· Fachbeitrag · Erwachsenenschutz in Europa
Staatliche Rechtsfürsorge und privatrechtliche Vertretung im internationalen Vergleich
von Prof. Dr. Wolfgang Böh, FA Erbrecht und FA Steuerrecht, München
| Das deutsche Erwachsenenschutzrecht kennt für den Fall, dass ein Erwachsener insbesondere aufgrund von Alter, Krankheit oder eines Unfalls nicht mehr für sich entscheiden kann, drei Erklärungen: Vorsorgevollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung. Bereits ein kursorischer Vergleich zu Erwachsenenschutzrechten unserer europäischen Nachbarn belegt gravierende Unterschiede. Vorsorge nach deutschem Recht sollte daher auch Risiken grenzüberschreitender Situationen beachten. Dazu Beispiele zur Rechtssituation anderer europäischer Länder ohne Aktualitätsgewähr. |
1. Gesetzlicher Erwachsenenschutz in Europa
Korrespondierend zu unserem Betreuungsrecht (§§ 1896 ff. BGB, §§ 271 ff. FamFG) gibt es in vielen europäischen Ländern ein ausgeprägtes Erwachsenenschutzrecht. Häufig geregelt sind neben der gesetzlich angeordneten Vertretung die gerichtliche Zuständigkeit (international, örtlich, sachlich), der Zugriff auf die Lebensbereiche Gesundheit, Privates und Vermögen, formelle und materielle Beschränkungen der Vertretung (Kontroll- und Genehmigungsvorbehalte). Dazu einige interessante Unterschiede:
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2. Regelungsvielfalt
Sinnvoll ist wegen der Regelungsvielfalt, auch auslandsbezogen eine privatautonome Alternative zu suchen. Die in Deutschland möglichen privatautonomen Alternativen ‒ Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung ‒ sind aber im europäischen Ausland so nicht präsent:
- Bulgarien: Keine der drei Erklärungen ist zulässig.
- Estland: Nur eine Betreuungsverfügung ist zulässig.
- Frankreich: Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung sind zulässig.
- Italien: Betreuungsverfügung und Patientenverfügung sind zulässig.
- Luxemburg: Nur eine Patientenverfügung ist zulässig.
- Malta: Nur eine Vorsorgevollmacht ist möglich.
Weitere Differenzierungen gibt es z. B. bei der Anwendung von Kollisionsnormen oder formalen Anforderungen: In Belgien ist die Registrierung der Erklärung im Zentralregister der Königlichen Vereinigung des belgischen Notariats Wirksamkeitsvoraussetzung; in Frankreich ist als Wirksamkeitsvoraussetzung eine ärztliche Bescheinigung, die die Betreuungsbedürftigkeit bestätigt, vorzulegen; Malta fordert eine ärztliche Bescheinigung der Geschäftsfähigkeit bei Erstellung der Erklärung sowie eine notarielle Registrierung mit zwei Zeugen.
PRAXISTIPP | Bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt sollte auf eine Regelungsnotwendigkeit im Ausland hingewiesen werden (dazu http://www.the-vulnerable.eu/). Ein grenzüberschreitender Sachverhalt kann sich u. a. ergeben aus
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