30.10.2024 · IWW-Abrufnummer 244514
Europäischer Gerichtshof: Urteil vom 04.10.2024 – C-4/23
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)
4. Oktober 2024(*)
„ Vorlage zur Vorabentscheidung ‒ Unionsbürgerschaft ‒ Art. 20 und 21 AEUV ‒ Art. 7 und 45 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ‒ Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten ‒ Unionsbürger, der bei der Ausübung dieses Rechts und während seines Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig die Änderung seines Vornamens und seiner Geschlechtsidentität erworben hat ‒ Verpflichtung des Herkunftsmitgliedstaats, diese Änderung des Vornamens und der Geschlechtsidentität anzuerkennen und in die Geburtsurkunde einzutragen ‒ Nationale Regelung, die eine solche Anerkennung und Eintragung nicht erlaubt und den Betroffenen zwingt, ein neues Verfahren gerichtlicher Art zum Wechsel der Geschlechtsidentität im Herkunftsmitgliedstaat anzustrengen ‒ Auswirkungen des Austritts des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union “
In der Rechtssache C‑4/23 [Mirin](i)
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Judecătoria Sectorului 6 Bucureşti (Gericht erster Instanz Stadtbezirk 6 Bukarest, Rumänien) mit Entscheidung vom 11. August 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Januar 2023, in dem Verfahren
M.‑A. A.
gegen
Direcţia de Evidenţă a Persoanelor Cluj, Serviciul stare civilă,
Direcţia pentru Evidenţa Persoanelor şi Administrarea Bazelor de Date din Ministerul Afacerilor Interne,
Municipiul Cluj-Napoca,
Beteiligte:
Asociaţia Accept,
Consiliul Național pentru Combaterea Discriminării,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts (Berichterstatter), des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentinnen A. Prechal und K. Jürimäe, des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Kammerpräsidentin O. Spineanu-Matei sowie der Richter J.‑C. Bonichot, S. Rodin, I. Jarukaitis und A. Kumin, der Richterin M. L. Arastey Sahún und des Richters M. Gavalec,
Generalanwalt: J. Richard de la Tour,
Kanzler: R. Șereș, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2024,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‒ von M.‑A. A., vertreten durch R.‑I. Ionescu, Avocată,
‒ der Municipiul Cluj-Napoca, vertreten durch E. Boc, R. Lăpuşan, A. Roman, A. Roşca und A. Rus als Bevollmächtigte,
‒ der Asociaţia Accept, vertreten durch A.‑M. Baltac, Consilier juridic, und R.‑I. Ionescu, Avocată,
‒ der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane und O.‑C. Ichim als Bevollmächtigte,
‒ der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
‒ der griechischen Regierung, vertreten durch T. Papadopoulou als Bevollmächtigte,
‒ der ungarischen Regierung, vertreten durch Zs. Biró-Tóth und M. Z. Fehér als Bevollmächtigte,
‒ der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und C. S. Schillemans als Bevollmächtigte,
‒ der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, E. Borawska Kędzierska und A. Siwek-Ślusarek als Bevollmächtigte,
‒ der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Biolan, H. Krämer und E. Montaguti als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. Mai 2024
folgendes
Urteil
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
„Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“
„Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.“
„(1) Es wird eine Unionsbürgerschaft eingeführt. Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. Die Unionsbürgerschaft tritt zur nationalen Staatsbürgerschaft hinzu, ersetzt sie aber nicht.
(2) Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger haben die in den Verträgen vorgesehenen Rechte und Pflichten. Sie haben unter anderem
a) das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten;
…
Diese Rechte werden unter den Bedingungen und innerhalb der Grenzen ausgeübt, die in den Verträgen und durch die in Anwendung der Verträge erlassenen Maßnahmen festgelegt sind.“
„Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.“
Charta
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen.“
„Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation.“
„Alle Personen sind vor dem Gesetz gleich.“
„Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten.“
„(1) Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger haben das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.
(2) Staatsangehörigen von Drittländern, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten, kann nach Maßgabe der Verträge Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit gewährt werden.“
Austrittsabkommen
„Eingedenk dessen, dass nach Artikel 50 [EUV] in Verbindung mit Artikel 106a [EA] und vorbehaltlich der Regelungen in diesem Abkommen das Recht der Union und der Euratom in seiner Gesamtheit ab dem Tag des Inkrafttretens dieses Abkommens auf das Vereinigte Königreich keine Anwendung mehr findet,
…
In der Erkenntnis, dass es notwendig ist, einen beiderseitigen Schutz für Unionsbürger und britische Staatsangehörige sowie ihre jeweiligen Familienangehörigen vorzusehen, wenn sie vor einem in diesem Abkommen festgesetzten Tag ihre Freizügigkeitsrechte ausgeübt haben, und zu gewährleisten, dass ihre Rechte nach diesem Abkommen durchsetzbar sind und auf dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung beruhen; …
…
In der Erwägung, dass es sowohl im Interesse der Union als auch im Interesse des Vereinigten Königreichs liegt, einen Übergangs- oder Durchführungszeitraum festzulegen, in dem … das Unionsrecht, einschließlich der internationalen Übereinkünfte, auf das Vereinigte Königreich und im Vereinigten Königreich und in der Regel mit gleicher Wirkung wie in Bezug auf die Mitgliedstaaten Anwendung finden sollte, um Störungen in dem Zeitraum zu vermeiden, in dem das oder die Abkommen über die künftigen Beziehungen ausgehandelt werden“.
„Es gibt einen Übergangs- oder Durchführungszeitraum, der am Tag des Inkrafttretens dieses Abkommens beginnt und am 31. Dezember 2020 endet.“
„(1) Sofern in diesem Abkommen nichts anderes bestimmt ist, gilt das Unionsrecht während des Übergangszeitraums für das Vereinigte Königreich sowie im Vereinigten Königreich.
…
(3) Während des Übergangszeitraums entfaltet das nach Absatz 1 für das Vereinigte Königreich und im Vereinigten Königreich geltende Unionsrecht die gleichen Rechtswirkungen wie innerhalb der Union und ihrer Mitgliedstaaten und wird nach denselben Methoden und allgemeinen Grundsätzen aus[ge]legt und angewendet, die auch innerhalb der Union gelten.
…
(6) Sofern in diesem Abkommen nichts anderes bestimmt ist, schließen während des Übergangszeitraums alle Bezugnahmen auf Mitgliedstaaten in dem nach Absatz 1 geltenden Unionsrecht, einschließlich der Durchführung und Anwendung durch die Mitgliedstaaten, das Vereinigte Königreich ein.
…“
Rumänisches Recht
„Weigert sich der Standesbeamte oder der Beamte, der als Standesbeamter tätig wird, eine Urkunde auszustellen oder eine Eintragung vorzunehmen, die in seinen Zuständigkeitsbereich fallen, so kann die geschädigte Person nach Maßgabe des Gesetzes beim zuständigen Gericht Klage erheben.“
„(1) Personenstandsurkunden rumänischer Staatsangehöriger, die von ausländischen Behörden ausgestellt wurden, haben im Inland nur dann Beweiskraft, wenn sie in die rumänischen Personenstandsregister eingetragen sind.
(2) Der rumänische Staatsangehörige ist verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach der Eintragung der Personenstandsurkunde oder des Personenstandssachverhalts bei den ausländischen Behörden oder dem Zeitpunkt des Erwerbs bzw. Wiedererlangens der rumänischen Staatsangehörigkeit die Umschrift der Personenstandsurkunden oder ‑auszüge bei der örtlichen Behörde für das Personenregister oder dem Rathaus der zuständigen örtlichen Verwaltungseinheit oder den diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretungen Rumäniens zu beantragen.
