· Fachbeitrag · Schriftform (Teil 1)
Jede dauerhafte Änderung der Miethöhe unterliegt dem Formzwang
von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf
| Die nach § 578 Abs. 1 und 2, § 550 BGB notwendige Schriftform ist nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Ausgangs- oder Änderungsvertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Essenziell sind vor allem Mietgegenstand, Miete, Laufzeit und Parteien des Mietvertrags. Ausgenommen sind lediglich Vertragsabreden von nur nebensächlicher Bedeutung. Der BGH entscheidet gegen die h.M., dass auch dauerhafte geringfügige Vereinbarungen über die Miethöhe wesentlich sind. |
Sachverhalt
Der Kläger hatte gewerbliche Räume angemietet. Der Mietvertrag war bis 30.4.20 befristet. Das LG stellte fest: Der Kläger habe mit dem Vermieter nach Vertragsschluss telefonisch eine um ca. 2 Prozent erhöhte Miete ab 1.1.06 vereinbart. Er habe auf seinem Mietvertragsformular die ursprüngliche Miete durchgestrichen und handschriftlich „1370 ab 1.1.06“ darüber geschrieben. Der Kläger hat demgegenüber behauptet, der Vermerk sei nur zu Erinnerungszwecken angebracht. Er kündigt das Mietverhältnis am 26.10.13 aus wichtigem Grund zum 31.7.14. Mit der in 2/14 erhobenen Klage auf Feststellung, dass das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis durch Kündigung zum 31.7.14 beendet worden sei, erklärte er die ordentliche Kündigung. Die Klage bleibt in den Vorinstanzen erfolglos. Der BGH verweist den Rechtsstreit an das OLG zurück.
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Die Änderung der Miethöhe stellt stets eine wesentliche und - jedenfalls soweit sie für mehr als ein Jahr erfolgt und nicht jederzeit vom Vermieter widerrufen werden kann - dem Formzwang des § 550 S. 1 BGB unterfallende Vertragsänderung dar (Abruf-Nr. 182762). |
Entscheidungsgründe
Bei der Miete handelt es sich per se um einen vertragswesentlichen Punkt, der für den von § 550 BGB geschützten potenziellen Grundstückserwerber von besonderem Interesse ist. Dies gilt umso mehr, als sich Änderungen unmittelbar auf die Möglichkeit des Vermieters zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs auswirken. Wird ein vergleichsweise geringfügiger Erhöhungsbetrag nicht bezahlt, kann sich dies bei einem langfristigen Mietvertrag aufsummieren und zu einem für eine Kündigung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3b BGB ausreichenden Rückstand führen. Vielmehr noch kann der Verzug mit auch nur einem einzigen Erhöhungsbetrag im Zusammenspiel mit anderweitigen Zahlungsrückständen des Mieters dazu führen, dass ein wichtiger Grund i.S. des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB zu bejahen ist. Das heißt: Jede Mietänderung kann unabhängig von ihrer relativen oder absoluten Höhe „das Fass zum Überlaufen bringen“ und auch sonst kündigungsrelevant sein.
Außerdem ist es angesichts der Vielgestaltigkeit von Mietverhältnissen nicht möglich, eine feste Prozentgrenze (und noch viel weniger eine bestimmte Änderungssumme) festzulegen, bis zu der eine Mietänderung nicht wesentlich ist. Dies belegen schon die von den Befürwortern einer Erheblichkeitsgrenze genannten sehr unterschiedlichen Prozentwerte (Nachweise Urteil Tz. 15). Das heißt: Auch das Gebot der Rechtssicherheit spricht gegen die Annahme einer solchen Erheblichkeitsgrenze.
