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  • 14.01.2025 · IWW-Abrufnummer 245883

    Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 24.09.2024 – 13 WF 105/24

    Zu den Auswirkungen eines allgemein gehaltenen Kontaktverbots nach dem Gewaltschutzgesetz auf die Beteiligung an einer WhatsApp-Gruppe


    Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 24.09.2024, Az. 13 WF 105/24

    Tenor:

    Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Gütersloh vom 02.08.2024 wird dahingehend abgeändert, dass das gegen den Antragsgegner festgesetzte Ordnungsgeld auf insgesamt 100,00 EUR reduziert wird. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 21.08.2024 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Gütersloh vom 02.08.2024 zurückgewiesen.

    Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

     
    1
    Gründe:

    2
    I.

    3
    Der Antragsgegner wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes.

    4
    Die Beteiligten sind ehemalige Lebensgefährten. Aufgrund eines entsprechenden Antrags der Antragstellerin erließ das Amtsgericht Gütersloh am 05.02.2024 eine einstweilige Anordnung, mit welcher dem Antragsgegner, befristet bis zum 05.08.2024, unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten wurde,

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           die Antragstellerin zu bedrohen, zu verletzen oder sonst körperlich zu misshandeln,

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           sich der Wohnung der Antragstellerin - M.-straße 00, L. - weniger als 20 Meter zu nähern,

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           sich der Antragstellerin und der Arbeitsstätte der Antragstellerin - J.-straße 00, L. - weniger als 20 Meter zu nähern,

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           der Antragstellerin aufzulauern,

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           mit der Antragstellerin - auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln - Verbindung aufzunehmen,

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           ein Zusammentreffen mit der Antragstellerin herbeizuführen.

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    Ferner erhielt die einstweilige Anordnung die Klarstellung: „Dies gilt nicht, soweit es zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist. Sollte es zu einem zufälligen Zusammentreffen kommen, hat der Antragsgegner sofort einen gebührenden Abstand herzustellen.“

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    Einen von der Antragstellerin am 12.03.2024 gestellten Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln gegenüber dem Antragsgegner wies das Amtsgericht mit Beschluss vom 29.04.2024 mit der Begründung zurück, dass es einer erneuten Androhung von Ordnungsmitteln nicht bedürfe, da diese bereits in der einstweiligen Anordnung vom 05.02.2024 erfolgt sei. Es stellte zudem klar, dass es dem Antragsgegner nicht verboten sei, an (Groß-)Veranstaltungen teilzunehmen, an denen auch die Antragstellerin teilnimmt, solange er ihr während dieser Veranstaltungen nicht nachstelle und nicht gegen das Näherungsverbot verstoße.

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    Gegen diesen ihr am 06.05.2024 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 17.05.2024 sofortige Beschwerde eingelegt und weitergehend beantragt, dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld in Höhe von mindestens 10.000, € anzudrohen und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festzusetzen.

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    Zur Begründung hat sie mehrere Verstöße des Antragsgegners gegen die gerichtliche Anordnung vom 05.02.2024 am 02.03.2024, am 03.03.2024, am 10.03.2024, am 21.04.2024 und am 27.04.2024 geltend gemacht. Dabei handelte es sich bei der überwiegenden Anzahl der vorgetragenen Verstöße um Missachtungen des gerichtlichen angeordneten Abstandsgebots durch den Antragsgegner am Rande von Veranstaltungen der Laufgruppe, der beide Beteiligten angehören. Ferner hat die Antragstellerin eine Kontaktaufnahme durch den Antragsgegner über den Messenger-Dienst WhatsApp gerügt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Antragstellerin vom 17.05.2024 (Bl. 153 ff. GA-I) nebst Anlagen Bezug genommen.

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    Der Antragsgegner hat die von der Antragstellerin behaupteten Verstöße gegen das gerichtliche Näherungsverbot in Abrede gestellt. Er hat vorgetragen, während Veranstaltungen, an denen auch die Antragstellerin teilgenommen habe, stets darauf geachtet zu haben, sich dieser nicht weniger als 20 Meter zu nähern. Auch habe er kein zufälliges Zusammentreffen mit der Antragstellerin herbeigeführt oder zu dieser Kontakt aufgenommen.

