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  • · Fachbeitrag · Kindesunterhalt

    Wechselmodell: kein isolierter Kindergeldausgleich

    von VRiOLG a.D. Jürgen Soyka, Meerbusch

    | Der BGH stellt klar, wie beim Wechselmodell das Kindergeld unter den Eltern auszugleichen ist. |

     

    Sachverhalt

    Die Beteiligten sind geschieden. Aus ihrer Ehe sind drei minderjährige Kinder hervorgegangen. Die Eltern sind sich einig, dass sie ihre Kinder im Wechselmodell wöchentlich betreuen. Keiner leistet Kindesunterhalt an den anderen. Die Antragsgegnerin (F) bezieht das Kindergeld. Der Antragsteller (M) fordert die Hälfte davon. Das AG hat die F antragsgemäß verpflichtet. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb erfolglos. Die Rechtsbeschwerde führte zur Herabsetzung der Zahlungspflicht (BGH 20.4.16, XII ZB 45/15, Abruf-Nr. 185944).

     

    Entscheidungsgründe

    M kann beanspruchen, dass ihm im Wege des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs 1/4 des Kindergelds ausgekehrt wird. Über diesen Anspruch können auch staatliche Leistungen ausgeglichen werden, die beiden Eltern zugutekommen sollen, um den Kindesunterhalt zu erleichtern, aber nur einem Elternteil zugeflossen sind. Auch beim Wechselmodell kann das Kindergeld durch den unterhaltsrechtlichen Gesamtausgleich zwischen den Elternteilen angerechnet oder verrechnet werden.

     

    Beim Wechselmodell ist der Bedarf des Kinds durch einen Mehrbedarf erhöht. Es fallen höhere Fahrtkosten an und der Wohnbedarf des Kinds muss durch Vorhalt eines weiteren Kinderzimmers gedeckt werden.

     

    Verteilungsmaßstab sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern. Durch das Wechselmodell ist aber ein Teil des Unterhalts durch die Betreuung sichergestellt, sodass der Ausgleich zwischen den Eltern nur in Form eines den Tabellenunterhalt nicht erreichenden Betrags stattfindet.

     

    Das Kindergeld ist zur Hälfte einzusetzen, um den Barbedarf des Kinds zu decken, wenn ein Elternteil es betreut, § 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB. Sonst ist das Kindergeld voll auf den Barbedarf anzurechnen. Das gilt aber nur für Fälle der Volljährigkeit, in denen ein Kind nicht mehr betreut werden muss oder bei der Betreuung eines Minderjährigen bei einer Fremdunterbringung. Bezüglich des Wechselmodells besteht eine Regelungslücke. Der Betreuende soll mit einer Hälfte des Kindesgelds unterstützt werden. Würde es voll auf den Barunterhalt angerechnet, würde der Ausgleich im Hinblick auf die gleichwertig erbrachte Betreuungsleistung zugunsten des besser verdienenden Elternteils verzerrt. Aber auch bei der hälftigen Anrechnung des Kindergelds wird der besser verdienende Elternteil mehr entlastet.

     

    Ein gesonderter Kindergeldausgleich ist entbehrlich, weil eine Gesamtberechnung über den unterhaltsrechtlichen Ausgleich unter An- und Verrechnung des an die F gezahlten Kindergelds möglich ist. Es ist der auf den Betreuungsunterhalt entfallende Anteil auszugleichen. Wegen der gleichwertigen Betreuung steht das hälftige Kindergeld M und F jeweils zur Hälfte zu, also 1/4.

     

    Die Aufrechnung der F greift nicht, weil Feststellungen dazu fehlen, ob der F eine aufrechenbare Gegenforderung zusteht.

     

    Relevanz für die Praxis

    § 430 BGB scheidet mangels Gesamtgläubigerschaft der Eltern als Anspruchsgrundlage aus. Denn das Kindergeld darf nur an einen ausgezahlt werden, § 64 Abs. 1 EStG. Beim Wechselmodell müssen die Berechtigten untereinander bestimmen, wer es erhält, § 64 Abs. 2 EStG. Können sie sich nicht einigen, entscheidet dies das Familiengericht, § 64 Abs. 2 S. 3 EStG.

     

    Der BGH will keine gesonderte Kindergeldanrechnung. Der Unterhalt ist durch Gesamtausgleich und -abrechnung zu berechnen. Fraglich ist, ob dies beim Wechselmodell zulässig ist. Der Kindesunterhalt steht dem Kind und nicht den Eltern zu. Man wird dem Kind kaum begreiflich machen können, dass es von einem Elternteil 300 EUR und vom anderen 200 EUR bekommt und deswegen nur insgesamt 100 EUR erhält. Müsste nicht beim Wechselmodell wegen der paritätischen Betreuung ein Sonderkonto für das Kind eingerichtet werden?

     

    Das Argument, zu vermeiden, dass das Kindergeld gesondert ausgeglichen wird, ist nicht stichhaltig. Aufgrund des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs erfolgt ein gesonderter Ausgleich. Das Kindergeld könnte auch vollständig ausgeglichen werden: Beiden Eltern steht wegen der gleichwertigen Betreuung jeweils die Hälfte des hälftigen Kindergelds zu und hinsichtlich der wechselseitigen Barunterhaltspflicht bezüglich der anderen Hälfte ein entsprechender Anteil in Höhe der Barunterhaltspflicht. Der hälftigen Anrechnung steht auch der Wortlaut des Gesetzes entgegen. Das halbe Kindergeld ist nur anzurechnen, wenn ein Elternteil das Kind betreut. Sonst ist das volle Kindergeld anzurechnen. Darunter fällt auch das Wechselmodell. Es liegt keine Gesetzeslücke vor. Als § 1612b BGB im Januar 08 geschaffen worden ist, gab es schon ein Wechselmodell. Sollte der Gesetzeswortlaut dafür nicht greifen, hätte der Gesetzgeber dafür eine andere Regelung erlassen müssen.

     

    Es ist ein Trugschluss, dass es mit der Anrechnung des hälftigen Kindergelds auf den Barunterhalt gerechtfertigt ist, dass der Bezieher es auch behalten darf. Die Anrechnung auf den Barbedarf entlastet beide Teile bei ihren Haftungsanteilen. Damit steht das Kindergeld aber nicht einem Elternteil zu, sondern müsste im Rahmen eines familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs ebenfalls hälftig zwischen den Eltern aufgeteilt werden.

     

    Die Argumentation des BGH zum Wechselmodell ist widersprüchlich: Die Mehrkosten für den Vorhalt eines Kinderzimmers sowie die erhöhten Fahrtkosten sind ein Mehrbedarf des Kinds, dessen Bedarf sich erhöht. Auch beim erweiterten Umgangsrecht erkennt der BGH die gleichen Bedarfsposten als Mehrbedarf an. Allerdings ist er dort ein Mehrbedarf des umgangsberechtigten Elternteils, der dazu führt, dass der Kindesunterhalt herabgesetzt wird.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2016 | Seite 202 | ID 44276796