· Fachbeitrag · Tierhaltung
Hunde- und Katzenhaltung kann nur im Einzelfall untersagt werden
Eine AGB im Mietvertrag über Wohnräume, die den Mieter verpflichtet, „keine Hunde und Katzen zu haltenb“ ist wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam (BGH 20.3.13, VIII ZR 168/12, Abruf-Nr. 131181). |
Sachverhalt
Der Formularmietvertrag lautet in § 11 Abs. 3d: „Mit Rücksicht auf die Gesamtheit der Nutzer und im Interesse einer ordnungsmäßigen Bewirtschaftung des Gebäudes, des Grundstücks und der Wohnung bedarf das Mitglied der vorherigen Zustimmung der Genossenschaft, wenn es Tiere hält, soweit es sich nicht um übliche Kleintierhaltung handelt (z.B. Fische, Hamster, Vögel), es sei denn, in § 16 ist etwas anderes vereinbart.“ § 16: „Das Mitglied ist verpflichtet, keine Hunde und Katzen zu halten.“ Der Beklagte hat in 09 auf ärztliches Anraten für seinen Sohn einen Shi Tzu-Malteser-Mischling (Schulterhöhe 20 cm) angeschafft. Dies offenbarte er vor Abschluss des Mietvertrags. Wie die Mitarbeiter der Klägerin auf diesen Hinweis reagierten, ist streitig. Die Klägerin verlangt nach Kenntnis von der Hundehaltung die Entfernung des (nicht störenden) Hundes und Unterlassung der Hundehaltung. Die Klage wurde in zweiter Instanz abgewiesen. Die Revision hat keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die generelle Untersagung der Haltung von Hunden und Katzen hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand. Grund: Die Klausel des § 16 Mietvertrag verbietet eine Katzen- und Hundehaltung ausnahmslos und ohne Rücksicht auf besondere Fallgestaltungen und Interessenlagen. Das heißt: Sie schränkt die Gebrauchsbefugnis des Mieters noch stärker ein als eine Formularklausel, die die Haustierhaltung (mit Ausnahme von Kleintieren) von einer in das freie Ermessen des Vermieters gestellten Erlaubnis abhängig macht. Schon für einen derartigen schrankenlosen Erlaubnisvorbehalt ist kein berechtigtes Interesse des Vermieters erkennbar und eine entsprechende Formularklausel wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters nach § 307 BGB unwirksam (BGH MK 13, 59, Abruf-Nr. 130949). Erst recht muss dies für eine Klausel gelten, die - wie hier - die Möglichkeit einer Zustimmung des Vermieters zur Haltung von Katzen und Hunden von vornherein und kategorisch ausschließt. Eine unangemessene Benachteiligung liegt schon darin begründet, dass
- auch evident berechtigte Belange des Mieters an einer Tierhaltung in vollem Umfang ausgeblendet werden. Dem Mieter ist die Haltung von Hunden (und Katzen) selbst in besonderen Härtefällen (etwa bei Angewiesensein auf einen Blinden-, Behindertenbegleit- oder Therapiehund) untersagt.
- das Hunde- und Katzenhaltungsverbot uneingeschränkt sogar in den Fällen gilt, in denen auf Seiten des Vermieters kein berechtigtes Interesse an einem solchen Verbot erkennbar ist, etwa weil - wie hier - von den gehaltenen Tieren keine Beeinträchtigungen der Mietsache und keine Störungen anderer Hausbewohner oder sonstiger Nachbarn ausgehen.
- das Verbot der Hunde- und Katzenhaltung dem wesentlichen Grundgedanken der Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters nach § 535 Abs. 1 BGB widerspricht (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Ob eine Tierhaltung zum vertragsgemäßen Gebrauch i.S. von § 535 Abs. 1 BGB gehört, erfordert eine einzelfallorientierte umfassende Abwägung der Vermieter- und Mieterinteressen sowie der weiteren Beteiligten. § 16 schließt dagegen losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls eine Hunde- und Katzenhaltung abstrakt und generell aus und verbietet damit eine solche Tierhaltung auch in den Fällen, in denen eine am Maßstab des § 535 Abs. 1 BGB ausgerichtete Interessenabwägung (eindeutig) zugunsten des Mieters ausfallen würde.
Praxishinweis
Der BGH setzt seine bisherige Rechtsprechung (MK 13, 59, Abruf-Nr. 130949) zur Unwirksamkeit formularmäßiger Tierhaltungsklauseln konsequent fort und kassiert auch eine generelle Hunde- und Katzenverbotsklausel. Zentrale Aussage der Entscheidung ist die Feststellung, dass die bei Hunden und Katzen nicht generell ausschließbare Gefahr einer Beeinträchtigung der Mietsache oder einer Störung von Nachbarn es nicht rechtfertigt, die Haltung unter ein formularmäßiges Generalverbot zu stellen. Das heißt: Schematische Lösungen sind grundsätzlich AGB-widrig. Auch wird ein generelles formularmäßiges Verbot der Hunde- und Katzenhaltung - wie der BGH ausdrücklich hervorhebt - nicht durch das allgemeine Rücksichtnahmegebot (§ 241 Abs. 2 BGB) durchbrochen.
Die Unwirksamkeit der Klausel nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB ist kein Freibrief für eine schrankenlose Tierhaltung ohne Rücksicht auf die Interessen von Vermieter und Nachbarn. Der Mieter ist gut beraten, vor der Anschaffung eines Tiers die Einwilligung des Vermieters einzuholen. Der BGH hält daran fest, dass beim Fehlen einer wirksamen mietvertraglichen Regelung die Zulässigkeit einer solchen Tierhaltung gemäß § 535 Abs. 1 BGB von dem Ergebnis einer umfassenden Abwägung der jeweiligen Einzelfallumstände abhängt (MK 08, 27, Abruf-Nr. 073748). Prüfungsrelevant sind die in der Checkliste zu BGH MK 13, 59 aufgeführten Kriterien. Das heißt, nur wenn die Abwägung - anders als hier - zum Nachteil des Mieters ausfällt, darf der Vermieter seine Zustimmung versagen und unter den Voraussetzungen des § 541 BGB auf Unterlassung klagen. § 1004 Abs. 1 BGB ist daneben nicht anwendbar (BGH MK 07, 136 Abruf-Nr. 071913). Die Interessenabwägung ist nicht nur im Rahmen einer vom Mieter angestrengten Klage auf Zustimmung zur Tierhaltung, sondern auch bei einer vom Vermieter erhobenen Beseitigungs- und Unterlassungsklage vorzunehmen.
Beachten Sie | Dem Mieter, der einen Mietvertrag mit einer unwirksamen Vertragsklausel unterschrieben hat, ist es in der Regel nicht schon allein deswegen verwehrt, deren Unwirksamkeit geltend zu machen, weil er den Vertrag unterschrieben hat, ohne auf eine Streichung der Klausel zu dringen. Die Klägerin hatte sich darauf berufen, der Beklagte habe den Mietvertrag in dem Wissen abgeschlossen, dass die Hundehaltung nicht geduldet werde. Den ihr für diesen rechtsvernichtenden Einwand eines treuwidrigen Verhaltens des Beklagten obliegenden Beweis (BGH NJW 75, 827; BGHZ 12, 154) konnte die Klägerin nicht führen.