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  • · Fachbeitrag · Schönheitsreparaturen

    Vornahmeklauseln: BGH ändert mit einem Paukenschlag seine Rechtsprechung

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    • 1. Die formularvertragliche Überwälzung der Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen einer dem Mieter unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassenen Wohnung hält der Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand, sofern der Vermieter dem Mieter keinen angemessenen Ausgleich gewährt.
    • 2. Unrenoviert oder renovierungsbedürftig ist eine Wohnung nicht erst dann, wenn sie übermäßig stark abgenutzt oder völlig abgewohnt ist. Maßgeblich ist, ob die dem Mieter überlassene Wohnung Gebrauchsspuren aus einem vorvertraglichen Zeitraum aufweist, wobei solche Gebrauchsspuren außer Acht bleiben, die so unerheblich sind, dass sie bei lebensnaher Betrachtung nicht ins Gewicht fallen. Es kommt letztlich darauf an, ob die überlassenen Mieträume den Gesamteindruck einer renovierten Wohnung vermitteln.
    • 3. Angesichts der Vielgestaltigkeit der Erscheinungsformen unterliegt die Beurteilung, ob eine Wohnung dem Mieter unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassen worden ist, einer in erster Linie dem Tatrichter vorbehaltenen Gesamtschau unter umfassender Würdigung aller für die Beurteilung des Einzelfalls maßgeblichen Umstände.
    • 4. Beruft der Mieter sich auf die Unwirksamkeit der Renovierungsklausel, obliegt es ihm, darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass die Wohnung bei Mietbeginn unrenoviert oder renovierungsbedürftig war. Die Darlegungs- und Beweislast für die Gewährung einer angemessenen Ausgleichsleistung trifft den Vermieter.
     

    Sachverhalt

    Die Beklagten sind formularmäßig - nach einem flexiblen Fristenplan - verpflichtet, „die während des Mietverhältnisses anfallenden Schönheitsreparaturen auf eigene Kosten fachgerecht durchzuführen“. Zusätzlich enthält der Mietvertrag die handschriftliche Ergänzung „Der Mietvertrag wird per 1.10.02 geschlossen. Mietzahlung ab 15.10.02, da Mieter noch Streicharbeiten in drei Zimmern vornimmt.“ Die nach Beendigung des Mietverhältnisses auf § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 S. 1 BGB gründende Schadenersatzklage wegen nicht bzw. nicht fachgerecht vorgenommener Schönheitsreparaturen hat in den Instanzen Erfolg. Auf Revision der Beklagten weist der BGH die Klage ab.

    Entscheidungsgründe

    Ausgehend von seiner jetzt aufgegebenen Grundsatzentscheidung BGHZ 101, 252 zur Unbedenklichkeit formularmäßiger Vornahmeklauseln zeichnet der Senat zunächst die Fortentwicklung seiner Rechtsprechung (Urteil Tz. 16 ff.) zur Wirksamkeit formularmäßiger Schönheitsreparaturklauseln und seine peu á peu erfolgte Hinwendung zu einer immer strengeren Klauselkontrolle nach. Eingeleitet wurde diese Rechtsprechungsänderung durch die ab 04 einsetzenden Entscheidungen zur Unwirksamkeit vorformulierter starrer Fristenpläne und durch die Anwendung der kundenfeindlichsten Auslegung auch im Individualprozess.

     

    Seine Zweifel an der Wirksamkeit formularmäßiger Abwälzungs- und Quotenabgeltungsklauseln hat der BGH in MK 14, 58 (Abruf-Nr. 140816) zusammengefasst und angedeutet, dass bei einer unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassenen Wohnung bereits die Klausel über die Abwälzung der Schönheitsreparaturen als unangemessene Benachteiligung des Mieters angesehen werden könnte.

