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Haftungsfalle Nutzungsentschädigung bei SGB-Bezug
| Im Zuge der Trennung bleibt häufig ein Beteiligter mit oder ohne Kinder in der Ehewohnung zurück, die im Allein- oder Miteigentum des anderen steht. Dieser kann über § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB eine Nutzungsvergütung verlangen, soweit dies der Billigkeit entspricht. Fraglich ist, ob diese auch verlangt werden kann, wenn der andere öffentliche Leistungen bezieht. |
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Nach der Trennung wird der Ehefrau (F) mit den drei minderjährigen Kindern die im Alleineigentum des Ehemannes (M) stehende Ehewohnung zur alleinigen Nutzung zugewiesen. F bezieht mit den Kindern Leistungen nach UVG und SBG II. M bezahlt keinerlei Unterhalt. Er fordert von F eine Nutzungsvergütung. Zu Recht? |
Hat ein Ehegatte dem anderen die Ehewohnung während des Getrenntlebens ganz oder zumindest teilweise überlassen, kann er dafür eine Nutzungsvergütung verlangen, soweit es der Billigkeit entspricht. Diese familienrechtliche Nutzungsvergütung soll den Verlust des Wohnungsbesitzes und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Nachteile für den weichenden M im Einzelfall kompensieren und Ausgleich dafür sein, dass nur noch die verbliebene F alleinige Nutznießerin ist (dazu Klein in: Gerhardt u. a., Handbuch Familienrecht 12. Aufl., Kapitel 10 Rn. 358). Auf den ersten Blick könnte man geneigt sein, die Billigkeit des Verlangens nach Nutzungsentschädigung kurzerhand zu verneinen, weil die F im Bezug öffentlicher Leistungen nach SGB II steht. Dies wäre aber zu kurz gedacht, denn hier sind Kenntnisse aus dem Sozialrecht gefragt. Nach § 22 SGB II umfasst der Bedarf von Leistungsbeziehern auch die tatsächlich angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Dazu gehört beim Unterhaltsbedarf auch eine Nutzungsvergütung.
Bei der Billigkeitsabwägung sind die wirtschaftlichen Verhältnisse der F nicht entscheidend. Sie muss nur beim Sozialleistungsträger das Verlangen des M nach einer Nutzungsvergütung geltend machen und entsprechende Leistungen beantragen. Das Beispiel ist in doppelter Hinsicht für Anwälte haftungsträchtig: Vom Anwalt der F wird man verlangen können, dass er sie auf eine Antragstellung auf Leistungen beim Sozialleistungsträger aufmerksam macht. Beim Anwalt des M wird man den Hinweis erwarten müssen, dass die Nutzungsvergütung trotz Sozialleistungsbezugs verlangt werden kann. Der Anwalt des M sollte die Rechtslage gegenüber dem Gegenanwalt in der außergerichtlichen Korrespondenz kurz skizzieren, damit die F den nötigen Antrag beim Sozialhilfeträger stellen kann. Würde sie dies trotz des Hinweises nicht tun, könnte, wenn geschuldet, der Ehegattenunterhalt gänzlich oder teilweise versagt werden. M sollte vorsorglich darüber beraten werden, dass gezahlte Nutzungsvergütung der Einkommensteuer unterliegt (Stein, NZFam 19, 991).
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M kann von F ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftlichen Verhältnisse eine Nutzungsvergütung verlangen. Mit Blick auf den Leistungsbezug der F muss der Anwalt darauf hinweisen, dass die Realisierung aber auf absehbare Zeit fraglich ist. (St) |