19.11.2024 · IWW-Abrufnummer 244955
Kammergericht Berlin: Beschluss vom 19.09.2024 – 16 UF 108/24
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht
84 F 85/23 AG Schöneberg
Beschluss
In der Familiensache der minderjährigen Kinder
wegen Regelung der elterlichen Sorge
hat das Kammergericht - 16. Zivilsenat als Familiensenat - durch den Richter am Kammergericht xxx, die Richterin am Kammergericht xxx und die Richterin am Kammergericht xxx am 19.09.2024 beschlossen:
Die Beschwerde des Vaters gegen den am 10. Juni 2024 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg - 84 F 85/23 - wird auf seine Kosten nach einem Beschwerdewert von 4.000 € zurückgewiesen.
Der Mutter wird auf ihren Antrag vom 31. Juli 2024 Verfahrenskostenhilfe zur Rechtsverteidigung im zweiten Rechtszug bewilligt und die Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet. Aufgrund der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Mutter sind keine Raten zu entrichten.
Gründe:
Der Vater wendet sich gegen den am 10. Juni 2024 erlassenen Beschluss des Familiengerichts, mit dem die kraft Sorgeerklärung bestehende gemeinsame Sorge der nicht verheirateten Eltern für den heute (fast) sieben Jahre alten J■■■ sowie die beiden etwas über drei Jahre alten Zwillinge Z■■■ und A■■■ aufgehoben und auf die Mutter allein übertragen wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Der Vater hat die von ihm angebrachte Beschwerde vom 9. Juli 2024 entgegen der Aufforderung, sie innerhalb von drei Wochen zu begründen und trotz einer auf seinen Antrag gewährten Verlängerung der gesetzten Frist zur Begründung nicht begründet.
Die Mutter verteidigt die ergangene Entscheidung als zutreffend und richtig.
1. Die Beschwerde des Vaters wurde fristgerecht beim Familiengericht angebracht und ist damit zulässig (§§ 58 Abs. 1, 63, 64 FamFG). Dass der Vater die Beschwerde entgegen der an ihn gerichteten, fristgebundenen Aufforderung und trotz Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist nicht begründet hat, lässt die Zulässigkeit des Rechtsmittels unberührt. Denn nach dem Gesetz (§ 65 Abs. 1 FamFG) „soll“ die Beschwerde nur begründet werden; sie muss es jedoch nicht, weil die Begründung nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes keine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ist (vgl. Thomas/Putzo-Seiler, ZPO [45. Aufl. 2024], § 67 FamFG Rn. 2, 4).
2. In der Sache selbst erweist sich die Beschwerde des Vaters als unbegründet:
a) Dass der Vater sein Rechtsmittel nicht begründet hat, führt nicht dazu, dass die Beschwerde aus diesem Grunde unbegründet wäre. Denn die zur Prüfung der Begründetheit erforderlichen Ermittlungen des Senats werden von Amts wegen geführt (§ 26 FamFG). Die fehlende Begründung des Rechtsmittels führt jedoch dazu, dass der Prüfungsumfang des Senats sich notwendigerweise verengt: Mangels Vortrags besonderer Anliegen des Vaters ist es dem Senat nicht möglich, spezifischen, von ihm gerügten Punkten, von denen er meint, dass die angegriffene Entscheidung insoweit unzutreffend sei, gezielt nachzugehen (vgl. Thomas/Putzo-Seiler, ZPO [45. Aufl. 2024], § 67 FamFG Rn. 2), sondern muss sich notgedrungen auf eine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränken. Indessen lässt die Rechtmäßigkeitskontrolle der angegriffenen familiengerichtlichen Entscheidung keinen Fehler zum Nachteil des Vaters erkennen, so dass sein Rechtsmittel zurückzuweisen ist.
