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  • 01.10.2006 | Abgabenordnung

    Steuerordnungswidrigkeiten in der Praxis

    von RiOLG Detlef Burhoff, Münster

    Im Rahmen der Außenprüfung wird zunehmend die Möglichkeit eines steuerrechtlichen Bußgeldverfahrens in Betracht gezogen, wenn ein nicht ordnungsgemäßes steuerliches Verhalten des Steuerpflichtigen festzustellen ist, es aber für die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens „nicht reicht“. Wir wollen Ihnen in den folgenden Checklisten die allgemeinen Grundlagen der Steuerordnungswidrigkeiten (kurz: SteuerOWi) und die in der Praxis bedeutsamen Tatbestände der SteuerOWi vorstellen. 

     

    Checkliste 1: Allgemeine Praxisfragen zu (Steuer-)Ordnungswidrigkeiten

    Frage

    Antwort 

    1.Sind die SteuerOWi gesetzlich definiert?

    Ja. Nach § 377 Abs.1 AO sind SteuerOWi Zuwiderhandlungen, die nach den Steuergesetzen mit Geldbuße geahndet werden können.  

    2.Welche rechtlichen Grundlagen haben die Ermittlungsbehörden zu beachten?

    Die materiell-rechtlichen Grundlagen bilden die §§ 378 ff. AO und die Regelungen in Einzelsteuergesetzen. Von Bedeutung für das SteuerOWi-Verfahren ist das OWiG, auf das in § 377 Abs. 2 AO verwiesen wird. 

    3.Welche rechtlichen Regelungen können sonst noch Bedeutung erlangen?

    Die Ermittlungsbehörden müssen daneben auch die Verwaltungsanweisungen beachten. Dazu gehören insbesondere  

    • die AStBV – „Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer)“ sowie
    • die RiStBV („Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren“), soweit sie für steuerliche Zuwiderhandlungen Regelungen treffen.

     

    Diese Regelungen binden die Gerichte und die StA zwar nicht, sie dokumentieren jedoch eine Verwaltungsübung, auf die sich im Einzelfall der Beschuldigte/Betroffene berufen kann (Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht mit Steuerordnungswidrigkeiten und Verfahrensrecht, 6. Aufl., 2005, § 385 Rn. 16.). 

    4.Gelten die Regelungen des OWiG uneingeschränkt?

    Die §§ 1bis 34 OWiG gelten uneingeschränkt, soweit die steuerrechtlichen Bußgeldvorschriften nicht etwas anderes bestimmen, wie hinsichtlich der Verfolgungsverjährung (vgl. § 384 AO), beim Verschuldensmaßstab und der angedrohten Geldbuße der OWiG.  

    5.Wann ist der Tatbestand einer SteuerOWi erfüllt?

    Der objektive Tatbestand einer SteuerOWi kann – ebenso wie ein Straftatbestand – durch Tun oder Unterlassen erfüllt werden. In vielen Bußgeldvorschriften ist aber bereits wie bei den echten Unterlassensdelikten des StGB das Unterlassen als menschliches Verhalten, durch das der Tatbestand erfüllt werden kann, angegeben – wie z.B. in § 379 Abs. 1 Nr. 2 AO das „Nichtverbuchen“ als Tathandlung der Steuergefährdung. 

    6.Muss die Tathandlung rechtswidrig sein?

    Ja, nur die rechtswidrige SteuerOWi kann geahndet werden. Die Rechtswidrigkeit ist – ebenso wie bei der Steuerstraftat – ausgeschlossen, wenn ein Rechtfertigungsgrund vorliegt. Das OWiG sieht insoweit in § 15 OWiG die Notwehr vor und in § 16 OWiG den rechtfertigenden Notstand. Rechtfertigungsgründe spielen in der Praxis allerdings keine große Rolle.  

    7.Welche weiteren Voraussetzungen müssen für die Ahndung einer SteuerOWi erfüllt sein?

    Der Steuerpflichtige muss vorwerfbar/schuldhaft gehandelt haben. Gemeint ist die individuelle persönliche Verantwortlichkeit des Täters. Diese kann ausgeschlossen sein, wenn ein vorsatzausschließender Verbotsirrtum vorliegt. Dazu gehört nach § 11 Abs. 2 OWiG auch die Nichtkenntnis von der entsprechenden Rechtsvorschrift. Die Vorwerfbarkeit ist aber nur bei einem vermeidbaren Irrtum ausgeschlossen. Darüber entscheiden die Umstände des Einzelfalls. An diese werden hohe Anforderungen gestellt, wenn branchenspezifische Sach- und Rechtskenntnisse vorliegen müssen. 

