· Fachbeitrag · Ehevertrag
Ehebedingter Nachteil: Kompensation durch ZGA
von VRiOLG a.D. Dr. Jürgen Soyka, Meerbusch
| Der BGH zeigt, wie schwierig es ist, eine ZGA-Regelung in einem Ehevertrag im Rahmen der Ausübungskontrolle anzupassen. |
Sachverhalt
Aus der Ehe der 1955 geborenen Antragstellerin (F) und des 1952 geborenen Antragsgegners (M) ist eine 1991 geborene Tochter hervorgegangen. Der M war schon vor der Eheschließung als niedergelassener Arzt in eigener Praxis erwerbstätig. Die F hat nach Abschluss der höheren Handelsschule bei einem Versandhändler gearbeitet. Vor der Ehe nahm sie ein Studium zur Produktdesignerin auf. Während der Ehezeit kümmerte sie sich um die Haushaltsführung und die Kinderbetreuung. Sie schloss später das Studium ab und war zeitweise auf Basis einer geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung bei M tätig. Inzwischen bezieht sie eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Kurz vor der Eheschließung hatten die Beteiligten einen notariell beurkundeten Ehevertrag geschlossen. Die Vereinbarung über den Ausschluss des VA und den Verzicht auf nachehelichen Unterhalt sollten im Fall der Geburt eines gemeinsamen Kindes gegenstandslos werden. Ferner wurde der gesetzliche Güterstand modifiziert. Danach sollte betriebliches Vermögen, zu dem auch die Arztpraxis einschließlich der gesamten Einrichtung und eines etwaigen Goodwill gerechnet wurde, bei der Ermittlung des Anfangs- und des Endvermögens (AV und EV) außer Ansatz bleiben. Wegen der güterrechtlichen Behandlung eines von dem M kurz vor der Eheschließung erworbenen und voll finanzierten Hausgrundstücks sollte bei der Ermittlung des EV dessen Verkehrswert nur zu 1/2 angesetzt werden, die auf diesem Hausgrundstück dinglich eingetragenen Belastungen aber abgezogen werden.
Mit einem 2009 zugestellten Antrag leitete die F ein Verfahren auf vorzeitigen ZGA-Ausgleich ein. Der Güterstand wurde rechtskräftig aufgehoben. Die Ehe der Beteiligten wurde auf den 2006 zugestellten Scheidungsantrag 2011 geschieden. Im Scheidungsverbund wurde der VA durchgeführt, die Folgesache nachehelicher Unterhalt geregelt und die Verpflichtung der F ausgesprochen, das als Ehewohnung genutzte Hausgrundstück des M zu räumen. Im VA wurde dabei zulasten der Versorgung des M bei der Nordrheinischen Ärzteversorgung im Wege der internen Teilung zugunsten der F ein Anrecht übertragen. In der Gegenrichtung wurde zulasten der Versorgung der F bei der DRV Bund im Wege der internen Teilung ein Anrecht der gesetzlichen Rentenversicherung auf M übertragen. In der aus dem Scheidungsverbund abgetrennten Folgesache ZGA wurde der M 2014 auf einen offenen Teilantrag der F rechtskräftig verpflichtet, an F einen ZGA-Betrag zu zahlen. Im vorliegenden güterrechtlichen Verfahren hat das AG den M verpflichtet, einen weiteren Ausgleichsbetrag zu zahlen. Das OLG hat den ZGA erhöht. Die Rechtsbeschwerde ist teilweise erfolgreich.
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Entscheidungsgründe
Der Ehevertrag ist wirksam.
Ehevertrag hält der Ausübungskontrolle (§ 242 BGB) stand
Es muss einem Ehegatten nach Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs verwehrt sein, sich auf eine ihn begünstigende Regelung zu berufen. Im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe muss sich aus dem Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige, unzumutbare Lastenverteilung ergeben. Dies ist der Fall, wenn sich die ehelichen Lebensverhältnisse anders gestaltet haben, als nach der ursprünglichen Lebensplanung vorgesehen und dadurch bei einem Ehegatten ehebedingte Nachteile entstanden sind, die durch den Ehevertrag nicht angemessen kompensiert werden.