b) Aufgrund des Umstands, dass der Vater neben der deutschen Staatsangehörigkeit auch die libanesische Staatsangehörigkeit besitzt, liegt zwar ein Fall mit Auslandsberührung vor. Jedoch wirkt sich das nicht weiter aus, weil nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB allein die deutsche Staatsangehörigkeit des Vaters maßgeblich ist und die Kinder sowie die Mutter ebenfalls deutsche Staatsangehörige sind.
c) Rechtlicher Maßstab für die vom Familiengericht verfügte Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB. Für die Frage, ob die gemeinsame elterliche Sorge getrennt lebender Eltern für ihre gemeinsamen Kinder aufzuheben ist, verlangt das Gesetz eine so genannte „doppelte Kindeswohlprüfung“: Wenn es in einem ersten Prüfungsschritt dem Wohl der Kinder am besten entspricht, eine bislang bestehende gemeinsame elterliche Sorge ganz oder teilweise aufzuheben, ist in einem zweiten Prüfungsschritt zu ermitteln, ob es dem Kindeswohl am besten entspricht, die elterliche Sorge (oder Teile davon) auf den antragstellenden Elternteil allein zu übertragen (vgl. nur Grüneberg/Götz, BGB [83. Aufl. 2024], § 1671 Rn. 12). Auf der Grundlage dieses Maßstabs hat das Familiengericht zu Recht die gemeinsame elterliche Sorge von Mutter und Vater für die drei Kinder aufgehoben und sie auf die Mutter allein übertragen:
(aa) Der erste Prüfungsschritt des § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB, die Frage, ob es dem Wohl der beiden Zwillinge Z■■■ und A■■■ sowie von J■■■ am besten entspricht, wenn die gemeinsame elterliche Sorge von Mutter und Vater aufgehoben wird, ist vom Familiengericht zu Recht bejaht worden:
(i) Der Vater hat gegenüber der Mutter wiederholt schwerste Gewalttaten begangen:
- Vor dem Strafgericht (Amtsgericht T■■■, Urteil vom ■■. ■■■ 2023 - (244 Ds) 3032 Js 8418/22 (168/22)) hat der Vater gestanden, dass er am 6. Januar 2022 gegen 20 Uhr sich auf die auf dem Sofa liegende Mutter gekniet hat, ihr zunächst die Spitze eines Messers auf den Bauch gesetzt und ihr sodann mit dem Messergriff zwei kräftige Schläge auf den Kopf versetzt hat, so dass die Mutter eine klaffende Kopfwunde erlitt. Weiter hat der Vater vor dem Strafgericht eingeräumt, dass er am 17. Mai 2022 - etwa vier Monate nach dem ersten Gewaltvorfall - gegenüber der Mutter erneut gewalttätig geworden ist und sie für die Dauer von etwa einer Stunde immer wieder mit einem Elektrokabel stranguliert hat. Das Abschnüren des Halses war derart intensiv, dass die Mutter unter Atemnot litt, würgen musste und Augenflimmern bekam. Während des Strangulierens hat der Vater immer wieder gedroht, die Mutter umbringen zu wollen. Das Strafgericht hat das Geständnis des Vaters als glaubhaft eingeschätzt und die Mutter hat diese Vorgänge in ihrer detailreichen Zeugenaussage vor dem Strafgericht bestätigt. Zwar ist richtig, dass die aufgrund dieser beiden Vorfälle ausgesprochene Verurteilung des Vaters zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, noch nicht rechtskräftig ist. Denn der Vater hat gegen die Verurteilung Berufung eingelegt, über die bislang - soweit bekannt - noch nicht entschieden ist, weil er zu der Berufungshauptverhandlung vom ■■. ■■■ 2024 nicht erschienen ist. Aber das hindert nicht, die strafgerichtlichen Feststellungen im Sorgerechtsverfahren zu würdigen und zu berücksichtigen, da sie auf der eigenen, geständigen Einlassung des Vaters beruhen.
