· Fachbeitrag · Wohngebäudeversicherung
Erhaltungspflicht des Vermieters auch bei durch den Mieter fahrlässig verursachten Brandschäden
von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf
Hat der Vermieter eine Wohngebäudeversicherung abgeschlossen, deren Kosten vom Mieter getragen werden, und verursacht der Mieter leicht fahrlässig einen von dieser Versicherung umfassten Wohnungsbrand, so trifft den Vermieter in der Regel die mietvertragliche Pflicht, wegen des Brandschadens nicht den Mieter, sondern die Versicherung in Anspruch zu nehmen. Zudem hat der Vermieter in einem solchen Fall aufgrund seiner Pflicht zur Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) den Brandschaden grundsätzlich auch dann zu beseitigen, wenn er von einer Inanspruchnahme der Wohngebäudeversicherung absieht (BGH 19.11.14, VIII ZR 191/13, Abruf-Nr. 143475). |
Sachverhalt
Die Tochter der Kläger verursachte fahrlässig einen Brand in der Küche der von ihnen gemieteten Wohnung. Sie hatte diese bei eingeschalteter Herdplatte zeitweise verlassen, sodass sich das in einem Kochtopf auf dem Herd erhitzte Öl währenddessen entzündet hatte. Küche und weitere Räume wurden - überwiegend in Gestalt von Rußverschmutzungen - beschädigt. Die Beklagte (Vermieterin) lehnte eine Inanspruchnahme ihrer Gebäudeversicherung und die von den Klägern geforderte Beseitigung des Brandschadens ab. Die Klage auf Beseitigung des Brandschadens, sowie Feststellung einer Berechtigung zur Mietminderung (60 Prozent der Kaltmiete) hat vor dem Amtsgericht Erfolg. Nachdem die Beklagte die Brandschäden - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - beseitigt hat, haben die Kläger den Rechtsstreit vor dem LG insoweit einseitig für erledigt erklärt. Das LG hat das amtsgerichtliche Feststellungsurteil zur Höhe und Dauer der Minderung teilweise abgeändert und festgestellt, dass sich der Rechtsstreit hinsichtlich der Beseitigung des Brandschadens in der Hauptsache erledigt hat. Die Revision bleibt erfolglos.
Entscheidungsgründe
Der BGH entscheidet erstmals, dass die Grundsätze der versicherungsrechtlichen Lösung auch für die Beurteilung der Frage des Bestehens eines Mangelbeseitigungsanspruchs des Mieters in Bezug auf einen von diesem durch einfache Fahrlässigkeit verursachten Brandschaden maßgeblich sind. Entsteht während der Mietzeit ein Mangel i.S. des § 536 BGB - wie hier in Gestalt des Brandschadens - schuldet der Vermieter dessen Beseitigung im Rahmen seiner Erfüllungspflicht (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) unabhängig davon, ob die Ursache in seinem oder im Gefahrenbereich des Mieters zu suchen ist.
Merke | Die Pflicht zur Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustands entfällt jedoch, soweit der Mieter den Mangel der Mietsache zu vertreten hat (BGH NJW 98, 594; MK 08, 190, Abruf-Nr. 082223). Folge: Dem Vermieter steht dann ein Anspruch auf Schadenersatz - nach seiner Wahl in Form der Wiederherstellung (§ 249 Abs. 1 BGB) oder des Geldersatzes (§ 249 Abs. 2 BGB) - gegen den Mieter zu (Nachweise Urteilsgründe Tz. 26).
Da den Klägern hier hinsichtlich des Brandschadens (allenfalls) einfache Fahrlässigkeit zur Last fällt, sind sie der Beklagten nach den Grundsätzen der versicherungsrechtlichen Lösung trotzdem nicht zum Ersatz dieses Schadens verpflichtet, sondern ihnen steht vielmehr ein Anspruch auf Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustands zu. Der Mieter, der einen Brandschaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat, ist (regelmäßig) vor einem Rückgriff des Gebäudeversicherers (§ 86 Abs. 1 VVG) in der Weise geschützt, dass eine durch die Interessen der Vertragsparteien gerechtfertigte ergänzende Auslegung des Gebäudeversicherungsvertrags einen konkludenten Regressverzicht des Versicherers für die Fälle ergibt, in denen der Wohnungsmieter einen Brandschaden - wie hier - durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat (BGH GE 14, 661; MK 05, 22, Abruf-Nr. 043188; MK 07, 63, Abruf-Nr. 070981). Der Mieter steht hierdurch im Ergebnis nicht anders da, als wenn er selbst eine Versicherung abgeschlossen hätte.
Beachten Sie | Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Mieter - wie hier - eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat und diese für den Brandschaden ebenfalls eintrittspflichtig wäre.
Aus der der versicherungsrechtlichen Lösung zugrunde liegenden Interessenlage folgt die mietvertragliche Pflicht des Vermieters, die Versicherung in Anspruch zu nehmen (oder auf Schadensersatz zu verzichten), wenn ein Versicherungsfall vorliegt, ein Regress des Versicherers gegen den Mieter ausgeschlossen ist und der Vermieter nicht ausnahmsweise ein besonderes Interesse an einem Schadensausgleich durch den Mieter hat.
