· Fachbeitrag · Umgangsrecht
Verhängung von Ordnungsgeld gegen das Jugendamt als Amtsvormund
von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf
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Sachverhalt
Der Antragsteller ist der Vater des 2004 geborenen Kindes. Das am Verfahren beteiligte Jugendamt (JA) ist dessen Vormund. Das Kind lebt in einer Pflegefamilie. Der Umgang zwischen Vater und Kind ist durch gerichtlich gebilligte Vereinbarung geregelt worden. Das AG hat das JA darauf hingewiesen, dass beim Verstoß gegen die Umgangsregelung ein Ordnungsgeld festgesetzt werden kann. Nachdem das Kind zum Umgang mit den Eltern nicht bereit war, hatte der Vater erfolglos beantragt, gegen das JA ein Ordnungsgeld festzusetzen. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb ohne Erfolg. Die zugelassene Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Entscheidungsgründe
Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Ordnungsgeldes ist § 89 Abs. 1 S. 1 FamFG. Ein gerichtlich gebilligter Vergleich ist nach § 156 Abs. 2 FamFG ein Vollstreckungstitel (§ 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG) und kann Grundlage für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes sein.
MERKE | Das Ordnungsgeld ist ein Zwangs- und kein Beugemittel, sodass es unerheblich ist, dass die vereinbarten Umgangstermine bereits verstrichen sind. |
Der Hinweis gemäß § 89 Abs. 2 FamFG wurde erteilt.
Gegen das JA als Amtsvormund kann Ordnungsgeld festgesetzt werden
Gegen das JA als Amtsvormund kann ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. § 1837 Abs. 3 S. 2 BGB steht dem nicht entgegen. Danach kann gegen das JA als Amtsvormund im Gegensatz zum Einzelvormund kein Zwangsgeld festgesetzt werden. Die Vorschrift ist aber nicht anwendbar, wenn das JA Verpflichteter eines Vollstreckungstitels ist und somit eine Zuwiderhandlung begehen kann, zumal es hier um ein Ordnungs- und nicht um ein Zwangsgeld geht. Gegenstand des § 1837 Abs. 3 S. 2 BGB ist die Beratung und Aufsicht des Vormundes durch das Familiengericht. Sie betrifft somit die gem. § 3 Nr. 2a, § 14 RPflG dem Rechtspfleger übertragene allgemeine Aufsicht über die Amtsführung und die insoweit zulässigen gerichtlichen Maßnahmen. Damit ist die Beteiligung des JA als Amtsvormund am familiengerichtlichen Verfahren nicht vergleichbar. In Kindschaftsverfahren ist es unerlässlich, dass das Familiengericht dem JA als Amtsvormund etwa für dessen Wahrnehmung des Aufenthaltsbestimmungsrechts konkrete Pflichten auferlegen kann. Insbesondere die Umgangsregelung bedarf, um das unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK stehende Umgangsrecht zu wahren, einer effizienten gerichtlichen Geltendmachung und Vollstreckung. Für einen effektiven Rechtsschutz muss die familiengerichtliche Anordnung vollstreckt werden können, wenn ihr zuwider gehandelt wird. Damit fehlt es für eine entsprechende Anwendung des § 1837 Abs. 3 S. 2 BGB an der notwendigen Vergleichbarkeit der Sachverhalte. Zudem ist es kein Hinderungsgrund, dass sich die Vollstreckung gegen eine Behörde richtet. Vielmehr war das JA am Ausgangsverfahren zur Umgangsregelung als Amtsvormund beteiligt und in dieser Eigenschaft Verpflichteter des Vollstreckungstitels.
Festsetzung des Ordnungsmittels konnte nicht unterbleiben
Fraglich ist, ob die Festsetzung des Ordnungsmittels gemäß § 89 Abs. 4 S. 1 FamFG unterbleiben konnte, weil das JA die unzureichende Realisierung der Umgangskontakte nicht zu vertreten hatte. Der Verpflichtete muss die Umstände, die den Grund für das Scheitern der Umgangskontakte darstellen, im Einzelnen darlegen. Denn solche Umstände liegen regelmäßig in der Sphäre des Verpflichteten und sind im Nachhinein nur eingeschränkt feststellbar. Scheitert es schon an einer detaillierten Erläuterung, warum der Verpflichtete die gerichtliche Anordnung nicht befolgen konnte, kann nicht von der Festsetzung des Ordnungsmittels abgesehen oder es nachträglich aufgehoben werden. Wird die Zuwiderhandlung gegen eine gerichtliche Umgangsentscheidung insbesondere auf den entgegenstehenden Willen eines Kindes gestützt, muss der Verpflichtete im Einzelfall darlegen, wie er auf das Kind eingewirkt hat, um es zum Umgang zu bewegen. Diese Darlegungslast obliegt in gleicher Weise dem JA als Adressat der Verpflichtung.
