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  • · Fachbeitrag · Sicherheiten

    Abtretung des Kautionsrückzahlungsanspruchs des Mieters an einen Inkassodienstleister?

    von VRinLG Astrid Siegmund, Berlin

    | Nachdem ein nach dem RDG agierendes Legal-Tech-Unternehmen als Inkassodienstleister relativ geräuschlos über Jahre erfolgreich Fluggastrechte (und Rechtsfragen betr. die FluggastrechteVO) bis zum EuGH klärte, setzte Entrüstung ein, als ein anderes Unternehmen sich von Wohnraummietern Zahlungsansprüche abtreten ließ, um sie gegen Vermieter durchzusetzen. Ggf. lag dies auch daran, dass es um (Rück-)Zahlungsansprüche wegen Überschreitung der nach der umstrittenen „Mietpreisbremse“ höchstzulässigen Miete ging. Nachdem der BGH das rechtliche „Dürfen“ des Inkassos solcher Forderungen in einer viel beachteten Entscheidung (27.11.19, VIII ZR 285/18, Abruf-Nr. 212591 ) geklärt hat, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch das Inkasso anderer Zahlungsansprüche von Wohnraummietern betrieben wird. Dem BGH lag jetzt der Fall eines Kautionsrückzahlungsanspruchs mit streitiger Schönheitsreparaturverpflichtung vor. |

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin, eine GmbH, die über eine Registrierung gemäß § 10 RDG für den Bereich der Inkassodienstleistungen verfügt, macht gegen die beklagte Vermieterin aus abgetretenem Recht der Mieterin einer Wohnung nach Beendigung des Mietverhältnisses zum 1.10.17 einen Zahlungsanspruch in Höhe von 837,13 EUR geltend. Die Mieterin hatte zu Beginn des Mietverhältnisses eine Kaution in Höhe von 825 EUR geleistet. Zum Ende des Mietverhältnisses betrug das Kautionsguthaben 837,13 EUR. Nach dem Mietvertrag musste die Mieterin die Schönheitsreparaturen nach Maßgabe der in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Vertragsbestimmungen (AVB) ausführen. Die Beklagte gab nach Beendigung des Mietverhältnisses Malerarbeiten in der Wohnung in Auftrag und verrechnete die hierfür entstandenen Kosten mit dem Kautionsguthaben. Am 10.5.18 unterzeichnete die Mieterin eine mit „Bestätigung Vollmacht und Abtretung“ überschriebene Urkunde, in der es heißt:

     

    • Die Urkunde im Wortlaut

    „Hiermit bevollmächtige ich, […], die M. GmbH [heute: C. GmbH; Klägerin], in meinem/unserem Namen

    (i) etwaige sich aus dem (auch konkludenten) Festhalten des Vermieters an der Geltendmachung meiner/unserer mutmaßlichen Ansprüche auf Durchführung der Schönheitsreparaturen ergebende Schadensersatz-, Herausgabe- oder sonstige Erstattungsansprüche gegen den Vermieter, die Hausverwaltung, Rechtsschutzversicherungen und/oder Dritte (z. B. auf Ersatz von Rechtsverteidigungs- bzw. Rechtsverfolgungskosten) (nachfolgend „Ansprüche“) durchzusetzen und

    (ii) einen Vertragsanwalt der M. GmbH mit der Wahrnehmung meiner/unserer rechtlichen Interessen im Zusammenhang mit der Abwehr der Pflicht zur Vornahme der Schönheitsreparaturen zu beauftragen und diesem (Prozess-)Vollmacht mit der Erlaubnis zur Erteilung von Untervollmachten zu erteilen. […]

    Ich/Wir bestätigen, dass ich/wir die Ansprüche an die M. GmbH abgetreten haben und diese die Abtretung angenommen hat.“

     