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    Das Amtsgericht hat im Verhandlungstermin am 20.06.2024 die Beteiligten persönlich angehört und die von den Beteiligten benannten Zeugen vernommen. Wegen des Inhalts der Anhörungen und Zeugenvernehmungen wird auf das Protokoll vom 20.06.2024 (Bl. 206 ff. GA-I) Bezug genommen.

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    Die Antragstellerin hat im Termin beantragt,

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    den Ordnungsgeldbeschluss vom 29.04.2024 aufzuheben und ein angemessenes Ordnungsgeld gegen den Antragsgegner festzusetzen.

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    Der Antragsgegner hat beantragt,

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    den abweisenden Beschluss vom 29.04.2024 aufrechtzuerhalten.

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    Mit am 02.08.2024 verkündetem Beschluss hat das Amtsgericht gegen den Antragsgegner ein Ordnungsgeld in Höhe von insgesamt 400,00 Euro festgesetzt, sowie ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 100,00 Euro einen Tag Ordnungshaft angeordnet. Zugleich hat es die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner auferlegt.

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    Zur Begründung hat es ausgeführt:

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    Der Antragsgegner habe jedenfalls dreimal gegen das bestehende Näherungsverbot verstoßen. Am 02.03.2024 sei er mit dem Fahrrad durch die M.-straße gefahren, unmittelbar an der Wohnung der Antragstellerin vorbei. Sofern der Antragsgegner der Auffassung gewesen sei, er müsse nur Abstand zur Antragstellerin, nicht aber zu ihrer Wohnung einhalten, entschuldige dies nicht die entsprechende Handlung. Bei der Bemessung des Ordnungsgeldes für diesen Verstoß sei zu berücksichtigen, dass es sich nicht um einen für die Antragstellerin besonders beeinträchtigenden Verstoß gehandelt habe, zumal sie sich auch nicht im Sichtbereich des Antragsgegners befunden habe und dieser auch nicht davon habe ausgehen müssen, dass die Antragstellerin ihn im Moment des Vorbeifahrens wahrnehme. Ein Ordnungsgeld von 50,00 EUR erscheine angemessen, aber auch ausreichend, um dem Antragsgegner die Zuwiderhandlung vor Augen zu führen.

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    Zu einem weiteren Verstoß des Antragsgegners sei es am 10.03.2024 im Rahmen eines Vorbereitungslaufs der Laufgruppe der Beteiligten gekommen, als sich beide Beteiligten nach dem Lauf zeitgleich an einem Teestand befunden hätten. Der Antragsgegner habe selbst erklärt, dass er keinen Abstand hergestellt habe, da die Antragstellerin den Teestand sofort wieder verlassen habe. Die Herstellung des Abstandes sei jedoch seine Aufgabe gewesen. Auf dem vorgelegten Foto sei zu erkennen, dass sich der Antragsgegner noch in unmittelbarer Nähe befunden habe. Auch wenn er mit dem Rücken zu der Antragstellerin gestanden habe, sei ihm wie auch den Zeugen deutlich die Anwesenheit der Antragstellerin bewusst gewesen. Es sei daher seine Aufgabe gewesen, sofort deutlich Abstand herzustellen und darauf zu achten, dass dieser auch nicht gekürzt werde. Nach Abwägung aller Umstände, insbesondere der Tatsache, dass ihm bewusst gewesen sei, dass sich die Antragstellerin in der Nähe aufhalte und er dennoch ihr die Einhaltung des notwendigen Abstands überlassen habe, erscheine ein Ordnungsgeld von 100,00 EUR angemessen.

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    Zu einem dritten Verstoß sei es am 21.04.2024 gekommen durch das Versenden der WhatsApp-Nachricht "Da kann sie wieder lachen" in die gemeinsame WhatsApp-Gruppe der Laufgruppe. Es sei bereits wenig glaubhaft, dass der Antragsgegner mit der Äußerung nicht die Antragstellerin, sondern die Zeugin B. gemeint habe. Es komme jedoch darauf an, wie der Empfänger die Äußerung verstanden habe. Jedenfalls die Antragstellerin wie auch die Zeugin T. hätten die Äußerung eindeutig in Richtung Antragstellerin aufgefasst. Darüber hinaus sei dem Antragsgegner jedwede Kommunikation auch über soziale Netzwerke mit der Antragstellerin untersagt. Auch Äußerungen jeglicher Art in WhatsApp-Gruppen, deren Teilnehmerin auch die Antragstellerin sei, seien ihm damit untersagt, auch wenn die Antragstellerin nicht das Ziel der Äußerung sein sollte. Aufgrund des deutlichen und auch wiederholten Verstoßes erscheine ein Ordnungsgeld von 250,00 EUR angemessen.