- Aufgrund des Berichts des Jugendamtes vom 30. November 2023 ist bekannt, dass es bereits vor diesen beiden Gewalttaten zu weiteren gewalttätigen Übergriffen des Vaters gekommen war: Im Sommer 2021 kam es aufgrund häuslicher Gewalt zu einem Polizeieinsatz im Haushalt der Eltern. Der Polizeieinsatz hat dazu geführt, dass die Mutter zusammen mit den drei Kindern, die den Übergriff des Vaters im Nebenzimmer der Wohnung akustisch miterlebt und insbesondere die Schmerzensschreie der Mutter gehört haben, die gemeinsame Wohnung verlassen und zeitweilig in den Haushalt der eigenen Mutter - der Großmutter mütterlicherseits der Kinder - gezogen ist. Die insbesondere von J■■■ miterlebte Gewalt hat den Jungen so traumatisiert, dass er selbst heute, etwa drei Jahre nach den Vorfällen, in der Kita Auffälligkeiten zeigt und selbst aggressiv reagiert. Sein Zustand ist so gravierend, dass die Mutter ihn inzwischen einem Therapeuten vorgestellt hat, der die Traumatisierung des Jungen behandelt.
- Nachdem die Mutter mehrere Monate nach dem Vorfall von Sommer 2021 mit den Kindern zum Vater in die gemeinsame Wohnung zurückgekehrt ist, hat der Vater - wie sowohl die Mutter als auch J■■■ wiederholt, gegenüber dem Jugendamt, dem Verfahrensbeistand und in der richterlichen Anhörung des Jungen am 15. Mai 2024, berichtet haben - die Mutter gegen ihren Willen eine „Glatze rasiert“ und ihr mit Gewalt das Kopfhaar abgeschnitten. Die Mutter hat seither ein Kopftuch oder eine Perücke getragen, um ihren kahlen Kopf vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Auch durch diesen Vorfall wurde J■■■ traumatisiert: Er hat ihn zwar nicht unmittelbar gesehen, aber das Geschrei der Mutter und das Lärmen des Rasierapparates vom Nebenzimmer aus miterlebt.
- Durch die Gewaltübergriffe des Vaters ist die Mutter bis heute schwer traumatisiert. Sie hält sich zusammen mit den Kindern an einem anonymen, dem Senat bekannten Wohnort auf. Aufgrund ihres Zustandes war es ihr - trotz des Angebots, zu ihrem Schutz Gerichtswachtmeister hinzuzuziehen - nicht möglich, an der Anhörung vor dem Familiengericht teilzunehmen und den Anblick des Vaters zu ertragen; ihr wurde vom Familiengericht gestattet, der Anhörung per Videoschalte zu folgen (§ 33 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Aufgrund ihres Zustandes ist sie derzeit nicht arbeitsfähig und befindet sich in kontinuierlicher therapeutischer Behandlung.
(ii) Bei dieser Sachlage ist die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben:
- Die Mutter stellt für die drei Kinder die Hauptbezugs- und Hauptbetreuungsperson dar. Für ihr Wohlergehen, für die Sicherstellung ihrer Betreuung und Versorgung sind die Kinder auf die Mutter, auf ihre körperliche Unversehrtheit und ihre Fähigkeit, sie betreuen zu können, zwingend angewiesen. Nachdem der Vater damit gedroht hat, sie umbringen zu wollen, kann die gemeinsame elterliche Sorge nicht länger fortbestehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Dezember 2012 - 1 BvR 1766/12, FamRZ 2013, 433 [Rz. 24, 34] sowie Senat, Beschluss vom 23. Dezember 2020 - 16 UF 10/20, FamRZ 2021, 693).
