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  • · Fachbeitrag · Wohngemeinschaften

    Anspruch auf Zustimmung zum Mieterwechsel?

    von VRinLG Astrid Siegmund, Berlin

    | Wohngemeinschaften (WGs) sind als Form des Zusammenwohnens z. B. von Studenten, in Business-WGs, WGs für Alleinerziehende oder WGs für ältere Menschen zunehmend beliebt und praktisch bedeutend (Staake/v. Bressendorf-Staake, Wohngemeinschaften Rechtshandbuch, 2019, § 1 Rn. 16). Ob und unter welchen Voraussetzungen Mieter, die eine WG bilden, vom Vermieter die Zustimmung zu einem Austausch einzelner Mieter verlangen können, hat der BGH nun entschieden. |

    Sachverhalt

    Die Kläger, Mieter einer Wohnung der Beklagten, verlangen von dieser die Zustimmung zu einem Austausch einzelner Mieter. Mit Mietvertrag vom 19.8.13 vermietete die Beklagte eine Wohnung mit sieben Zimmern erstmals an insgesamt sechs männliche Personen. Nachdem in der Folgezeit mit Nachträgen zum Mietvertrag schon zwei Mieterwechsel stattfanden, begehrten die Kläger 2019 von der Beklagten die Zustimmung zu einem Austausch von vier Mietern, was die Beklagte ablehnte. Die vier Personen, die nun in das Mietverhältnis eintreten sollten, bewohnten die Wohnung bereits als Untermieter anstelle der vier Kläger, die aus dem Mietverhältnis ausscheiden wollten. Die auf eine Zustimmung zum Austausch der Mieter gerichtete Klage hatte vor dem AG Erfolg; das LG hat die Klage abgewiesen, der BGH die Revision der Kläger zurückgewiesen (BGH 27.4.22, VIII ZR 304/21, Abruf-Nr. 229544).

    Entscheidungsgründe

    Ebenso wie das LG verneint der BGH einen Anspruch der Mieter auf Zustimmung zu einem erneuten Mieterwechsel. Der Anspruch ergebe sich weder aus dem Mietvertrag i. V. m. den Nachträgen noch aufgrund einer Nebenpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB oder aus Treu und Glauben nach § 242 BGB. Der Mietvertrag sei hier auf Mieterseite mit (sechs) Einzelpersonen geschlossen worden, nicht mit einer WG in Form einer Außen-GbR. Dass die Mieter gemeinsam in der Wohnung zu leben beabsichtigten, ändere nichts an den Vertragsverhältnissen. Die Vertragslage ergebe sich aus dem Mietvertragsrubrum, in dem als Mieter die einzelnen Personen namentlich mit ihrer jeweiligen Anschrift und ihrem Geburtsdatum genannt sind. Dem entspreche die Unterschriftszeile, der sich ebenfalls kein Hinweis auf eine Unterzeichnung durch eine Außen-GbR entnehmen lasse. Auch der zweifache Mieterwechsel wurde ‒ der Vertragskonstruktion entsprechend ‒ zwischen den bisherigen Mietern, den neuen Mietern und der Beklagten vereinbart.

     

    Beachten Sie | Die Änderung eines wesentlichen Bestandteils des Mietvertrags (hier: Austausch mehrerer Mieter im Wege einer (teilweisen) Vertragsübernahme) bedarf einer vertraglichen Vereinbarung zwischen allen bisherigen Parteien und der bzw. den neu hinzutretenden Person(en). Vergleichbar verhält es sich in den Fällen der Entlassung eines Mieters aus dem Vertragsverhältnis, etwa nach dem Scheitern einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft (BGH 31.1.18, VIII ZR 105/17; 14.9.10, VIII ZR 83/10; 16.3.05, VIII ZR 14/04).

     

    Weder im Mietvertrag noch in den Nachträgen hierzu sei (ausdrücklich) vereinbart worden, dass den Mietern ein Anspruch auf Zustimmung zu einem künftigen Mieterwechsel zustehen soll oder eine solche Einwilligung vorab erteilt werde. Ein Anspruch auf Zustimmung in künftige Mieterwechsel sei zwar auch ohne ausdrückliche Vereinbarung möglich. Ob eine Zustimmung ‒ oder sogar eine antizipierte Einwilligung ‒ hierzu erteilt wurde, ist ‒ so der BGH ‒ mittels Auslegung der auf den Abschluss des Mietvertrags und der Nachträge gerichteten Erklärungen der Parteien festzustellen. Neben den Umständen des Einzelfalls, dem wirklichen Willen der Parteien und den Geboten von Treu und Glauben sei nach §§ 133, 157 BGB insbesondere eine ‒ nach beiden Seiten ‒ interessengerechte Auslegung der dem Vertragsabschluss bzw. den Nachtragsvereinbarungen zugrunde liegenden Willenserklärungen maßgeblich.

