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  • · Fachbeitrag · Minderung

    Ortsüblicher Verkehrslärm ist kein Mangel

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    • 2.Fehlt es an einer Beschaffenheitsvereinbarung, bestimmt sich der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand der Mietsache nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben.
    • 3.Eine vorübergehende erhöhte Verkehrslärmbelastung aufgrund von Straßenbauarbeiten stellt unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer jedenfalls dann, wenn sie sich innerhalb der in Innenstadtlagen üblichen Grenzen hält, keinen zur Minderung berechtigenden Mangel der vermieteten Wohnung dar.
     

    Sachverhalt

    Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung der Klägerin. Von 6/09 bis 11/10 wurde der stadteinwärts fahrende Verkehr über die am Haus der Klägerin vorbeiführende Straße geleitet. Der Grund für die geänderte Verkehrsführung lag in vorübergehenden umfangreichen Straßenbauarbeiten auf der gesamten Länge der bisherigen Innenstadtverbindung. Wegen der gestiegenen Lärmbelastung minderten die Beklagten die Miete ab 10/09. Das AG hat festgestellt, dass die von den Beklagten vorgetragenen - gegenüber den Verhältnissen bei Vertragsschluss erhöhten - Lärmwerte, ausgehend von der im Berliner Mietspiegel 2009 aufgestellten Grenze der Verkehrslärmbelastung, keine hohe Belastung darstellen. Der BGH weist die Berufung der Beklagten gegen das der Zahlungsklage stattgebende AG-Urteil zurück.

     

    Entscheidungsgründe

    Gemäß § 536 Abs. 1 BGB ist die vereinbarte Miete kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zurzeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder (erheblich) mindert, oder ein solcher Mangel während der Mietzeit entsteht. Ein derartiger Mangel ist gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. In dieser Reihenfolge prüft der BGH:

     

    • (Konkludente) Beschaffenheitsvereinbarung: Der vertraglich geschuldete Zustand bestimmt sich in erster Linie nach den Beschaffenheitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien (BGH MK 09, 174, Abruf-Nr. 092406; MK 05, 7, Abruf-Nr. 042860), die auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) getroffen werden können (BGH WuM 05, 774). Dabei kann er auch Umstände zum Gegenstand haben, die von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken (sog. Umweltfehler), wie etwa Immissionen, denen die Mietsache ausgesetzt ist (BGH MK 06, 71, Abruf-Nr. 053643).

     

    • Verkehrsanschauung: Soweit Parteiabreden fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt (BGH MK 06, 134, Abruf-Nr. 061846).

     

    Keine dieser Mangelkriterien liegt hier vor. Der BGH teilt auch nicht die Annahme, die Parteien hätten bei Abschluss des Mietvertrags hinsichtlich zukünftiger, von Dritten verursachter Lärmbelästigungen den zur Zeit des Vertragsschlusses bestehenden Zustand „stillschweigend“ für die gesamte Dauer des auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietvertrags vereinbart. Grund: Auch eine konkludente Vereinbarung setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus. Es genügt nicht, dass der Mieter bei Vertragsschluss einen von außen auf die Mietsache einwirkenden Umstand - hier den in der Wohnung zu vernehmenden Straßenlärm - in einer für ihn vorteilhaften Weise wahrnimmt (etwa: „ruhige Lage“) und er sich (möglicherweise auch) wegen dieses Umstands dafür entscheidet, die Wohnung anzumieten.

     

    Zur konkludent geschlossenen Beschaffenheitsvereinbarung wird dieser Umstand nur, wenn

    • der Vermieter aus dem Verhalten des Mieters nach dem objektiv zu bestimmenden Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) erkennen musste, dass dieser die Fortdauer dieses bei Vertragsschluss bestehenden Umstands über die unbestimmte Dauer des Mietverhältnisses hinweg als maßgebliches Kriterium für den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung ansieht,

     

    • und der Vermieter dem zustimmt.

     

    Praxishinweis

    Fehlen - wie hier - übereinstimmende Willenserklärungen, löst eine einseitige Vorstellung des Mieters über die Beibehaltung der „ruhigen Lage“ der Wohnung keine rechtsbindende Wirkung aus, selbst wenn sie dem Vermieter bekannt ist. Das heißt: Die Annahme einer konkludenten Willensübereinstimmung ist nur gerechtfertigt, wenn er darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert. Schweigen des Vermieters genügt nicht. Hat der Mieter höhere Erwartungen an die Mietsache (z.B. ruhige Lage, spezieller Lärmschutz), muss er eine entsprechende Sollbeschaffenheit individuell vereinbaren.

     

    MERKE | Liegt die Wohnung im Innenstadtbereich (Berlin), muss jederzeit mit Straßenbauarbeiten größeren Umfangs und längerer Dauer gerechnet werden. Das heißt: Eine temporäre erhöhte Lärmbelastung stellt unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer keinen die Minderung rechtfertigenden Mangel dar, wenn sie sich - wie hier - innerhalb der ortsüblichen Grenzen hält und eine abweichende Beschaffenheit nicht vereinbart ist. Folge: Der Mieter muss die (erhöhte) Lärmbelastung redlicherweise akzeptieren.

     

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zum verschlechterten Schallschutz nach Austausch des Bodenbelags, BGH MK 09, 174
    Quelle: Ausgabe 05 / 2013 | Seite 75 | ID 38963950