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  • · Fachbeitrag · Vergrößerung der Mietfläche

    Tatsächliche Nutzung trotz Duldungsvorbehalt: Mieter muss höhere Vertragsmiete zahlen

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    Nimmt der Mieter ein Angebot des Vermieters auf Erweiterung der Mietfläche gegen Zahlung einer monatlichen Miete durch tatsächliche Nutzung der Erweiterungsfläche an, schuldet er gemäß § 535 Abs. 2 BGB die erhöhte Miete selbst, wenn er sich vor Ausführung der Arbeiten den Einwand vorbehalten hat, nicht zur Duldung der Maßnahme verpflichtet gewesen zu sein (BGH 2.7.14, VIII ZR 298/13, Abruf-Nr. 150935).

     

    Sachverhalt

    Die Beklagte ist Mieterin einer Altbauwohnung des Klägers. Dieser kündigte an, einen zerstörten Anbau des Hauses wieder zu errichten. Er begründete dies damit, es handle sich um Schaffung neuen Wohnraums und eine Modernisierungsmaßnahme, die den Wohnkomfort verbessere und zu einer Energieeinsparung führe. Weiter kündigte er an, die Nettokaltmiete nach der Maßnahme von 278,66 EUR auf 615,04 EUR zu erhöhen. Am 9.3.11 vereinbarten die Parteien, dass die Beklagte dem Anbau zustimmt, aber nicht mit dem Einwand präkludiert ist, (wegen Unzumutbarkeit) nicht zur Duldung der Maßnahme verpflichtet gewesen zu sein. Zugleich wurde ihr ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt und ihr ein Umzugskostenzuschuss angeboten, sofern die Wohnung in 2011 übergegeben werde. Durch den in 12/11 fertiggestellten Wiederaufbau wurde die Wohnung um ein Zimmer nebst Loggia (zusätzliche Wohnfläche 29,25 qm) vergrößert. Mit Schreiben vom 30.12.11 begehrte der Kläger eine Erhöhung der Nettomiete für den alten Teil (51,94 EUR) und ab 1.3.12 weitere 307,13 EUR monatlich für den neu errichteten Teil der Wohnung. Die Beklagte nutzte in der Folgezeit auch den Anbau. Die Klage auf Mieterhöhung für den Altbau sowie Zahlung einer zusätzlichen Miete für den Anbau von 3/12 bis 2/13 (3.685,56 EUR) weist das AG ab. Zweitinstanzlich hat die Klage nur als Teilvergleich über die Mieterhöhung für den Altbau Erfolg. Der BGH verurteilt die Beklagte zur Zahlung der verlangten Anbaumiete.

     

    Entscheidungsgründe

    Mit der Nutzung des Anbaus hat die Beklagte das Angebot des Klägers auf Gebrauchsüberlassung der erweiterten Wohnfläche gegen Zahlung einer um monatlich 307,13 EUR erhöhten Nettomiete konkludent angenommen. Eine dem Erklärenden - wie hier - zurechenbare objektive Bedeutung seines Verhaltens hat aus der Sicht des Erklärungsgegners Vorrang vor einem etwa entgegenstehenden Willen des Erklärenden (BGHZ 91, 324; BGHZ 109, 171).

     

    Dieser Auslegung steht nicht entgegen, dass die Beklagte sich vor Beginn der Maßnahme den Einwand vorbehalten hat, zu einer Duldung nicht verpflichtet zu sein. Dahingehende Einwände hat sie nicht geltend gemacht, sondern im Gegenteil durch ihr tatsächliches Nutzungsverhalten zu verstehen gegeben, dass sie die Vergrößerung der Wohnfläche billigt. Etwaige Anhaltspunkte dafür, dass sie nach dem Zuschnitt der Wohnung nicht umhin konnte, die zusätzliche Wohnfläche zu nutzen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; sie sind auch nicht ersichtlich.

     

    Praxishinweis

    Das Berufungsgericht versagt dem Kläger einen Anspruch auf Mietzahlung aus drei Gründen:

     

    • Keine Einigung über eine Vergrößerung der Mietfläche durch Vereinbarung vom 9.3.11. Grund: Die Beklagte verspricht darin lediglich, die Modernisierungsmaßnahme zu dulden unter Erhalt ihres Einwands, wegen Unzumutbarkeit nicht zur Duldung der Maßnahme verpflichtet gewesen zu sein.

     

    • Keine Mieterhöhung ipso iure aufgrund der Duldungspflicht nach § 554 Abs. 2 a.F. BGB. Damit grenzt sich die Kammer von der gegenteiligen Auffassung von Börstinghaus (jurisPR-MietR 13/2013 Anm. 3) ab. Das korrespondiert mit § 559 BGB, der eine Mieterhöhung wegen Schaffung neuen Wohnraums (§ 555b Nr. 7 BGB) ausdrücklich ausnimmt.

     

    • Keine ergänzende Vertragsauslegung, da dies zu einer unzulässigen Erweiterung des Vertragsgegenstandes führen würde.

     

    Der BGH kommt demgegenüber über eine Vertragsauslegung zu dem Ergebnis, dass die Parteien sich über eine Einbeziehung der Erweiterungsfläche in den Mietvertrag gegen Zahlung einer bestimmten Miete geeinigt haben. Nach allgemeinen Grundsätzen kommt ein Vertrag durch Angebot und Annahme zustande. Hier liegt das Angebot des Vermieters in der Errichtung des Anbaus, verbunden mit der nachfolgenden Forderung nach einer „Mieterhöhungb“ für die Erweiterungsfläche in Höhe von 307,13 EUR monatlich. Eine ausdrückliche Annahme dieses Angebots hat die Mieterin nicht erklärt. Sie hat jedoch das zusätzliche Zimmer durch tatsächliche Ingebrauchnahme in ihre Wohnnutzung einbezogen. Damit hat sie durch ihr tatsächliches Nutzungsverhalten zu erkennen gegeben, dass sie die Vergrößerung der Wohnfläche - trotz ihres zunächst erklärten Vorbehalts - billigt und nach dem objektiven Empfängerhorizont das Vertragsangebot des Klägers konkludent angenommen. Grund: Eine dem Erklärenden - wie hier - zurechenbare objektive Bedeutung seines Verhaltens hat aus der Sicht des Erklärungsgegners Vorrang vor einem etwa entgegenstehenden Willen des Erklärenden.

     

    Merke | Ausnahmsweise kann auch schlüssiges Verhalten ohne Erklärungsbewusstsein als wirksame Erklärung zu werten sein. Dies setzt aber voraus, dass der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte und dass der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (BGH NJW 05, 2620; BGHZ 109, 171).

     

    Für die Annahme einer konkludenten Vertragsänderung ist dagegen kein Raum, wenn sich der Mieter - anders als hier - der Ingebrauchnahme der ihm angebotenen Vertragserweiterung aufgrund des Wohnungszuschnitts faktisch nicht entziehen kann (LG Leipzig WuM 02, 94). Das sieht auch der VIII. Senat so.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2014 | Seite 185 | ID 42996905