- Eine weitere gemeinsame Sorge setzt eine tragfähige soziale Beziehung der Eltern voraus. Die Eltern müssen trotz Trennung weiterhin in der Lage sein, im Interesse ihrer Kinder miteinander zu kooperieren und zu kommunizieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2003 - 1 BvR 1140/03, FamRZ 2004, 354 [Rz. 13] sowie Grüneberg/Götz, BGB [83. Aufl. 2024], § 1671 Rn. 15). Das ist, nachdem die Mutter durch die gewalttätigen Übergriffe des Vaters schwer traumatisiert und - trotz des Angebots des Familiengerichts, Wachtmeister hinzuzuziehen - noch nicht einmal in der Lage ist, gemeinsam mit dem Vater an einer familiengerichtlichen Anhörung teilzunehmen, nicht mehr gewährleistet, so dass die gemeinsame Sorge aufzuheben ist.
- Die weitere Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist der Mutter auch nicht mehr zumutbar: Bei der Frage, ob die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben ist, sind die Wertungen der „Istanbul-Konvention“ (= IK; Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt vom 11. Mai 2011, für die Bundesrepublik am 1. Februar 2018 in Kraft getreten; BGBl. 2018.II.142) zu berücksichtigen. Art. 31 Abs. 2 IK, demzufolge die Vertragsstaaten die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass die Ausübung des Besuchs- oder Sorgerechts nicht die Rechte und die Sicherheit des Opfers oder der Kinder gefährdet, gilt auch für die Auslegung von § 1671 Abs. 1 BGB: Von der Mutter als dem Opfer schwerer häuslicher Gewalt kann nicht erwartet werden, dass sie mit dem Vater weiter kooperiert (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 17. April 2024 - 6 UF 22/24, FamRZ 2024, 1269 [Rz. 18, 24ff.]). Da eine weiter fortbestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der gemeinsamen Sorge ist, von der Mutter in der konkreten Situation jedoch nicht erwartet werden kann, kommt nur ihre Aufhebung in Betracht (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 16. Mai 2024 - 11 UF 329/24, FamRZ 2024, 1369).
(bb) In Bezug auf den zweiten Prüfungsschritt nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB - die Frage, welchem Elternteil die alleinige Sorge für die Kinder zu übertragen ist - besteht kein Zweifel: Hierzu hat das Familiengericht mit zutreffenden Erwägungen herausgearbeitet, dass die Mutter die Hauptbezugsperson der Kinder ist, die sie seit etwa 2½ Jahren, seitdem sie im Mai 2022 aus der gemeinsamen Wohnung flüchten musste, alleine betreut. Seither haben die Kinder keinen Kontakt mehr zum Vater gehabt. Bei den beiden dreijährigen Zwillingen Z■■■ und A■■■ ist zweifelhaft, ob sie an ihren Vater überhaupt noch eine Erinnerung haben. Der heute fast sieben Jahre alte J■■■, der durch die schwere und wiederholte Gewalt, die der Vater gegenüber der Mutter verübt hat, selbst schwer traumatisiert ist und therapeutischer Hilfe bedarf, lehnt seit längerer Zeit - intensiv und kontinuierlich - jeglichen Kontakt zum Vater ab: Das hat der Junge sowohl im Gespräch mit dem Jugendamt als auch mit dem Verfahrensbeistand und in der richterlichen Anhörung sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Da keine Anzeichen für einen induzierten Willen bestehen, ist der Wunsch des Jungen zu respektieren. Auch für ihn ist deshalb die elterliche Sorge allein der Mutter zu übertragen.
3. Weiterer Verfahrensschritte bedarf es nicht. Eine erneute Anhörung der Eltern oder der Kinder ist nicht veranlasst (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG), sondern die Beschwerde des Vaters ist zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Nachdem das Rechtsmittel des Vaters erfolglos bleibt, entspricht es der Billigkeit, dass er die dadurch ausgelösten Kosten trägt. Die Wertfestsetzung findet ihre gesetzliche Grundlage in § 45 Abs. 1 FamGKG; es war der Regelwert von 4.000 € festzusetzen. Höchstvorsorglich wird darauf hingewiesen, dass es sich bei diesem Betrag nicht um eine von den Beteiligten zu entrichtende Summe handelt, sondern dass dies lediglich die Maßgröße ist, um die tatsächlich zu entrichtenden Gerichts- und Anwaltskosten zu ermitteln. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht keine Veranlassung (§ 70 FamFG).