    Mit Schreiben vom 11. und 25.5.18 forderte die Klägerin die Beklagte auf, 837,13 EUR zu zahlen. Sie wies darauf hin, dass die Schönheitsreparaturklausel unwirksam sei und die Beklagte der Mieterin die für die Schönheitsreparaturen aufgewandten Kosten gemäß §§ 812, 818 BGB zu erstatten habe, die Klägerin mit der Durchsetzung dieser Ansprüche beauftragt worden sei und die Mieterin die Ansprüche zwecks Einziehung an die Klägerin abgetreten habe. Im Schreiben vom 25.5.18 machte sie zudem Rechtsverfolgungskosten von 147,56 EUR geltend. Die Beklagte zahlte nicht. Mit der Klage begehrt die Klägerin Zahlung von 837,13 EUR sowie Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten von 147,46 EUR. In der Klageschrift heißt es einleitend u. a., die Klägerin fordere die vollständige Rückzahlung der von der Mieterin geleisteten Kaution. Dieser Anspruch sei an die Klägerin abgetreten worden.

     

    AG und LG sind ‒ nach dem etwas widersprüchlichen Vorbringen der Klägerin ‒ davon ausgegangen, dass diese mit der Klage einen Anspruch auf Rückzahlung der Mietkaution geltend macht. Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen, weil die Klägerin nicht aktivlegitimiert sei. Es sei bereits fraglich, ob sich die Abtretungserklärung vom 10.5.18 auf den geltend gemachten Kautionsrückzahlungsanspruch beziehe. Jedenfalls sei die Abtretung des Kautionsrückzahlungsanspruchs gemäß § 134 BGB nichtig, da sie auf einem Verstoß gegen das RDG beruhe. Mit der vom LG zugelassenen Revision verfolgte die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter (BGH 9.8.22, VIII ZR 298/20, Abruf-Nr. 231812).

     

    Entscheidungsgründe

    Der BGH sah keinen Grund dafür, die Revision zuzulassen. Denn die vom LG aufgeworfene Rechtsfrage war nicht entscheidungserheblich. Das LG wollte klären lassen, ob auch in der hier gegebenen Konstellation ‒ Kautionsrückforderung und damit zusammenhängend ggf. die Abwehr von Gegenansprüchen des Vermieters wegen Schönheitsreparaturverpflichtung der Mieterin ‒ eine Rechtsdienstleistung i. S. d. § 2 Abs. 2 S. 1 RDG vorliegt, die ein im Rechtsdienstleistungsregister eingetragener Inkassodienstleister erbringen darf. Aus Sicht des BGH deckte die Abtretungserklärung nicht den geltend gemachten Kautionsrückzahlungsanspruch ab; die Vorinstanzen haben daher ‒ im Ergebnis ‒ zu Recht die Aktivlegitimation der Klägerin verneint und die Klage abgewiesen. Bei der Erklärung der Mieterin vom 10.5.18 handelte es sich ‒ schon dem Wortlaut nach ‒ nicht um eine eigenständige Abtretung, sondern nur um die Bestätigung einer vermeintlich bereits vorgenommenen Abtretung. Dass und ggf. wann eine solche zuvor erfolgt sein soll, sei vom LG ‒ mangels entsprechendem Vortrag ‒ nicht festgestellt worden.

     

    Beachten Sie | In einer anderen Konstellation, die einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete wegen Überschreitung der nach § 556d Abs. 1 BGB höchst zulässigen Miete und vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten betraf, kam es entscheidungserheblich auf eine Erklärung der Mieterin an, die (auf den ersten Blick vergleichbar) mit „Bestätigung Vollmachterteilung und Abtretung, Genehmigung“ überschrieben war. Aus der Erklärung und den AGB der Zessionarin, die Vertragsbestandteil geworden waren, ergab sich jedoch, dass und welche Ansprüche abgetreten worden sind; eben diese Abtretung wurde nicht nur bestätigt, sondern auch wiederholt (BGH 8.4.20, VIII ZR 130/19).