Merke | Verletzt der Vermieter diese Pflicht, steht dem Mieter seinerseits ein Schadenersatzanspruch zu, den er dem Anspruch des Vermieters wegen seiner Obhutspflichtverletzung gemäß § 242 BGB („dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est“) entgegen halten kann (Nachweise Urteilsgründe Tz. 30).
Ist der Mieter nach den Grundsätzen der versicherungsrechtlichen Lösung weder zur Beseitigung des Brandschadens noch sonst insoweit zum Schadensersatz verpflichtet, verbleibt es bei der vom Gesetz als dauerhafte vertragliche Hauptpflicht ausgestalteten Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. Das heißt: Dieser ist regelmäßig auch zur Wiederherstellung eines zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustands der Mietsache verpflichtet, wenn er die von ihm abgeschlossene Wohngebäudeversicherung wegen des Brandschadens nicht in Anspruch nimmt. Dem Erhaltungsanspruch des Mieters steht auch nicht entgegen, dass die Kläger wegen des Brandschadens zugleich die Minderung der Miete geltend machen. Zu Recht hat das Berufungsgericht ein besonderes Interesse der Beklagten, welches ausnahmsweise gegen eine Inanspruchnahme der Wohngebäudeversicherung sprechen könnte, verneint und insbesondere den pauschalen Hinweis der Beklagten auf möglicherweise steigende Versicherungsbeiträge als nicht ausreichend erachtet. Denn es fehlt hier bereits an einem konkreten Vortrag der Beklagten hinsichtlich einer zu erwartenden Beitragserhöhung.
Praxishinweis
Mit der Einbeziehung der Erhaltungspflicht und Minderungsberechtigung in die versicherungsrechtliche Lösung entwickelt der BGH seine Rechtsprechung zu den Haftungsfolgen in den Fällen eines vom Mieter fahrlässig verursachten Brandschadens konsequent weiter. Er stellt klar, dass den Vermieter nach der versicherungsrechtlichen Lösung als mietvertragliche Nebenpflicht nicht lediglich eine Verschonungspflicht trifft, den Mieter bei bestehendem Versicherungsschutz nicht in Anspruch zu nehmen. Der Vermieter ist vielmehr nach § 535 Abs. 1 BGB umfassend zur Behebung des Brandschadens verpflichtet. Das schließt als Maßnahme der Schadensbeseitigung die Ausführung von Tapezier- und Streicharbeiten ein, selbst, wenn diese - wie hier - vertraglich dem Mieter auferlegt sind.
Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob der Vermieter seine Wohngebäudeversicherung tatsächlich in Anspruch nimmt und auch dann, wenn der Mieter über eine eigene Haftpflichtversicherung verfügt. Der Vermieter hat insoweit, als er durch die Versicherung geschützt ist, im Regelfall kein vernünftiges Interesse daran, den Schadensausgleich nicht durch die Versicherung zu suchen. Der Mieter wiederum darf im Verhältnis zum Vermieter die berechtigte Erwartung haben, dass ihm seine Aufwendungen für die Wohngebäudeversicherung im Schadensfall zugutekommen und er durch diese Versicherung geschützt ist, wenn er leicht fahrlässig einen Schaden verursacht.Ob im Einzelfall ausnahmsweise etwa eine durch die Inanspruchnahme der Wohngebäudeversicherung verursachte erhebliche Erhöhung der Versicherungsprämie ein besonderer Grund sein kann, der es für den Vermieter rechtfertigt, von einer Inanspruchnahme der Versicherung abzusehen, oder ob einem solchen Ausnahmetatbestand vielmehr die Möglichkeit entgegensteht, allein den schadensverursachenden Mieter mit dem Differenzbetrag zu belasten, hat der BGH offen gelassen. Ein besonderes Interesse des Vermieters, welches in Ausnahmefällen gegen eine Inanspruchnahme der Wohngebäudeversicherung sprechen könnte, lässt sich jedenfalls nicht mit dem abstrakten Hinweis auf möglicherweise steigende Versicherungsbeiträge begründen.
Prozessual hat die ohne Anerkennung einer Rechtspflicht vorgenommene Beseitigung des Brandschadens durch den Vermieter nicht zu einer Erledigung der Hauptsache geführt. Der Antrag der Kläger, hinsichtlich des Antrags auf Behebung des Brandschadens die Erledigung der Hauptsache festzustellen, war demnach unbegründet. Die Revision blieb gleichwohl deshalb erfolglos, weil die Kläger in der Revisionsverhandlung hilfsweise von ihrer Erledigungserklärung Abstand genommen und ihren ursprünglichen Antrag weiterverfolgt haben.
Merke | Eine Erledigungserklärung ist frei widerruflich, solange sich die beklagte Partei ihr nicht angeschlossen und das Gericht keine Entscheidung über die Erledigung der Hauptsache getroffen hat. Bis zu diesem Zeitpunkt kann die klagende Partei - auch in der Revisionsinstanz - von der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung Abstand nehmen und ohne das Vorliegen weiterer Voraussetzungen zu ihrem ursprünglichen Klageantrag zurückkehren.