· Fachbeitrag · Umgangspfleger
Rückforderung überzahlter Vergütung versus Vertrauensgrundsatz
von VRiOLG a.D. Dr. Jürgen Soyka, Meerbusch
| Der BGH hat aktuell klargestellt, unter welchen Voraussetzungen der Umgangspfleger eine Vergütung beanspruchen kann und was bei einem Rückforderungsverlangen wegen Überzahlung zu beachten ist. |
Sachverhalt
Durch Beschluss richtete das Gericht eine Umgangspflegschaft ein und wählte einen Umgangspfleger aus. Dabei ordnete es an, dass der Umgangspfleger auch die Aufgabe hat, in Abstimmung mit den Eltern unter Beachtung des Kindeswohls die Möglichkeit für einen Übergang des derzeit begleiteten Umgangs in einen von der Mutter gewünschten unbegleiteten Umgang zu prüfen und umzusetzen. Die Umgangspflegschaft wurde mehrfach verlängert. Der Umgangspfleger berichtete mehrfach und schilderte auch seine Umgangsbegleitungen. Für seine Tätigkeit, die zu einem wesentlichen Teil auch seine Anwesenheit bei den Umgangskontakten umfasste, wurde ihm eine Vergütung gezahlt. Die Staatskasse hat dies hingenommen, aber für einen späteren Zeitraum beantragt, eine gerichtliche Entscheidung über die Vergütung der Festsetzungsanträge des Umgangspflegers dahin zu treffen, dass von einer Vergütung für die auf die Umgangsbegleitungen entfallenden Aufwendungen abzusehen sei. Das AG hat die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung entsprechend dem Antrag des Umgangspflegers festgesetzt. Dagegen wendet sich die Staatskasse erfolglos mit Beschwerde und Rechtsbeschwerde.
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Entscheidungsgründe
Dem Umgangspfleger steht für den mit der Anwesenheit bei den Umgangskontakten verbundenen Aufwand kein Vergütungsanspruch, § 1684 Abs. 3 S. 6 BGB i. V. m. § 277 FamFG, zu. Danach erfolgt dessen Vergütung nach § 1, 2 und 3 Abs. 1 VBVG, der Anspruch auf Aufwendungsersatz aus § 1835 Abs. 1 BGB. Voraussetzung für einen Vergütungsanspruch gem. § 277 Abs. 2 FamFG ist, dass der Umgangspfleger die Pflegschaft berufsmäßig ausführt. Demgegenüber regeln die Vorschriften zur Umgangsbegleitung in § 1684 Abs. 4 S. 3 und 4 BGB keine Kostenerstattung. Daraus ist abzuleiten, dass die Umgangspflegschaft einerseits und die Umgangsbegleitung andererseits eigenständigen Regelungen unterliegen. Daher ist streitig, ob der Umgangspfleger mit der Begleitung von Umgängen vom Gericht betraut werden darf und für die angeordneten, in seiner Anwesenheit stattfindenden Umgänge einen Anspruch auf Aufwendungsersatz bzw. auf Vergütung hat. Die Anordnung der Umgangspflegschaft ist von der Anordnung eines begleiteten Umgangs abzugrenzen:
- Die Umgangspflegschaft kommt in den Fällen in Betracht, in denen der betreuende Elternteil oder die Obhutsperson i. S. d. § 1684 Abs. 2 S. 2 BGB das Umgangsrecht des getrennt lebenden Elternteils erheblich vereitelt. Die Umgangspflegschaft umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes zu verlangen, um den Umgang durchzuführen, und für die Dauer des Umgangs dessen Aufenthalt zu bestimmen. Mit ihrer Anordnung wird somit insbesondere in das Aufenthaltsbestimmungsrecht des betreuenden Elternteils eingegriffen, das für die Zeit des Umgangs auf den Pfleger übergeht.
- Adressat der Anordnung eines begleiteten Umgangs ist dagegen der Umgangsberechtigte, etwa, weil eine Gefährdung des Kindeswohls nicht auszuschließen ist. Insoweit wird in sein Elternrecht, unter Ausschluss Dritter Umgang mit dem Kind zu haben, eingegriffen. Der Umgangspfleger muss die Umgangskontakte begleiten, um seinen Aufgaben gerecht zu werden.