    8.Kann auch der Versuch einer SteuerOWi geahndet werden?

    Ja, allerdings nur, wenn das in der entsprechenden Bußgeldvorschrift ausdrücklich vorgesehen ist. Das gilt vor allem für einige Zollordnungswidrigkeiten. 

    9.Wer kommt als Täter einer SteuerOWi in Betracht?

    Das OWiG kennt in § 14 OWiG den so genannten Einheitstäter. Danach wird jeder, der an einer OWi beteiligt ist, als Täter behandelt. Darüber hinaus wird nach § 9 OWiG auch das Handeln für andere erfasst, indem derjenige zur Verantwortung gezogen wird, der auf Grund besonderer Rechtsstellung für einen anderen handelt – wie Arbeitgeber, Unternehmer, Geschäftsführer, Insolvenz- und Vergleichsverwalter und sonstige Beauftragte. Zu den sonstigen Beauftragten zählen auch StB und RA. Allerdings reicht für ihre Verantwortlichkeit eine rein beratende Tätigkeit nicht aus. Vielmehr müssen sie ausdrücklich beauftragt sein, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber eines Betriebes obliegen (Franzen/Gast/Joecks, a.a.O., § 77 Rn. 234, 26).  

    10.Gelten für das SteuerOWi-Verfahren besondere Vorschriften?

    Nein, es gelten grundsätzlich die allgemeinen Regeln des OWiG. Es wird also ggf. ein Bußgeldbescheid erlassen, der den Anforderungen des § 66 OWiG genügen muss. Gegen diesen Bußgeldbescheid kann der Betroffene dann innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung (§ 67 OWiG) Einspruch einlegen.  

    11.Gelten die Regeln des OWiG auch für die Frage der Verjährung?

    Nein. Die Länge der Verjährungsfrist für SteuerOWi ist in § 384 AO für SteuerOWi nach den §§ 378-380 AO auf 5 Jahre festgesetzt worden. Für andere SteuerOWi bestimmt sie sich nach § 31 OWiG nach der Höhe der Geldbuße. 

    12.Gelten für das SteuerOWi-Verfahren über § 46 OWiG dieselben Regeln wie für das Steuerstrafverfahren?

    § 46 OWiG gilt auch für das SteuerOWi-Verfahren, so dass grundsätzlich die Vorschriften der StPO auf das Verfahren angewandt werden können. Auf folgende Ausnahmen ist jedoch hinzuweisen: 

    • Nach § 46 Abs. 3 OWiG ist eine Durchsuchung zum Zweck der Ergreifung des Verdächtigen nicht zulässig.
    • Verhaftungen, vorläufige Festnahmen, Postbeschlagnahmen (§ 99 StPO) sowie Auskunftsersuchen über Umstände, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen sind, nach § 46 Abs. 3 S. 1 OWiG unzulässig.
    • Die Vorführung von Betroffenen und/oder Zeugen kann nach § 46 Abs. 5 OWiG nur vom Richter angeordnet werden.
    • Es reicht, wenn dem Betroffenen vor Abschluss der Ermittlungen Gelegenheit gegeben wird, sich zur der Beschuldigung zu äußern, er muss nicht vernommen werden (§ 55 Abs. 1 OWiG).
    • Der Betroffene braucht auf sein Recht, auch schon vor einer Vernehmung einen Verteidiger zu befragen oder einzelne Beweiserhebungen zu beantragen, nicht hingewiesen zu werden (§ 55 Abs. 2 OWiG). Bei schwieriger Sach- und/oder Rechtslage soll aber ein entsprechender Hinweis erfolgen.
     

     

    Checkliste 2: Die in der Praxis bedeutsamen Bußgeldtatbestände

    Frage

    Antwort 

    1.Welche SteuerOWi spielen in der Praxis eine Rolle?

    In der Praxis sind vor allem folgende in der AO geregelten SteuerOWi von Bedeutung: 

    • leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO; vgl. Ziffer 3 ff.),
    • Steuergefährdung (§ 379 AO; vgl. Ziffer 13 ff.) und
    • Gefährdung der Abzugssteuern (§ 380 AO; vgl. Ziffer 23 ff.).

     

    Die AO regelt zudem noch: 

    • die Gefährdung der Einfuhr- und Abzugsabgaben (§ 382 AO),
    • den unzulässigen Erwerb von Steuererstattungs- und Vergütungsansprüchen (§ 383 AO) und
    2.Wo sind weitere SteuerOWi geregelt?

