· Fachbeitrag · Gebrauchsgewährung
Blendende Dachziegel
von Axel Wetekamp, RiAG a. D. München
| Manche Leute sind einfach empfindlicher als andere. Ihre Empfindlichkeit muss aber nicht rechtlich relevant sein. Insbesondere ist es nicht selbstverständlich, dass das, was sie stört, für andere ebenso störend ist ‒ wie neulich ein Mieter in Nordrhein-Westfalen erfahren musste. |
1. Der geblendete Mieter
Bei zwei nebeneinanderliegenden Gebäuden ist das eine (Gebäude A) mit sogenannten engobierten Dachziegeln gedeckt. Der Mieter des anderen Gebäudes (Gebäude B) wendet sich an seinen Vermieter. Der solle vom Eigentümer des Grundstücks, auf dem Gebäude A steht, verlangen, dass dieser eine Blendwirkung, die von den Ziegeln ausgehe und die ihn bei Sonnenschein oder hellem Mondschein beeinträchtige, beseitige und künftig unterlasse.
Der Vermieter des geblendeten Mieters macht tatsächlich einen Unterlassungsanspruch gegen den Eigentümer des Nachbargrundstücks geltend und unterliegt vor Gericht.
2. Die Rechtslage: Was ist „erheblich“?
Nach § 906 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks Einwirkungen vom Nachbargrundstück nicht verbieten, wenn diese die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen. Was die Blendwirkung der Dachziegel betrifft, ist das Problem, dass es Rechtsvorschriften, die Grenzwerte beinhalten, wonach sich die Frage einer Erheblichkeit der Einwirkung richten könnte, hier nicht gibt.
Was macht ein Gericht also? Es beauftragt einen Sachverständigen. Dieser soll feststellen, ob ein „verständiger Durchschnittsmensch“ durch die Blendwirkung erheblich beeinträchtigt wird. Im Ergebnis ist der hier beauftragte Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen, dass er durch den Anblick des Daches zwar beim Sehen gestört gewesen sei, aber keine Absolutblendung eingetreten sei.
Das offenbar damit noch nicht zufriedene Gericht hat zusätzlich die Lage vor Ort in „Augenschein“ genommen. Dies hat zu dem Ergebnis geführt, dass es allen Mitgliedern des aus mehreren Personen bestehenden Gerichts möglich gewesen sei, auf das fragliche Dach zu schauen, ohne hierbei die Augen teilweise verschließen zu müssen. Hierbei sei auch die Dauer der Blendwirkung berücksichtigt worden. Die Erheblichkeitsgrenze sei also durch das blendende Dach nicht überschritten worden (OLG Hamm 9.7.19, 24 U 27/18, Abruf-Nr. 215868).