22.09.2010 | Abgabenordnung
Strafmaß bei Verletzung der Buchführungs- und Aufbewahrungspflichten
von RA Dr. Carsten Wegner, FA StrR, Krause Lammer Wattenberg, Berlin
Die Verletzung von Buchführungs- und Aufbewahrungspflichten hinsichtlich geschäftlicher Unterlagen kann im Rahmen der Steuerhinterziehung ein bestimmender Strafschärfungsgrund sein; auch bei der Prüfung der Frage, ob eine Freiheitsstrafe noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann, ist dies zu berücksichtigen (BGH 28.7.10, 1 StR 643/09, Abruf-Nr. 102935). |
Sachverhalt
Die Angeklagte unterhielt zwei gastronomische Betriebe. Die Gewinne wurden getrennt durch Einnahmen-Überschussrechnungen ermittelt. Nach Ansicht des LG enthalten die Einnahmen-Überschussrechnungen und die entsprechenden Bilanzen jeweils zu niedrige Betriebseinnahmen. Die hierauf beruhenden USt-, GewSt- und ESt-Erklärungen der Angeklagten seien deshalb unzutreffend. Die Strafkammer hat die Umsätze der einzelnen Jahre schließlich pauschal geschätzt. Sie hat dabei einen Rohgewinnaufschlag von 190 % auf die in den Einnahmen-Überschussrechnungen bzw. Bilanzen enthaltenen Wareneinsatzbeträge zugrunde gelegt. Bei einer Steuerverkürzung von insgesamt 950.000 EUR verhängte das LG eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten.
Entscheidungsgründe
Die Sachrüge des Angeklagten führt zur Aufhebung des Schuld- und Strafausspruchs mit den Feststellungen zur Höhe des Mehrumsatzes und zu den hierauf aufbauenden Feststellungen zur Berechnung der Höhe der hinterzogenen Steuern, weil die Darstellung der Berechnung der Mehrumsätze nach Ansicht des BGH lückenhaft ist. Es fehle in den schriftlichen Urteilsgründen über den - „sehr zugunsten der Angeklagten“ - ermittelten Rohgewinnaufschlag hinaus die Mitteilung maßgeblicher Umstände, die dann die Grundlage für die weitere Umsatz- und Steuerberechnung bilden. Es werden zwar die Mehrumsätze und die insoweit verkürzte Umsatzsteuer pro Jahr angegeben. Jedoch enthalten die Gründe weder die aus den Gewinn- und Verlustrechnungen bzw. Bilanzen entnommenen Wareneinsatzbeträge noch die daraus errechneten Gesamtumsätze. Zudem fehlen der Inhalt der jeweils abgegebenen Steuererklärung und damit ein überprüfbarer Vergleich zwischen Ist-Steuer und Soll-Steuer.
Praxishinweis
Auch im Steuerstrafverfahren ist die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen zulässig, wenn zwar feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, das Ausmaß der verwirklichten Besteuerungsgrundlagen aber ungewiss ist. Dies gilt auch und gerade dann, wenn Belege nicht mehr vorhanden sind. Nach Ansicht des BGH befreit eine fehlende Buchhaltung nicht von strafrechtlicher Verantwortung.
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