(3) Die Umschreibung der Personenstandsurkunden/‑auszüge/mehrsprachigen Personenstandsauszüge erfolgt im Ausland mit Zustimmung der Leiter der diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretungen und im Inland mit Zustimmung des Bürgermeisters der Verwaltungseinheit des Wohnorts/letzten Wohnsitzes des Inhabers bzw. des Antragstellers in Rumänien und mit Zustimmung des Leiters der Behörde für das Personenregister des Kreises/der gemeinschaftlichen örtlichen Behörde für das Personenregister des Bezirks Bukarest, wobei ihre Ablehnung zu begründen ist.“
„In Geburtsurkunden und gegebenenfalls in Heirats- oder Sterbeurkunden werden Eintragungen über Änderungen des Personenstands in folgenden Fällen vorgenommen:
…
f) Änderung des Namens;
…
i) Änderung des Geschlechts nach einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung;
…“
„Die Kraftloserklärung, Ergänzung oder Änderung von Personenstandsurkunden und der darin enthaltenen Angaben kann nur aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung erfolgen.“
„Anträge auf Namensänderung gelten in den folgenden Fällen als begründet:
…
l) wenn die Person eine Genehmigung der Geschlechtsänderung durch eine in Rechtskraft erwachsene und unwiderrufliche gerichtliche Entscheidung erhalten hat und unter Vorlage einer rechtsmedizinischen Bescheinigung, in der ihr Geschlecht angegeben ist, beantragt, einen entsprechenden Namen zu führen;
…“
„Die Personenidentifikationsnummer wird auf der Grundlage der in der Geburtsurkunde eingetragenen Angaben des Geschlechts und des Geburtsdatums zugeteilt.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
1. Steht der Umstand, dass Art. 43 Buchst. i und Art. 57 des Gesetzes Nr. 119/1996 Änderungen der Angaben zum Personenstand hinsichtlich des Geschlechts und des Vornamens, die ein Transgender-Mann mit doppelter Staatsangehörigkeit (der rumänischen und der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats) in einem anderen Mitgliedstaat mittels eines Verfahrens zur rechtlichen Anerkennung des Geschlechts rechtswirksam erworben hat, nicht anerkennen und den rumänischen Staatsbürger dazu verpflichten, ein vollständiges gesondertes Gerichtsverfahren in Rumänien gegen die Personenstandsbehörde zu führen ‒ ein Verfahren, das vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als unklar und unvorhersehbar eingestuft wurde (EGMR, 19. Januar 2021, X und Y/Rumänien, CE:ECHR:2021:0119JUD000214516) und das zu einer Entscheidung führen kann, die der des anderen Mitgliedstaats zuwiderläuft ‒, dem entgegen, dass das Recht auf Unionsbürgerschaft (Art. 20 AEUV) und/oder das Recht der Unionsbürger auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt (Art. 21 AEUV und Art. 45 der Charta) unter Wahrung der Würde, der Gleichheit vor dem Gesetz und der Nichtdiskriminierung (Art. 2 EUV, Art. 18 AEUV und Art. 1, 20 und 21 der Charta) sowie unter Wahrung des Rechts auf Privat- und Familienleben (Art. 7 der Charta) ausgeübt werden kann?
2. Wirkt sich der Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Union auf die Beantwortung der ersten Frage aus, insbesondere wenn i) das Verfahren zur Änderung des Personenstands vor dem Brexit begonnen und während des Übergangszeitraums abgeschlossen wurde und wenn ii) der Brexit bewirkt, dass eine Person von den Rechten im Zusammenhang mit der Unionsbürgerschaft, einschließlich des Rechts auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt, nur auf der Grundlage rumänischer Identitäts- oder Reisedokumente Gebrauch machen kann, in denen das weibliche Geschlecht und ein weiblicher Vorname angegeben sind, obwohl dies ihrer bereits rechtlich anerkannten Geschlechtsidentität widerspricht?
Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens
Zu den Vorlagefragen
Kosten
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
Die Art. 20 und 21 AEUV, gelesen im Licht der Art. 7 und 45 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
sind dahin auszulegen, dass
sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die es nicht erlaubt, die Änderung des Vornamens und der Geschlechtsidentität eines Angehörigen dieses Mitgliedstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat während der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt rechtmäßig erworben wurde, anzuerkennen und in die Geburtsurkunde des Betroffenen einzutragen, mit der Folge, dass er gezwungen ist, im erstgenannten Mitgliedstaat ein neues Verfahren gerichtlicher Art zur Änderung der Geschlechtsidentität anzustrengen, das diese in dem anderen Mitgliedstaat bereits rechtmäßig erworbene Änderung außer Acht lässt.
Insoweit ist es unerheblich, dass der Antrag auf Anerkennung und Eintragung der Änderung des Vornamens und der Geschlechtsidentität in diesem ersten Mitgliedstaat zu einem Zeitpunkt gestellt wurde, zu dem der Austritt des anderen Mitgliedstaats aus der Europäischen Union bereits wirksam geworden war.
4. Oktober 2024(*)
„ Vorlage zur Vorabentscheidung ‒ Unionsbürgerschaft ‒ Art. 20 und 21 AEUV ‒ Art. 7 und 45 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ‒ Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten ‒ Unionsbürger, der bei der Ausübung dieses Rechts und während seines Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig die Änderung seines Vornamens und seiner Geschlechtsidentität erworben hat ‒ Verpflichtung des Herkunftsmitgliedstaats, diese Änderung des Vornamens und der Geschlechtsidentität anzuerkennen und in die Geburtsurkunde einzutragen ‒ Nationale Regelung, die eine solche Anerkennung und Eintragung nicht erlaubt und den Betroffenen zwingt, ein neues Verfahren gerichtlicher Art zum Wechsel der Geschlechtsidentität im Herkunftsmitgliedstaat anzustrengen ‒ Auswirkungen des Austritts des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union “
In der Rechtssache C‑4/23 [Mirin](i)
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Judecătoria Sectorului 6 Bucureşti (Gericht erster Instanz Stadtbezirk 6 Bukarest, Rumänien) mit Entscheidung vom 11. August 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Januar 2023, in dem Verfahren
M.‑A. A.