     

    Unwirksamkeit der Vornahmeklausel

    Diesen radikalen Paradigmenwechsel hat der BGH nunmehr vollzogen. Das heißt: Eine Formularklausel, die dem Mieter einer unrenoviert oder renovierungsbedürftig übergebenen Wohnung die Schönheitsreparaturen ohne angemessenen Ausgleich auferlegt, ist unwirksam (§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Grund: Sie verpflichtet den Mieter zur Beseitigung sämtlicher Gebrauchsspuren des Vormieters und führt - jedenfalls bei kundenfeindlichster Auslegung - dazu, dass der Mieter die Wohnung vorzeitig renovieren oder gegebenenfalls in einem besseren Zustand zurückgeben müsste als er sie selbst vom Vermieter erhalten hat.

     

    Die Verpflichtung des Mieters zur Vornahme während des Mietverhältnisses anfallender Schönheitsreparaturen lässt sich bereits nach dem Wortlaut derartiger Klauseln nicht auf nach Mietbeginn entstehende Abnutzungsspuren beschränken. Grund: Sie stellen nicht auf den Zeitpunkt der Verursachung, sondern auf den Zeitpunkt der Renovierungsbedürftigkeit ab und schließen damit den vom Vormieter mitverursachten Renovierungsbedarf ein. Auch die hier verwendete Klausel ermöglicht ein solches Verständnis nicht nur, sondern legt es sogar nahe. In der für einen Mieter als Gegner des Klauselverwenders ungünstigsten Auslegung könnte der Mieter bei entsprechendem Zustand der Mieträume sogar bereits unmittelbar nach Mietbeginn zur Renovierung verpflichtet sein, obwohl die Abnutzung der Wohnung nicht auf ihn zurückgeht.

     

    Noch deutlicher würde die Benachteiligung des Mieters, wenn die Dekoration der Wohnung bei der Übergabe an diesen bereits so abgewohnt oder verbraucht ist, dass eine weitere Verschlechterung während der Vertragslaufzeit schon aus diesem Grund praktisch nicht mehr in Betracht kommt.

     

    Führt der Mieter in diesem Fall bei Vertragsbeginn eine Renovierung durch, zu der er nicht verpflichtet ist, müsste er spätestens bei Vertragsende gleichwohl renovieren, obwohl sich die Wohnung in keinem schlechteren Zustand befindet als sie ihm bei Nutzungsbeginn überlassen worden war. Auch diese Konstellation ist der kundenfeindlichsten Auslegung zugrunde zu legen und führt zur Unwirksamkeit der Vornahmeklausel.

     

    Wann ist eine Wohnung unrenoviert bzw. renovierungsbedürftig?

    Diese Frage beantwortet der BGH in Leitsatz 2 und 3. Unrenoviert oder renovierungsbedürftig ist eine Wohnung nicht erst, wenn sie übermäßig stark abgenutzt oder gar völlig abgewohnt ist. Maßgeblich ist, ob die dem Mieter überlassene Wohnung Gebrauchsspuren aus einem vorvertraglichen Zeitraum aufweist. Auf eine Abgrenzung zwischen einer nicht renovierten und einer renovierungsbedürftigen Wohnung kommt es dabei nicht an. Grund: Beide Begriffe beschreiben Mieträume mit Gebrauchsspuren und die Grenze ist fließend.

     

    Um vorvertragliche Abnutzungs- und Gebrauchsspuren zu beseitigen und damit eine „renovierte“ Wohnung zu übergeben, muss der Vermieter die Mieträume bei Vertragsbeginn aber nicht stets komplett frisch renovieren. Im Einzelfall kann die Vornahme geringer Auffrischungsarbeiten genügen.

     

    Wer trägt die Beweislast?

    Hierzu entscheidet der BGH wie aus Leitsatz 4 ersichtlich. Grund: Die Darlegungs- und Beweislast für tatsächliche Umstände, aus denen sich die Unwirksamkeit einer AGB-Regelung ergibt, trägt im Individualprozess der sich auf die Unwirksamkeit der Klausel berufende Vertragspartner des Verwenders (Nachweise Urteilsgründe Tz. 32).

     

    Nach dieser Maßgabe war die von den Beklagten gemietete Wohnung bei Vertragsbeginn unrenoviert. Die Kläger haben den Beklagten die Wohnung bei Mietbeginn mit Gebrauchsspuren aus einem vorvertraglichen Zeitraum übergeben, weil in drei Zimmern noch Streicharbeiten vorzunehmen waren.

