· Fachbeitrag · Räumungsvollstreckung
Strafbewehrte Unterlassungsverfügung kann vor „Untermieterkarussell“ schützen
| Gewerbliche Vermieter können ein Lied davon singen. Kaum ist ein Räumungsurteil erstritten, taucht im Vollstreckungsverfahren ein ominöser Untermieter auf, der sich auf sein „Besitzrecht“ beruft. Liegen die Voraussetzungen der §§ 325, 727 ZPO nicht vor, muss er im Zweifel nun gegen den Untermieter auf Räumung klagen. Will er aus dem Urteil vollstrecken, beginnt das Spiel von Neuem. Das OLG München zeigt, dass es auch anders geht. |
Sachverhalt
Die Antragstellerin ist Erbbauberechtigte an einem Grundstück in München. Über Räume auf diesem Grundstück bestand ein gewerbliches Mietverhältnis zwischen den Parteien. Die Antragsgegnerin betrieb in diesen Räumen ein Restaurant. Sie wurde 2017 durch ein vorläufig vollstreckbares Endurteil des LG München I zur Räumung verurteilt. Über die Berufung ist noch nicht entschieden. Ein Vollstreckungsversuch der Antragstellerin aus dem Räumungstitel scheiterte daran, dass nach Mitteilung der Gerichtsvollzieherin die streitgegenständlichen Räume untervermietet sind. Die Antragstellerin hält den vorgelegten Untermietvertrag vom 1.11.15 für ein Scheingeschäft und nach Urteilsverkündung rückdatiert, um die Vollstreckung der vorläufig titulierten Räumungspflicht zu verhindern.
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Die Antragstellerin beantragt:
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Das LG lehnt den Antrag unter Hinweis auf § 727 ZPO ab. Die Beschwerde hat Erfolg (OLG München 4.9.17, 7 W 1375/17, Abruf-Nr. 197070).
Entscheidungsgründe
Der Verfügungsantrag ist zulässig. Insbesondere fehlt ihm nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Die Antragstellerin kann ihr Rechtsschutzziel nicht auf einfacherem und billigerem Weg erreichen.
- Das Klauselumschreibungsverfahren ist kein solcher Weg. Rechtsschutzziel der Antragstellerin ist es, die Vereitelung oder Erschwerung der Vollstreckung der titulierten Räumungspflicht gegen die Antragsgegnerin zu verhindern. Soweit ein Dritter im Besitz der herauszugebenden Räume ist, tritt eine solche Erschwerung ein; die Antragstellerin benötigt zur Räumung entweder einen neuen Titel oder kann ‒ unter bestimmten Voraussetzungen ‒ die Umschreibung des Titels nach § 727 ZPO beantragen. Selbst wenn diese Voraussetzungen vorlägen, erschwert das Erfordernis eines qualifizierten Klauselerteilungsverfahrens die Zwangsvollstreckung.
- Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus § 1004 BGB. Dieser schützt den Eigentümer (bzw. den Erbbauberechtigten) vor Beeinträchtigungen des Eigentums (bzw. des Erbbaurechts). Ausfluss dieses Rechts ist der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB. Dessen Voraussetzungen liegen vor. Insbesondere ist die Antragsgegnerin aufgrund des beendeten Mietverhältnisses nicht mehr zum Besitz der streitgegenständlichen Räume berechtigt (§ 986 BGB).
- Die Handlungen, die der Antragsgegnerin verboten werden sollen, würden die Vollstreckung des Herausgabeanspruchs erschweren und diesen Herausgabeanspruch und damit das Erbbaurecht als solches beeinträchtigen. Grund: Die Antragstellerin als Erbbauberechtigte kann mit den fraglichen Räumen nicht nach Belieben verfahren, solange sie nicht in deren Besitz gelangt ist. Damit sind die genannten Verhaltensweisen nach § 1004 BGB zu unterlassen.
- Die Antragstellerin hat einen in der Untervermietung liegenden Erstverstoß der Antragsgegnerin glaubhaft gemacht. Dies begründet die für einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr.
- Der Verfügungsgrund ergibt sich aus § 935 ZPO. Es ist aus den zur Wiederholungsgefahr angestellten Überlegungen zu besorgen, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands (Besitzverhältnis an den Räumen) die Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin auf Räumung wesentlich erschwert wird.
Relevanz für die Praxis
Der Weg des OLG München ist nicht der Königsweg, um eine erfolgreiche Räumungsvollstreckung zu sichern. Gelingt es dem Vermieter aber ‒ wie hier ‒ glaubhaft zu machen, dass der Untermietvertrag nur vorgetäuscht ist, kann die im Eilverfahren erwirkte strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung bewirken, dass der Mieter davon absieht, die Räumungsvollstreckung ein weiteres Mal durch eine vorgetäuschte Besitzübertragung zu verzögern.
Ausgangspunkt für die Weigerung der Gerichtsvollzieherin, den Räumungstitel gegen den Mieter auch gegen den angeblichen Untermieter zu vollstrecken, ist § 750 ZPO. Danach darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn die Personen, gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder in der diesem beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind. Folge: Die Vollstreckung aus einem auf Räumung lautenden Titel gegen den Mieter darf nicht betrieben werden, wenn ein Dritter, der weder im Vollstreckungstitel noch in der diesem beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet ist, im Besitz der Mietsache ist. Dies gilt selbst dann, wenn der Verdacht besteht, dem Dritten sei der Besitz nur eingeräumt worden, um die Zwangsräumung zu vereiteln (BGH MK 08, 203, Abruf-Nr. 083014).
Beachten Sie | Die Räumungsvollstreckung gegen den im Räumungstitel nicht genannten Untermieter ist selbst dann unzulässig, wenn feststeht, dass das Mietverhältnis zwischen dem Vermieter und dem Hauptmieter beendet und der Untermieter daher nach § 546 Abs. 2 BGB zur Herausgabe der Mietsache an den Vermieter verpflichtet ist (BGH MK 03, 164, Abruf-Nr. 031931).
Das OLG leitet den Verfügungsanspruch zu Recht aus § 1004 BGB ab. Zwar hat der BGH (MK 07, 136, Abruf-Nr. 071913) entschieden, dass im (Wohnraum-) Mietverhältnis ein Unterlassungsanspruch nicht auf § 1004 BGB, sondern allein auf § 541 BGB gestützt werden kann. Die Entscheidung des BGH bezieht sich jedoch auf ein bestehendes und nicht auf ein ‒ wie hier ‒ beendetes Mietverhältnis. Ist das Mietverhältnis aber beendet, darf der Mieter keinen Gebrauch mehr von der Mietsache machen, sodass die nach § 541 BGB obligatorische Abmahnung wegen vertragswidrigen Gebrauchs sinnlos wäre.
Damit ist der Weg frei für die Anwendung des § 1004 BGB, der keine Abmahnung, sondern eine Wiederholungsgefahr erfordert. Diese ist regelmäßig bereits bei einem ersten Verstoß anzunehmen.
PRAXISHINWEIS | Ein erfolgreicher Verfügungsantrag setzt voraus, dass Vermieter den Erstverstoß und die hieraus ableitbare Wiederholungsgefahr glaubhaft machen kann. Hier waren folgende Argumente ausschlaggebend:
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Weiterführender Hinweis
- Zum Umgang mit vorgetäuschten Angehörigen-Mietverträgen in Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung vgl. BGH NJW-RR 16, 1528; MK 13, 201 (Abruf-Nr. 133343)