gegen
Direcţia de Evidenţă a Persoanelor Cluj, Serviciul stare civilă,
Direcţia pentru Evidenţa Persoanelor şi Administrarea Bazelor de Date din Ministerul Afacerilor Interne,
Municipiul Cluj-Napoca,
Beteiligte:
Asociaţia Accept,
Consiliul Național pentru Combaterea Discriminării,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts (Berichterstatter), des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentinnen A. Prechal und K. Jürimäe, des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Kammerpräsidentin O. Spineanu-Matei sowie der Richter J.‑C. Bonichot, S. Rodin, I. Jarukaitis und A. Kumin, der Richterin M. L. Arastey Sahún und des Richters M. Gavalec,
Generalanwalt: J. Richard de la Tour,
Kanzler: R. Șereș, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2024,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‒ von M.‑A. A., vertreten durch R.‑I. Ionescu, Avocată,
‒ der Municipiul Cluj-Napoca, vertreten durch E. Boc, R. Lăpuşan, A. Roman, A. Roşca und A. Rus als Bevollmächtigte,
‒ der Asociaţia Accept, vertreten durch A.‑M. Baltac, Consilier juridic, und R.‑I. Ionescu, Avocată,
‒ der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane und O.‑C. Ichim als Bevollmächtigte,
‒ der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
‒ der griechischen Regierung, vertreten durch T. Papadopoulou als Bevollmächtigte,
‒ der ungarischen Regierung, vertreten durch Zs. Biró-Tóth und M. Z. Fehér als Bevollmächtigte,
‒ der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und C. S. Schillemans als Bevollmächtigte,
‒ der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, E. Borawska Kędzierska und A. Siwek-Ślusarek als Bevollmächtigte,
‒ der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Biolan, H. Krämer und E. Montaguti als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. Mai 2024
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 2 EUV, der Art. 18, 20 und 21 AEUV sowie der Art. 1, 7, 20, 21 und 45 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen M.‑A. A., einem rumänischen Staatsangehörigen, auf der einen Seite und der Direcția de Evidență a Persoanelor Cluj, Serviciul stare civilă (Direktion für das Personenregister ‒ Standesamt ‒ von Cluj, Rumänien), der Direcția pentru Evidența Persoanelor și Administrarea Bazelor de Date din Ministerul Afacerilor Interne (Direktion, die für das Personenregister und die Verwaltung der Datenbanken des Innenministeriums zuständig ist, Rumänien) und der Municipiul Cluj-Napoca (Gemeinde Cluj-Napoca [Klausenburg], Rumänien) auf der anderen Seite wegen der Anerkennung von Angaben in Bezug auf die im Vereinigten Königreich rechtmäßig erworbene Änderung des Vornamens und der Geschlechtsidentität und deren Eintragung in die rumänische Geburtsurkunde von M.‑A. A.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
EU-Vertrag und AEU-Vertrag
3
Art. 2 EUV lautet:
„Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“
4
Art. 18 Abs. 1 AEUV lautet:
„Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.“
5
Art. 20 AEUV sieht vor:
„(1) Es wird eine Unionsbürgerschaft eingeführt. Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. Die Unionsbürgerschaft tritt zur nationalen Staatsbürgerschaft hinzu, ersetzt sie aber nicht.
(2) Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger haben die in den Verträgen vorgesehenen Rechte und Pflichten. Sie haben unter anderem
a) das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten;
…
Diese Rechte werden unter den Bedingungen und innerhalb der Grenzen ausgeübt, die in den Verträgen und durch die in Anwendung der Verträge erlassenen Maßnahmen festgelegt sind.“
6
Art. 21 Abs. 1 AEUV bestimmt:
„Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.“
Charta
7
Art. 1 („Würde des Menschen“) der Charta lautet:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen.“
8
Art. 7 („Achtung des Privat- und Familienlebens“) der Charta bestimmt:
„Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation.“
9
Art. 20 („Gleichheit vor dem Gesetz“) der Charta lautet:
„Alle Personen sind vor dem Gesetz gleich.“
10
Art. 21 („Nichtdiskriminierung“) Abs. 1 der Charta sieht vor:
„Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten.“
11
Art. 45 („Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit“) der Charta lautet:
„(1) Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger haben das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.
(2) Staatsangehörigen von Drittländern, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten, kann nach Maßgabe der Verträge Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit gewährt werden.“
Austrittsabkommen
12
Das am 17. Oktober 2019 angenommene und am 1. Februar 2020 in Kraft getretene Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. 2020, L 29, S. 7) (im Folgenden: Austrittsabkommen), wurde durch den Beschluss (EU) 2020/135 des Rates vom 30. Januar 2020 (ABl. 2020, L 29, S. 1) im Namen der Union und der Europäischen Atomgemeinschaft genehmigt.
13
Im vierten, im sechsten und im achten Absatz der Präambel dieses Abkommens heißt es:
„Eingedenk dessen, dass nach Artikel 50 [EUV] in Verbindung mit Artikel 106a [EA] und vorbehaltlich der Regelungen in diesem Abkommen das Recht der Union und der Euratom in seiner Gesamtheit ab dem Tag des Inkrafttretens dieses Abkommens auf das Vereinigte Königreich keine Anwendung mehr findet,
…
In der Erkenntnis, dass es notwendig ist, einen beiderseitigen Schutz für Unionsbürger und britische Staatsangehörige sowie ihre jeweiligen Familienangehörigen vorzusehen, wenn sie vor einem in diesem Abkommen festgesetzten Tag ihre Freizügigkeitsrechte ausgeübt haben, und zu gewährleisten, dass ihre Rechte nach diesem Abkommen durchsetzbar sind und auf dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung beruhen; …
…
In der Erwägung, dass es sowohl im Interesse der Union als auch im Interesse des Vereinigten Königreichs liegt, einen Übergangs- oder Durchführungszeitraum festzulegen, in dem … das Unionsrecht, einschließlich der internationalen Übereinkünfte, auf das Vereinigte Königreich und im Vereinigten Königreich und in der Regel mit gleicher Wirkung wie in Bezug auf die Mitgliedstaaten Anwendung finden sollte, um Störungen in dem Zeitraum zu vermeiden, in dem das oder die Abkommen über die künftigen Beziehungen ausgehandelt werden“.
14
Art. 126 („Übergangszeitraum“) des Austrittsabkommens bestimmt:
„Es gibt einen Übergangs- oder Durchführungszeitraum, der am Tag des Inkrafttretens dieses Abkommens beginnt und am 31. Dezember 2020 endet.“
15
Art. 127 („Anwendungsbereich für den Übergang“) des Austrittsabkommens sieht vor:
„(1) Sofern in diesem Abkommen nichts anderes bestimmt ist, gilt das Unionsrecht während des Übergangszeitraums für das Vereinigte Königreich sowie im Vereinigten Königreich.
…
(3) Während des Übergangszeitraums entfaltet das nach Absatz 1 für das Vereinigte Königreich und im Vereinigten Königreich geltende Unionsrecht die gleichen Rechtswirkungen wie innerhalb der Union und ihrer Mitgliedstaaten und wird nach denselben Methoden und allgemeinen Grundsätzen aus[ge]legt und angewendet, die auch innerhalb der Union gelten.
…
(6) Sofern in diesem Abkommen nichts anderes bestimmt ist, schließen während des Übergangszeitraums alle Bezugnahmen auf Mitgliedstaaten in dem nach Absatz 1 geltenden Unionsrecht, einschließlich der Durchführung und Anwendung durch die Mitgliedstaaten, das Vereinigte Königreich ein.
…“
16
Gemäß Art. 185 des Austrittsabkommens trat dieses am 1. Februar 2020 in Kraft.
Rumänisches Recht
17
Art. 9 der Legea nr. 119/1996 cu privire la actele de stare civilă (Gesetz Nr. 119/1996 über Personenstandsurkunden) vom 16. Oktober 1996 in der neu bekannt gemachten Fassung (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 339 vom 18. Mai 2012) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz Nr. 119/1996) lautet:
„Weigert sich der Standesbeamte oder der Beamte, der als Standesbeamter tätig wird, eine Urkunde auszustellen oder eine Eintragung vorzunehmen, die in seinen Zuständigkeitsbereich fallen, so kann die geschädigte Person nach Maßgabe des Gesetzes beim zuständigen Gericht Klage erheben.“
18
Art. 41 Abs. 1 bis 3 dieses Gesetzes bestimmt:
„(1) Personenstandsurkunden rumänischer Staatsangehöriger, die von ausländischen Behörden ausgestellt wurden, haben im Inland nur dann Beweiskraft, wenn sie in die rumänischen Personenstandsregister eingetragen sind.