     

    Kann eine Vornahmeklausel gleichwohl wirksam sein?

    Die formularvertragliche Überwälzung der laufenden Schönheitsreparaturen auf den Mieter einer unrenoviert oder renovierungsbedürftig übergebenen Wohnung kann wirksam vereinbart werden, sofern die Verpflichtung des Mieters zur Beseitigung vorvertraglicher Abnutzungsspuren - anders als hier - durch einen vom Vermieter gewährten Ausgleich kompensiert wird, durch den der Mieter so gestellt wird, als sei ihm renovierter Wohnraum überlassen worden. Die Parteien können sich etwa dafür entscheiden, dass der Mieter zum Ausgleich für den Renovierungsaufwand für eine bestimmte Zeit weniger oder gar keine Miete zu entrichten hat (BT-Drucksache 14/5663, S. 76).

     

    Merke | Die Darlegungs- und Beweislast für die Gewährung einer angemessenen Ausgleichsleistung obliegt nach Leitsatz 4 dem Vermieter als Klauselverwender.

    Praxishinweis

    Die epochale Entscheidung bringt alle Vermietungsmodelle in Schieflage, in denen die Schönheitsreparaturen formularmäßig auf den Mieter abgewälzt sind, dem Mieter aber eine unrenovierte bzw. mit Gebrauchsspuren des Vormieters versehene Wohnung überlassen ist. Grund: Die unwirksame Klausel wird gemäß § 306 Abs. 2 BGB durch die dispositive gesetzliche Bestimmung des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ersetzt. Das heißt: Mangels wirksamer Abwälzung der Schönheitsreparaturen trifft den Vermieter im laufenden Mietverhältnis die volle Instandhaltungslast. Damit wird die Rentabilität mancher Kapitalanlage im Nachhinein infrage gestellt. Einen Vertrauensschutz lehnt der BGH ab. Grund: Der Klauselverwender trägt - unbeschadet besonders gelagerter Sachverhalte - im Allgemeinen das Risiko, dass die Klausel in späteren höchstrichterlichen Entscheidungen wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners als unwirksam beurteilt wird.

     

    Beachten Sie | Der BGH stellt entgegen einer vereinzelt in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassung (Urteil Tz. 28) klar, dass bei der Inhaltskontrolle im Individualprozess nach dem konkreten Vertragsgegenstand differenziert werden muss: Ist Gegenstand der Renovierungsverpflichtung des Mieters eine bei Vertragsbeginn renovierte oder eine unrenovierte/renovierungsbedürftige Wohnung? Folge: Bei Überlassung einer renovierten Wohnung ist die Vornahmeklausel nicht schon deshalb unwirksam, weil sie bei abstrakt-generalisierender Betrachtungsweise sowohl auf renoviert als auch auf unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassene Wohnungen Anwendung finden kann.

     

    Maßgebend für die AGB-Kontrolle von Vornahmeklauseln ist aus Sicht des BGH, ob der Mieter hierdurch bei kundenfeindlichster Auslegung zur Beseitigung von Gebrauchsspuren seines Vormieters verpflichtet wird. Letzteres ist der Fall, wenn dem Mieter eine nicht renovierte Wohnung oder eine Wohnung mit Abnutzungsspuren überlassen wird, die bei einer an Treu und Glauben orientierten lebensnahen Betrachtungsweise die Unerheblichkeitschwelle überschreiten.

     

    Beachten Sie | Entscheidendes Beurteilungskriterium ist nach dem Sprachgebrauch des BGH, ob die überlassenen Mieträume den Gesamteindruck einer renovierten Wohnung vermitteln. Mit dieser schwammigen Formulierung überlässt es der BGH den Unwägbarkeiten der Gerichtspraxis, in jedem Einzelfall unter Beachtung aller Umstände zu entscheiden, ob die Vornahmeklausel einer Inhaltskontrolle standhält oder nicht.