Zwar verfügt der Amtsvormund aufgrund des nur sporadischen Kontakts zum Kind nicht über die Einflussmöglichkeiten der Pflegeeltern, um es zu motivieren, die Umgangskontakte mit den Eltern wahrzunehmen. Dies ändert nichts daran, dass das JA dafür sorgen muss, dass die Kontakte zwischen Kind und Eltern auch stattfinden. Das JA ist aufgrund der Vormundschaft Inhaber der elterlichen Sorge. Es verfügt daher über rechtliche Einflussmöglichkeiten hinsichtlich der Erziehung und Lebensgestaltung des Kindes, wie sie sonst den Eltern zustehen. Das JA muss nach § 37 Abs. 1 S. 3 SGB VIII während der Pflege durch Beratung und Unterstützung der Familien darauf hinwirken, dass die Beziehung des Kindes oder Jugendlichen zur Herkunftsfamilie gefördert wird. Ferner muss es gem. Abs. 3 S. 1 der Vorschrift den Erfordernissen des Einzelfalls entsprechend an Ort und Stelle überprüfen, ob die Pflegeperson eine dem Wohl des Kindes und des Jugendlichen förderliche Erziehung gewährleistet. Daher benötigen die Pflegeeltern nach § 44 SGB VIII eine Erlaubnis zur Vollzeitpflege, die nach § 44 Abs. 2 S. 1 SGB VIII zu versagen ist, wenn das Wohl des Kindes nicht gewährleistet ist. Außerdem steht es dem JA als Vormund offen, das Kind einer anderen Pflegestelle anzuvertrauen. Das JA muss alle ihm als Fachbehörde zur Verfügung stehenden psychologischen, Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten ausschöpfen, um die Pflicht zu erfüllen, die Umgangskontakte zu ermöglichen.
Prüfung des Kindeswohls erfolgt im Erkenntnisverfahren
Die Prüfung der Kindeswohldienlichkeit der Umgangskontakte muss im Erkenntnisverfahren stattfinden. Die Vollstreckung nach § 86 Abs. 1 Nr. 2, § 89 Abs. 1 FamFG baut darauf auf. Die Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Entscheidung wird grundsätzlich nicht erneut geprüft. Auch wenn der Umgangstitel wegen der jederzeitigen Abänderbarkeit nicht in materielle Rechtskraft erwächst, bedarf ein nach § 86 Abs. 2 FamFG mit seiner Wirksamkeit vollstreckbarer Umgangstitel einer effektiven Durchsetzungsmöglichkeit. Neu hinzugetretene Umstände können der Vollstreckung deswegen nur zur Wahrung des Kindeswohls entgegenstehen, wenn darauf auch ein zulässiger Antrag auf Abänderung des Ausgangstitels und auf Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 93 Abs. 1 Nr. 4 FamFG gestützt ist.
JA hätte notfalls ein Abänderungsverfahren einleiten müssen
Die mangelnde Beteiligung der Pflegeeltern im Ausgangsverfahren ist unerheblich. Denn das JA verfügt über ausreichende Einflussmöglichkeiten.
Das JA hat den Umgang vereinbart, obwohl eine ablehnende Haltung des Kindes geltend gemacht worden war. Daher reicht es nicht aus, dass das JA das Kind anhielt oder überredete, die Umgangskontakte wahrzunehmen. Es ist nicht festgestellt, welche zusätzlichen Maßnahmen das JA ergriffen hat, um die Gründe des Kindes herauszufinden und ggf. geeignete Unterstützungsmaßnahmen zu treffen. Die Weigerungshaltung darf aber wegen der schon im Erkenntnisverfahren nicht aufgeklärten Ursache nicht ohne Weiteres dazu führen, dass die gleichwohl geschlossene Umgangsvereinbarung sich im Vollstreckungsverfahren als wirkungslos erweist. Vielmehr kann ein Abänderungsverfahren eingeleitet werden, in dem alle Aufklärungsmöglichkeiten auszuschöpfen sind. Die im Erkenntnisverfahren getroffene Regelung muss - auf sachverständige Beratung gestützt - erneut überprüft werden.