    Neben den SteuerOWi der AO ist auf folgende weitere Steuer-OWi hinzuweisen: 

    • Verletzung umsatzsteuerlicher Melde- und Aufbewahrungspflichten (§ 26a UStG),
    • Verletzung der Meldepflicht von Todesfällen (§ 33 ErbStG),
    • Verletzung von Pflichten nach dem Geldwäschegesetz (§ 17 GwG).
    3.Welche Tathandlungen erfasst die leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO)?

    § 378 AO ist der Paralleltatbestand zur Steuerhinterziehung nach § 370 AO. Tathandlung und Taterfolg entsprechen dieser Vorschrift. § 378 AO wird als Auffangtatbestand zu § 370 AO gesehen, wenn ein vorsätzliches Handeln bei der Steuerhinterziehung nicht festgestellt werden kann (BGH wistra 88, 186 m.w.N.). Die leichtfertige Steuerverkürzung wird daher häufig auch als „fahrlässige Steuerhinterziehung“ bezeichnet. 

     

    Hinweis: An die Leichfertigkeit werden allerdings höhere Anforderungen als an das fahrlässige Verhalten gestellt. 

    4.Kann jeder „Täter“ einer Steuerverkürzung sein?

    Nein, der Täterkreis ist gegenüber § 370 AO eingeschränkt. Als Täter kommt nämlich nur derjenige in Betracht, der die Verkürzung als Steuerpflichtiger oder bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben bewirkt (§ 378 Abs. 1 S. 1 AO). 

     

    Hinweis: Wer Steuerpflichtiger ist, bestimmt sich nach § 33 AO. Das sind also nicht diejenigen, die in fremden Steuersachen Auskunft geben, die zur Steuerfestsetzung, Erhebung und Beitreibung verpflichteten Finanzbeamten und auch nicht Bevollmächtigte und Beistände. 

    5.Kann auch ein StB Täter einer leichtfertigen Steuerverkürzung sein?

    Grundsätzlich kommt auch ein StB als Täter in Betracht, wenn er zur Wahrnehmung der Angelegenheiten des Steuerpflichtigen handelt und durch sein Tun oder pflichtwidriges Unterlassen leichtfertig steuerliche Pflichten verletzt. 

     

    Hinweis: Beim StB wird darauf abgestellt, wie und ob der Berater nach außen in Erscheinung getreten ist und inwieweit er selbst die Verantwortung für die Erklärungen übernommen hat. Wird der StB lediglich im Innenverhältnis gegenüber seinem Mandanten tätig und macht er keine Angaben gegenüber dem FA, dann ist er nicht Täter einer leichtfertigen Steuerverkürzung (BayObLG wistra 94, 34; auch BFH PStR 03, 100). 

    6.Der StB übergibt einem Mandanten unterschriebene und mit dem Kanzleistempel versehene Erklärungsvordrucke – eine OWi?

    Das kann den Tatbestand einer leichtfertigen Steuerverkürzung erfüllen, da der Eindruck entsteht, der StB habe die Erklärungen für den Steuerpflichtigen zusammengestellt. Nach der Rechtsprechung des BGH kann aber nicht allein auf die Unterschrift abgestellt werden (BGH wistra 03, 20). 

    7.Wann ist von Leichtfertigkeit auszugehen?

    Der Begriff der Leichtfertigkeit wird unterschiedlich definiert. Übereinstimmung besteht darin, dass Leichtfertigkeit mehr ist als bloße Fahrlässigkeit (Quedenfeld, Verteidigung in Steuerstrafsachen, 3. Aufl., Rn. 254). Es handelt sich um einen überhöhten Grad von Fahrlässigkeit (Franzen/Gast/Joecks, § 378 Rn. 27 ff.). In der Regel handelt derjenige leichtfertig, der aus besonderem Leichtsinn oder besonderer Gleichgültigkeit heraus fahrlässig handelt (Franzen/Gast/Joecks, § 378 Rn. 31 ff.). Zudem muss sich die Tatbestandsverwirklichung dem Täter aufgedrängt haben (BayObLG wistra 94, 34 ff.).  

    8.Wie lässt sich dem Leichtfertigkeitsvorwurf begegnen?

