· Fachbeitrag · Ausübung des Kapitalwahlrechts
So ist der Entzug eines Anrechts durch Ausübung des Kapitalwahlrechts kompensierbar
von VRiOLG Dieter Büte, Bad Bodenteich/Celle
Entzieht einer der Ehegatten ein von ihm zum Zwecke der Alterssicherung erworbenes Anrecht durch Ausübung des Kapitalwahlrechts dem Versorgungsausgleich und kann dieser Entzug nicht dadurch kompensiert werden, dass der andere Ehegatte über ein anderes Ausgleichssystem an dem Vermögenswert teilhat, kann in demselben Umfang der Ausgleich der von dem anderen Ehegatten erworbenen Anrechte beschränkt werden (BGH 1.4.15, XII ZB 701/13, FamRZ 15, 998, Abruf-Nr. 176638). |
Sachverhalt
Die Ehefrau (F) hatte während der Ehezeit Versorgungsanrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) sowie zwei geringfügige Anrechte aus einer Lebensversicherung und einer betrieblichen Altersversorgung erworben. Der Ehemann (M) hatte ebenfalls Versorgungsanrechte in der GRV erworben. Ein ursprünglich auf Rentenzahlung gerichtetes Anrecht, das auf der Anstellung des M als Gesellschafter-Geschäftsführer beruhte, hat das AG nicht ausgeglichen, nachdem der M während des Scheidungsverfahrens das Kapitalwahlrecht ausgeübt hatte. Den Zugewinnausgleich (ZGA) hatten die Ehegatten durch Ehevertrag ausgeschlossen. Mit der Beschwerde hat die F den Ausgleich dieses Anrechts weiterverfolgt, hilfsweise hat sie beantragt, den VA insgesamt auszuschließen, § 27 VersAusglG. Das OLG hat auf das Hilfsbegehren den Ausgleich der von der F in der GRV erworbenen Anrechte gem. § 27 VersAusglG darauf beschränkt, im Wege der internen Teilung nur geringere Entgeltpunkte von ihrem Konto auf das Konto des M zu übertragen. Die zugelassene Rechtsbeschwerde des M hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Anrechte werden im VA nur ausgeglichen, soweit die Anwartschaften im Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung noch dem VA unterliegen (BGH FamRZ 12, 1039). Der VA ist grundsätzlich nur auf den Ausgleich von Renten zugeschnitten. Da es sich bei der hier vorliegenden Anwartschaft um ein Anrecht handelt, das nicht dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG) oder dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz unterfällt, scheidet ein Ausgleich im VA aus. Zu Recht hat das OLG § 27 VersAusglG angewandt. Dem Grundsatz des Halbteilungsgesetzes nach § 1 Abs. 1 VersAusglG entspricht es, dass beide Ehegatten gleichermaßen an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen berechtigt sind. Der VA dient dazu, gemeinsam erwirtschaftetes Altersvorsorgevermögen der Eheleute auszugleichen (BGH FamRZ 14, 105). § 27 VersAusglG hat die Funktion eines Gerechtigkeitskorrektivs. Er soll als Ausnahmeregelung eine Entscheidung ermöglichen, in denen die schematische Durchführung des VA dazu führt, dass eine grobe Verletzung der aus der ehelichen Gemeinschaft folgenden Pflichten prämiert oder gegen die tragenden Prinzipien des VA verstoßen wird. Dabei ist folgendes gesetzgeberische Ziel zu berücksichtigen: Es ist die gleichberechtigte Teilhabe der Eheleute an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen zu ermöglichen (BGH FamRZ 14, 105). Hier ist das OLG zu Recht davon ausgegangen, dass ein voller Ausgleich der von der F erworbenen Anwartschaften den Grundprinzipien grob zuwiderläuft. Zwar ist es für sich genommen rechtens, das Kapitalwahlrecht auszuüben und führt i.d.R. nur zum Wechsel in das Ausgleichssystem des ZGA. Haben die Ehegatten - wie hier - den ZGA ausgeschlossen, wird das Anrecht ausgleichsfrei, wenn das Wahlrecht ausgeübt wird (BGH FamRZ 03, 923).
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