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    Bezüglich der weiteren von der Antragstellerin vorgetragenen Verstöße hat das Amtsgericht festgestellt, dass diese dem Antragsgegner nicht nachweisbar seien.

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    Der Antragsgegner hat gegen den Beschluss vom 02.08.2024, der ihm am 07.08.2024 zugestellt worden ist, am 21.08.2024 sofortige Beschwerde eingelegt.

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    Zur Begründung hat er vorgetragen: Die Fahrt mit dem Fahrrad durch die Wohnstraße der Antragstellerin am 02.03.2024 sei zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich gewesen, da er die Innenstadt habe erreichen wollen. In keiner Weise habe er sich am 02.03.2024 der Wohnung der Antragstellerin weniger als 20 Meter genähert.

    29
    Am 10.03.2024 habe er ebenfalls nicht gegen das Näherungsverbot verstoßen. Er habe mit dem Rücken zur Antragstellerin gestanden und habe deswegen nicht permanent beobachten können, was sich hinter ihm ereignet habe. Der Zeuge D., mit dem er die ganze Zeit zusammengestanden habe, habe ebenfalls ausgesagt, nicht gesehen zu haben, dass es zu einem zu geringen Abstand gekommen sei.

    30
    Schließlich stelle auch das Versenden eines Kommentars über die Plattform WhatsApp am 21.04.2024 keinen Verstoß gegen die gerichtliche Anordnung dar. Zum einen habe er seinen Kommentar, der sich nicht auf die Antragstellerin, sondern auf die Zeugin B. bezogen habe, schon nach kurzer Zeit wieder gelöscht, zum anderen habe er hierdurch auch nicht bewusst Kontakt zu der Antragstellerin, weder mittelbar noch unmittelbar, aufgenommen. Nachdem er selbst bemerkt habe, dass er eine WhatsApp-Gruppe verwendet habe, deren Mitglied auch die Antragstellerin sei, habe er die Nachricht sofort gelöscht. Die Nachricht sei noch nicht einmal für eine Stunde sichtbar gewesen.

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    Der Antragsgegner beantragt,

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    die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 17.05.2024 abzuweisen unter Aufrechterhaltung des Beschlusses des Amtsgerichts Gütersloh, 16 F 78/24, vom 29.04.2024.

    33
    Die Antragstellerin beantragt,

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    die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.

    35
    Sie nimmt vollumfänglich Bezug auf den angefochtenen Beschluss und tritt den dortigen Erwägungen bei. Sie ist der Auffassung, dass das weitere Vorbringen des Antragsgegners in der Beschwerdeinstanz keine andere Bewertung der Sach- und Rechtslage rechtfertige.

    36
    II.

    37
    Die gemäß § 87 Abs. 4 FamFG iVm. § 567 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist teilweise begründet.

    38
    1.

    39
    Die sofortige Beschwerde ist unbegründet, soweit sich der Antragsgegner gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 50,00 EUR wegen des Vorfalls vom 02.03.2024 wendet.

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    Zurecht hat das Amtsgericht einen Verstoß des Antragsgegners gegen die am 05.02.2024 ergangene Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz darin gesehen, dass der Antragsgegner am 02.03.2024 die M.-straße in L. mit dem Fahrrad befahren hat und gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG i. V. m. § 890 ZPO ein Ordnungsgeld gegen den Antragsgegner festgesetzt.