     

    Vertragsauslegung: Vorab erteilte Zustimmung?

    Der BGH setzt sich detailliert mit den in der Instanzrechtsprechung und in der Literatur vertretenen Auffassungen zu der Frage auseinander, ob und unter welchen Voraussetzungen einem Mietvertrag mit mehreren Mietern, die eine WG bilden, eine bereits vorab erteilte Zustimmung zu einem Mieterwechsel oder ein Anspruch hierauf zu entnehmen ist. Er warnt davor, die Frage schematisch zu beantworten. Die Auslegung eines Vertrags habe stets aufgrund der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu erfolgen. Im Rahmen der einzelfallbezogenen Auslegung seien auch die häufig gegenläufigen Interessen der Vertragsparteien zu berücksichtigen.

     

    MERKE | Das Gesetz sieht kein Wechselrecht auf Mieterseite vor ‒ auch nicht bei Mietermehrheit. Dem Bedürfnis des Mieters nach Flexibilität trägt das Gesetz durch die Möglichkeit zur Untervermietung nach § 553 Abs. 1 BGB und die für Mieter kurze Kündigungsfrist des § 573c Abs. 1 BGB Rechnung. Die Annahme einer Vereinbarung, die den Mietern einen Anspruch auf Zustimmung zu einem Mieterwechsel gewährt oder sogar von einer antizipierten Einwilligung ausgeht, geht über die gesetzliche Regelung deutlich hinaus; ohne besondere Anhaltspunkte kann i. d. R. kein entsprechender Wille beider Parteien unterstellt werden. Daher kann aus dem Umstand, dass ein Mietvertrag mit mehreren, eine WG bildenden Mietern geschlossen wurde und dieser weder eine Bestimmung zu einem Mieterwechsel enthält noch einen solchen ausdrücklich ausschließt, nicht abgeleitet werden, dass die Parteien einen Anspruch auf Zustimmung zu einem Mieterwechsel begründen wollten.

     

    Der BGH lenkt den Blick auf die regelmäßig gegenläufige Interessenlage beider Parteien. Ein Recht auf Zustimmung zu einem Mieterwechsel oder ‒ noch weitergehend ‒ eine bereits antizipierte Einwilligung in einen künftigen Mieterwechsel begünstige die Mieter im Vergleich zur gesetzlichen Lage erheblich. Denn der bisherige Mieter scheide ‒ anders als bei einer Untervermietung ‒ bei einer (teilweisen) Vertragsübernahme durch den neuen Mieter aus dem Mietverhältnis aus und hafte künftig nicht mehr ‒ gesamtschuldnerisch ‒ für die Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen. Zugleich sei er vom Aufwand einer Untervermietung und der Abwicklung des gesamten Mietverhältnisses im Zuge einer eventuellen späteren Kündigung entlastet.

     

    Der auf Wunsch der bisherigen Mieter eintretende neue Mieter erhalte die Vorteile einer gesicherten Stellung als (Haupt-)Mieter und profitiere bei einem Mietvertrag mit mehreren Mietern von den bereits geltenden verlängerten Kündigungsfristen, einer durch ein bereits länger andauerndes Mietverhältnis eventuell günstigen Miete sowie den Grenzen für eine Mieterhöhung in einem laufenden Mietverhältnis (§§ 558 ff. BGB). Die verbleibenden ursprünglichen Mieter erhielten die ihnen beim Untervermietungsmodell nicht zustehende Möglichkeit, dass (entweder sukzessive oder auf einmal) alle Mieter ausscheiden und durch Nachfolger ersetzt werden können. Sie könnten so das Mietverhältnis flexibel, ohne größeren Aufwand und ohne die bei einer Untervermietung bestehende weitere Haftung jederzeit beenden und dadurch ihre wirtschaftliche Dispositionsfreiheit vollständig erhalten. Zugleich ersparten sie sich den Aufwand einer Kündigung sowie möglichen Streit mit (ehemaligen) Mit- oder Untermietern. Bei einem Mietvertrag mit mehreren Mietern, die eine WG bilden, sieht der BGH zusammenfassend ein großes Interesse der Mieter an der Aufnahme eines solchen Rechts zum Mieterwechsel in den Vertrag.

