· Fachbeitrag · Behördliche Gebrauchshindernisse
Wann sind öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse Mangel der Mietsache?
von RA Dr. Rainer Burbulla, Langguth & Burbulla RAe PartG mbB, Düsseldorf
| . Öffentlich-rechtliche Beschränkungen können ein Mangel der Mietsache sein, wenn sie ihre Ursache in der Beschaffenheit, Benutzbarkeit oder Lage des Mietobjekts haben. Zu einem Mangel der Mietsache führen sie aber nur, wenn sie tatsächlich vorliegen und nicht erst künftig zu erwarten sind (BGH NZM 14, 165). Das OLG Dresden hatte jetzt zu entscheiden, ob ein Mieter zur Minderung „auf null“ berechtigt ist, wenn die Behörde wegen fehlender Baugenehmigung ein Owi-Verfahren einleitet, bislang aber noch keinen Bescheid gegen den Vermieter bzw. Mieter erlassen hat. |
Sachverhalt
Die Mieterin mietete von der Vermieterin Flächen in einer „Rundhalle“. Das Mietverhältnis wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Zum Mietzweck enthält der Mietvertrag keine Regelung. Die Mieterin errichtete in den Mietflächen eine Lackierkabine und führte dort zunächst Lackierarbeiten für Holzmöbel aus. Später verlagerte die Mieterin ihre Tätigkeit auf die Lackierung von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen.
Daraufhin leitete das Bauaufsichtsamt ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen die Vermieterin ein, weil die von der Mieterin angemietete Rundhalle nur als Lagerhalle genehmigt ist und deshalb für den Betrieb einer Autowerkstatt und Autolackiererei eine Baugenehmigung erforderlich sei (§ 59 Abs. 1 SächsBO).
Die Vermieterin steht auf dem Standpunkt, dass eine Baugenehmigung zur Nutzungsänderung der Halle nicht erforderlich sei, weil die beanstandeten Lackierarbeiten der Mieterin ohnehin nicht vom Mietzweck des Mietvertrags gedeckt seien. Zum Erlass eines Bescheids kommt es nicht, allerdings erlangt die Mieterin Kenntnis von dem Owi-Verfahren. Sie stellt die Mietzahlungen ein. Die Vermieterin kündigte deshalb den Mietvertrag. Die Mieterin räumte die Flächen. Wegen des Zahlungsrückstands bis zur Räumung verlangte die Vermieterin Miete bzw. Nutzungsentschädigung.
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Entscheidungsgründe
Der Senat bejaht einen Anspruch auf Mietzahlung bzw. Nutzungsentschädigung aus dem Mietvertrag nach § 535 Abs. 2 BGB bzw. aus § 546a Abs. 1 BGB. Zur Minderung (§ 536 Abs. 1 BGB) war die Mieterin nicht berechtigt.
Tätigkeit vom Mietzweck umfasst
Das Gericht stellt klar, dass die seitens der Mieterin in den Mietflächen vorgenommenen Lackierarbeiten vom Mietzweck umfasst waren. Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass die Vermietung nicht zu Wohnzwecken, sondern zu gewerblichen Zwecken erfolgen sollte. Hierfür spreche bereits, dass die Parteien im Mietvertrag den Anfall der Umsatzsteuer vorausgesetzt haben. Welcher Art die gewerbliche Nutzung des Mietobjekts sein sollte, ist im schriftlichen Mietvertrag aber nicht formuliert.
Im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) könnte der Mietvertrag dahin gehend verstanden werden, dass die Vermietung zu gewerblichen Zwecken erfolgt, ohne dass der Mietzweck auf eine bestimmte Tätigkeit beschränkt ist. Dann würden Lackierarbeiten ohne Weiteres zum Mietzweck gehören. Aber auch wenn man alternativ den Mietvertrag im Wege der Auslegung dahin versteht, dass sich der Mietzweck anhand der typischen Geschäftstätigkeit der Mieterin bestimmt, würden darunter Lackierarbeiten an Holzmöbeln fallen, und auch dann wären im Ergebnis Lackierarbeiten vom Mietzweck gedeckt.
Keine Beschaffenheit der Mietsache
Dass die vermietete Rundhalle nicht für Lackierarbeiten (öffentlich-rechtlich) genehmigt war, führt nicht zum Eingreifen einer Minderung gemäß § 536 Abs. 1 BGB. Zwar können öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen oder -hindernisse zu einem Mangel der Mietsache i. S. v. § 536 Abs. 1 BGB führen, wenn sie die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufheben oder mindern. Dies gilt allerdings nur, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben.
Keine tatsächliche Einschränkung des Mietgebrauchs
Außerdem muss der Mieter durch die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen oder Gebrauchshindernisse in seinem vertragsgemäßen Gebrauch auch tatsächlich eingeschränkt werden.
Diese Voraussetzung ist regelmäßig nur erfüllt, wenn die Behörde die Nutzung des Mietobjekts durch ein rechtswirksames und unanfechtbares Verbot bereits untersagt hat.
Allerdings kann ein möglicher Sachmangel im Einzelfall auch darin gesehen werden, dass eine langwährende Unsicherheit über die Zulässigkeit der behördlichen Nutzungsuntersagung die begründete Besorgnis bewirkt, das Grundstück nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch nutzen zu können (BGH NZM 14, 165; NJW 17, 1104). Zu einer dahin gehenden Nutzungsbeeinträchtigung sei es vorliegend allerdings nicht gekommen. Es fehlte daher an der tatsächlichen Einschränkung des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache, sodass eine Minderung nicht in Betracht kam.
Relevanz für die Praxis
Öffentlich-rechtliche Beschränkungen können sich ergeben aus:
- baurechtlichen Anforderungen (z. B. fehlende Baugenehmigung, fehlende Genehmigung der Nutzungsänderung, fehlender Stellplatznachweis etc.),
- technischen Anforderungen (z. B. Funktionsfähigkeit und Funktionsweise von Brandmeldeanlagen, Be- und Entlüftungsanlagen etc.) und
- nutzungsbedingten Anforderungen (z. B. Rauchverbot, Verkaufsflächen- oder Sortimentsbegrenzungen, Sperrzeitenregelung).
Zwischen öffentlichem Recht und Mietrecht können sich somit folgende Berührungspunkte ergeben:
Beachten Sie | In sämtlichen Fällen von öffentlich-rechtlichen Beschränkungen kommt dem vereinbarten Mietzweck eine entscheidende Bedeutung zu. Der Vermieter schuldet gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB die Gebrauchsüberlassung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand und hat die Mietsache während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Die Mietsache muss daher auch für den vereinbarten Mietzweck tatsächlich und rechtlich geeignet sein. Wird der Mietzweck im Mietvertrag nicht eingegrenzt, hat der Vermieter grundsätzlich jede Zwecktauglichkeit der Mietsache zu gewähren. Der Mieter ist also in der Nutzung umso freier, je allgemeiner die Beschreibung des Mietzwecks ‒ wie z. B. „Betrieb eines Gewerbes“ ist (vgl. Burbulla, Aktuelles Gewerberaummietrecht, 3. Aufl., Kap. I, Rn. 74).
PRAXISHINWEISE |
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