4. Der Mutter war auf ihren Antrag gemäß §§ 76 Abs. 1 FamFG, 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO Verfahrenskostenhilfe zu gewähren und die Verfahrensbevollmächtigte beizuordnen (§ 78 Abs. 2 FamFG). Aufgrund der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Mutter waren keine Raten festzusetzen.
Beschluss
In der Familiensache der minderjährigen Kinder
wegen Regelung der elterlichen Sorge
hat das Kammergericht - 16. Zivilsenat als Familiensenat - durch den Richter am Kammergericht xxx, die Richterin am Kammergericht xxx und die Richterin am Kammergericht xxx am 19.09.2024 beschlossen:
Die Beschwerde des Vaters gegen den am 10. Juni 2024 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg - 84 F 85/23 - wird auf seine Kosten nach einem Beschwerdewert von 4.000 € zurückgewiesen.
Der Mutter wird auf ihren Antrag vom 31. Juli 2024 Verfahrenskostenhilfe zur Rechtsverteidigung im zweiten Rechtszug bewilligt und die Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet. Aufgrund der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Mutter sind keine Raten zu entrichten.
Gründe:
I.
Der Vater hat die von ihm angebrachte Beschwerde vom 9. Juli 2024 entgegen der Aufforderung, sie innerhalb von drei Wochen zu begründen und trotz einer auf seinen Antrag gewährten Verlängerung der gesetzten Frist zur Begründung nicht begründet.
Die Mutter verteidigt die ergangene Entscheidung als zutreffend und richtig.
II.
2. In der Sache selbst erweist sich die Beschwerde des Vaters als unbegründet:
a) Dass der Vater sein Rechtsmittel nicht begründet hat, führt nicht dazu, dass die Beschwerde aus diesem Grunde unbegründet wäre. Denn die zur Prüfung der Begründetheit erforderlichen Ermittlungen des Senats werden von Amts wegen geführt (§ 26 FamFG). Die fehlende Begründung des Rechtsmittels führt jedoch dazu, dass der Prüfungsumfang des Senats sich notwendigerweise verengt: Mangels Vortrags besonderer Anliegen des Vaters ist es dem Senat nicht möglich, spezifischen, von ihm gerügten Punkten, von denen er meint, dass die angegriffene Entscheidung insoweit unzutreffend sei, gezielt nachzugehen (vgl. Thomas/Putzo-Seiler, ZPO [45. Aufl. 2024], § 67 FamFG Rn. 2), sondern muss sich notgedrungen auf eine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränken. Indessen lässt die Rechtmäßigkeitskontrolle der angegriffenen familiengerichtlichen Entscheidung keinen Fehler zum Nachteil des Vaters erkennen, so dass sein Rechtsmittel zurückzuweisen ist.
b) Aufgrund des Umstands, dass der Vater neben der deutschen Staatsangehörigkeit auch die libanesische Staatsangehörigkeit besitzt, liegt zwar ein Fall mit Auslandsberührung vor. Jedoch wirkt sich das nicht weiter aus, weil nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB allein die deutsche Staatsangehörigkeit des Vaters maßgeblich ist und die Kinder sowie die Mutter ebenfalls deutsche Staatsangehörige sind.
