist ein durch Vermögen geschaffenes oder aufrecht erhaltenes Anrecht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG auszugleichen, ohne dass das Gesetz nach der Herkunft des Vermögens oder nach dem Zeitpunkt seines Erwerbs unterscheidet. Daher kommt es nicht darauf an, ob das in eine Altersversorgung eingezahlte Kapital aus einem bereits vor der Ehezeit erwirtschafteten Vermögen stammt. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 VersAusglG ist nur erforderlich, dass das Geld, mit dem der Ehegatte die Beiträge entrichtet hat, zu seinem Vermögen gehörte, während es auf die Herkunft des Geldes nicht ankommt. Insbesondere wird nicht danach gefragt, ob es sich um Vermögen handelt, das ein Ehegatte vor oder während der Ehe erworben hatte. Auszugleichen sind im Versorgungsausgleich daher auch Versorgungsanrechte, die mit dem Anfangsvermögen eines Ehegatten nach der Eheschließung erworben wurden (Senatsbeschluss vom 8. August 2018 - XII ZB 25/18 -FamRZ 2018, 1741Rn. 23 mwN).
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Denn mit der Einzahlung in die Rentenversicherung verliert der Geldbetrag seine güterrechtliche Zugehörigkeit zum Vermögen und erlangt stattdessen den Charakter einer Altersversorgung. Damit geht einher, dass er nicht mehr dem Verbrauch zum Lebensbedarf der Ehegatten oder dem Ausgleichssystem des Zugewinnausgleichs, sondern fortan dem Ausgleichssystem des Versorgungsausgleichs unterfällt (vgl. § 2 Abs. 4 VersAusglG ; Senatsbeschluss vom 8. August 2018 - XII ZB 25/18 -FamRZ 2018, 1741Rn. 24).
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Hiermit strukturell vergleichbar ist grundsätzlich auch die Begründung einer neuen Versorgungsanwartschaft aus Mitteln, die aus der Auflösung eines vorher bestehenden anderen Vertrages erlöst worden sind. Denn auch in dem Fall wird die neue Versorgungsanwartschaft aus Mitteln gespeist, die seit der Auflösung des vorigen Vertrages dem güterrechtlichen Ausgleichssystem unterfielen oder dem gemeinsamen Verbrauch zur Verfügung gestanden hätten. Grundsätzlich besteht insoweit kein Anlass, zwischen Einzahlungen aus dem Anfangsvermögen eines Ehegatten oder solchen aus der Auflösung eines vorher existenten Versorgungsvertrages zu differenzieren.
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b) Zwar bedeutet ein Wechsel des Versorgungsträgers unter versorgungsausgleichsrechtlichen Gesichtspunkten nicht in jedem Fall eine Auflösung des bisher bestehenden und Neubegründung eines anderen Anrechts. So besteht beispielsweise versorgungsausgleichsrechtliche Kontinuität, wenn der gesetzlich bestimmte Träger der Insolvenzsicherung in dem durch § 7 BetrAVG bestimmten Umfang in die vom ursprünglichen Versorgungsträger übernommene Leistungsverpflichtung eintritt (Senatsbeschluss vom 8. August 2018 - XII ZB 25/18 -FamRZ 2018, 1741Rn. 26).
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Ebenso hat der Senat das Bestehen einer einheitlichen Versorgung im Falle sukzessiver Anrechte aus zertifizierten Altersvorsorgeverträgen anerkannt. Dem liegt die Besonderheit zugrunde, dass zu den Voraussetzungen einer Zertifizierung nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz eine dauerhafte Bindung des gebildeten Kapitals an den Versorgungszweck gehört. Ein solcher Vertrag kann nicht frei aufgelöst und das gebildete Kapital nicht steuer- und zulagenunschädlich an den Vertragspartner zur freien Verfügung ausgezahlt, sondern lediglich unter Aufrechterhaltung der Bindung an den Versorgungszweck auf einen anderen Anbieter übertragen werden ( § 1 Abs. 1 Nr. 10 b AltZertG ). Auch bei einem nachträglichen Wechsel des Anbieters setzt in dem Fall die Ansparung den Versorgungszweck kontinuierlich fort und ist dann auch eine einheitliche Sichtweise aus dem Blickwinkel des Versorgungsausgleichs geboten (Senatsbeschluss vom 8. August 2018 - XII ZB 25/18 -FamRZ 2018, 1741Rn. 28 ff.).
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c) An einer vergleichbaren rechtlichen Anknüpfung fehlt es indessen, wenn mit dem aufgelösten Versorgungsvertrag kein gebundenes Versorgungsvermögen gebildet war. Es handelt sich dann nicht lediglich um einen Anbieterwechsel aufseiten des Versorgungsträgers für ein zweckgebundenes Versorgungsvermögen, sondern um die rechtlich ungebundene Entscheidung, ein frei werdendes Kapital in anderer oder in gleicher Form neu anzulegen.
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d) Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, mit der hälftigen Teilung des neuen Anrechts könne keine gleichwertige Teilhabe der Ehegatten an Vermögenswerten gewährleistet werden, die auf einer gemeinsamen Lebensleistung der Ehegatten beruhten, so verkennt sie, dass von dem Ehemann über während der Ehezeit frei gewordene Geldmittel verfügt worden ist. Maßgebend für den Versorgungsausgleich ist aber jeweils, inwieweit die Schaffung des Anrechts durch Arbeit oder - wie hier - durch Vermögen ( § 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG ) in die Ehezeit fällt (Senatsbeschluss BGHZ 236, 205 =FamRZ 2023, 761Rn. 15). Dieses dient grundsätzlich einer eindeutigen Abgrenzung zwischen der güterrechtlichen Zuordnung und dem Ausgleichssystem des Versorgungsausgleichs und damit der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit.
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Unabhängig von den vom Ehemann mit der Auflösung seines früheren Vertrages konkret verfolgten Absichten war durch sie zumindest die rechtliche Kontinuität der getätigten Aufwendung auf eine Altersversorgung durchbrochen. Zwar sind die frei gewordenen Beträge in eine neue Altersversorgung angelegt worden. Eine einheitliche Sichtweise auf die sukzessiven Versorgungen setzt aber nicht nur die subjektive Vorstellung des Ehegatten von Kontinuität voraus, sondern erfordert zusätzlich ein rechtliches Band, welches eine zwischenzeitliche Lage, in der frei von Versorgungszwecken über das angesparte Vermögen verfügt werden konnte, erst gar nicht entstehen lässt (aA MünchKommBGB/Maaß 9. Aufl. § 2 VersAusglG Rn. 31). Ein solches rechtliches Band hat der Senat bisher nur bei einer Kapitalbildung in der durch das Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz geschützten Form angenommen, die hier jedoch nicht vorliegt.
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3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen ( § 74 Abs. 7 FamFG ).
Günter Nedden-Boeger BoturPernice Recknagel