     

    PRAXISTIPP | Auch auf Vermieterseite sieht der BGH potenziell ein Interesse, dass die WG-Mieter bei Auszugswunsch eines Mieters jeweils selbstständig für Ersatz sorgen und sich um die Abwicklung kümmern. Ein solches Interesse könne ohne konkrete Anhaltspunkte aber nicht unterstellt werden. Mit mehreren Wechseln der ursprünglich von ihm ausgewählten Vertragsparteien könne sich die Solvenz der Mieter insgesamt ändern, was trotz gesamtschuldnerischer Haftung der Mieter mit einem wirtschaftlichen Risiko verbunden sei. Die beständige Aufnahme neuer Mieter in einen bestehenden Vertrag beschränke den Vermieter erheblich in der Dispositionsfreiheit bezüglich seiner Wohnung. Seine Möglichkeiten, die Miete zu erhöhen, reduzierten sich im Vergleich zu einem Neuabschluss eines Mietvertrags dauerhaft, eine Neuvermietung oder eine anderweitige Nutzung der Wohnung werde deutlich erschwert: Der Vermieter begebe sich selbst dann der ihm grundsätzlich zustehenden freien Wahl seines Vertragspartners, wenn er das den Mietern zugebilligte Recht auf den Austausch von Mietern unter den Vorbehalt der Zumutbarkeit des Wechsels stelle.

     

    Zu beachten sei bei der Auslegung der Willenserklärungen zum Vertragsschluss außerdem, dass es grundsätzlich den Mietern obliege, für eine vorwiegend in ihrem Interesse liegende Vertragsgestaltung zu sorgen, die ihnen einen gesetzlich nicht vorgesehenen Mieterwechsel ermöglicht.

     

    Beachten Sie | Es gibt verschiedene Vertragsgestaltungen, die einen Wechsel der in der Wohnung tatsächlich lebenden Personen ohne Zustimmung des Vermieters zu einer Vertragsänderung erlauben und damit zumindest wirtschaftlich eine dauerhafte Bindung von Mitgliedern der WG auch ohne Kündigung des gesamten Mietverhältnisses verhindern (vgl. Staake/v. Bressendorf, Rechtshandbuch Wohngemeinschaften, München, 2019):

     

    • So kann nach dem „Untervermietmodell“ einer der künftigen Mitbewohner als einziger (Haupt-)Mieter den Vertrag mit dem Vermieter abschließen und seinerseits bei einer entsprechenden Untervermietungserlaubnis mit den jeweiligen Mitbewohnern Untermietverträge abschließen.

     

    • Denkbar ist auch die Vermietung an eine von Mietern gegründete (Außen-)GbR, bei der (vorbehaltlich einer anderweitigen Vertragsregelung) ein Wechsel der Mieter durch einen Gesellschafterwechsel ermöglicht wird.

     

    • Grundsätzlich möglich, aber mit Unsicherheiten behaftet, ist die teilweise Untervermietung bei Auszug einzelner Mieter. Problematisch ist aus dem Blickwinkel des Untermieters, dass er sich in eine erhebliche Abhängigkeit vom Hauptmieter begibt. So ist es möglich, dass er die Untermiete zahlt, bei einer Zahlungsverzugskündigung gegen den Hauptmieter gleichwohl räumen muss (§ 546 Abs. 2 BGB). Will er ohnehin nur „auf Zeit“ die Wohnung bewohnen, wäre das kein Argument gegen das Modell.

     

    • Beim (Außen-)GbR-Modell müssen ggf. die Haftungsrisiken für die ein- und austretenden Gesellschafter vorab beachtet werden (Bühler, NJOZ 19, 529).

     

    MERKE | Der Umstand allein, dass erkennbar ist, dass die Mieter in einer WG leben (wollen) und sich ‒ ohne miteinander verwandt oder in einer partnerschaftlichen Beziehung zu stehen ‒ zu einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft innerhalb einer Wohnung zusammengeschlossen haben, lasse ‒ ohne zusätzliche besondere Anhaltspunkte ‒ nicht auf die konkludente Vereinbarung eines Anspruchs auf Zustimmung zu künftigen Mieterwechseln schließen. Das Zusammenleben könne bei fehlenden verwandtschaftlichen oder partnerschaftlichen Beziehungen sowohl auf längere Dauer als auch auf einen beliebigen Wechsel der Mitbewohner angelegt sein. Aber auch bei Verwandten, Verheirateten oder Lebenspartnern, die gemeinsam eine Wohnung mieten, bestehe die Möglichkeit, dass ein Mieter ausziehen möchte und dadurch in der Zukunft ein Mieterwechsel erforderlich werden könnte.