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    Der Antragsgegner hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Amtsgericht am 20.06.2024 selbst eingeräumt, an besagtem Tag die Wohnstraße der Antragstellerin befahren zu haben, um in die Innenstadt zu gelangen, jedoch davon ausgegangen zu sein, dass ihm aufgrund der gerichtlichen Anordnung lediglich verboten sei, sich der Antragstellerin persönlich zu nähern. Diese Annahme ist indes unzutreffend. Der Beschluss vom 05.02.2024 verbietet dem Antragsgegner ausdrücklich, sich der Wohnung der Antragstellerin - M.-straße 00, L. - weniger als 20 Meter zu nähern. Aufgrund der Nennung der Anschrift wird dabei hinreichend deutlich, dass sich das Näherungsverbot auf das gesamte Wohnhaus einschließlich Hauseingangsbereich bezieht. Der vom Antragsgegner beschriebene Irrtum über den Inhalt der gerichtlichen Anordnung ist daher als vermeidbarer Verbotsirrtum einzuordnen und steht der Annahme eines schuldhaften Verstoßes nicht entgegen. Soweit der Antragsgegner in seiner Beschwerdebegründung bestreitet, sich der Anschrift der Antragstellerin auf weniger als 20 Meter genähert zu haben, erscheint dies in Anbetracht der von der Antragstellerin vorgelegten Skizze (Bl. 156 GA-I) sowie einer eigenen Überprüfung des Senats bei google maps nicht glaubhaft.

    42
    Gegen die Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes bestehen keine Bedenken.

    43
    2.

    44
    Soweit sich der Antragsgegner gegen die Festsetzung eines weiteren Ordnungsgeldes aufgrund des Vorfalls vom 10.03.2024 wendet, hat seine sofortige Beschwerde nur im Hinblick auf die Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht auch hier einen Verstoß des Antragsgegners gegen das Näherungsverbot angenommen. Nach den eigenen Angaben des Antragsgegners ist jedenfalls davon auszugehen, dass er gesehen hat, dass sich die Antragstellerin an dem Teestand ein Getränk geholt hat und in diesem Moment der Abstand zwischen ihm und der Antragstellerin geringer als 20 Meter war. Es ist somit zu einem zufälligen Zusammentreffen der Beteiligten gekommen. In dieser Situation war der Antragsgegner aufgrund der Anordnung vom 05.02.2024 verpflichtet, sofort einen gebührenden Abstand zur Antragstellerin herzustellen. Der Antragsgegner hat jedoch angegeben, dass er davon abgesehen habe, sich zu entfernen und einen gebührenden Abstand herzustellen, da er bemerkt habe, dass die Antragstellerin sich wieder entfernt habe. Wie das Amtsgericht zurecht festgestellt hat, war es indes nicht die Aufgabe der Antragstellerin, sondern die des Antragsgegners, sofort einen gebührenden Abstand herzustellen. Da der Antragsgegner hiergegen verstoßen hat, war die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gerechtfertigt. Indes erscheint dem Senat aufgrund des nur als geringfügig einzuordnenden Verstoßes ‒ dass der Antragsgegner zu einem späteren Zeitpunkt bemerkt hat, dass (erneut) ein zu geringer Abstand zwischen ihm und der Antragsgegnerin bestand, hat die Antragstellerin nicht nachweisen können ‒ eine Herabsetzung des Ordnungsgeldes auf einen Betrag von 50,00 EUR geboten.

    45
    3.

    46
    Hinsichtlich der Festsetzung eines weiteren Ordnungsgeldes in Höhe von 250,00 EUR wegen des Versendens einer WhatsApp-Nachricht am 21.04.2024 hat das Rechtsmittel des Antragsgegners Erfolg.

    47
    Das Versenden seiner Nachricht vom 21.04.2024 an die WhatsApp-Gruppe, der auch die Antragstellerin angehört, stellt keinen schuldhaften Verstoß gegen das gerichtlich angeordnete Kontaktaufnahmeverbot dar. Zwar adressiert derjenige, der eine Nachricht in einer WhatsApp-Gruppe schreibt, hiermit aktiv die jeweiligen Mitglieder der Gruppe. Insofern ist diese Situation anders zu bewerten als das Verbreiten von Botschaften über den eigenen WhatsApp-Status, da es hier jedem Nutzer selbst überlassen ist, ob er auf den account des Inhabers klickt und sich die Statusmeldung anschaut (vgl. AG Bergheim, Beschluss vom 1.10.2018, 61 F 219/18, BeckRS 2018, 23574).