     

    Der Renovierungsstatus der Wohnung bei Mietbeginn lässt sich beweissicher durch ein gemeinsames Übergabeprotokoll dokumentieren, in dem der malermäßige Zustand für jeden Raum im Einzelnen beschrieben wird. Weist die Wohnung bei Mietbeginn Gebrauchs- und Abnutzungsspuren auf, kann der Mieter diese fotografisch festhalten oder sich durch Zeugen bestätigen lassen. Beweiswert misst der BGH des Weiteren Belegen zu, welche die Renovierungskosten des Mieters dokumentieren. Hierbei muss es sich nicht zwingend um Handwerkerrechnungen handeln. Es genügen Kaufquittungen aus dem Baumarkt, sofern der Mieter belegen kann, dass die angeschafften Materialien in der Wohnung verarbeitet worden sind.

     

    Im Streitfall liegt die Unwirksamkeit der Klausel auf der Hand. Die Wohnung besteht aus vier Zimmern nebst Küche, Diele, Bad und Balkon. In drei Zimmern waren laut Sachverhalt noch Renovierungsarbeiten vorzunehmen. Die Unwirksamkeit kann nicht auf die dem Mieter unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassenen Teile der Wohnung reduziert werden. Das ist - wie der BGH zutreffend judiziert - mit dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion unvereinbar.

     

    Angesichts der Vielgestaltigkeit der Erscheinungsformen und der vom BGH geforderten Einbeziehung aller für die Beurteilung des Einzelfalls maßgeblichen Umstände bleibt es Aufgabe der Praxis, die Grauzone zwischen renoviert und nicht renoviert auszuloten und einen Lösungsweg für die Fälle zu entwickeln, in denen z.B. nur ein Zimmer einer Vier-Zimmer-Wohnung oder nur das Bad nicht renoviert ist oder in denen zwar alle Decken und Wände frisch gestrichen sind, nicht aber die Heizkörper und/oder Fenster und Türen. Gilt eine Wohnung noch als renoviert, wenn die Schönheitsreparaturen drei Monate, sechs Monate oder ein Jahr zurückliegen? Da sich diese Fragen aus Sicht des BGH nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen, dürften in den wenigsten Fällen die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO vorliegen.

     

    Beachten Sie | An einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters kann es fehlen, wenn die ihm aufgebürdete Renovierungslast bei Übergabe einer unrenovierten Wohnung durch Vorteile von Gewicht kompensiert wird.

     

    Der BGH verweist zutreffend darauf, dass der Ausgleich aus Sicht des Gesetzgebers in einer zeitlich begrenzten Mietreduzierung liegen kann. Dass sollte auch für andere Vorteile gelten, z.B. für die kostenfreie Zurverfügungstellung einer Garage als Äquivalent für die Übernahme der Schönheitsreparaturen.. Dass der hier gewährte Nachlass von einer halben Monatsmiete (227 EUR) angesichts des Renovierungsbedarfs in drei von vier Zimmern der Mietwohnung keine taugliche Kompensation darstellt, ist offensichtlich. Das sieht auch der BGH so.

     

    Will der Vermieter die Wohnung nicht bei jeder Weitervermietung komplett renovieren, könnte eine Lösung für Neuverträge darin bestehen, die Vornahmeklausel sachlich auf die renovierten Teile der Wohnung zu beschränken. Damit wäre sichergestellt, dass der Mieter nur eigene Abnutzungsspuren beseitigen muss. Ob eine derartig eingeschränkte Klauselfassung einer Inhaltskontrolle standhält, lässt der BGH offen.

     

    Diskutabel ist auch der Vorschlag von Horst (DWW 15, 82, 85), bei Übergabe einer unrenovierten Wohnung (ohne Vornahmeklausel) die Renovierungspflicht des Vermieters formularmäßig auszuschließen.

     

    Angesichts der Übernahme der Starre-Fristen-Rechtsprechung durch den gewerblichen Mietsenat des BGH (MK 09, 10, Abruf-Nr. 083287) ist zu erwarten, dass auch die Rechtsprechung des VIII. Senats zur Unwirksamkeit von Vornahmeklauseln eins zu eins von der obergerichtlichen Rechtsprechung zum gewerblichen Mietrecht übernommen wird.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2015 | Seite 95 | ID 43378180