c) Rechtlicher Maßstab für die vom Familiengericht verfügte Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB. Für die Frage, ob die gemeinsame elterliche Sorge getrennt lebender Eltern für ihre gemeinsamen Kinder aufzuheben ist, verlangt das Gesetz eine so genannte „doppelte Kindeswohlprüfung“: Wenn es in einem ersten Prüfungsschritt dem Wohl der Kinder am besten entspricht, eine bislang bestehende gemeinsame elterliche Sorge ganz oder teilweise aufzuheben, ist in einem zweiten Prüfungsschritt zu ermitteln, ob es dem Kindeswohl am besten entspricht, die elterliche Sorge (oder Teile davon) auf den antragstellenden Elternteil allein zu übertragen (vgl. nur Grüneberg/Götz, BGB [83. Aufl. 2024], § 1671 Rn. 12). Auf der Grundlage dieses Maßstabs hat das Familiengericht zu Recht die gemeinsame elterliche Sorge von Mutter und Vater für die drei Kinder aufgehoben und sie auf die Mutter allein übertragen:
(aa) Der erste Prüfungsschritt des § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB, die Frage, ob es dem Wohl der beiden Zwillinge Z■■■ und A■■■ sowie von J■■■ am besten entspricht, wenn die gemeinsame elterliche Sorge von Mutter und Vater aufgehoben wird, ist vom Familiengericht zu Recht bejaht worden:
(i) Der Vater hat gegenüber der Mutter wiederholt schwerste Gewalttaten begangen:
- Vor dem Strafgericht (Amtsgericht T■■■, Urteil vom ■■. ■■■ 2023 - (244 Ds) 3032 Js 8418/22 (168/22)) hat der Vater gestanden, dass er am 6. Januar 2022 gegen 20 Uhr sich auf die auf dem Sofa liegende Mutter gekniet hat, ihr zunächst die Spitze eines Messers auf den Bauch gesetzt und ihr sodann mit dem Messergriff zwei kräftige Schläge auf den Kopf versetzt hat, so dass die Mutter eine klaffende Kopfwunde erlitt. Weiter hat der Vater vor dem Strafgericht eingeräumt, dass er am 17. Mai 2022 - etwa vier Monate nach dem ersten Gewaltvorfall - gegenüber der Mutter erneut gewalttätig geworden ist und sie für die Dauer von etwa einer Stunde immer wieder mit einem Elektrokabel stranguliert hat. Das Abschnüren des Halses war derart intensiv, dass die Mutter unter Atemnot litt, würgen musste und Augenflimmern bekam. Während des Strangulierens hat der Vater immer wieder gedroht, die Mutter umbringen zu wollen. Das Strafgericht hat das Geständnis des Vaters als glaubhaft eingeschätzt und die Mutter hat diese Vorgänge in ihrer detailreichen Zeugenaussage vor dem Strafgericht bestätigt. Zwar ist richtig, dass die aufgrund dieser beiden Vorfälle ausgesprochene Verurteilung des Vaters zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, noch nicht rechtskräftig ist. Denn der Vater hat gegen die Verurteilung Berufung eingelegt, über die bislang - soweit bekannt - noch nicht entschieden ist, weil er zu der Berufungshauptverhandlung vom ■■. ■■■ 2024 nicht erschienen ist. Aber das hindert nicht, die strafgerichtlichen Feststellungen im Sorgerechtsverfahren zu würdigen und zu berücksichtigen, da sie auf der eigenen, geständigen Einlassung des Vaters beruhen.
- Aufgrund des Berichts des Jugendamtes vom 30. November 2023 ist bekannt, dass es bereits vor diesen beiden Gewalttaten zu weiteren gewalttätigen Übergriffen des Vaters gekommen war: Im Sommer 2021 kam es aufgrund häuslicher Gewalt zu einem Polizeieinsatz im Haushalt der Eltern. Der Polizeieinsatz hat dazu geführt, dass die Mutter zusammen mit den drei Kindern, die den Übergriff des Vaters im Nebenzimmer der Wohnung akustisch miterlebt und insbesondere die Schmerzensschreie der Mutter gehört haben, die gemeinsame Wohnung verlassen und zeitweilig in den Haushalt der eigenen Mutter - der Großmutter mütterlicherseits der Kinder - gezogen ist. Die insbesondere von J■■■ miterlebte Gewalt hat den Jungen so traumatisiert, dass er selbst heute, etwa drei Jahre nach den Vorfällen, in der Kita Auffälligkeiten zeigt und selbst aggressiv reagiert. Sein Zustand ist so gravierend, dass die Mutter ihn inzwischen einem Therapeuten vorgestellt hat, der die Traumatisierung des Jungen behandelt.