    48
    Gleichwohl kann nicht in jedem Fall das Verschicken einer Nachricht an eine WhatsApp-Gruppe als verbotene Kontaktaufnahme zu einem bestimmten Gruppenmitglied iSv § 1 S. 3 Nr. 4 GewSchG angesehen werden.

    49
    Eine Kontaktaufnahme im Sinne dieser Vorschrift dürfte unproblematisch gegeben sein, wenn der Absender das Gruppenmitglied mit seiner Nachricht gezielt anspricht oder eine Bemerkung macht, durch die sich die betreffende Person bei verständiger Würdigung aus objektiver Sicht persönlich angesprochen fühlen darf bzw. muss. Fehlt es an einer solchen persönlichen Kontaktaufnahme, gebietet nach Auffassung des Senats der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Differenzierung danach, ob es sich um eine sehr kleine Gruppe handelt, zu der neben den Beteiligten eines Gewaltschutzverfahrens nur wenige weitere (3-4) Personen gehören, oder ob es sich um eine Gruppe mit größerer Teilnehmerzahl handelt. In letzterem Fall tritt die mit einer Gruppennachricht immer auch verbundene persönliche Ansprache des einzelnen Mitglieds in der Regel derart in den Hintergrund, dass ein grundsätzliches Verbot zum Schreiben von Nachrichten in die Gruppe nicht erforderlich erscheint, um die Antragstellerin vor Nachstellungen und Belästigungen des Antragsgegners zu schützen. Würde man das mit einer Anordnung nach § 1 GewSchG in der Regel ausgesprochenen Kontaktaufnahmeverbot automatisch auf jegliche Aktivitäten des Adressaten einer Gewaltschutzanordnung in einer WhatsApp-Gruppe erstrecken, erführe dieser eine zu weitgehende Einschränkung in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit. Bei einem gemeinsamen Bekanntenkreis der Beteiligten wäre es dem Antragsgegner versagt, mit der Gruppe zu kommunizieren, was mit erheblichen Einschränkungen seiner sozialen Kontakte und Kommunikationsmöglichkeiten verbunden wäre. Er wäre letztlich auf eine individuelle Kontaktaufnahme zu den übrigen Gruppenmitgliedern angewiesen, was sich gerade in größeren Gruppen als nicht praktikabel erweisen dürfte. Demgegenüber stellt es für die Antragstellerin keine unzumutbare Beeinträchtigung dar, wenn der Antragsgegner eine allgemein an die Gruppe gerichtete Nachricht schreibt, mit der sie nicht persönlich angesprochen wird.

    50
    Sofern das Gericht, das über den Erlass einer Gewaltschutzanordnung zu befinden hat, im Einzelfall zu dem Ergebnis kommen sollte, dass dem Adressaten des Kontakt- und Näherungsverbots zum Schutz der verletzten Person auch der Versand von Nachrichten in einer größeren Gruppe, der auch die verletzte Person angehört (sei es über WhatsApp, einen anderen Messenger-Dienst oder einen E-Mail-Verteiler), grundsätzlich zu untersagen ist, bedarf es jedenfalls einer entsprechenden ausdrücklichen Klarstellung im Anordnungsbeschluss.  Andernfalls kann der Antragsgegner nicht davon ausgehen, dass das gegen ihn verhängte Kontaktaufnahmeverbot derart weitreichend ist.

    51
    Unter Berücksichtigung des Vorgesagten musste auch der Antragsgegner im vorliegenden Fall mangels entsprechender Klarstellung im Beschluss vom 05.02.204 jedenfalls nicht davon ausgehen, dass ihm aufgrund der gerichtlichen Anordnung auch das Schreiben von Nachrichten in WhatsApp-Gruppen mit größerer Teilnehmerzahl verboten ist, denen auch die Antragstellerin angehört, solange er die Antragstellerin hierbei nicht persönlich adressiert, zumal auch seitens des Amtsgerichts festgestellt wurde, dass ihm die Teilnahme an Großveranstaltungen, an denen auch die Antragstellerin teilnimmt, nicht grundsätzlich versagt ist.

