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  • · Fachbeitrag · Schriftformheilungsklausel

    Nicht jede Heilungsklausel ist AGB-fest

    | Schriftformheilungsklauseln sind in gewerblichen Mietverträgen weit verbreitet. Ob und unter welchen Voraussetzungen sie wirksam vereinbart werden können, ist in der OLG-Rechtsprechung seit Jahren umstritten. Das OLG Düsseldorf (25.4.17, I-24 U 150/16, Abruf-Nr. 193984 ) fügt der Fülle von Entscheidungen eine weitere Variante hinzu. |

     

    Sachverhalt

    Der Kläger vermietete den beklagten Rechtsanwälten Räumlichkeiten auf zehn Jahre befristet zur ausschließlichen Nutzung als Büroräume. Der Formularmietvertrag sah u. a. Folgendes vor:

     

    • Schriftformheilungsklausel im Formularmietvertrag

    Sollte dieser Vertrag oder seine Nebenabreden ganz oder teilweise nicht der Schriftform des § 550 BGB genügen,

    • a) so kann keine Partei das vorzeitige Kündigungsrecht des § 550 S. 2 BGB geltend machen. Beide Parteien verpflichten sich in diesem Fall, alles Notwendige zu tun, um die Schriftform herbeizuführen.
    • b) Das Gleiche gilt für Ergänzungen und Nachträge.
     

    Der Mietvertrag regelt ferner, dass der Mieter ohne Erlaubnis des Vermieters nicht zur Untervermietung berechtigt sein sollte.

     

    Der Kläger bat die Beklagten, ab 1.4.13 eine höhere Miete zu zahlen. Dem entsprachen die Beklagten (Schriftformverstoß). In 2013 zogen sie aus den Mieträumen aus und bezogen eine eigene Immobilie. Wegen verweigerter Untervermietungserlaubnis kündigten sie das Hauptmietverhältnis am 12.2.14 fristlos, stellten die Mietzinszahlungen ein und gaben die Mieträume zurück.

     

    • In einem vorausgegangenen Rechtsstreit hatte der Kläger erfolgreich die Mieten für Mai bis Oktober 2014 eingeklagt. Das OLG Düsseldorf (ZMR 16, 440) nahm an, die außerordentliche Kündigung der Beklagten sei unwirksam und das Mietverhältnis nicht vorzeitig beendet worden.

     

    • Daraufhin klagte der Vermieter in I. Instanz erfolgreich die Mieten ab 11/14 ein. Das OLG Düsseldorf deutete die Kündigung vom 12.2.14 allerdings nunmehr in eine ordentliche Kündigung wegen eines Schriftformmangels (Mieterhöhung) um, nahm eine Beendigung des Mietverhältnisses zum 30.9.12 an und gab der Berufung statt.

     

    Entscheidungsgründe

    Schriftformheilungsklauseln, die auch den Erwerber verpflichten, verstoßen gegen den Schutzzweck des § 550 BGB und sind deswegen gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. § 550 BGB will in erster Linie sicherstellen, dass ein späterer Grundstückserwerber, der kraft Gesetzes aufseiten des Vermieters in ein auf mehr als ein Jahr abgeschlossenes Mietverhältnis eintritt (§ 566 Abs. 1 BGB), dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Vertrag ersehen kann. Dazu ist erforderlich, dass sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen aus einer von beiden Vertragsparteien unterzeichneten Urkunde ergibt.

     

    Fehlt es hieran, wird zwar die Wirksamkeit des Vertragsschlusses nicht tangiert. Der Schriftformverstoß hat aber nach § 550 S. 2 BGB zur Folge, dass der Vertrag als für unbestimmte Zeit geschlossen gilt. Damit soll sichergestellt werden, dass sich der Erwerber, dem die notwendige Kenntnis von den wesentlichen Vertragsbedingungen nicht aus der Vertragsurkunde vermittelt wird, vorzeitig aus dem Vertrag lösen kann und hieran nicht länger als ein Jahr gebunden ist.

     

    Hierzu in Widerspruch steht eine Heilungsklausel, die den Erwerber entgegen dem Regelungszweck des Gesetzes zwingt, an der Nachholung der Schriftform mitzuwirken. Sie führt zu einer von ihrem Schutzzweck nicht gedeckten faktischen Bindung des Erwerbers an die wegen des Formmangels nicht wirksam vereinbarte Laufzeit des Vertrags. Denn dieser könnte sich, solange der Mieter seine Mitwirkung an der Nachholung der Form nicht verweigert, nicht durch ordentliche Kündigung aus der langfristigen Bindung lösen. Das ist mit dem Schutzzweck des § 550 BGB nicht zu vereinbaren. Hierin liegt zugleich eine unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 2 S. 1 BGB, die zur Unwirksamkeit der Heilungsklausel insgesamt führt. Eine geltungserhaltende Reduktion ist bei einer - wie hier - nicht zwischen den ursprünglichen Mietparteien und dem Erwerber differenzierenden Klausel ausgeschlossen (OLG Düsseldorf MK 13, 2, Abruf-Nr. 123782).

     

    Selbst wenn sich die Klausel aber auf die Regelung des Verhältnisses der ursprünglichen Vertragsparteien beschränken ließe, bliebe zu beanstanden, dass sich der Vertragsgegner des Verwenders einschränkungslos auf das vorzeitige Kündigungsrecht berufen darf. Von ihm kann aber allenfalls verlangt werden, dass er bereitwillig an der Heilung des Formmangels mitwirkt und bis dahin von einer ordentlichen Kündigung absieht.

