Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Kindeswohlgefährdung

    Zurückführung des Kindes in die Herkunftsfamilie steht und fällt mit der Prognoseentscheidung

    von RAin Dr. Gudrun Möller, FAin Familienrecht, BGM Anwaltssozietät, Münster

    | Das OLG Braunschweig zeigt, unter welchen Voraussetzungen ein Kind nach einer möglichen schweren Verletzung durch die Eltern zu diesen zurückgeführt werden kann. |

     

    Sachverhalt

    Die Eltern brachten ihre in 2022 geborene Tochter T Ende des Jahres in eine Klinik. Es wurden schwerwiegende Verletzungen diagnostiziert. Sie gaben an, dass die T bei der Fahrt zur U3-Untersuchung stark durchgerüttelt worden sei und sich erbrochen habe. Sie zogen mit T in eine Eltern-Kind-Einrichtung, wo sie bis März 23 verblieben. Das Jugendamt (JA) wandte sich an das AG, um zu klären, wie es anschließend weitergehen sollte. Das gerichtsmedizinische Gutachten deutete auf ein Schütteltrauma hin. Mit Beschluss entzog das AG den Eltern durch einstweilige Anordnung vorläufig u. a. das Aufenthaltsbestimmungsrecht und übertrug es dem JA. Die T wurde in eine Bereitschaftspflege verbracht, wo sie bis Anfang Mai 24 gelebt hat. Das AG hat ein Gutachten über die Erziehungsfähigkeit der Eltern eingeholt und mit Beschluss die einstweilige Anordnung aufrechterhalten. Der Sachverständige stellte fest, dass die Erziehungsfähigkeit der Eltern eingeschränkt sei und eine narzisstische Persönlichkeitsakzentuierung des Vaters V potenziell problematisch sei. Nach dem Abschlussbericht des JA wird die Zusammenarbeit mit den Eltern positiv beschrieben. Gem. dem Gutachten seien die Verletzungen nur mit einem Schütteltrauma zu vereinbaren. Das von den Eltern eingeholte Gutachten wies auf alternative Ursachen hin. Das AG hat den Eltern durch Beschluss u. a. das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen und dies dem JA übertragen. Die Beschwerde der Eltern dagegen war erfolgreich.

     

    • 1. Wurden einem Kind durch einen Elternteil mit hoher Wahrscheinlichkeit schwere gesundheitliche Schäden (hier in Gestalt eines sog. Schütteltraumas) zugefügt, ist im Einzelfall zu prüfen, ob prognostisch erneut mit ähnlich schwerwiegenden Schäden zu rechnen ist. Selbst schwere Verletzungen müssen einer Rückführung nicht generell entgegenstehen, wenn eine hohe Prognosesicherheit dahin gehend besteht, dass es nicht erneut zu derartigen Schäden kommt.
    • 2. Wiegt der drohende Schaden für das Kindeswohl weniger schwer, steigen für die Rechtfertigung einer Fortsetzung der Trennung des Kindes von seinen Eltern die an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu stellenden Anforderungen.
    • 3. Für die Prognoseentscheidung ist auch von Bedeutung, ob das verbleibende Gefährdungsrisiko durch die äußeren Lebensbedingungen von Eltern und Kind ‒ etwa in einer geeigneten Einrichtung ‒ weiter minimiert, wenn nicht gar beseitigt werden kann. Dabei spielt auch die Bereitschaft der Eltern zur eigenen psychotherapeutischen Behandlung sowie zur umfassenden Kooperation im Rahmen stationärer und ambulanter Jugendhilfemaßnahmen eine Rolle.