    Gegenüber dem Leichtfertigkeitsvorwurf kann eingewandt werden (Quedenfeld, a.a.O.. Rn. 253):  

    • der Steuerpflichtige habe seine Erkundigungspflichten erfüllt, wobei diese weiter gehen, wenn der Steuerpflichtige auf rechtliche Zweifel stößt,
    • er habe seinen Berater vollständig und zutreffend unterrichtet (BGH wistra 90, 195);
    • das Hilfspersonal sei sorgfältig ausgewählt und überwacht worden.
    9.Handelt der Steuerpflichtige leichtfertig, wenn er Fehler seines StB übernimmt und eine fehlerhafte Steuererklärung unterschreibt?

    Das wird in der Praxis häufig angenommen. Denn der Steuerpflichtige sei verpflichtet, die Erklärung seines Beraters noch einmal zu prüfen. Daher ist Leichtfertigkeit z.B. bejaht worden, wenn der Steuerpflichtige seinem steuerlichen Berater ein von ihm blanko unterschriebenes ESt-Erklärungsformular überlässt und ihn die von diesem ausgefüllte Erklärung ungeprüft beim FA einreichen lässt (BayObLG PStR 03, 27, Abruf-Nr. 030013). Er handelt zumindest leichtfertig i.S. des § 378 Abs. 1 AO.  

    10.Hat der Grad der Steuerverkürzung Einfluss auf die Annahme von Leichtfertigkeit?

    Ja. Denn umso größer die Abweichung des erklärten Steueraufkommens von den wirklich zu erklärenden Einkünften ist, desto eher und mehr muss sich die Abweichung dem Steuerpflichtigen aufdrängen (Quedenfeld, a.a.O., Rn. 253). 

    11.Besteht die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige?

    Ja. Nach § 378 Abs. 3 AO wird eine Geldbuße nicht festgesetzt, wenn der Täter unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, bevor ihm oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist.  

     

    Hinweis: Dazu gilt grundsätzlich dasselbe wie für die Selbstanzeige im Fall des § 370 AO (vgl. eingehend zur Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO Quedenfeld, Rn. 548 ff.). 

    12.Welche Geldbußen drohen bei einer leichtfertigen Verkürzung?

    Nach § 378 Abs. 2 AO können Geldbußen bis zu 50.000 EUR verhängt werden. 

    13.Welche Tathandlungen erfasst die Steuergefährdung (§ 379 AO)?

    Die Steuergefährdung nach § 379 AO erfasst die Vorbereitung einer zur Steuerhinterziehung geeigneten Handlung. 

    14.Ist die Vorschrift des § 379 AO immer anwendbar?

    Nein, bei § 379 AO handelt es sich um einen reinen Gefährdungstatbestand, der nur subsidiär gilt und nicht anwendbar ist, wenn ein Verletzungstatbestand (§ 370 ff. AO bzw. § 378 AO) erfüllt ist (Quedenfeld, a.a.O., Rn. 255; vgl. auch § 379 Abs. 4 AO).  

    15.Um welche Handlungen handelt es sich im Einzelnen?

    § 379 AO enthält folgende Gefährdungstatbestände: 

    16.Was sind Belege i.S. des § 379 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO?

    Belege i.S. des § 379 AO sind alle Schriftstücke, die geeignet sind, steuerlich erhebliche Tatsachen zu beweisen. Es kommt nicht darauf an, dass die Belege für Buchungsunterlagen bestimmt sind (Franzen/Gast/Joecks, § 379 Rn. 9 ff.). Dazu gehören z.B. Quittungen, Rechnungen, Lieferscheine usw. 

    17.Wann ist ein Beleg unrichtig?

    Ein Beleg ist unrichtig, wenn er nicht dem tatsächlichen Sachverhalt entspricht. Die Unrichtigkeit muss sich aber nicht auf den Aussteller beziehen, eine so genannte „schriftliche Lüge“ ist ausreichend (Franzen/Gast/Joecks, a.a.O.). 

    18.Welche Gefährdungshandlung erfüllt § 379 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO?

    Der unrichtige Beleg muss ausgestellt werden. Es kommt nicht darauf an, dass von dem unrichtigen Beleg auch Gebrauch gemacht wird. Der Beleg ist schon dann „ausgestellt“, wenn er sich im Verfügungsbereich desjenigen befindet, für den er bestimmt ist (Franzen/Gast/Joecks, a.a.O.). 

    19.Welche Gefährdungshandlungen erfasst § 379 Abs. 1 S. 1 Nr. 2?

    Der Tatbestand setzt unrichtige oder unterlassene Verbuchungen voraus. Gemeint sind damit Vorgänge, die nach den gesetzlichen Vorschriften der Buchungs- oder Aufzeichnungspflicht unterliegen Franzen/Gast/Joecks, § 379 Rn. 22 ff.). 