     

    Scheitert der Versuch der Behebung des Formmangels jedoch, etwa weil die Parteien sich nicht auf eine formwirksame Regelung einigen oder der andere Teil bei der Gelegenheit weitere Vertragsänderungen durchzusetzen versucht, muss es ihm freistehen, ordentlich zu kündigen. Anderenfalls wird er unangemessen benachteiligt, da die nicht dispositive Vorschrift des § 550 BGB sonst vollends ausgehebelt würde. Diese notwendige Einschränkung sieht § 45 Nr. 1 des Formularmietvertrags, der eine vorzeitige Kündigung ohne Wenn und Aber untersagt, jedoch nicht vor.

     

    Relevanz für die Praxis

    Der BGH hat bislang ausdrücklich offengelassen, ob eine Schriftformheilungsklausel - wie hier - in AGB zwischen den originären Vertragsparteien wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S. 2 bzw. § 307 Abs. 2 Nr. 1, § 310 Abs. 1 BGB insgesamt unwirksam ist, weil es hierauf für seine Entscheidungen nicht ankam (MK 14, 130, Abruf-Nr. 141809; MK 14, 81, Abruf-Nr. 140605). Einigkeit besteht danach nur insoweit, dass der Erwerber eines Mietgrundstücks durch eine Schriftformheilungsklausel nicht gebunden werden kann.

     

    Der 24. Zivilsenat des OLG Düsseldorf entscheidet nun, dass eine formularmäßig vereinbarte Heilungsklausel, nach der auch der Erwerber des Grundstücks verpflichtet ist, an der Nachholung der fehlenden Schriftform mitzuwirken, gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1, § 310 Abs. 1 BGB unwirksam ist. Damit schließt sich der 24. Zivilsenat der Rechtsprechung des 10. Zivilsenats des OLG Düsseldorf (MK 13, 2) an.

     

    Ob die zu erwartende Revision Erfolg haben wird, erscheint zweifelhaft. Zwar wird argumentiert, dass das Hauptargument des OLG Düsseldorf (MK 13, 2), die Schriftformklausel sei mit dem Schutz des Erwerbers nicht zu vereinbaren, nach den genannten Entscheidungen des BGH an Bedeutung verloren hat (OLG Dresden MDR 17, 390, NZB unter XII ZR 127/16 eingelegt; OLG Braunschweig, NZM 16, 197). Das OLG hat den AGB-Verstoß zusätzlich und überzeu-gend aber auch daraus abgeleitet, dass die Klausel die Berufung auf das vorzeitige Kündigungsrecht einschränkungslos verwehrt; also auch dann, wenn die Parteien sich nicht darauf einigen können, die notwendige Beurkundung der formfreien Abrede nachzuholen. Jedenfalls lässt die sog. kundenfeindlichste Auslegung der Klausel diese Deutung zu. Hierdurch wird der Mieter unangemessen benachteiligt, weil ihm eine ordentliche Kündigung dauerhaft verwehrt ist, obwohl der Vertrag infolge der formfreien Abrede seine Befristung verloren hat.

     

    Prozessual ist zu bemerken, dass das OLG die Kündigung der Beklagten vom 12.2.14 im Vorprozess noch als unwirksam behandelt und der Zahlungsklage des Vermieters stattgegeben hatte.

     

    Beachten Sie | Sind dem Sachvortrag - wie hier - ausreichende Anhaltspunkte für einen Formmangel zu entnehmen, ist dieser auch dann von Amts wegen zu prüfen, wenn keine Partei sich hierauf beruft (BGH NJW 07, 288; OLG Düsseldorf NJW-RR 05, 1538).

     

    In den Instanzen des Vorprozesses ist weder den Gerichten noch den beteiligten Rechtsanwälten aufgefallen, dass wegen der formlos vereinbarten Mieterhöhung die Form des § 550 BGB nicht mehr gewahrt war (BGH MK 16, 23, Abruf-Nr. 182762). Das heißt, das Mietverhältnis war schon bei Ausspruch der außerordentlichen Kündigung der Beklagten ordentlich kündbar. Das OLG hat diese Kündigung nun gemäß § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umgedeutet und die Zahlungsklage abgewiesen. § 322 ZPO steht dem nicht entgegen. Die im Vorverfahren angenommene Unwirksamkeit der Kündigung nimmt als Vorfrage nicht an der Rechtskraft der Verurteilung zur Mietzahlung teil. Der Senat war also nicht gehindert, die Rechtslage für die Folgemieten anders zu beurteilen.

     

    Beachten Sie | Die Umdeutung einer außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung ist zulässig und angebracht, wenn - für den Kündigungsgegner erkennbar - nach dem Willen des Kündigenden das Vertragsverhältnis zweifelsfrei zum nächstmöglichen Termin beendet werden soll (BGH NJW 81, 976; NJW 07, 1269). Der diesbezügliche Wille muss sich danach - zur Sicherheit des Rechtsverkehrs - eindeutig aus der Kündigungserklärung selbst oder aus Umständen ergeben, die dem Kündigungsgegner zu diesem Zeitpunkt bekannt sind. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Ermittlung des mutmaßlichen Parteiwillens sind die wirtschaftlichen Ziele der Beteiligten (OLG Hamm, BeckRS 2012, 22481). Dabei ist entscheidend, ob die Beklagten das Ersatzgeschäft bei Kenntnis der Nichtigkeit vernünftigerweise vorgenommen hätten, um den von ihnen wirtschaftlich angestrebten Erfolg zu erreichen (BGHZ 125, 355; BayObLG NJW-RR 99, 620).

     

    Die hierfür im Einzelfall erforderlichen gewichtigen Anhaltspunkte hat das OLG bejaht.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Schriftform: Jede dauerhafte Änderung der Miethöhe unterliegt dem Formzwang, MK 16, 20, 23
    Quelle: Ausgabe 06 / 2017 | Seite 105 | ID 44694712