- Nachdem die Mutter mehrere Monate nach dem Vorfall von Sommer 2021 mit den Kindern zum Vater in die gemeinsame Wohnung zurückgekehrt ist, hat der Vater - wie sowohl die Mutter als auch J■■■ wiederholt, gegenüber dem Jugendamt, dem Verfahrensbeistand und in der richterlichen Anhörung des Jungen am 15. Mai 2024, berichtet haben - die Mutter gegen ihren Willen eine „Glatze rasiert“ und ihr mit Gewalt das Kopfhaar abgeschnitten. Die Mutter hat seither ein Kopftuch oder eine Perücke getragen, um ihren kahlen Kopf vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Auch durch diesen Vorfall wurde J■■■ traumatisiert: Er hat ihn zwar nicht unmittelbar gesehen, aber das Geschrei der Mutter und das Lärmen des Rasierapparates vom Nebenzimmer aus miterlebt.
- Durch die Gewaltübergriffe des Vaters ist die Mutter bis heute schwer traumatisiert. Sie hält sich zusammen mit den Kindern an einem anonymen, dem Senat bekannten Wohnort auf. Aufgrund ihres Zustandes war es ihr - trotz des Angebots, zu ihrem Schutz Gerichtswachtmeister hinzuzuziehen - nicht möglich, an der Anhörung vor dem Familiengericht teilzunehmen und den Anblick des Vaters zu ertragen; ihr wurde vom Familiengericht gestattet, der Anhörung per Videoschalte zu folgen (§ 33 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Aufgrund ihres Zustandes ist sie derzeit nicht arbeitsfähig und befindet sich in kontinuierlicher therapeutischer Behandlung.
(ii) Bei dieser Sachlage ist die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben:
- Die Mutter stellt für die drei Kinder die Hauptbezugs- und Hauptbetreuungsperson dar. Für ihr Wohlergehen, für die Sicherstellung ihrer Betreuung und Versorgung sind die Kinder auf die Mutter, auf ihre körperliche Unversehrtheit und ihre Fähigkeit, sie betreuen zu können, zwingend angewiesen. Nachdem der Vater damit gedroht hat, sie umbringen zu wollen, kann die gemeinsame elterliche Sorge nicht länger fortbestehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Dezember 2012 - 1 BvR 1766/12, FamRZ 2013, 433 [Rz. 24, 34] sowie Senat, Beschluss vom 23. Dezember 2020 - 16 UF 10/20, FamRZ 2021, 693).
- Eine weitere gemeinsame Sorge setzt eine tragfähige soziale Beziehung der Eltern voraus. Die Eltern müssen trotz Trennung weiterhin in der Lage sein, im Interesse ihrer Kinder miteinander zu kooperieren und zu kommunizieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2003 - 1 BvR 1140/03, FamRZ 2004, 354 [Rz. 13] sowie Grüneberg/Götz, BGB [83. Aufl. 2024], § 1671 Rn. 15). Das ist, nachdem die Mutter durch die gewalttätigen Übergriffe des Vaters schwer traumatisiert und - trotz des Angebots des Familiengerichts, Wachtmeister hinzuzuziehen - noch nicht einmal in der Lage ist, gemeinsam mit dem Vater an einer familiengerichtlichen Anhörung teilzunehmen, nicht mehr gewährleistet, so dass die gemeinsame Sorge aufzuheben ist.