     

    Hinweis: § 379 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO erfasst also nicht lediglich unvollständige Buchungen. Auch Verstöße gegen Aufbewahrungspflichten werden dem Wortlaut nach nicht erfasst. 

    20.Welche subjektiven Begehungsweisen setzt § 379 AO voraus?

    Die Gefährdungshandlungen können vorsätzlich oder leichtfertig begangen werden. Bei § 379 Abs. 3 AO genügt neben der Leichtfertigkeit auch schon leichte Fahrlässigkeit. 

    21.Besteht bei § 379 AO auch die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige?

    Nein, die AO sieht diese Möglichkeit nicht vor. Eine strafbefreiende Selbstanzeige ist erst dann möglich, wenn die Gefährdung zu einer Verletzungshandlung zumindest nach § 378 AO geführt hat (Quedenfeld, a.a.O., Rn. 253). Nach Quedenfeld (a.a.O.) kann die Finanzbehörde aber gem. § 47 OWiG das Bußgeldverfahren einstellen bzw. von seiner Durchführung absehen, wenn der Täter den ordnungswidrigen Zustand beseitigt, bevor aus der Tat ein Schaden entstanden ist. 

    22.Welche Geldbußen drohen bei einer Steuergefährdung?

    Nach § 379 Abs. 4 AO können Geldbußen bis zu 5.000 EUR verhängt werden, wenn die Ordnungswidrigkeit nicht nach § 378 AO geahndet werden kann. 

    23.Welchen Zweck verfolgt § 380 AO (Gefährdung von Abzugssteuern)?

    § 380 AO soll die Einhaltung der Pflichten gewährleisten, die Dritten im Besteuerungsverfahren und für fremde Steuerschulden übertragen sind. 

    24.Welche Tathandlungen werden von § 380 AO erfasst?

    Nach § 380 Abs. 1 AO handelt derjenige ordnungswidrig, der seiner Verpflichtung, Steuerabzugsbeträge einzubehalten und abzuführen, nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt. 

     

    Hinweis: Der objektive Tatbestand ist schon dann erfüllt, wenn der Täter nur einer der vier aufgeführten Verpflichtungen nicht nachkommt. 

    25.Rechtfertigen Zahlungsschwierigkeiten einen Verstoß gegen die Einbehaltungs- und Abführpflichten?

    Nein, der Verstoß wird dadurch nicht gerechtfertigt.  

     

    Hinweis: Die nicht rechtzeitige Abführung von Steuerabzugsbeträgen ist aber gerechtfertigt, wenn die Steuer vor diesem Termin gestundet war. Eine Stundung nach Fälligkeit beseitigt die Rechtswidrigkeit nicht. In diesen Fällen sollte aber ebenfalls auf die Möglichkeit der Einstellung nach § 47 OWiG verwiesen werden (Quedenfeld, a.a.O., Rn. 261).  

    26.In welchem Verhältnis steht § 380 AO zu § 378 AO?

    Nach § 380 Abs. 2 AO ist die Gefährdung von Abzugssteuern subsidiär. Die Tat wird also nur dann nach § 380 AO geahndet, wenn es nicht zu einer Ahndung nach § 378 AO kommt. Die Ahndungsmöglichkeit nach § 380 AO soll wieder aufleben, wenn von einer Ahndung nach § 378 AO abgesehen wird (Quedenfeld, a.a.O., Rn. 261 m.w.N.). 

    27.Welche subjektiven Begehungsweisen setzt § 380 AO voraus?

    Die Gefährdungshandlungen können vorsätzlich oder leichtfertig begangen werden. 

    28.Besteht bei § 380 AO die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige?

    Nein, die AO sieht diese Möglichkeit nicht vor. Ob ggf. eine strafbefreiende Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO auch die Ahndung wegen Gefährdung von Abzugssteuern (§ 380 AO) ausschließt, ist streitig (vgl. die Nachweise bei Quedenfeld, a.a.O., Rn. 261). 

    29.Welche Geldbußen drohen bei einer Gefährdung der Abzugssteuern?

    Nach § 380 Abs. 2 AO können Geldbußen bis zu 25.000 EUR verhängt werden, wenn die Ordnungswidrigkeit nicht nach § 378 AO geahndet werden kann. 

     

     

     

    Quelle: Ausgabe 10 / 2006 | Seite 233 | ID 90287