(2) Der rumänische Staatsangehörige ist verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach der Eintragung der Personenstandsurkunde oder des Personenstandssachverhalts bei den ausländischen Behörden oder dem Zeitpunkt des Erwerbs bzw. Wiedererlangens der rumänischen Staatsangehörigkeit die Umschrift der Personenstandsurkunden oder ‑auszüge bei der örtlichen Behörde für das Personenregister oder dem Rathaus der zuständigen örtlichen Verwaltungseinheit oder den diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretungen Rumäniens zu beantragen.
(3) Die Umschreibung der Personenstandsurkunden/‑auszüge/mehrsprachigen Personenstandsauszüge erfolgt im Ausland mit Zustimmung der Leiter der diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretungen und im Inland mit Zustimmung des Bürgermeisters der Verwaltungseinheit des Wohnorts/letzten Wohnsitzes des Inhabers bzw. des Antragstellers in Rumänien und mit Zustimmung des Leiters der Behörde für das Personenregister des Kreises/der gemeinschaftlichen örtlichen Behörde für das Personenregister des Bezirks Bukarest, wobei ihre Ablehnung zu begründen ist.“
19
In Art. 43 dieses Gesetzes heißt es:
„In Geburtsurkunden und gegebenenfalls in Heirats- oder Sterbeurkunden werden Eintragungen über Änderungen des Personenstands in folgenden Fällen vorgenommen:
…
f) Änderung des Namens;
…
i) Änderung des Geschlechts nach einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung;
…“
20
Art. 57 Abs. 1 dieses Gesetzes sieht vor:
„Die Kraftloserklärung, Ergänzung oder Änderung von Personenstandsurkunden und der darin enthaltenen Angaben kann nur aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung erfolgen.“
21
In Art. 4 Abs. 2 der Ordonanța Guvernului nr. 41/2003 privind dobândirea și schimbarea pe cale administrativă a numelor persoanelor fizice (Regierungsverordnung Nr. 41/2003 über den Erwerb und die Änderung der Namen natürlicher Personen im Verwaltungsweg) vom 30. Januar 2003 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 68 vom 2. Februar 2003) hieß es:
„Anträge auf Namensänderung gelten in den folgenden Fällen als begründet:
…
l) wenn die Person eine Genehmigung der Geschlechtsänderung durch eine in Rechtskraft erwachsene und unwiderrufliche gerichtliche Entscheidung erhalten hat und unter Vorlage einer rechtsmedizinischen Bescheinigung, in der ihr Geschlecht angegeben ist, beantragt, einen entsprechenden Namen zu führen;
…“
22
Art. 131 Abs. 2 der durch die Hotărârea Guvernului Nr. 64/2011 (Regierungsbeschluss Nr. 64/2011) vom 26. Januar 2011 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 151 vom 2. März 2011) genehmigte Metodologie cu privire la aplicarea unitară a dispozițiilor în materie de stare civilă (Methodik zur einheitlichen Anwendung der Vorschriften des Personenstandsrechts) sieht vor:
„Die Personenidentifikationsnummer wird auf der Grundlage der in der Geburtsurkunde eingetragenen Angaben des Geschlechts und des Geburtsdatums zugeteilt.“
23
Nach Art. 19 Abs. 1 Buchst. i der Ordonanța de urgență a Guvernului nr. 97/2005 privind evidența, domiciliul, reședința și actele de identitate ale cetățenilor români (Dringlichkeitsverordnung Nr. 97/2005 der Regierung über das Personenregister, den Hauptwohnsitz, den Nebenwohnsitz und die Identitätsnachweise rumänischer Staatsangehöriger) vom 14. Juli 2005 in der neu bekannt gemachten Fassung (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 719 vom 12. Oktober 2011) stellt die für das Personenregister zuständige Behörde im Fall der Geschlechtsänderung einen neuen Personalausweis aus.
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
24
M.‑A. A. ist eine am 24. August 1992 in Cluj-Napoca im Județul Cluj (Kreis Cluj, Rumänien) geborene Person, die bei der Geburt als weibliche Person registriert wurde. Ihre rumänische Geburtsurkunde enthält einen weiblichen Vornamen, weist sie als weiblichen Geschlechts aus und ordnet ihr eine Personenidentifikationsnummer zu, die sie ebenfalls als weiblich ausweist.
25
Nachdem M.‑A. A. im Jahr 2008 mit seinen Eltern ins Vereinigte Königreich gezogen war, erwarb er am 21. April 2016 im Wege der Einbürgerung die britische Staatsangehörigkeit.
26
Am 27. Februar 2017 änderte M.‑A. A. im Vereinigten Königreich seinen Vornamen und seine Anrede, indem er nach dem Deed-Poll-Verfahren, das es britischen Staatsbürgern ermöglicht, ihren Namen oder ihren Vornamen durch einfache Erklärung zu ändern, von weiblich zu männlich wechselte. Anschließend ließ er bestimmte von den britischen Behörden ausgestellte amtliche Dokumente austauschen, und zwar seinen Führerschein und seinen Reisepass, die auf seinen neuen Namen ausgestellt wurden.
27
Am 29. Juni 2020 erhielt M.‑A. A. im Vereinigten Königreich ein „Gender Identity Certificate“ (Geschlechtsidentitätsbescheinigung), eine Urkunde, die seine männliche Geschlechtsidentität bestätigt.
28
Im Mai 2021 beantragte M.‑A. A. auf der Grundlage der im Deed-Poll-Verfahren abgegebenen Erklärung und der Geschlechtsidentitätsbescheinigung bei der Direktion für das Personenregister ‒ Standesamt ‒ von Cluj die Eintragung von seiner männlichen Geschlechtszugehörigkeit entsprechenden Vermerken über die Änderung seines Vornamens, seines Geschlechts und seiner Personenidentifikationsnummer in seine Geburtsurkunde sowie die Ausstellung einer neuen Geburtsbescheinigung mit diesen neuen Angaben.
29
Mit Entscheidung vom 21. Juni 2021 lehnten die rumänischen Behörden den Antrag von M.‑A. A. u. a. mit der Begründung ab, dass gemäß Art. 43 Buchst. i des Gesetzes Nr. 119/1996 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 2 Buchst. l der Regierungsverordnung Nr. 41/2003 ein Vermerk über die Änderung der Geschlechtsidentität einer Person in ihre Geburtsurkunde nur dann eingetragen werden könne, wenn diese Änderung durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung genehmigt worden sei.
30
Am 14. September 2021 erhob M.‑A. A. bei der Judecătoria Sectorului 6 Bucureşti (Gericht erster Instanz Stadtbezirk 6 Bukarest, Rumänien), dem vorlegenden Gericht, gegen die Direktion für das Personenregister ‒ Standesamt ‒ von Cluj, die für das Personenregister und die Verwaltung der Datenbanken des Innenministeriums zuständige Direktion und die Gemeinde Cluj-Napoca Klage und beantragte, diese Behörden zu verurteilen, in seine Geburtsurkunde die Vermerke zur Änderung seines Vornamens, seiner Geschlechtsidentität und seiner Personenidentifikationsnummer einzutragen, so dass sie der männlichen Geschlechtszugehörigkeit entsprechen, und ihm eine neue Geburtsbescheinigung mit diesen neuen Angaben auszustellen.
