· Fachbeitrag · Der praktische Fall
Streitpunkte rund um die Zwangsverwaltung einer nicht eigentümervermieteten Immobilie
von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf
| Der BGH hat mit Urteil vom 15.5.13 (XII ZR 115/11 ) zu wichtigen Streitpunkten im Zusammenhang mit dem Abschluss des Mietvertrags mit einer Eigentümer-GbR, die nicht selbst Eigentümerin des Mietobjekts ist, Stellung genommen. Seine Ausführungen liefern wichtige Hinweise für die Mandatsbearbeitung. |
1. Der Fall des BGH
Der Mietvertrag, aufgrund dessen die Beklagte das Ladenlokal nutzt, ist nicht mit den Eigentümern und Vollstreckungsschuldnern geschlossen, sondern mit der von ihnen gegründeten GbR. Dieser hatten die Eigentümer Grundstücke zur Nutzung überlassen, während die jeweiligen Miteigentumsanteile ihnen als den Gesellschaftern verblieben. Der Kläger zeigte der Beklagten seine Bestellung zum Zwangsverwalter an und forderte sie vergeblich auf, Zahlungen nur noch an ihn zu leisten. Da diese ausblieben, kündigte er das Mietverhältnis fristlos. Das OLG weist die erstinstanzlich erfolgreiche Räumungs- und Zahlungsklage ab. Der BGH tenoriert: Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG teilweise abgeändert. Die auf Räumung des Ladengeschäfts gerichtete Klage wird abgewiesen. Die Berufung wird zurückgewiesen, soweit die Beklagte verurteilt wurde, das Ladengeschäft an den Kläger herauszugeben. Den Zahlungsantrag verweist der BGH zurück (15.5.13, XII ZR 115/11, Abruf-Nr. 131849).
Der Fall ist nicht ungewöhnlich. Miteigentümer eines Grundstücks errichten zur gewinnbringenden Verwaltung und Vermietung eine GbR und überlassen dieser das Grundstück als Beitragsleistung i.S. der §§ 705, 706 BGB zur Nutzung. Wird dann über ihr Vermögen die Zwangsverwaltung angeordnet, stellt sich die Frage, ob und welche Ansprüche dem Zwangsverwalter gegen den Mieter zustehen, obwohl dieser die Immobilie nicht von den Vollstreckungsschuldnern persönlich, sondern von einer von diesen gegründeten GbR gemietet hat.
2. Anspruch auf Miete/Nutzungsentschädigung?
Ob die Beschlagnahme eines Grundstücks nach § 148 Abs. 1, 2 ZVG eine Mietforderung erfasst, richtet sich danach, wem die Mietforderung zusteht, dem Eigentümer und Schuldner oder einem davon zu unterscheidenden Dritten. Das heißt: Nur wenn der Eigentümer selbst vermietet hat, ist es gerechtfertigt, dem Gläubiger den Zugriff auf die Mietforderung zu gewähren. Gleiches gilt, wenn die Überlassung des Grundstücks an den vermietenden Dritten unwirksam ist. War hingegen ein Dritter zur entgeltlichen Überlassung der Mietsache berechtigt, kann eine Beschlagnahme des Grundstücks dessen Mietforderung nicht erfassen. Grund: Gläubiger des Eigentümers haben keinen Anspruch darauf, sich aus schuldnerfremdem Vermögen zu befriedigen (BGH NZM 05, 433). Die Beschlagnahme kann sich in solchen Fällen allein auf die Ansprüche des Eigentümers aus dem Rechtsverhältnis erstrecken, durch das dem Dritten die Weitervermietung gestattet ist. Das ist die logische Konsequenz daraus, dass die Außen-GbR Träger eigener Rechte und Pflichten ist (BGHZ 146, 341).
Nach § 152 Abs. 2 ZVG ist ein bestehender Miet- oder Pachtvertrag auch dem Verwalter gegenüber wirksam, wenn das Grundstück vor der Beschlagnahme einem Mieter oder Pächter überlassen wurde. Ebenso wie im Fall der Zwangsversteigerung (§ 57 ZVG) soll der Mieter oder Pächter hierdurch auch im Falle einer Zwangsverwaltung nicht schlechter gestellt sein als bei Veräußerung des Grundstücks. Der BGH lehnt es im Hinblick auf diesen systematischen Zusammenhang ab, den Anwendungsbereich des § 152 Abs. 2 ZVG über den Wortlaut hinaus auf andere Besitzmittlungsverhältnisse zu erstrecken, die im Fall der Veräußerung des Grundstücks keinen dem § 566 BGB vergleichbaren Schutz bieten. Zu diesen nicht geschützten Besitzmittlungsverhältnissen gehört die Beitragsleistung nach §§ 705, 706 BGB. Ein Eintrittsrecht des Erwerbers oder Erstehers scheitert schon daran, dass er mit der Veräußerung oder Versteigerung des Grundstücks nicht Gesellschafter wird. Ebenso kann nicht der Zwangsverwalter Gesellschafter und Schuldner des Anspruchs auf Beitragsleistung werden. Folge: Zahlungansprüche aus § 535 Abs. 2 BGB oder § 546a Abs. 1 BGB stehen dem Zwangsverwalter gegen den Mieter nicht zu.
Merke | Nur ein Miet- und Pachtvertrag und nicht eine andere schuldrechtliche Vereinbarung mit dem Erwerber eines Grundstücks schafft ein Recht zum Besitz (BGH NJW 01, 2885).
