· Fachbeitrag · Mieterhöhung
Auch einfache Mietspiegel haben Indizwirkung
| Mietspiegel sind Begründungsmittel i. S. d. § 558c Abs. 2 Nr. 1 BGB. Besteht ein „qualifizierter“ Mietspiegel wird gemäß § 558d Abs. 3 BGB vermutet, dass die in diesem bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben. Für einfache Mietspiegel fehlt eine vergleichbare Vermutung. Der BGH entscheidet, dass der Dresdner Mietspiegel 2015 zwar kein qualifizierter Mietspiegel ist, dass ihm aber eine ausreichende Indizwirkung zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete zukommt. |
Sachverhalt
Unter Bezugnahme auf den Dresdner Mietspiegel 2015 forderten die Kläger die Beklagten vergeblich auf, für die von ihnen gemietete 82,39 qm große Wohnung einer Erhöhung der Nettokaltmiete um 25,06 EUR auf 540 EUR zuzustimmen. Dies entspricht einer Erhöhung von 6,25 EUR auf 6,55 EUR je qm.
Das AG weist die Zustimmungsklage ab. Das Berufungsgericht ändert das Urteil teilweise ab und verurteilt die Beklagten auf der Grundlage des Dresdner Mietspiegels, einer Mieterhöhung auf 6,39 EUR je qm, mithin um 11,53 EUR auf monatlich 526,47 EUR zuzustimmen. Die Revision hat keinen Erfolg (BGH 13.2.19, VIII ZR 245/17, Abruf-Nr. 207623).
Entscheidungsgründe
Ob die verlangte Miete der ortsüblichen Vergleichsmiete entspricht, muss der Tatrichter feststellen. Erforderlich ist dazu, die ortsübliche Vergleichsmiete im Sinne einer Einzelvergleichsmiete konkret zu ermitteln. Diese ist letztlich Maßstab für die Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens.
Zwar hat der Senat wiederholt ausgesprochen, dass die ortsübliche Vergleichsmiete sich regelmäßig innerhalb einer gewissen Spanne bewegen wird. Daraus folgt indes nicht, dass der Tatrichter die ortsübliche Einzelvergleichsmiete zwingend als Spanne zu ermitteln hätte.
Bei der ortsüblichen Vergleichsmiete mittels eines Mietspiegels ‒ auch bei einem nach der sog. Tabellenmethode erstellten Mietspiegel ‒ wird die übliche Vorgehensweise regelmäßig zu einem punktgenauen Wert der ortsüblichen Vergleichsmiete im Sinne einer Einzelvergleichsmiete führen. Grund: Ausgehend vom Mittelwert der einschlägigen Mietspiegelspanne sind Zu- und Abschläge aufgrund konkreter Wohnwertmerkmale vorzunehmen. Diese Vorgehensweise, die bei einem solchen Mietspiegel in einer zweistufigen Prüfung besteht, ist nicht zu beanstanden.
- Dabei ist in einem ersten Schritt auf der Grundlage generalisiert wohnwertrelevanter Vergleichskriterien ‒ vorliegend Größe, Baujahr, Ausstattung und Wohnlage ‒ die einschlägige Mietpreisspanne festzustellen.
- In einem zweiten Schritt wird grundsätzlich innerhalb der Spanne ausgehend vom Mittelwert anhand zusätzlicher qualitativ einzelfallbezogener, den individuellen Wohnwert bestimmender Faktoren die konkrete ortsübliche Vergleichsmiete im Sinne einer Einzelvergleichsmiete ermittelt.
Diese Vorgaben hat das Berufungsgericht beachtet. Obwohl dem Dresdner Mietspiegel 2015 nicht die in § 558d Abs. 3 BGB dem qualifizierten Mietspiegel vorbehaltene Vermutungswirkung zukommt, ist er ein Indiz dafür, dass die dort angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben. Es hängt dann von den Umständen des Einzelfalls ab, ob der Mietspiegel für die Beurteilung der ortsüblichen Vergleichsmiete einer konkret zu beurteilenden Wohnung ausreicht.
Relevanz für die Praxis
Der BGH bestätigt, dass auch der einfache Mietspiegel in die Überzeugungsbildung des Tatrichters einfließen darf. Ihm kommt zwar nicht die in § 558d Abs. 3 BGB dem qualifizierten Mietspiegel vorbehaltene Vermutungswirkung zu. Der BGH hält jedoch daran fest, dass der einfache Mietspiegel ein Indiz dafür ist, dass die dort angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben (MK 10, 184, Abruf-Nr. 102344). Das erleichtert es dem Gericht im Rahmen seiner freien Überzeugungsbildung, die ortsübliche Vergleichsmiete festzustellen, auch ohne ein Sachverständigengutachten in den Fällen einzuholen, in denen umstritten ist, ob der örtliche Mietspiegel als qualifizierter Mietspiegel einzuordnen ist oder nicht.
Beachten Sie | Maßgebend für die Reichweite der Indizwirkung sind dabei insbesondere die Qualität des (einfachen) Mietspiegels (z. B. Beteiligung der örtlichen Interessenvertreter von Mieter- und Vermieterseite in einer Projektgruppe sowie die Anerkennung der gefundenen Ergebnisse) und die Einwendungen der Parteien gegen den Erkenntniswert der darin enthaltenen Angaben.
Das heißt: Wer den einfachen Mietspiegel nicht gegen sich gelten lassen will, muss beachtliche Gründe darlegen, die Anlass geben, an der notwendigen Qualität des Mietspiegels zu zweifeln.
Die hier seitens der Kläger gegen die Wissenschaftlichkeit und die Anzahl der Wohnlagen vorgebrachten Einwände hat der BGH nicht ausreichen lassen. Grund: Sie könnten allenfalls dessen Einordnung als qualifizierten Mietspiegel infrage stellen, nicht jedoch die Indizwirkung beeinflussen.
Beachten Sie | Die Einzelvergleichsmiete wird im Rahmen einer nur begrenzt revisibelen freien tatrichterlichen Schätzung ermittelt (§ 287 Abs. 2, 1 S. 2 ZPO). Der Tatrichter muss bei der Ausübung seines Ermessens alle wesentlichen Gesichtspunkte, die Erfahrungssätze und Denkgesetze beachtet haben. Für eine Überprüfung sind die tatsächlichen Grundlagen der Schätzung und ihrer Auswertung darzulegen.
Weiterführender Hinweis
- Zu Mietspiegel und DS-GVO, siehe Eisenschmid, MK 18, 177