Beide Aufgabenbereiche können sich überschneiden. Sollte die Anwesenheit des Umgangspflegers auch bei den Umgangskontakten erforderlich sein, muss ihm auch eine Vergütung zustehen, § 1684 Abs. 3 S. 6 BGB. Das Gericht muss dafür aber seine Anwesenheit bei den Umgangskontakten ausdrücklich anordnen. Hier besteht kein Anspruch des Umgangspflegers auf eine zusätzliche Vergütung, weil an einer ausdrücklichen Anordnung des Gerichtes fehlt.
Einem Rückforderungsanspruch der Staatskasse steht hier aber der Grundsatz des Vertrauensschutzes entgegen. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch auf Rückforderung überzahlter Betreuervergütung kann entfallen, wenn eine Abwägung im Einzelfall ergibt, dass das Vertrauen des Berufsbetreuers auf die Beständigkeit der eingetretenen Vermögenslage gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung einer dem Gesetz entsprechenden Vermögenslage vorrangig ist. Dem Vertrauensschutzgedanken steht nicht entgegen, dass von einem berufstätigen Umgangspfleger die Kenntnis der Vergütungsabrechnungsvorschriften erwartet werden kann.
Der Vertrauensschutz ist bei der Festsetzung der Vergütung des Umgangspflegers im gerichtlichen Verfahren (§ 168 Abs. 1 S. 1 FamFG) zu prüfen, damit im Fall zu viel gezahlter Beträge zugleich der Rechtsgrund für deren Rückforderung geschaffen wird. Hier ist der Vertrauensschutz vorrangig, weil der Umgangspfleger gegenüber dem AG über seine Aktivitäten berichtet und seine Anwesenheit bei den Umgängen hervorgehoben hat. Er konnte davon ausgehen, dass das Gericht davon Kenntnis nimmt, und ihn ggf. darauf hätte hinweisen müssen, wenn seine Anwesenheit beim Umgang für nicht erforderlich gehalten worden wäre. Solche Hinweise sind aber nicht erfolgt. Vielmehr sind die beantragten Vergütungen für die Anwesenheit beim Umgang bezahlt worden.
Offenbleiben kann, ob der Vertrauensschutz als Anspruchsgrundlage für ein Vergütungsbegehren herangezogen werden darf oder nur als Einwendung bei der Rückforderung zu viel gezahlter Vergütung gilt. Denn hier ging es um ein Rückforderungsverlangen und nicht um eine Erstfestsetzung. Es ist zwischen diesen beiden Fallkonstellationen zu differenzieren:
- Im Vergütungsfestsetzungsverfahren, das auf Vertrauensschutz gestützt wird, darf der Vertrauensschutz nicht geprüft werden. Denn es ist nicht Aufgabe des Rechtspflegers zu entscheiden, ob es noch weitere außerhalb des Vergütungsrechts gebende Anspruchsgrundlagen gibt. Folge: Der Vertrauensschutz ist nicht anspruchsbegründend.
- Geht es aber ‒ wie hier ‒ um die Frage, ob der Vertrauensschutz einer Rückforderung entgegenstehen kann, ist diese Frage bereits als Einwendung, die im Vergütungsrecht ihren Grund hat, von dem Rechtspfleger zu prüfen.
Relevanz für die Praxis
Der BGH differenziert nach dem Aufgabenbereich des Umgangspflegers. Wird die Umgangspflegschaft angeordnet, weil der betreuende Elternteil oder die Obhutsperson das Umgangsrecht des anderen Elternteils vereitelt, dient die Pflegschaft dazu, das Bestimmungsrecht des Betreuenden zu beschränken und für die Zeit des Umgangs auf den Umgangspfleger zu übertragen. Folge: Es ist nicht nötig, dass der Umgangspfleger die Umgangskontakte begleitet.
Wird ein begleitender Umgang angeordnet, ist Adressat der Anordnung der Umgangsberechtigte, etwa weil das Kindeswohl gefährdet sein kann. Der Umgangspfleger kann die ihm übertragenen Aufgaben nur sachgerecht wahrnehmen, wenn seine Teilnahme am Umgang Bestandteil der Umgangspflegschaft ist. Für diesen Fall ist ihm eine Vergütung zu zahlen.
Aufgabe der Gerichte und der Umgangspfleger wird es sein, eine klare Entscheidung über die Anwesenheit bei den Umgangskontakten zu schaffen bzw. zu erlangen, damit es keinen Streit bei der Festsetzung der Vergütung gibt.
Soweit kein Anspruch auf Vergütung besteht, geht es um die Frage des Vertrauensschutzes. Hier ist zu unterscheiden:
Weiterführender Hinweis
- BGH FamRZ 14, 113, die vorliegende Entscheidung knüpft daran an