· Fachbeitrag · Eigenbedarfskündigung
Befristete Vertragsfortsetzung trotz Eigenbedarf
| Bei einer Eigenbedarfskündigung müssen Mieter- und Vermieterinteressen gegeneinander abgewogen werden. Wann dies zugunsten des Mieters ausgehen kann, zeigt das AG Dortmund (2.6.20, 425 C 3346/19, Abruf-Nr. 216583 ). |
Sachverhalt
Die Vermieter hatten wegen Eigenbedarf gekündigt. Sie wollten aus Gesundheits- und Altersgründen wieder in das vermietete Erdgeschoss ziehen. Die Mieterin berief sich auf ihr Bestandsinteresse, da sie an einer mittelschweren Depression erkrankt war. Das AG Dortmund gelangte nach eingehender Abwägung dieses Interesses gegen die Erlangungsinteressen der Vermieter zu dem Ergebnis, dass die Belange der Mieterin leicht überwiegen.
Entscheidungsgründe
Bei der vom AG Dortmund zu treffenden Prognoseentscheidung war zu beachten, dass die Erkrankung der Mieterin behandelbar ist und kein dauerhaftes Räumungshindernis darstellt. Dagegen war auf Vermieterseite davon auszugehen, dass ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen stetig voranschreiten, nicht aufzuhalten oder zu behandeln sein werden und ihnen die Nutzung der Wohnung im 2. OG irgendwann wohl unmöglich sein werde. Das AG hielt daher eine Vertragsfortsetzung (rückwirkend zum Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses) von drei Jahren für ausreichend und angemessen.
Relevanz für die Praxis
Liegt ein berechtigtes Interesse des Vermieters vor, sind auf einer zweiten Stufe die Mieterinteressen (fehlende Ersatzwohnung, persönliche Härte) zu beachten und mit diesen abzuwägen. Auch ohne Widerklage des Mieters können die Gerichte eine Entscheidung über eine zeitlich befristete Fortsetzung des Mietverhältnisses oder andere Vertragsgestaltungen wie Mieterhöhungen oder sogar Einmalzahlungen treffen (BGH 15.3.07, VIII ZR 270/15).
Beachten Sie | Das AG stellt zudem fest: Auch der befristete Verzicht auf eine Eigenbedarfskündigung bedarf der Schriftform. Zur Begründung verweist es auf die Rechtsprechung des BGH zum Erwerberschutz (4.4.07, VIII ZR 223/06) Gegen das Urteil des AG wurde Berufung eingelegt (1 S 141/20).