· Fachbeitrag · Steuerrecht
Niedrigverzinsung zwischen nahen Angehörigen führt zur gemischten Schenkung Dipl.-Finw. (FH), Thomas Rennar, Hannover
| Das kreditrelevante Hochzinsumfeld hat sich aufgrund der aus der stagnierenden Gesamtwirtschaftssituation resultierenden Inflation gegenwärtig durchgesetzt. Der BFH hat insoweit auch aus aktuellem Anlass zur Niedrigverzinsung von Darlehen und deren schenkungsteuerlichen Implikationen entschieden. Hierbei führt eine Niedrigverzinsung von Darlehen insoweit zur gemischten Schenkung und löst somit grundsätzlich Schenkungsteuer aus. |
Sachverhalt
Der Kläger B erhielt von seiner Schwester S ein Darlehen. Die Darlehenssumme wurde rückwirkend zum 1.1.16 mit 1 % verzinst. Das Darlehen wurde auf unbestimmte Zeit gewährt und konnte mit einer Frist von zwölf Monaten erstmals zum 31.12.19 gekündigt werden. Das FA setzte Schenkungsteuer fest. Dabei ging das FA von einem steuerpflichtigen Erwerb mit Wirkung zum 1.1.16 aus. In der verbilligten Überlassung der Darlehenssumme zur Nutzung sah es eine freigebige Zuwendung i. H. d. Differenz zwischen dem tatsächlich vereinbarten Zinssatz von 1 % und dem Zinssatz für den einjährigen Betrag der Nutzung einer Geldsumme gem. § 15 Abs. 1 BewG i. H. v. 5,5 %. Da es sich um Nutzungen und Leistungen von ungewisser Dauer handelte, bewertete es den Nutzungsvorteil mit dem 9,3-fachen des Jahreswerts.Den Einspruch des B wies das FA mit Einspruchsentscheidung als unbegründet zurück. Auch die Klage vor dem FG blieb erfolglos. Seine Revison war dagegen erfolgreich (BFH 31.7.24, II R 20/22, Abruf-Nr. 245101).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Es ist von einer freigebigen Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aufgrund der zinsverbilligten Darlehensgewährung auszugehen.
Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Eine freigebige Zuwendung setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung (objektiv) unentgeltlich ist, und in subjektiver Hinsicht den Willen des Zuwendenden zur Freigebigkeit (BFH 16.9.20, II R 24/18, BStBl. II 21, 621). Die Gewährung eines niedrig verzinsten Darlehens ist als freigebige Zuwendung i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG anzusehen. Gegenstand der Zuwendung ist die teilweise unentgeltliche Gewährung des Rechts, das als Darlehen überlassene Kapital zu nutzen.
Der Empfänger eines niedrig verzinsten Darlehens erfährt durch die Gewährung des Rechts, das als Darlehen überlassene Kapital zu einem niedrigeren Zinssatz als dem marktüblichen zu nutzen, eine Vermögensmehrung, die der Schenkungsteuer unterliegt. Die Minderung des Vermögens des Zuwendenden besteht dabei darin, dass er auf einen Ertrag verzichtet, den er bei verkehrsüblichem Verhalten gezogen hätte (BFH 17.4.91, II R 119/88, BStBl. II 91, 586; 15.3.01, II B 171/99, BFH/NV 01, 1122). Dabei ist es unerheblich, dass zivilrechtlich in der bloßen vorübergehenden Gebrauchsüberlassung einer Sache i. d. R. keine das Vermögen mindernde Zuwendung liegt, wie sie für eine Schenkung gem. § 516 Abs. 1 BGB erforderlich ist (BFH 27.11.13, II R 25/12, BFH/NV 14, 537 zu einem zinslosen Darlehen). Gegenstand der Zuwendung ist der kapitalisierte Nutzungsvorteil.
Nach diesen Grundsätzen ist die zinsverbilligte Nutzungsüberlassung der Darlehenssumme von der S an den B eine freigebige Zuwendung. Der objektive Tatbestand der freigebigen Zuwendung ist erfüllt. Die unentgeltliche Vermögensverschiebung liegt in dem Nutzungsvorteil der Überlassung des Darlehens zu einem günstigeren Zinssatz als dem marktüblichen Zinssatz. Nach den Feststellungen im Streitfall lag bei einem vergleichbaren Darlehen nach den Angaben der Deutschen Bundesbank der Zinssatz 2016 effektiv bei 2,81 %. Der vom B zu zahlende Zinssatz i. H. v. 1 % lag danach unter dem marktüblichen Zinssatz, sodass das Darlehen verbilligt überlassen wurde. Maßgeblich ist der Vorteil des B als Darlehensnehmer, der kein vergleichbares Darlehen zu einem vergleichbar niedrigen Zinssatz von 1 % am Markt hätte aufnehmen können.