    52
    Im vorliegenden Fall hat die WhatsApp-Gruppe, wie sich aus dem Foto Bl. 16 GA-II ergibt, jedenfalls eine zweistellige Teilnehmerzahl. Dass der Antragsgegner mit seiner Nachricht vom 21.04.2024 die Antragstellerin persönlich angesprochen hat, vermag der Senat, abweichend von den Feststellungen des Amtsgerichts, nicht zu erkennen. Bereits dem Wortlaut nach stellt der Satz „Da kann sie wieder lachen“ keine Kontaktaufnahme zur Antragstellerin dar. Abgesehen davon hat der Antragsgegner hiermit auch nicht auf eine Nachricht der Antragstellerin, sondern auf die eines anderen Gruppenmitgliedes reagiert. Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass der Antragsgegner mit seinem Kommentar nicht, wie er behauptet, die Zeugin B., sondern die Antragstellerin gemeint oder sogar persönlich angesprochen hat oder dies aus Sicht eines objektiven Empfängers in der Situation der Antragstellerin so aufzufassen war. Dem Kommentar des Antragsgegners vorausgegangen war der Versand mehrerer Fotos, die verschiedene Mitglieder der Laufgruppe zeigen, u.a. sowohl die Antragstellerin als auch die Zeugin B.. Allein die aus Sicht der Antragstellerin bestehende Möglichkeit, dass der Antragsgegner sie gemeint haben könnte, reicht nicht aus, um dem Antragsgegner einen Verstoß gegen das Kontaktaufnahmeverbot vorzuwerfen. Der Umstand, dass die Zeugin T. die Bemerkung ebenfalls auf die Antragstellerin bezogen hat, ändert nichts an dieser Bewertung. Denn auch die Zeugin, die sich noch nicht einmal mehr an den genauen Inhalt der Nachricht erinnern konnte, vermochte nicht zu erklären, warum diese aus ihrer Sicht eindeutig auf die Antragstellerin bezogen gewesen sein soll.

    53
    4.

    54
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 87 Abs. 5 i. V. m. § 81 FamFG. Auch wenn der Antragsgegner mit seinem Rechtsmittel teilweise Erfolg hat, erscheint eine anteilige Verteilung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf beide Beteiligten nicht sachgerecht, da das gerichtliche Verbot der Kontaktaufnahme über soziale Medien in Bezug auf die Kommunikation in gemeinsamen WhatsApp-Gruppen nicht hinreichend klar gefasst war. Es entspricht vielmehr billigem Ermessen, von einer Kostenerhebung im Beschwerdeverfahren insgesamt abzusehen.

    55
    5.

    56
    Eine Wertfestsetzung kommt nicht in Betracht, da im Ordnungsgeldverfahren die Voraussetzungen für eine Wertfestsetzung nach § 55 FamGKG mangels wertabhängiger Gerichtsgebühren nicht vorliegen. Ein Antrag auf Wertfestsetzung nach § 33 RVG wurde im Beschwerdeverfahren nicht gestellt.

    57
    6.

    58
    Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 87 Abs. 5 FamFG iVm § 574 Abs. 2 und 3 ZPO zugelassen, da es sich bei der Frage, inwiefern das in einer Gewaltschutzanordnung enthaltene allgemeine Verbot der Kontaktaufnahme über soziale Medien auch das Versenden von Nachrichten in einer gemeinsamen WhatsApp-Gruppe erfasst, über den hiesigen Einzelfall hinaus auch für andere Fälle grundsätzlich Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern.

    59
    Rechtsbehelfsbelehrung:

    60
    Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde statthaft. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe einzulegen. Diese muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dem Anwaltszwang unterliegen nicht Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Beteiligte, die durch das Jugendamt als Beistand vertreten sind. Wegen der weiteren Details wird auf § 10 Abs. 4 Satz 2 FamFG (für Familienstreitsachen i.S.v. § 112 FamFG auf § 114 Abs. 3 und Abs. 4 Nr. 2 FamFG) Bezug genommen.

    61
    Die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde beträgt ebenfalls einen Monat und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses.

    62
    Die weiteren Einzelheiten zu den zwingenden Förmlichkeiten und Fristen von Rechtsbeschwerdeschrift und Begründung ergeben sich aus §§ 71 und 72 FamFG.

    Vorschriften§ 1 GewSchG