31
M.‑A. A. beantragt insbesondere, in unmittelbarer Anwendung des Unionsrechts und insbesondere des Rechts jedes Unionsbürgers, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, diesen Behörden aufzugeben, seine Geburtsurkunde mit seinem Vornamen und seiner Geschlechtsidentität, die er im Vereinigten Königreich rechtmäßig erworben habe, in Einklang zu bringen, um ihm zu ermöglichen, dieses Recht ungehindert auszuüben, indem er über ein Reisedokument verfüge, das seiner männlichen Geschlechtsidentität entspreche. M.‑A. A. ist der Ansicht, dass er, da er ein neues Verfahren gerichtlicher Art in Rumänien anstrengen müsse, um die Genehmigung der Änderung der Geschlechtsidentität zu erhalten, Gefahr laufe, dass dieses Verfahren zu einem anderen Ergebnis führe als dem, zu dem die britischen Behörden gelangt seien. Außerdem habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dieses Verfahren in seinem Urteil vom 19. Januar 2021, X und Y/Rumänien (CE:ECHR:2021:0119JUD000214516), als unklar und unvorhersehbar eingestuft.
32
Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts hängt die Begründetheit der Anträge von M.‑A. A. und damit die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits von der Auslegung von Bestimmungen des Unionsrechts ab, insbesondere von Art. 2 EUV, der Art. 18, 20 und 21 AEUV sowie der Art. 1, 7, 20, 21 und 45 der Charta. Im Einzelnen fragt es sich, ob der Unionsbürgerstatus und das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, einer nationalen Regelung entgegenstehen, die den Betroffenen verpflichtet, ein neues Verfahren zur Änderung der Geschlechtsidentität vor den nationalen Gerichten anzustrengen, wenn er ein entsprechendes Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er ebenfalls besitzt, bereits erfolgreich abgeschlossen hat.
33
Unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere die Urteile vom 2. Oktober 2003, Garcia Avello (C‑148/02, EU:C:2003:539), vom 14. Oktober 2008, Grunkin und Paul (C‑353/06, EU:C:2008:559), vom 8. Juni 2017, Freitag (C‑541/15, EU:C:2017:432), und vom 14. Dezember 2021, Stolichna obshtina, rayon „Pancharevo“ (C‑490/20, EU:C:2021:1008), vertritt das vorlegende Gericht die Auffassung, dass sich die Antwort auf diese Frage nicht mit der erforderlichen Klarheit aus dieser Rechtsprechung ergebe.
34
Für den Fall, dass diese Frage bejaht werden sollte, möchte das vorlegende Gericht außerdem wissen, wie sich der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Union auf die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits auswirkt. Es weist insbesondere darauf hin, dass im vorliegenden Fall das Verfahren zur Änderung der Geschlechtsidentität im Vereinigten Königreich vor dem Austritt dieses Staates aus der Union eingeleitet worden sei, aber nach diesem Austritt während des Übergangszeitraums abgeschlossen worden sei. Daher sei zu prüfen, ob Rumänien unter solchen Umständen verpflichtet sei, die Rechtswirkungen dieses im Vereinigten Königreich durchgeführten Verfahrens zur Änderung der Geschlechtsidentität anzuerkennen.
35
Unter diesen Umständen hat die Judecătoria Sectorului 6 București (Gericht erster Instanz Stadtbezirk 6 Bukarest) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Steht der Umstand, dass Art. 43 Buchst. i und Art. 57 des Gesetzes Nr. 119/1996 Änderungen der Angaben zum Personenstand hinsichtlich des Geschlechts und des Vornamens, die ein Transgender-Mann mit doppelter Staatsangehörigkeit (der rumänischen und der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats) in einem anderen Mitgliedstaat mittels eines Verfahrens zur rechtlichen Anerkennung des Geschlechts rechtswirksam erworben hat, nicht anerkennen und den rumänischen Staatsbürger dazu verpflichten, ein vollständiges gesondertes Gerichtsverfahren in Rumänien gegen die Personenstandsbehörde zu führen ‒ ein Verfahren, das vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als unklar und unvorhersehbar eingestuft wurde (EGMR, 19. Januar 2021, X und Y/Rumänien, CE:ECHR:2021:0119JUD000214516) und das zu einer Entscheidung führen kann, die der des anderen Mitgliedstaats zuwiderläuft ‒, dem entgegen, dass das Recht auf Unionsbürgerschaft (Art. 20 AEUV) und/oder das Recht der Unionsbürger auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt (Art. 21 AEUV und Art. 45 der Charta) unter Wahrung der Würde, der Gleichheit vor dem Gesetz und der Nichtdiskriminierung (Art. 2 EUV, Art. 18 AEUV und Art. 1, 20 und 21 der Charta) sowie unter Wahrung des Rechts auf Privat- und Familienleben (Art. 7 der Charta) ausgeübt werden kann?
2. Wirkt sich der Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Union auf die Beantwortung der ersten Frage aus, insbesondere wenn i) das Verfahren zur Änderung des Personenstands vor dem Brexit begonnen und während des Übergangszeitraums abgeschlossen wurde und wenn ii) der Brexit bewirkt, dass eine Person von den Rechten im Zusammenhang mit der Unionsbürgerschaft, einschließlich des Rechts auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt, nur auf der Grundlage rumänischer Identitäts- oder Reisedokumente Gebrauch machen kann, in denen das weibliche Geschlecht und ein weiblicher Vorname angegeben sind, obwohl dies ihrer bereits rechtlich anerkannten Geschlechtsidentität widerspricht?
Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens
36
Die rumänische Regierung hält das Vorabentscheidungsersuchen für unzulässig, weil M.‑A. A. erst im Mai 2021, d. h. nach dem gemäß Art. 126 des Austrittsabkommens auf den 31. Dezember 2020 festgesetzten Ablauf des Übergangszeitraums, bei den zuständigen rumänischen Behörden beantragt habe, die Änderungen des Vornamens und der Geschlechtsidentität, die in den Jahren 2017 und 2020 im Vereinigten Königreich erlangt worden seien, in seine rumänische Geburtsurkunde einzutragen.
37
Zum Zeitpunkt der Befassung dieser Behörden sei das Vereinigte Königreich somit im Verhältnis zur Union ein Drittstaat gewesen, so dass sich Unionsbürger und Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs nicht mehr auf ihre Rechte aus dem Austrittsabkommen hätten berufen können. Unter Bezugnahme auf das Urteil vom 12. Mai 2011, Runevič-Vardyn und Wardyn (C‑391/09, EU:C:2011:291, Rn. 55 und 56), in dem der Gerichtshof die Anwendbarkeit der Bestimmungen des AEU‑Vertrags über die Unionsbürgerschaft auf die gegenwärtigen Wirkungen von Sachverhalten festgestellt habe, die vor dem Beitritt eines Mitgliedstaats zur Union entstanden seien, macht die rumänische Regierung geltend, dass diese Bestimmungen mutatis mutandis nach dem Austritt eines Staates nicht mehr auf die gegenwärtigen Wirkungen von Sachverhalten angewandt werden könnten, die entstanden seien, als dieser noch Mitglied der Union gewesen sei. Es liege hier also ein rein innerstaatlicher Sachverhalt vor.
38
Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des nationalen Gerichts, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 15. Juli 2021, The Department for Communities in Northern Ireland, C‑709/20, EU:C:2021:602, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).
39
Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die Auslegung des Unionsrechts, um die er ersucht wird, offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 15. Juli 2021, The Department for Communities in Northern Ireland, C‑709/20, EU:C:2021:602, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).
