· Fachbeitrag · Ehevertrag
Ausschluss des Versorgungsausgleichs macht Ehevertrag nicht unbedingt sittenwidrig
von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf
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Sachverhalt
Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt. Die 1949 geborene Antragstellerin F und der 1949 geborene Antragsgegner M heirateten 1977. Vor Eheschließung hatten sie einen notariell beurkundeten Ehevertrag geschlossen, durch den sie auch den Versorgungsausgleich (VA) ausschlossen. Aus der Ehe gingen 1979 und 1982 insgesamt zwei Kinder hervor.
M befand sich im Zeitpunkt der Heirat noch in der Juristenausbildung. F war seit 1973 als Stationsschwester in einem evangelischen Krankenhaus vollschichtig berufstätig. M legte 1980 das juristische Staatsexamen ab und trat als Verwaltungsrat in den höheren Dienst einer Landesversicherungsanstalt ein (Besoldungsgruppe A 13). F arbeitete ab 1982 nur noch halbschichtig und nicht mehr als Stationsschwester. In der Folgezeit versorgte sie den Haushalt und die Kinder weitgehend allein. 1991 wechselte M in den Landesdienst. Er wird derzeit als Ministerialrat nach der Besoldungsgruppe B2 besoldet. Die Parteien trennten sich 2005. F arbeitete weiter teilschichtig als Krankenschwester bis zu einer Erkrankung 2007. Seit Januar 2009 bezieht sie Erwerbsminderungsrente der Deutschen Rentenversicherung und der evangelischen Zusatzversorgungskasse. Das AG hat die Ehe geschieden, den VA durchgeführt und wies den Antrag der F auf nachehelichen Unterhalt ab. Auf ihre Berufung hat das OLG ihr Unterhalt gewährt. Die Revision des M führt zur Aufhebung/Rückverweisung (zum Sachverhalt, siehe auch FK 13, 79).
Entscheidungsgründe
Bei der Wirksamkeitsprüfung des Ehevertrags ist im Rahmen einer Gesamtabwägung auf die individuellen Verhältnisse bei Vertragsabschluss abzustellen. Aus diesem Grund ist der vereinbarte Verzicht auf den VA hier nicht sittenwidrig und hält einer Wirksamkeitskontrolle stand. Das Verhalten der F kam ausschließlich dem M zugute. Von einer mutwilligen Herbeiführung der Bedürftigkeit kann allerdings nicht die Rede sein.
Zu beanstanden ist die Annahme des OLG, der F seien durch die Einschränkung ihrer Erwerbstätigkeit nach der Geburt des zweiten Kindes in der gesetzlichen Rentenversicherung und der kirchlichen Zusatzversorgung Versorgungsanwartschaften in Höhe von 800 EUR/Monat entgangen. Zwar darf ein Gericht Versorgungsnachteile bei der Entwicklung einer hypothetischen Erwerbsbiografie und einem darauf beruhenden Versicherungsverlauf nach § 287 ZPO überschlägig schätzen. Das Gericht wird aber nicht davon entbunden, in seiner Entscheidung die tatsächliche Grundlage seiner Schätzung und ihre Auswertung in objektiv nachprüfbarer Weise anzugeben. Das OLG hat die Summe der Nominalwerte aller von F in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften in etwa verdoppelt und ist zu einem im VA durch Übertragung von Rentenanwartschaften in Höhe von 800 EUR auszugleichenden Versorgungsnachteil gelangt. Der BGH gibt folgenden Lösungsweg vor:
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Die fiktiven Versorgungsanwartschaften sind dadurch zu ermitteln, dass die gegebenenfalls gemäß § 287 ZPO zu schätzenden Entgelte, die der berechtigte Ehegatte bei gedachter vollschichtiger Erwerbstätigkeit in den Jahren der ehebedingten Aufgabe oder Einschränkung seiner Erwerbstätigkeit hätte erzielen können, in das Verhältnis zum jeweils gegebenen Durchschnittsentgelt aller Versicherten gesetzt und die sich hieraus ergebende Summe an Entgeltpunkten ermittelt wird. Bei längerer Aufgabe oder Einschränkung der Erwerbstätigkeit kann auch erwogen werden, der Berechnung einen durchschnittlichen Erwerb von Entgeltpunkten im Kalenderjahr zugrunde zu legen und diesen Durchschnittswert auf den gesamten Betrachtungszeitpunkt zu übertragen. |
Diese Methode erweist sich allerdings als problematisch, wenn die gedachte Erwerbsbiografie des berechtigten Ehegatten mit einem beruflichen Aufstieg einhergegangen wäre. Auch in der kirchlichen Zusatzversorgung hängt die Bestimmung der hypothetischen Versorgungsanrechte von der Höhe der Entgelte ab. Dabei besteht die Besonderheit, dass für die Versicherungszeiten bis zum Systemwechsel in der Zusatzversorgung zum 31.12.01 eine fiktive Startgutschrift ermittelt werden müsste. Auf jeden Fall muss das Gericht seine Hypothesen über den Erwerb fiktiver Versorgungsanwartschaften und das damit korrespondierende erzielbare Arbeitseinkommen einer nachvollziehbaren Plausibilitätskontrolle unterziehen, etwa durch Anwendung von Erfahrungssätzen im jeweiligen Berufsfeld oder die Heranziehung von tariflichen Regelwerten.