Nicht zu beanstanden ist, dass das OLG die zum Stichtag valutierten Grundschulden voll von dem hälftigen Grundstückswert abgezogen hat. Es besteht kein Anlass für eine Ausübungskontrolle. Der ZGA gehört nicht zum Kernbereich. Daher sind Modifikationen des gesetzlichen Güterstands nur unter engsten Voraussetzungen rechtsmissbräuchlich. Wenn ein Ehegatte durch die Übernahme von Haushaltsführung und Kinderbetreuung Nachteile im Aufbau einer eigenen Altersversorgung erlitten hat, ist der VA die Folgesache, um dies zu regeln. Führt dieser aber zu einer Halbteilung der von den Ehegatten in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte, besteht für eine Ausübungskontrolle bezüglich der Vereinbarung zum Güterrecht i. d. R. kein Anlass mehr, auch nicht, wenn die ehebedingten Versorgungsnachteile durch den VA nicht vollständig kompensiert werden und der erwerbstätige Ehegatte in der Ehezeit zusätzlich ein zur Altersvorsorge geeignetes Privatvermögen aufgebaut hat.
Güterrechtliche Regelungen können angepasst werden, wenn ein haushaltsführender Ehegatte im VA keine Kompensation für seine Nachteile beim Aufbau von Versorgungsvermögen erlangt, weil der andere Ehegatte keine nennenswerten Versorgungsanrechte erworben, sondern seine Altersvorsorge bei Gütertrennung auf die Bildung von Privatvermögen gerichtet hat. Dem haushaltsführenden Ehegatten ist ein modifizierter ZGA zu gewähren, der durch den zum Aufbau der entgangenen Versorgungsanrechte erforderlichen Betrag und durch die gesetzliche Höhe des Ausgleichsanspruchs beschränkt ist.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, weil der M Versorgungsanrechte im berufsständischen Versorgungswerk erworben hat. Unerheblich ist, dass er nur die Mindestbeiträge entrichtet hat. Diese ergeben sich aus dem Einkommen und spiegeln die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds wider.
Fraglich ist, ob der F ehebedingte Nachteile beim Aufbau einer Altersversorgung entstanden sind. Denn diese sind durch den ZGA kompensiert worden. Der F ist ein ZGA auch aus der Einbeziehung von zwei kapitalbildenden Lebensversicherungen und dem Immobilienvermögen entstanden. Diese Vermögenszuwächse wären aber nicht zu beachten, wenn die F auch ohne die Ehe ein vergleichsbares Privatvermögen hätte aufbauen können. Davon ist aber nicht auszugehen. Unerheblich ist, dass ihre Erwartung enttäuscht worden ist, dass ihr wenigstens 1/4 des Werts des Hausgrundstücks zugutekommt. Enttäuschte Erwartungen sind kein Anpassungsgrund. Bei der Ausübungskontrolle geht es nur darum, ehebedingte Nachteile auszugleichen. Die Ausübungskontrolle dient nicht dazu, den durch den Ehevertrag belasteten Ehegatten zusätzlich entgangene ehebedingte Vorteile zu gewähren.
ZGA-Forderung ist nicht verjährt
Die Verjährung der ZGA-Forderung ist gem. § 207 Abs. 1 S. 1 BGB bis zur Rechtskraft der Scheidung gehemmt. Dies gilt auch bei einem erfolgreichen Antrag auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft. Grund: Das Gesetz stellt für § 207 Abs. 1 S. 1 BGB aus Gründen der Rechtssicherheit nur auf das formale Kriterium der fortbestehenden Ehe und nicht auf die konkreten Verhältnisse zwischen den Eheleuten ab.
Keine Leistungsverweigerung wegen grober Unbilligkeit
Der M darf die Erfüllung der Ausgleichsforderung wegen angeblich überbezahlten Unterhalts nicht nach § 1381 Abs. 1 BGB verweigern. Grobe Unbilligkeit ist erst gegeben, wenn die Gewährung des Ausgleichsanspruchs nach dem Gesetz dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde. Offenbleiben kann, ob es ausreicht, dass der Ausgleichsberechtigte nicht geschuldeten Unterhalt entgegengenommen hat und darin ein gegen das Vermögen des Ausgleichspflichtigen gerichtetes Fehlverhalten zu sehen ist. Denn der F sind die überhöhten Unterhaltsansprüche in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren rechtskräftig zugesprochen worden, ohne dass Anhaltspunkte für einen Prozessbetrug ersichtlich sind.