40
Im vorliegenden Fall ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Auslegung u. a. der Bestimmungen des AEU‑Vertrags über die Unionsbürgerschaft, darunter Art. 21 Abs. 1 AEUV, im Rahmen einer Rechtssache, in der eine Person mit der Staatsangehörigkeit ihres Geburtslands Rumänien und des Vereinigten Königreichs, wo sie seit 2008 wohnt, die Aktualisierung ihrer Geburtsurkunde beantragt, damit diese mit ihrem neuen Vornamen und ihrer neuen Geschlechtsidentität übereinstimmt, die im Vereinigten Königreich vor dem Ende des auf den 31. Dezember 2020 festgelegten Übergangszeitraums rechtmäßig erworben wurden.
41
Insoweit ist erstens festzustellen, dass sich ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der in seiner Eigenschaft als Unionsbürger von seinem Recht, sich in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Herkunftsmitgliedstaat frei zu bewegen und aufzuhalten, Gebrauch gemacht hat, auf die mit dieser Eigenschaft verbundenen Rechte, insbesondere die in Art. 21 Abs. 1 AEUV vorgesehenen, berufen kann, und zwar gegebenenfalls auch gegenüber seinem Herkunftsmitgliedstaat (Urteil vom 14. Dezember 2021, Stolichna obshtina, rayon „Pancharevo“, C‑490/20, EU:C:2021:1008, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).
42
Im vorliegenden Fall ist die Personenstandsänderung von M.‑A. A. im Vereinigten Königreich hinsichtlich des Namens noch während der Mitgliedschaft dieses Staates in der Union und hinsichtlich der Geschlechtsidentität während des Übergangszeitraums eingetreten.
43
Zweitens ist das Vereinigte Königreich zwar am 1. Februar 2020, dem Tag des Inkrafttretens des Austrittsabkommens, aus der Union ausgetreten und damit zu einem Drittstaat geworden, doch sieht dieses Abkommen in seinem Art. 126 einen Übergangszeitraum zwischen dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Austrittsabkommens, d. h. dem 1. Februar 2020, und dem 31. Dezember 2020 vor. Nach Art. 127 Abs. 6 des Abkommens ist das Vereinigte Königreich während dieses Zeitraums u. a. für die Zwecke der Vorschriften über die Unionsbürgerschaft und die Freizügigkeit als „Mitgliedstaat“ und nicht als Drittstaat anzusehen, wobei Art. 127 Abs. 1 im Übrigen klarstellt, dass das Unionsrecht während dieses Übergangszeitraums für das Vereinigte Königreich galt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Juli 2021, The Department for Communities in Northern Ireland, C‑709/20, EU:C:2021:602, Rn. 47 und 48, sowie vom 14. März 2024, Kommission/Vereinigtes Königreich [Urteil des Obersten Gerichtshofs], C‑516/22, EU:C:2024:231, Rn. 53).
44
Da, wie der Generalanwalt in den Nrn. 44 bis 46 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, M.‑A. A. in seiner Eigenschaft als Unionsbürger in seinem Herkunftsmitgliedstaat die Anerkennung der Änderung seines Vornamens und seiner Geschlechtsidentität verlangt, die er im Rahmen der Ausübung seines Rechts, sich im Vereinigten Königreich frei zu bewegen und aufzuhalten, vor dem Austritt dieses Mitgliedstaats aus der Union bzw. vor dem Ende des Übergangszeitraums erlangt hat, kann er sich gegenüber dem Herkunftsmitgliedstaat auf die mit dieser Eigenschaft verbundenen Rechte, insbesondere die in den Art. 20 und 21 AEUV vorgesehenen Rechte, berufen, und zwar auch nach diesem Zeitraum.
45
Folglich kann der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Sachverhalt nicht allein deshalb einem rein innerstaatlichen Sachverhalt gleichgestellt werden, weil M.‑A. A. nach dem 31. Dezember 2020, dem im Austrittsabkommen als Ende des Übergangszeitraums festgelegten Zeitpunkt, bei den zuständigen rumänischen Behörden die Eintragung von Vermerken zur Änderung seines Vornamens und seiner Geschlechtsidentität in seine Geburtsurkunde beantragt hat.
46
Folglich ist das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen zulässig.
Zu den Vorlagefragen
47
Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 20 und Art. 21 Abs. 1 AEUV, gelesen im Licht der Art. 7 und 45 der Charta, dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die es nicht erlaubt, die Änderung des Vornamens und der Geschlechtsidentität eines Angehörigen dieses Mitgliedstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat während der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt rechtmäßig erworben wurde, anzuerkennen und in die Geburtsurkunde des Betroffenen einzutragen, mit der Folge, dass er gezwungen ist, ein neues Verfahren gerichtlicher Art zur Änderung der Geschlechtsidentität im erstgenannten Mitgliedstaat anzustrengen, das diese in dem anderen Mitgliedstaat bereits rechtmäßig erworbene Änderung außer Acht lässt.
48
Das vorlegende Gericht möchte ferner wissen, ob es Auswirkungen auf die Beantwortung dieser Frage hat, dass der Staat, in dem die Änderung des Vornamens und der Geschlechtsidentität rechtmäßig erlangt wurde, hier das Vereinigte Königreich, kein Mitgliedstaat der Union mehr ist.
49
Zum letztgenannten Punkt ist vorab festzustellen, dass sich aus den Erwägungen in den Rn. 41 bis 45 des vorliegenden Urteils zur Zulässigkeit des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens ergibt, dass der Umstand, dass das Vereinigte Königreich kein Mitgliedstaat der Union mehr ist, keine Auswirkungen auf die Beantwortung der ersten Vorlagefrage hat, da die Situation von M.‑A. A. in den Anwendungsbereich von Art. 20 und Art. 21 Abs. 1 AEUV fällt.
50
Folglich genießt M.‑A. A. als rumänischer Staatsbürger nach Art. 20 Abs. 1 AEUV den Status eines Unionsbürgers.
51
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Unionsbürgerstatus dazu bestimmt, der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu sein (Urteile vom 5. Juni 2018, Coman u. a., C‑673/16, EU:C:2018:385, Rn. 30, sowie vom 14. Dezember 2021, Stolichna obshtina, rayon „Pancharevo“, C‑490/20, EU:C:2021:1008, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).
52
Art. 20 Abs. 2 sowie die Art. 21 und 22 AEUV knüpfen an diesen Status eine Reihe von Rechten. Die Unionsbürgerschaft verleiht nach Art. 20 Abs. 2 Buchst. a und Art. 21 Abs. 1 AEUV jedem Unionsbürger u. a. ein elementares, persönliches Recht, sich vorbehaltlich der im Vertrag vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen und der Maßnahmen zu ihrer Durchführung im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Urteil vom 9. Juni 2022, Préfet du Gers und Institut national de la statistique et des études économiques, C‑673/20, EU:C:2022:449, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).
53
Beim derzeitigen Stand des Unionsrechts fällt das Personenstandsrecht, zu dem die Regelungen über die Änderung des Vornamens und der Geschlechtsidentität einer Person gehören, in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, und das Unionsrecht lässt diese Zuständigkeit unberührt. Bei der Ausübung dieser Zuständigkeit müssen die Mitgliedstaaten jedoch das Unionsrecht und insbesondere die Bestimmungen des AEU‑Vertrags über die jedem Unionsbürger zuerkannte Freiheit, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, beachten und hierzu den in einem anderen Mitgliedstaat nach dessen Recht festgestellten Personenstand anerkennen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. Juni 2018, MB [Geschlechtsumwandlung und Altersrente], C‑451/16, EU:C:2018:492, Rn. 29, und vom 14. Dezember 2021, Stolichna obshtina, rayon „Pancharevo“, C‑490/20, EU:C:2021:1008, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).