Der Ausschluss des VA ist gerechtfertigt. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass eine Teilhabe an den besseren Einkünften des anderen Ehegatten durch den Ehevertrag ausgeschlossen werden kann. Letztlich führt dies dazu, dass nur, wenn ehebedingte Nachteile absehbar sind, Eingriffe in den VA nicht zu rechtfertigen sind. Solange beide Ehegatten erwerbstätig sind und für den Fall des Alters selbst angemessen Vorsorge treffen können, kann der VA ausgeschlossen werden. Die Durchführung nach dem Halbteilungsgrundsatz würde dem berechtigten Ehegatten Vorteile aufgrund der besseren Einkommenssituation des anderen Ehegatten sicherstellen.
Bei der Ausübungskontrolle wird berücksichtigt, dass sich die Umstände anders entwickelt haben, als die Eheleute es sich bei Vertragsschluss vorgestellt haben. Dies beruht darauf, dass die F nach Geburt des zweiten Kindes nur noch halbschichtig erwerbstätig war und damit Erwerbseinbußen erlitt, die sich auch auf den Fall der Krankheit und des Alters auswirken. Die Erwerbsminderungsrente und die spätere Altersrente fallen entsprechend geringer aus. Dieser ehebedingte Nachteil ist zunächst im VA auszugleichen, was allerdings nur teilweise durch das AG erfolgt ist. F hat gegen diese Entscheidung allerdings keine Rechtsmittel eingelegt, sodass die Entscheidung zum VA rechtskräftig geworden ist. Damit war allerdings nur ein Teil der ehebedingten Nachteile ausgeglichen, weil F, wäre sie vollschichtig erwerbstätig gewesen, höhere Anwartschaften erworben hätte. Sie würde über eine höhere Erwerbsminderungsrente verfügen als jetzt, auch unter Berücksichtigung der rechtskräftigen Teildurchführung des VA.
Die Ausübungskontrolle hat sich auch daran zu orientieren, dass der Ehegatte, der im Zeitpunkt der Scheidung erwerbsunfähig erkrankt ist, im Regelfall eine geringere krankheitsbedingte Erwerbsminderungsrente erhält, als der, der gemäß der Lebensplanung ständig vollschichtig gearbeitet hat.
Der BGH sieht es ausnahmsweise als zulässig an, einen weiteren Ausgleich über unterhaltsrechtliche Regelungen zu finden. Grundsätzlich werden ehebedingte Nachteile abschließend durch den VA geregelt. Wird der VA vollständig im Wege der Halbteilung durchgeführt, sind verbleibende ehebedingte Nachteile nicht mehr zu berücksichtigen, sodass daraus weder ein ehebedingter Nachteil im Sinne des § 1578b BGB noch ein Anlass für eine Anpassung im Wege der Ausübungskontrolle entstehen kann. Dies zeigt, dass die Ausübungskontrolle letztlich auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile hinausläuft und die dazu ergangene Rechtsprechung auch für die Ausübungskontrolle nutzbar zu machen ist.
Ein Hinderungsgrund ist nicht darin zu sehen, dass F die erstinstanzliche Entscheidung zum VA nicht angefochten hat und diese rechtskräftig ist.
Praxishinweis
Der BGH hebt als Argument hervor, es sei zu berücksichtigen, dass F im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine sozialversicherungspflichtige Vollzeittätigkeit ausübte und nach den Feststellungen des OLG zu jener Zeit keine konkreten Pläne verfolgt wurden, hieran etwas zu ändern. Damit konnte sie für den Fall der Krankheit und des Alters durch ihre Rentenversicherungs- und Krankenversicherungsbeiträge selbst angemessen Vorsorge treffen.
Hierbei handelte es sich wiederum um einen Umstand, der bei Abschluss des Ehevertrags vorgelegen hat und der zu einer Rechtfertigung in den Eingriff dieser Scheidungsfolgen führt.
Weiterführender Hinweis
- In FK 13, 79 widmete sich der Autor bereits dem in dieser Entscheidung durch Ehevertrag vereinbarten Unterhaltsverzicht.