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  • · Nachricht · Umgangsrecht

    Wechselmodell: Anordnung durch gerichtliche Umgangsregelung

    | Der BGH hat entschieden, dass und unter welchen Voraussetzungen das Gericht auf Antrag eines Elternteils gegen den Willen des anderen ein sog. paritätisches Wechselmodell, also die etwa hälftige Betreuung durch beide Eltern, als Umgangsregelung anordnen darf ( BGH 1.2.17, XII ZB 601/15 ). |

     

    Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die geschiedenen Eltern ihres im April 2003 geborenen Sohnes (S). Sie sind gemeinsam sorgeberechtigt. Der S hält sich überwiegend bei der Mutter (M) auf. Die Eltern trafen eine Umgangsregelung, nach der der S den Vater (V) alle 14 Tage am Wochenende besucht. Im vorliegenden Verfahren erstrebt der V eine Umgangsregelung in Form eines paritätischen Wechselmodells an. Er will den S im wöchentlichen Turnus abwechselnd von Montag nach Schulschluss bis zum folgenden Montag zum Schulbeginn zu sich nehmen. Der Antrag und die Bschwerde des V blieben erfolglos. auf die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde hat der BGH den Beschluss des OLG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

     

    Nach § 1684 Abs. 1 BGB hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil und ist jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Gem. § 1684 Abs. 3 S. 1 BGB kann das Familiengericht über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln. Das Gesetz erlaubt, dass die gerichtlich angeordneten Umgangskontakte zu hälftigen Betreuungsanteilen der Eltern führen. Der Wortlaut erfasst auch eine Betreuung des Kindes durch hälftige Aufteilung der Umgangszeiten auf die Eltern. Zwar orientiert sich das Gesetz am Residenzmodell, also an Fällen mit überwiegender Betreuung durch einen Elternteil bei Ausübung eines begrenzten Umgangsrechts durch den anderen. Dies besagt aber nur, dass die praktisch häufigste Gestaltung Ausgangspunkt der Regelung ist, nicht hingegen, dass damit das Residenzmodell als gesetzliches Leitbild festgelegt werden sollte, das andere Betreuungsmodelle ausschließt. Dass ein Streit über den Lebensmittelpunkt des Kindes auch die elterliche Sorge und als deren Teilbereich das Aufenthaltsbestimmungsrecht betrifft, spricht jedenfalls beim gemeinsamen Sorgerecht der Eltern nicht gegen die Anordnung des Wechselmodells im Wege einer Umgangsregelung. Eine zum paritätischen Wechselmodell führende Umgangsregelung steht mit dem gemeinsamen Sorgerecht im Einklang, zumal beide Eltern gleichberechtigte Inhaber der elterlichen Sorge sind und die im Wechselmodell praktizierte Betreuung sich als entsprechende Sorgerechtsausübung im gesetzlich vorgegebenen Rahmen hält.

     

    Maßstab der Anordnung eines Umgangsrechts ist neben den Elternrechten allerdings das Kindeswohl. Das Gericht muss es nach Lage des Einzelfalls prüfen. Das Wechselmodell ist anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht. Das Wechselmodell stellt gegenüber herkömmlichen Umgangsmodellen höhere Anforderungen an die Eltern und das Kind, das bei doppelter Residenz zwischen zwei Haushalten pendelt und sich auf zwei hauptsächliche Lebensumgebungen ein- bzw. umstellen muss. Das paritätische Wechselmodell setzt zudem eine bestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern voraus. Dem Kindeswohl entspricht es dagegen regelmäßig nicht, ein Wechselmodell zu dem Zweck anzuordnen, diese Voraussetzungen erst herbeizuführen. Ist das Verhältnis der Eltern erheblich konfliktbelastet, liegt die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Anordnung i. d. R. nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes. Wesentlich ist zudem der Kindeswille, dem mit steigendem Alter zunehmendes Gewicht beizumessen ist.

     

    Das Familiengericht ist im Verfahren zu einer umfassenden Aufklärung verpflichtet, welche Form des Umgangs dem Kindeswohl am besten entspricht. Dies erfordert auch die persönliche Anhörung des Kindes. Hier hatte das OLG den S nicht persönlich angehört, weil es zu Unrecht davon ausgegangen war, dass eine auf ein Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung unzulässig wäre. Die Anhörung ist daher nachzuholen.

     

    Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 25/2017 vom 27.2.17

    Quelle: ID 44545934