54
In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof in Bezug auf die Weigerung der Behörden eines Mitgliedstaats, den Namen eines Angehörigen dieses Staates, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat und auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats besitzt, so anzuerkennen, wie er dort bestimmt wurde, entschieden, dass eine solche Weigerung die Ausübung des in Art. 21 AEUV verankerten Rechts, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, behindern kann. Eine Divergenz zwischen zwei für dieselbe Person verwendeten Namen kann nämlich zu Missverständnissen und Nachteilen führen, da viele alltägliche Handlungen im öffentlichen wie im privaten Bereich den Nachweis der eigenen Identität erfordern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juni 2017, Freitag, C‑541/15, EU:C:2017:432, Rn. 36 und 37 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
55
Eine solche Behinderung kann sich auch aus der Weigerung der Behörden ergeben, die Änderung der Geschlechtsidentität anzuerkennen, die in Anwendung der hierfür vorgesehenen Verfahren in dem Mitgliedstaat, in dem der Unionsbürger von seiner Freizügigkeit und seinem Aufenthaltsrecht Gebrauch gemacht hat, vorgenommen wurde, unabhängig davon, ob diese Änderung, wie im vorliegenden Fall, mit einer Änderung des Vornamens einhergeht oder nicht. Wie der Name definiert nämlich das Geschlecht die Identität und den persönlichen Status einer Person. Daher können dem Angehörigen eines Mitgliedstaats aus der Weigerung, die Geschlechtsidentität, die er in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig erworben hat, zu ändern und anzuerkennen, schwerwiegende Nachteile administrativer, beruflicher und privater Art im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs erwachsen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Juni 2016, Bogendorff von Wolffersdorff, C‑438/14, EU:C:2016:401, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).
56
So besteht für einen Unionsbürger, der, wie der Kläger des Ausgangsverfahrens, von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, sich in einem anderen Mitgliedstaat frei zu bewegen und aufzuhalten, und der während seines Aufenthalts in diesem anderen Mitgliedstaat seinen Vornamen und seine Geschlechtsidentität gemäß den hierfür in diesem anderen Mitgliedstaat vorgesehenen Verfahren geändert hat, aufgrund der Tatsache, dass er zwei verschiedene Vornamen trägt und ihm zwei unterschiedliche Geschlechtsidentitäten zuerkannt werden, die konkrete Gefahr, dass er Zweifel an seiner Identität sowie an der Echtheit der von ihm vorgelegten Dokumente oder an der Wahrheitsgemäßheit der darin enthaltenen Angaben ausräumen muss; dieser Umstand ist geeignet, die Ausübung des Rechts aus Art. 21 AEUV zu behindern (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 2. Juni 2016, Bogendorff von Wolffersdorff, C‑438/14, EU:C:2016:401, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 8. Juni 2017, Freitag, C‑541/15, EU:C:2017:432, Rn. 38).
57
Folglich ist die Weigerung der zuständigen Personenstandsbehörden eines Mitgliedstaats, die von einem Angehörigen dieses Mitgliedstaats in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig erworbene Änderung des Vornamens und der Geschlechtsidentität in den Personenstandsregistern und insbesondere in der Geburtsurkunde des Angehörigen dieses Mitgliedstaats anzuerkennen und einzutragen, die auf einer nationalen Regelung beruht, wonach eine solche Anerkennung und Eintragung nicht zulässig sind und der Betroffene somit gezwungen ist, ein neues Verfahren gerichtlicher Art zur Änderung der Geschlechtsidentität im erstgenannten Mitgliedstaat anzustrengen, das diese in dem anderen Mitgliedstaat bereits rechtmäßig erworbene Änderung außer Acht lässt, geeignet, die Ausübung des Rechts, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zu beschränken.
58
Eine solche Beschränkung ist auch in Bezug auf das in Art. 45 Abs. 1 der Charta verankerte Recht festzustellen. Dieses Recht entspricht nämlich dem in Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a AEUV garantierten Recht und wird gemäß Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 2 AEUV und Art. 52 Abs. 2 der Charta unter den Bedingungen und innerhalb der Grenzen ausgeübt, die in den Verträgen und durch die in Anwendung der Verträge erlassenen Maßnahmen festgelegt sind. Demnach würde jede Beschränkung der in Art. 21 Abs. 1 AEUV vorgesehenen Rechte zwangsläufig gegen Art. 45 Abs. 1 der Charta verstoßen, da das in der Charta verankerte Recht jedes Unionsbürgers, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, das durch Art. 21 Abs. 1 AEUV gewährte Recht widerspiegelt (Urteil vom 22. Februar 2024, Direcţia pentru Evidenţa Persoanelor şi Administrarea Bazelor de Date, C‑491/21, EU:C:2024:143, Rn. 49 und 50).
59
Nach ständiger Rechtsprechung lässt sich eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die geeignet ist, die Ausübung dieses in Art. 21 AEUV verankerten Rechts zu beschränken, nur rechtfertigen, wenn sie auf objektiven Erwägungen beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit dem nationalen Recht berechtigterweise verfolgten Zweck steht (Urteil vom 2. Juni 2016, Bogendorff von Wolffersdorff, C‑438/14, EU:C:2016:401, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).
60
In diesem Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine nationale Regelung, die es verhindert, dass eine Transgender-Person wegen fehlender Anerkennung ihrer neuen Geschlechtsidentität eine notwendige Voraussetzung erfüllen kann, um in den Genuss eines unionsrechtlich geschützten Anspruchs zu gelangen, grundsätzlich als mit dem Unionsrecht unvereinbar anzusehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. April 2006, Richards, C‑423/04, EU:C:2006:256, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).
61
Im vorliegenden Fall haben weder das vorlegende Gericht noch die rumänische Regierung Angaben zu den Zielen gemacht, die mit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung verfolgt werden, die die Anerkennung und Eintragung der in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig erworbenen Änderung des Vornamens und der Geschlechtsidentität in der Geburtsurkunde nicht erlaubt und den Betroffenen somit zwingt, ein neues Verfahren zur Änderung der Geschlechtsidentität vor den nationalen Gerichten anzustrengen, das diese in dem anderen Mitgliedstaat bereits rechtmäßig erworbene Änderung außer Acht lässt.
62
Darüber hinaus kann diese nationale Regelung, selbst wenn sie ein legitimes Ziel verfolgen sollte, jedenfalls nur dann als gerechtfertigt angesehen werden, wenn sie mit den durch die Charta garantierten Grundrechten, deren Wahrung der Gerichtshof sichert (Urteil vom 14. Dezember 2021, Stolichna obshtina, rayon „Pancharevo“, C‑490/20, EU:C:2021:1008, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung), und insbesondere mit dem in Art. 7 der Charta verankerten Recht auf Achtung des Privatlebens vereinbar ist.
63
Insoweit geht aus den Erläuterungen zur Charta der Grundrechte (ABl. 2007, C 303, S. 17) hervor, dass nach Art. 52 Abs. 3 der Charta die in deren Art. 7 verbürgten Rechte die gleiche Bedeutung und Tragweite haben wie die Rechte aus Art. 8 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) (Urteil vom 14. Dezember 2021, Stolichna obshtina, rayon „Pancharevo“, C‑490/20, EU:C:2021:1008, Rn. 60), wobei die letztgenannte Bestimmung einen Mindestschutzstandard darstellt (vgl. entsprechend Urteil vom 29. Juli 2024, Alchaster, C‑202/24, EU:C:2024:649, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).