3. Anspruch aus Eigentümer-Besitzer-Verhältnis?
Nach § 990 Abs. 1 S. 1, 2, § 987 Abs. 1 BGB hat der Besitzer dem Eigentümer die Nutzungen herauszugeben, die er nach dem Eintritt der Kenntnis zieht, dass er zum Besitz nicht berechtigt ist. Nutzt er die Sache selbst, schuldet er den objektiven Mietwert (BGH MDR 69, 128; ZMR 98, 137). Die §§ 987 ff. BGB finden auch auf den unmittelbaren Besitzer Anwendung, dessen Besitzrecht entfallen ist, weil der berechtigte Besitz desjenigen entfallen ist, von dem er sein Besitzrecht ableitet (BGH NZM 05, 830). Diese Variante liegt hier vor.
a) Verlust der Besitzberechtigung durch Beschlagnahme
Der BGH stuft die Beklagte zutreffend als unberechtigte Fremdbesitzerin ein. Grund: Ihr berechtigter Besitz ist mit der Beschlagnahme und Besitzeinweisung des Verwalters (§ 148 Abs. 2 ZVG) entfallen. Die Beklagte leitet ihren Besitz aus dem Mietvertrag mit der GbR ab. Diese ist jedoch nicht Eigentümerin des Grundstücks. Gegenüber den Eigentümer-Vollstreckungsschuldnern begründete das Mietverhältnis nur dadurch ein Recht zum Besitz, dass zwischen ihnen und der GbR ein weiteres Besitzmittlungsverhältnis bestand, indem die Eigentümer die Nutzung des Grundstücks als Beitrag (§§ 705, 706 BGB) an die GbR geleistet hatten. Als Folge der Beschlagnahme wurde den Vollstreckungsschuldnern jedoch gemäß § 148 Abs. 2 ZVG die tatsächliche Verwaltungs- und Benutzungsbefugnis über das Grundstück entzogen. Das heißt: Sie konnten der GbR den berechtigten Besitz nicht mehr gewähren. Folge: Ihr Besitzmittlungsverhältnis mit der GbR war beendet.
b) Nutzungsherausgabe nur bei Bösgläubigkeit
War die GbR danach unberechtigte Fremdbesitzerin, konnte sie ihrer Mieterin kein Besitzrecht gegenüber dem Verwalter verschaffen. Folge: Die Beklagte ist von dem Zeitpunkt an, in dem sie über ihre Berechtigung zum Besitz nicht mehr in gutem Glauben war, zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet. Für den „bösen“ Glauben ist entscheidend, ob ein objektiv denkender Dritter, auf dessen Überzeugung es ankommt (BGHZ 132, 306), den der Beklagten vorliegenden Informationen entnehmen kann, dass diese ab sofort nicht mehr zum Besitz des Grundstücks berechtigt war. Zur Klärung dieser Frage hat der BGH den Rechtsstreit insoweit zurückverwiesen.
c) Klagebefugnis des Zwangsverwalters
Diese folgt aus § 152 Abs. 1 ZVG. Seine danach bestehende Aufgabe, für eine ordnungsgemäße Nutzung und Verwaltung des Grundstücks zu sorgen, schließt die Befugnis ein, auch solche Ansprüche zu verfolgen, die sich aus einer rechtsgrundlosen Benutzung der der Zwangsverwaltung unterliegenden Sache sowie der Verletzung von Besitzrechten ergeben (BGH NZM 06, 677).
4. Anspruch auf Räumung oder (nur) auf Herausgabe?
Der Verwalter hatte den Räumungsantrag - erstinstanzlich erfolgreich - auf seine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs gestützt -zu Unrecht wie die Tenorierung des BGH zeigt. Der BGH differenziert zwischen dem mietvertraglichen Rückgabeanspruch aus § 546 Abs. 1 BGB und dem dinglichen Herausgabeanspruch des Eigentümers. Der Besitzer hat dem Eigentümer nach § 985 BGB den unmittelbaren Besitz an der Sache zu verschaffen, insbesondere den Zugang zu ermöglichen und die Wegnahme zu dulden, nicht aber die Sache freizuräumen (Palandt/Bassenge, BGB, 72. Aufl., § 985, Rn. 8). Demgegenüber beinhaltet die mietvertragliche Räumungspflicht, dass der Mieter bei Vertragsende den Mietgegenstand auch im vertragsgemäß geschuldeten Zustand zurückzugeben, ihn also notfalls herzustellen hat. Hierzu gehört auch die Entfernung der von ihm eingebrachten Sachen. Diese weitergehende Pflicht des Mieters beruht allein auf dem von ihm abgeschlossenen Vertrag (BGH NZM 11, 75).
Da zwischen den Parteien kein Mietverhältnis besteht, scheidet ein Rückgabeanspruch des Verwalters aus § 546 Abs. 1 BGB aus. Auch § 546 Abs. 2 BGB kann den Anspruch nicht rechtfertigen. Grund: Die frühere Nutzungsüberlassung an die GbR beruhte nicht auf einem auch dem Kläger gegenüber wirksamen (Haupt-)Mietverhältnis, sondern auf einer gesellschaftsrechtlichen Gebrauchsüberlassung.
Weiterführende Hinweise
- Zur Anlagepflicht des Insolvenzverwalters bei Barkaution, MK 13, 84
- Zur Wirkung der Kündigung des Insolvenzverwalters bei Mieterinsolvenz, MK 13, 133