Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Ehegattenunterhalt

    Ehebedingter Nachteil: So prüfen Sie ihn richtig

    von VRiOLG a.D. Dr. Jürgen Soyka, Meerbusch

    | Der BGH hat aktuell klargestellt, bei wem der ehebedingte Nachteil zu berücksichtigen ist und welche Konsequenzen er hat. |

     

    Sachverhalt

    Der Antragsteller (M) beantragt die Abänderung des gerichtlichen Vergleichs dahin gehend, der Antragsgegnerin (F) keinen nachehelichen Unterhalt mehr zu schulden. Die F ist gelernte Bürokauffrau und hat eine Fortbildung absolviert. Hätte sie ihre Erwerbstätigkeit nach der Geburt des ersten Kindes nicht aufgegeben, könnte sie deutlich mehr verdienen. Das AG hat den Unterhalt herabgesetzt. Auf die Beschwerde hat das OLG den Unterhaltsbetrag höher angesetzt. Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde des M blieb erfolglos.

     

    Der ehebedingte Erwerbsnachteil des unterhaltsberechtigten Ehegatten begrenzt regelmäßig die Herabsetzung seines nachehelichen Unterhaltsanspruchs gem. § 1578b Abs. 1 BGB. Dieser Nachteil ist nicht hälftig auf beide geschiedenen Ehegatten zu verteilen, sondern in voller Höhe zugunsten des Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen (Abruf-Nr. 186991).

     

    Entscheidungsgründe

    Der ehebedingte Nachteil i. S. d. § 1578b Abs. 1 BGB ist nicht aufgrund der erzielbaren Erwerbseinkünfte im Verhältnis zu den ohne die Ehe erzielbaren Erwerbseinkünften hälftig zwischen Unterhaltsberechtigten und -pflichtigen zu teilen. Zwar bildet er regelmäßig die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts. Ihn aber auf beide zu verteilen, würde dazu führen, dass dem Berechtigten entgegen dem gesetzgeberischen Willen aus eigenem Einkommen und nachehelichen Unterhalt nicht die finanziellen Mittel zur Verfügung stünden, die seinen eigenen angemessenen Lebensbedarf decken. Bei der Pflicht, nachehelichen Unterhalt zu zahlen, handelt es sich nicht um eine durch die eheliche Rollenverteilung bedingte Einbuße in der Möglichkeit, Einkünfte zu erzielen. Vielmehr ist dies eine von Gesetzes wegen an die Scheidung geknüpfte Rechtsfolge, die die Verteilung des Einkommens betrifft.

     

    Der Gedanke der Nachteilshalbierung stützt sich auf den Zirkelschluss, bei der Ermittlung des Unterhaltsanspruchs eben diesen Anspruch als Bemessungsfaktor zu berücksichtigen.

     

    Es steht auch nicht im Widerspruch zum ZGA, den ehebedingten Nachteil vollständig zu berücksichtigen. Denn beim ZGA geht es darum, ehezeitlich erworbenes Vermögen zu verteilen, während sich § 1578b BGB damit befasst, einen nachehelichen Unterhaltsbedarf abzudecken.

     

    Zudem sind Befristung und zeitliche Begrenzung kombinierbar. Es ist möglich, ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch Unterhalt zu zahlen, der den angemessenen Lebensbedarf des Berechtigten nicht vollständig abdeckt.

     

    Der ehebedingte Nachteil ist durch ehebedingte Vorteile kompensierbar. Fraglich ist, ob sich der ehebedingte Nachteil der F nicht durch Zinserträge aus ihrem Vermögen reduziert. Dies gilt, wenn es sich um einen aus der Ehe herrührenden Vorteil handeln würde. Dies setzt voraus, dass die F damit Einkünfte erzielt, die ihr ohne die Ehe nicht zur Verfügung stehen würden. Das ist hier aber nicht der Fall, weil der M dies nicht vorgetragen hat. Zudem können zurzeit keine relevanten Zinseinkünfte erzielt werden. Die F muss sich nur auf eine sichere Geldanlage verweisen lassen.

     

    Den aus dem Verkauf des gemeinsamen Hauses erlangten Vermögensstamm muss F nicht gem. § 1577 Abs. 3 BGB für Unterhaltszwecke einsetzen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Befristung und zeitliche Begrenzung sind kombinierbar. Dies ist aber nur möglich, wenn der Unterhalt nicht eingesetzt werden muss, um den ehebedingten Nachteil auszugleichen, sondern der Gesamtunterhalt unter dem angemessenen Lebensbedarf liegen kann. Besteht kein ehebedingter Nachteil, verfügt der Berechtigte über den angemessenen Lebensbedarf, sodass der Unterhalt nur befristet werden kann. Dies folgt daraus, dass der Unterhaltsberechtigte mit seinem Einkommen den angemessenen Lebensbedarf bereits deckt, sodass der Unterhalt zu dessen Sicherstellung nicht mehr eingesetzt werden muss. Letztlich ist die Befristung ein Sonderfall der Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf, den der Unterhaltsberechtigte bereits besitzt.

     

    Entspricht das Einkommen nicht dem angemessenen Lebensbedarf, ergeben sich aus der Differenz ehebedingte Nachteile, die grundsätzlich durch den Unterhalt ausgefüllt werden müssen. In diesem Fall ist eine Herabsetzung des Unterhalts auf den angemessenen Lebensbedarf möglich. Eine Befristung würde dazu führen, dass der angemessene Lebensbedarf nicht erreicht würde, was nach der Ansicht des BGH nicht möglich ist. Also hängt die Frage der Befristung und Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf davon ab, ob ehebedingte Nachteile gegeben sind oder nicht.

     

    Bei der Kombination von Befristung und Herabsetzung (§ 1578b Abs. 3 BGB) ist es nach einem gewissen Zeitraum möglich, den ehebedingten Nachteil durch den Unterhalt nicht vollständig auszugleichen, sodass dem Unterhaltsberechtigten durch eine Befristung des Unterhalts letztlich weniger verbleibt, als es seinem angemessenen Lebensbedarf entspricht.

     

    Zu Recht hat der BGH sich auch mit einer Kompensation der ehebedingten Nachteile durch ehebedingte Vorteile auseinandergesetzt und die Kompensation für möglich gehalten. Dies setzt voraus, dass der Unterhaltsberechtigte aufgrund der Ehe Vorteile erlangt hat, über die er ohne die Ehe nicht verfügen würde. Bei dem heutigen Zinsniveau ist dies bei Kapitalerträgen kaum möglich, kommt aber insbesondere in Betracht, wenn es um einen Wohnvorteil geht, den der Unterhaltsberechtigte ohne die Ehe nicht erlangt hätte.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2016 | Seite 184 | ID 44276432