Relevanz für die Praxis
Die in der OLG-Rechtsprechung favorisierte Abgrenzung von wesentlichen zu unwesentlichen Änderungen der Miete danach, ob die Abweichung im ein- oder zweistelligen Prozentbereich liegt, ist obsolet. Künftig ist grundsätzlich jede Erhöhung oder Senkung der Miete als eine wesentliche dem Formzwang des § 550 S. 1 BGB unterfallende Vertragsänderung einzustufen. Das gilt jedenfalls, soweit sie sich auf mehr als ein Jahr erstreckt und nicht jederzeit vom Vermieter widerrufen werden kann (hierzu BGH MK 05, 174, Abruf-Nr. 051407). Grund: Die Schriftform soll nicht nur den Grundstückserwerber, sondern auch die Vertragsparteien schützen (Nachweise Urteil Tz. 20).
PRAXISHINWEIS | Der Formzwang des § 550 S. 1 BGB gilt zum Schutz des potenziellen Erwerbers auch für eine Vereinbarung, die ausschließlich Verpflichtungen des Mieters zum Inhalt hat. |
Nicht jede Vertragsänderung muss erneut unterzeichnet werden
Der BGH hält daran fest, dass es für die von § 550 S. 1 BGB geforderten Schriftform der §§ 126, 126a BGB ohne Belang ist, ob die Urkunde vorher oder nachher unterschrieben wurde. Das heißt: Wird der Vertragstext geändert ist dies rechtsgültig und bedarf keiner erneuten Unterschrift. Voraussetzung, die Vertragspartner sind sich über die Änderung einig und es entspricht ihrem gemeinsamen Willen, dass die (bereits geleisteten) Unterschriften auch für den veränderten Vertragsinhalt Gültigkeit behalten sollen (Urteil Tz. 23).
Hierüber ist gegebenenfalls Beweis zu erheben. Das LG hat festgestellt, dass die handschriftliche Ergänzung des Klägers auf seinem Mietvertragsformular mit dem Vermieter vereinbart war. Folge: Die Schriftform des § 550 BGB wäre danach gewahrt.
Beachten Sie | An einem solchen übereinstimmenden Willen fehlt es aber, wenn - wie hier von dem Kläger behauptet und revisionsrechtlich vom BGH unterstellt - lediglich eine Partei ohne Wissen der anderen auf einem Vertragsexemplar eine Änderung etwa nur zur Gedächtnisstütze vornimmt. Das OLG muss die hierzu erforderlichen Feststellungen nachholen.
Wann ist die ordentliche Kündigung rechtsmissbräuchlich?
Der BGH bestätigt, dass sich grundsätzlich jede Vertragspartei darauf berufen darf, die für einen Vertrag vorgeschriebene Schriftform sei nicht eingehalten. Die auf einen Formmangel gründende ordentliche Kündigung eines befristeten Mietvertrags kann ausnahmsweise gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sein, wenn die vorzeitige Beendigung des Vertrags zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde.
Checkliste / Wann ist Kündigung wegen Schriftformmangels rechtsmissbräuchlich/wann nicht? |
Ordentliche Kündigung ist rechtsmissbräuchlich, wenn
Ordentliche Kündigung ist nicht rechtsmissbräuchlich, wenn
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Wie ist die Kündigungsfrist zu berechnen?
Sofern die hier nicht begründete außerordentliche Kündigung gemäß § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden könnte, wäre sie nach § 580a Abs. 2 BGB spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahrs zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahrs zulässig gewesen. Das heißt: Frühestens zum 30.6.14. Gekündigt haben die Kläger aber zum 31.7.14, einem weder gesetzlich noch vertraglich vorgesehenen Zeitpunkt. Folge: Ihre Kündigung - einen Schriftformverstoß unterstellt - konnte erst mit dem nächstfolgenden Ende eines Kalendervierteljahrs, hier dem 30.9.14, wirksam werden.
Kann die außerordentliche Kündigung nicht umgedeutet werden, hätte die mit der Klageerhebung erfolgte ordentliche Kündigung das Mietverhältnis ohnehin frühestens zum 30.9.14 beenden können.