64
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte schützt Art. 8 EMRK die Geschlechtsidentität einer Person als konstitutives Element und eine der intimsten Angelegenheiten ihres Privatlebens. Somit umfasst diese Bestimmung das Recht jedes Einzelnen, die Einzelheiten seiner Identität als Mensch festzulegen, was das Recht transsexueller Personen auf persönliche Entwicklung und auf körperliche und moralische Unversehrtheit sowie auf Achtung und Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität umfasst (EGMR, 11. Juli 2002, Christine Goodwin/Vereinigtes Königreich, CE:ECHR:2002:0711JUD002895795, §§ 77, 78 und 90, EGMR, 12. Juni 2003, Van Kück/Deutschland, CE:ECHR:2003:0612JUD003596897, §§ 69 bis 75 und 82, sowie EGMR, 19. Januar 2021, X und Y/Rumänien, CE:ECHR:2021:0119JUD000214516, §§ 147 und 165).
65
Dieser Art. 8 erlegt den Staaten zu diesem Zweck neben negativen Verpflichtungen, die den Schutz transsexueller Personen vor willkürlichen Eingriffen des Staates bezwecken, positive Verpflichtungen auf, was auch die Einrichtung wirksamer und zugänglicher Verfahren impliziert, die eine wirksame Achtung ihres Rechts auf sexuelle Identität gewährleisten. Zudem verfügen die Staaten angesichts der besonderen Bedeutung dieses Rechts in diesem Bereich nur über einen begrenzten Ermessensspielraum (EGMR, 19. Januar 2021, X und Y/Rumänien, CE:ECHR:2021:0119JUD000214516, §§ 146 bis 148 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie EGMR, 1. Dezember 2022, A. D. u. a./Georgien, CE:ECHR:2022:1201JUD005786417, § 71).
66
Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergibt sich somit, dass die Staaten nach dem genannten Art. 8 verpflichtet sind, ein klares und vorhersehbares Verfahren für die rechtliche Anerkennung der Geschlechtsidentität vorzusehen, das die Änderung des Geschlechts und damit des Namens oder der Personenidentifikationsnummer in amtlichen Dokumenten auf schnelle, transparente und zugängliche Weise ermöglicht (EGMR, 19. Januar 2021, X und Y/Rumänien, CE:ECHR:2021:0119JUD000214516, § 168).
67
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seinem Urteil vom 19. Januar 2021, X und Y/Rumänien (CE:ECHR:2021:0119JUD000214516, §§ 157 und 168), jedoch festgestellt, dass das Verfahren ‒ das in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung vorgesehen ist ‒ als mit Art. 8 EMRK unvereinbar anzusehen ist, da dieses Verfahren nicht den Anforderungen dieser Bestimmung für die Prüfung eines erstmals bei einem nationalen Gericht gestellten Antrags auf Änderung der Geschlechtsidentität entspricht.
68
Dieses Verfahren kann auch kein wirksames Mittel darstellen, das es einem Unionsbürger, der während seines Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat und damit in Ausübung des durch Art. 21 AEUV und Art. 45 der Charta garantierten Rechts die Änderung seines Vornamens und seiner Geschlechtsidentität gemäß den hierfür in diesem Mitgliedstaat vorgesehenen Verfahren bereits rechtmäßig erworben hat, ermöglicht, seine Rechte aus diesen Artikeln, gelesen im Licht von Art. 7 der Charta, wirksam geltend zu machen, zumal dieses Verfahren den Unionsbürger der Gefahr aussetzt, dass es zu einem anderen Ergebnis führt als dem, zu dem die Behörden des Mitgliedstaats gelangt sind, die diese Änderung des Vornamens und der Geschlechtsidentität rechtmäßig gewährt haben.
69
Nach gefestigter Rechtsprechung kann eine nationale Regelung wie die über die Eintragung der Änderung des Vornamens und der Geschlechtsidentität in die Personenstandsregister nämlich nur dann mit dem Unionsrecht als vereinbar angesehen werden, wenn die Bestimmungen oder das innerstaatliche Verfahren für die Beantragung einer solchen Eintragung die Wahrnehmung der durch Art. 21 AEUV verliehenen Rechte und insbesondere des Rechts auf Anerkennung dieser Änderung nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Die Ausübung dieses Rechts kann aber durch das Ermessen in Frage gestellt werden, über das die zuständigen Behörden im Rahmen des Verfahrens zur Anerkennung und Eintragung des Vornamens und der Geschlechtsidentität verfügen, dem die Personen unterliegen, die diese Änderungen in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig erworben haben. Das Bestehen eines solchen Ermessens kann zu einer Divergenz zwischen den beiden Namen und den beiden Geschlechtern, die derselben Person zum Nachweis ihrer Identität gegeben werden, sowie zu den in den Rn. 54 und 55 des vorliegenden Urteils genannten schwerwiegenden Nachteilen administrativer, beruflicher und privater Art führen.
70
Daher verstößt eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die eine Eintragung des Vornamens und der Geschlechtsidentität, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig erworben wurden, nicht erlaubt und den Betroffenen zwingt, ein neues Verfahren gerichtlicher Art zur Änderung der Geschlechtsidentität im Herkunftsmitgliedstaat anzustrengen, und dabei außer Acht lässt, dass der Unionsbürger die Änderung seines Vornamens und seiner Geschlechtsidentität in seinem Wohnsitzmitgliedstaat bereits rechtmäßig erworben und sich den hierfür in diesem Staat vorgesehenen Verfahren unterworfen hat, gegen die sich aus Art. 21 AEUV ergebenden Anforderungen.
71
Nach alledem ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass Art. 20 und Art. 21 Abs. 1 AEUV, gelesen im Licht der Art. 7 und 45 der Charta, dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die es nicht erlaubt, die Änderung des Vornamens und der Geschlechtsidentität eines Angehörigen dieses Mitgliedstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat während der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt rechtmäßig erworben wurde, anzuerkennen und in die Geburtsurkunde des Betroffenen einzutragen, mit der Folge, dass er gezwungen ist, im erstgenannten Mitgliedstaat ein neues Verfahren gerichtlicher Art zur Änderung der Geschlechtsidentität anzustrengen, das diese in dem anderen Mitgliedstaat bereits rechtmäßig erworbene Änderung außer Acht lässt. Insoweit ist es unerheblich, dass der Antrag auf Anerkennung und Eintragung der Änderung des Vornamens und der Geschlechtsidentität in diesem ersten Mitgliedstaat zu einem Zeitpunkt gestellt wurde, zu dem der Austritt des anderen Mitgliedstaats aus der Union bereits wirksam geworden war.
Kosten
72
Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
Die Art. 20 und 21 AEUV, gelesen im Licht der Art. 7 und 45 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
sind dahin auszulegen, dass
sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die es nicht erlaubt, die Änderung des Vornamens und der Geschlechtsidentität eines Angehörigen dieses Mitgliedstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat während der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt rechtmäßig erworben wurde, anzuerkennen und in die Geburtsurkunde des Betroffenen einzutragen, mit der Folge, dass er gezwungen ist, im erstgenannten Mitgliedstaat ein neues Verfahren gerichtlicher Art zur Änderung der Geschlechtsidentität anzustrengen, das diese in dem anderen Mitgliedstaat bereits rechtmäßig erworbene Änderung außer Acht lässt.
Insoweit ist es unerheblich, dass der Antrag auf Anerkennung und Eintragung der Änderung des Vornamens und der Geschlechtsidentität in diesem ersten Mitgliedstaat zu einem Zeitpunkt gestellt wurde, zu dem der Austritt des anderen Mitgliedstaats aus der Europäischen Union bereits wirksam geworden war.