In Betracht käme nur ein Schadenersatzanspruch nach § 826 BGB wegen vorsätzlich sittenwidriger Ausnutzung eines Titels. Dies setzt voraus, dass der Berechtigte Kenntnis davon hat, dass der Titel unrichtig ist. Zudem müssen auch besondere Umstände hinzutreten, die die Annahme überhöhter Unterhaltszahlungen im besonderen Maße als unredlich und geradezu unerträglich erscheinen lassen. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist damit die Rechtskraft der Unterhaltsentscheidung geschützt. Dieser Aspekt ist auch auf § 1381 Abs. 1 BGB anzuwenden, sodass eine Herabsetzung des Ausgleichsanspruchs unter dem Gesichtspunkt einer Unterhaltsüberzahlung nicht in Betracht kommt, wenn und soweit die Rechtskraft einer Unterhaltsentscheidung der Rückforderung von Unterhalt entgegensteht. Anhaltspunkte, die die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllen würden, liegen nicht vor.
Relevanz für die Praxis
Voraussetzung der Vertragsanpassung ist, dass ehebedingte Nachteile gegeben sind. Dies ist z. B. der Fall, wenn die Eheleute davon ausgingen, dass beide während der Ehe berufstätig bleiben würden, ein Ehegatte aber die Haushaltsführung und Kinderbetreuung übernommen hat. In diesem Fall können ehebedingte Nachteile auch durch Lücken in der Altersversorgung auftreten. Es ist Aufgabe des VA, diese ehebedingten Nachteile auszugleichen. Wenn die Hälfte der ehezeitlichen Anwartschaften des anderen Ehegatten übertragen worden sind, besteht aber kein Raum für eine weitergehende Anpassung.
Ausnahme: Der Ehegatte, der die Familienarbeit übernommen hat, erlangt keine Kompensation, weil der erwerbstätige Ehegatte seine Altersvorsorge bei vereinbarter Gütertrennung als Privatvermögen gebildet hat. Grenzen der Anpassung sind die gesetzliche Höhe des ZGA-Anspruchs und der zum Ausgleich der entgangenen Versorgungsanrechte erforderliche Betrag. Um dies festzustellen, ist zu prüfen, welche Versorgungsanrechte der Familienarbeit leistende Ehegatte ohne die Ehe erworben hätte und welche Versorgungsleistungen ihm aufgrund der Ehe unter Berücksichtigung des Ehevertrags zustehen. Dabei ist auch der zuerkannte ZGA zu beachten, soweit der Berechtigte ohne die Ehe nicht in der Lage gewesen wäre, Vermögen in dieser Höhe anzusparen.
Ein Ehevertrag kann auch nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) angepasst werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die abweichende Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht auf einer Entscheidung der Eheleute, sondern auf einer von beiden Beteiligten unbeeinflussten Veränderung von Umständen außerhalb der Ehe und Familie beruht.
Bezüglich der Frage, ob der ZGA gem. § 1381 Abs. 1 BGB wegen grober Unbilligkeit verweigert werden darf, hat der BGH geprüft, ob die Entgegennahme nicht geschuldeten Unterhalts die grobe Unbilligkeit rechtfertigt. Dazu werden unterschiedliche Meinungen vertreten.
- dafür: OLG Brandenburg FamRZ 04, 106; FamRZ 1998, 1370; OLG Celle FamRZ 81, 1066.
- kritisch: BeckOGK Siede § 1381 Rn. 35; Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 13. Aufl., § 1381, Rn. 15.
Der BGH hat dies offengelassen, weil es hier um rechtskräftig zugesprochenen Unterhalt ging. Dieser Ansatz ist zutreffend. Die befürwortende Meinung begründet die grobe Unbilligkeit damit, dass im Regelfall zu Unrecht angenommener Unterhalt gem. § 812 BGB nicht zurückverlangt werden kann, weil ein Wegfall der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB gegeben ist. Bei rechtskräftig zuerkanntem Unterhalt kommt eine Rückforderung nur nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung in Betracht, soweit nicht ein Prozessbetrug gegeben ist.
Weiterführende Hinweise
- BGH FamRZ 14, 1978, die vorliegende Entscheidung führt die Rechtsprechung fort
- BGH FamRZ 13, 770, die vorliegende Entscheidung führt die Rechtsprechung fort