- Die weitere Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist der Mutter auch nicht mehr zumutbar: Bei der Frage, ob die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben ist, sind die Wertungen der „Istanbul-Konvention“ (= IK; Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt vom 11. Mai 2011, für die Bundesrepublik am 1. Februar 2018 in Kraft getreten; BGBl. 2018.II.142) zu berücksichtigen. Art. 31 Abs. 2 IK, demzufolge die Vertragsstaaten die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass die Ausübung des Besuchs- oder Sorgerechts nicht die Rechte und die Sicherheit des Opfers oder der Kinder gefährdet, gilt auch für die Auslegung von § 1671 Abs. 1 BGB: Von der Mutter als dem Opfer schwerer häuslicher Gewalt kann nicht erwartet werden, dass sie mit dem Vater weiter kooperiert (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 17. April 2024 - 6 UF 22/24, FamRZ 2024, 1269 [Rz. 18, 24ff.]). Da eine weiter fortbestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der gemeinsamen Sorge ist, von der Mutter in der konkreten Situation jedoch nicht erwartet werden kann, kommt nur ihre Aufhebung in Betracht (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 16. Mai 2024 - 11 UF 329/24, FamRZ 2024, 1369).
(bb) In Bezug auf den zweiten Prüfungsschritt nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB - die Frage, welchem Elternteil die alleinige Sorge für die Kinder zu übertragen ist - besteht kein Zweifel: Hierzu hat das Familiengericht mit zutreffenden Erwägungen herausgearbeitet, dass die Mutter die Hauptbezugsperson der Kinder ist, die sie seit etwa 2½ Jahren, seitdem sie im Mai 2022 aus der gemeinsamen Wohnung flüchten musste, alleine betreut. Seither haben die Kinder keinen Kontakt mehr zum Vater gehabt. Bei den beiden dreijährigen Zwillingen Z■■■ und A■■■ ist zweifelhaft, ob sie an ihren Vater überhaupt noch eine Erinnerung haben. Der heute fast sieben Jahre alte J■■■, der durch die schwere und wiederholte Gewalt, die der Vater gegenüber der Mutter verübt hat, selbst schwer traumatisiert ist und therapeutischer Hilfe bedarf, lehnt seit längerer Zeit - intensiv und kontinuierlich - jeglichen Kontakt zum Vater ab: Das hat der Junge sowohl im Gespräch mit dem Jugendamt als auch mit dem Verfahrensbeistand und in der richterlichen Anhörung sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Da keine Anzeichen für einen induzierten Willen bestehen, ist der Wunsch des Jungen zu respektieren. Auch für ihn ist deshalb die elterliche Sorge allein der Mutter zu übertragen.
3. Weiterer Verfahrensschritte bedarf es nicht. Eine erneute Anhörung der Eltern oder der Kinder ist nicht veranlasst (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG), sondern die Beschwerde des Vaters ist zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Nachdem das Rechtsmittel des Vaters erfolglos bleibt, entspricht es der Billigkeit, dass er die dadurch ausgelösten Kosten trägt. Die Wertfestsetzung findet ihre gesetzliche Grundlage in § 45 Abs. 1 FamGKG; es war der Regelwert von 4.000 € festzusetzen. Höchstvorsorglich wird darauf hingewiesen, dass es sich bei diesem Betrag nicht um eine von den Beteiligten zu entrichtende Summe handelt, sondern dass dies lediglich die Maßgröße ist, um die tatsächlich zu entrichtenden Gerichts- und Anwaltskosten zu ermitteln. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht keine Veranlassung (§ 70 FamFG).
4. Der Mutter war auf ihren Antrag gemäß §§ 76 Abs. 1 FamFG, 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO Verfahrenskostenhilfe zu gewähren und die Verfahrensbevollmächtigte beizuordnen (§ 78 Abs. 2 FamFG). Aufgrund der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Mutter waren keine Raten festzusetzen.