Auch der subjektive Tatbestand der freigebigen Zuwendung ist erfüllt. Hierfür reicht das Bewusstsein über die Teilunentgeltlichkeit des Rechtsgeschäfts aus. Sowohl der S als auch dem Rechtsanwalt als Ergänzungspfleger musste bei einem Zinssatz von 1 % und einer grundsätzlich unbestimmten Laufzeit bewusst gewesen sein, dass das Darlehen teilweise unentgeltlich gewährt wurde. Bei der S genügte eine zutreffende laienhafte Erfassung des rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalts. Nicht ausschlaggebend für die Erfüllung des subjektiven Tatbestands der freigebigen Zuwendung ist, ob der Ergänzungspfleger mit Abschluss des Darlehens zivilrechtlich ordnungsgemäß gehandelt hat, oder ob die Beteiligten davon ausgingen, dass eine alternative und zugleich sichere Anlage des Geldes zu keinem höheren Zinssatz möglich gewesen wäre.
Die Auffassung des FG, dass bei der Bewertung der Zuwendung nach § 15 Abs. 1 BewG der Zinssatz von 5,5 % anzuwenden sei, da kein niedriger Zinssatz feststehe, ist unzutreffend. Bei niedrig verzinsten Darlehen ist die für die schenkungsteuerrechtliche Steuerberechnung maßgebliche Zinsdifferenz aus dem Unterschied zwischen dem vereinbarten Zinssatz und dem sich aus § 15 Abs. 1 BewG ergebenden Zinssatz zu bilden. Durch die Formulierung in § 15 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BewG „wenn kein anderer Wert feststeht“ hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass grundsätzlich von dem gemeinen Wert der Nutzung i. H. v. 5,5 % auszugehen ist, ein anderer Wert aber dann herangezogen werden kann, wenn dieser feststeht.
Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zur bisherigen BFH-Rechtsprechung. Der BFH hat insoweit bereits entscheiden, dass dem Ansatz von 5,5 % i. S. d. § 15 Abs. 1 BewG ein abweichender „Marktpreis“ nicht entgegensteht (vgl. BFH 17.4.91, II R 119/88, BStBl. II 91, 586). Damit ist aber lediglich gemeint, dass nicht ein allgemeiner marktüblicher Zinssatz herangezogen werden kann, bei dem nicht bekannt ist, ob die zugrundeliegenden Darlehen zu vergleichbaren Bedingungen abgeschlossen wurden wie das tatsächlich vereinbarte Darlehen. Dadurch wird aber nicht ausgeschlossen, dass ein marktüblicher Zinssatz heranzuziehen ist, der bei Vergleichbarkeit der dem Darlehen zugrundeliegenden Bedingungen festgestellt wird, sodass in einem solchen Fall nicht der gesetzliche Zinssatz i. H. v. 5,5 % herangezogen werden darf.
Der als Schenkung anzusehende Nutzungsvorteil des B ist danach der Zinsvorteil, der mit der Differenz zwischen dem festgestellten marktüblichen Darlehenszinssatz i. H. v. 2,81 % und dem vereinbarten Zinssatz i. H. v. 1 % anzusetzen ist und somit 1,81 % beträgt. Unerheblich ist danach, ob sich aus dem Abzinsungsausschluss nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG ein anderer Zinssatz ergeben kann oder der gesetzliche Zinssatz i. H. v. 5,5 % nach § 15 Abs. 1 BewG verfassungswidrig ist.
Relevanz für die Praxis
Der Entscheidung sind folgende Punkte zu entnehmen:
- Der BFH hat entschieden, dass die verbilligte Überlassung eines Darlehens zu einem niedrigeren als dem marktüblichen Zinssatz als freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt.
- Die Zuwendung liegt im Nutzungsvorteil des Darlehensnehmers, der durch den niedrigeren Zinssatz einen Vermögensvorteil erhält, der der Schenkungsteuer unterliegt.
- Maßgeblich für die Berechnung der Zinsdifferenz ist ein feststellbarer marktüblicher Zinssatz, der die tatsächlichen Darlehensbedingungen berücksichtigt; der gesetzliche Zinssatz von 5,5 % ist nur anzuwenden, wenn kein anderer Wert ermittelt werden kann.