Praxishinweis
Gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes wegen Verweigerung von Umgangskontakten gem. § 89 Abs. 1 FamFG wird oft vorgebracht, dass das Kind den Umgang verweigert und dieser nicht dem Kindeswohl entspricht. Dieser Einwand ist unerheblich, da die Prüfung des Kindeswohls ausschließlich im Erkenntnisverfahren erfolgt. Zulässig ist nur - wenn sich die Umstände verändert haben - einen Abänderungsantrag bezüglich der Hauptsacheentscheidung verbunden mit einem Antrag auf Einstellung der Vollziehung zu stellen, damit der Kindeswohlaspekt überprüft werden kann.
Musterformulierung / Antrag auf Abänderung |
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Fraglich ist, wie die Hinweispflicht nach § 89 Abs. 2 FamFG beim Umgangsvergleich zu erfüllen ist. Danach muss der Beschluss, der die Herausgabe der Person oder die Regelung des Umgangs anordnet, auf die Folgen der Zuwiderhandlung gegen den Vollstreckungstitel hinweisen. Eine Umgangsvereinbarung ist aber keine gerichtliche Entscheidung. Es ist nicht erforderlich, den Umgangsvergleich familiengerichtlich zu genehmigen, § 156 Abs. 2 FamFG. Die Vorschrift enthält eine Legaldefinition des gerichtlich gebilligten Vergleichs. Dieser wird dadurch geschaffen, dass das Gericht eine einvernehmliche Regelung als Vergleich aufnimmt. Dies darf nur geschehen, wenn das Gericht diese billigt. Dadurch ist bereits der gerichtlich gebilligte Vergleich geschlossen worden. Eine nachträgliche familiengerichtliche Genehmigung ist nicht mehr erforderlich. Daher läuft § 89 Abs. 2 FamFG eigentlich leer, da es keinen Beschluss gibt, der die Umgangsregelung anordnet. Es muss daher möglich sein, in einem weiteren Beschluss auf die Folgen des § 89 Abs. 2 FamFG hinzuweisen (BVerfG NJW 11, 2347). Bemerkenswert ist, dass der Gesetzgeber es nicht für notwendig ansieht, den Zeitpunkt des Hinweises zu regeln. Dies führt dazu, dass man das Gesetz nicht so ernst nehmen und die Regelungen gegen Wortlaut auslegen darf. Dies trägt nicht besonders zur Vertrauensbildung in gesetzliche Regelungen bei.
Offen gelassen hat der BGH, ob gegen das JA auch ein Ordnungsgeld verhängt werden kann, wenn es nur bei seiner Beteiligung nach § 7 Abs. 2 Nr. 2, § 162 Abs. 2 S. 2 FamFG sein Einverständnis mit der Umgangsregelung erklärt und deren Unterstützung gem. § 18 Abs. 3 SGB VIII zugesichert hat. Dies hat der BGH deswegen unentschieden gelassen, weil das JA im vorliegenden Fall in seiner Eigenschaft als Amtsvormund Beteiligter war. Die Problematik liegt darin, dass das JA, das nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG von Amts wegen beteiligt ist, nur die Rechte geltend machen kann, die sich aus dem FamFG in § 162 Abs. 1 bis 3 FamFG (Anhörung, Rechtsmittel einlegen und Beteiligung bei Kindeswohlgefährdung) ergeben. Weitere Verfahrensrechte stehen dem JA nicht zu. Erklärt das JA mit einer Umgangsregelung sein Einverständnis, wird es damit nicht zum Beteiligten des Vollstreckungstitels, sodass kein Ordnungsgeld verhängt werden darf.
Weiterführender Hinweis
- BGH FamRZ 12, 533, die hier besprochene Entscheidung knüpft an diese Entscheidung an