     

    Risikosphäre des Mieters

    Das stets bestehende Risiko, dass sich unvorhersehbar der Lebensmittelpunkt ändert oder ein Zusammenwohnen nicht (mehr) dem Wunsch der Mieter entspricht, ordnet der BGH der Risikosphäre der Mieter zu; sie würden sich durch die gemeinsame Anmietung einer Wohnung eigenverantwortlich in die Gefahr einer solchen Konstellation begeben.

     

    Die von den Klägern gewünschte Auslegung der Vertragserklärungen komme nach den Umständen des Einzelfalls nur in Betracht, wenn sowohl Mieter als auch Vermieter bei Vertragsschluss ersichtlich davon ausgingen, dass sich oft und in kurzen Zeitabständen ein Bedarf für eine Änderung der Zusammensetzung der in der Wohnung lebenden Personen ergeben kann. Dies gilt, wenn die Mieter voraussichtlich aufgrund ihrer persönlichen Lebensumstände bereits bei Vertragsschluss absehbar nur für kurze Zeit am jeweiligen Ort leben werden und eine vertragliche Bindung über diesen Zeitraum hinaus nicht eingehen wollen. Das könne vor allem bei Studenten der Fall sein, setze aber voraus, dass dem Vermieter diese Umstände vor Vertragsschluss bekannt sind und er sich bewusst, ohne Vorbehalt in Kenntnis der voraussichtlich zu erwartenden Fluktuation für einen Mietvertrag mit mehreren solcher Mieter entscheidet.

     

    Beachten Sie | Der Anspruch auf Zustimmung zu einem Mieterwechsel steht in jedem Fall in Anlehnung an § 553 Abs. 1 BGB unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit des neuen Mieters für den Vermieter. Wenn er nach § 553 Abs. 1 S. 2 BGB die Erlaubnis zur Untervermietung verweigern kann, muss das erst recht für die Zustimmung zu einem Wechsel des Vertragspartners gelten.

     

    Dies zugrunde gelegt, reichte es dem BGH nicht, dass die Beklagte bei Vertragsschluss wusste, wer die Mieter waren und dass sie eine WG bildeten. Daraus allein ergebe sich nicht, dass sie in dieser Form nur vorübergehend zusammenleben wollten. Die abstrakte Möglichkeit eines künftigen Mieterwechsels genüge nicht. Auch den beiden Nachträgen zum Mietvertrag sei eine ausdrückliche Vereinbarung zu einem Zustimmungsanspruch nicht zu entnehmen. Im Gegenteil werde darauf verwiesen, dass keine Nebenabreden getroffen worden sind.

     

    MERKE | Der BGH verneint schließlich auch einen Anspruch auf Zustimmung zum Mieterwechsel aus § 242 oder § 241 Abs. 2 BGB. Zwar könne ein Mieter, der sich vorzeitig aus seinem Mietverhältnis lösen will, seine Entlassung aus dem Mietverhältnis im Einzelfall dann verlangen, wenn er dem Vermieter einen geeigneten und zumutbaren Ersatzmieter stelle und ein berechtigtes Interesse an der vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses habe (st. Rspr., BGH 7.10.15, VIII ZR 247/14; 18.4.07, VIII ZR 182/06). Der Anspruch beschränke sich aber auf die Entlassung aus dem Mietverhältnis. Der Vermieter werde ‒ anders als hier verlangt ‒ gerade nicht verpflichtet, mit dem Ersatzmieter einen Mietvertrag abzuschließen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Der BGH hat schon in anderen Zusammenhängen zu Recht „hohe Hürden“ für die Annahme konkludenter Vertragsvereinbarungen aufgestellt. Sie gelten auch für Mieter, die in einer WG zusammenleben wollen. In der Beratung von Vermietern und WG-interessierten Mietern muss früh auf klare Regelungen hingewirkt werden. Welches „WG-Modell“ der gewünschten Wohnform am besten entspricht, muss in der Beratung geklärt werden. Auch der Vermieter kann ein Interesse an „geordneten“ Mieterwechseln haben, sollte sich aber die Prüfung der Solvenz und der Person des neuen Mieters im Mietvertrag vorbehalten.

     

     

    Weiterführender Hinweis

    • Mieterwechsel in der Wohngemeinschaft, MK 21, 61
    Quelle: Ausgabe 08 / 2022 | Seite 148 | ID 48431635