     

    Von einer Abtretung des geltend gemachten Kautionsrückzahlungsanspruchs könne ‒ so der BGH ‒ aber selbst dann nicht ausgegangen werden, wenn die Erklärung entgegen ihrem Wortlaut als selbstständige Abtretung auszulegen wäre. Die „Bestätigung“ der Abtretung vom 10.5.18 bezieht sich auf „die Ansprüche“. Diese Angabe ist für sich genommen unbestimmt. Aus dem weiteren Inhalt der Urkunde ergebe sich jedoch ‒ obwohl die Formulierung grammatikalisch nicht korrekt und dadurch schwer verständlich sei ‒, dass Ansprüche umfasst sein sollen, die sich daraus ergeben, dass die Vermieterin einen Anspruch auf Schönheitsreparaturen für gegeben hält. Das könnten vor allem Schadenersatz- oder Erstattungsansprüche sein, wegen der verlangten, rechtlich aber nicht geschuldeten Schönheitsreparaturen durch die Mieterin.

     

    MERKE | Der Kautionsrückzahlungsanspruch folgt aus der Sicherungsabrede, wonach eine Kaution nach dem Ende der Mietzeit und einer dem Vermieter zuzubilligenden Abrechnungszeit zurückzuzahlen ist (BT-Drucksache 14/4553, S. 99; BGH 18.1.06, VIII ZR 71/05). Zwar kann diesem Anspruch ein etwaiger Anspruch des Vermieters, Schönheitsreparaturen durchzuführen, bzw. ‒ wie hier ‒ auf Schadenersatz wegen unterlassener Vornahme dieser Arbeiten durch die Mieterin entgegengehalten werden, etwa im Wege der Aufrechnung. Hierdurch wird die Rechtsnatur des Kautionsrückzahlungsanspruchs aber nicht verändert, vor allem wird dieser nicht zu einem (von der Abtretung umfassten) Anspruch wegen Festhaltens der Vermieterin an den verlangten Schönheitsreparaturen.

     

    Der BGH sieht dieses Ergebnis durch den weiteren Inhalt der Erklärung der Mieterin vom 10.5.18 bestätigt. Darin enthalten ist auch eine Bevollmächtigung, einen Vertragsanwalt der Klägerin mit der Wahrnehmung der Interessen der Mieterin im Zusammenhang mit der Abwehr der Pflicht zur Vornahme der Schönheitsreparaturen zu beauftragen. Der BGH folgert daraus, dass die Erklärung vom 10.5.18 insgesamt auf eine umfassende Bevollmächtigung der Klägerin für rechtliche Fragestellungen, die die Pflicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen betreffen, sowie auf eine Abtretung hiermit im Zusammenhang stehender Ansprüche abzielte. Ein Kautionsrückzahlungsanspruch zählt indes nicht zu solchen Ansprüchen. Abschließend würdigt der BGH auch die außergerichtlichen Schreiben der Klägerin an die Beklagte, in denen ein Kautionsrückzahlungsanspruch nicht geltend gemacht wurde.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die eigentlich aufgeworfene Rechtsfrage bleibt unbeantwortet, ist aber „in der Welt“. „Inkasso“ bezieht sich begrifflich auf Geldforderungen, sodass ein reiner Kautionsrückzahlungsanspruch von §§ 2 Abs. 2 S. 1, 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG gedeckt sein könnte. Andere Senate des BGH haben inzwischen die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats bestätigt, der den vom BVerfG entwickelten „weiten“ Inkassobegriff zugrunde legt (zuletzt BVerfG 13.7.21, II ZR 84/20 [Sammelklage-Inkasso]; 13.6.22, VIa ZR 418/21 [financialright]). Es bleibt also spannend!

     

    Zudem stellt der BGH seine Auslegung der Abtretung, ausgehend vom Wortlaut, geradezu lehrbuchartig dar. Daraus wiederum lassen sich Schlüsse darauf ziehen, welche Anforderungen eine Abtretung erfüllen muss, speziell dann, wenn eine Vielzahl von Ansprüchen erfasst werden soll.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2023 | Seite 204 | ID 49721140