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  • 01.06.2007 | Betriebsprüfung

    Umfang der Herausgabepflicht nach § 147 Abs. 6 AO bei digitalen Aufzeichnungen

    von RA Dr. Helmut Graf, FA StR und RA Michael Bisle, FA StR, Augsburg

    Nach § 147 Abs. 6 AO hat das FA nur in dem Rahmen einen Anspruch auf Nutzung digitaler Daten und Datenverarbeitungssysteme, wie der Steuer­pflichtige zur Aufzeichnung und Aufbewahrung von Daten verpflichtet ist. Sofern die USt nach vereinbarten Entgelten berechnet wird, sind nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 S. 5 UStG nur die tatsächlich erfolgten Einnahmen aufzuzeichnen. Eine darüber hinausgehende Aufzeichnungspflicht auch für die Betriebsausgaben besteht nicht (FG Hamburg 13.11.06, 2 K 198/05, Rev. eingelegt, BFH: XI R 49/06, Abruf-Nr. 071695). 

     

    Geklagt hatte eine Wirtschaftsprüfer-, Steuerberater- und Rechtsanwaltssozietät (Klägerin), die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) ermittelt und die USt nach vereinnahmten Entgelten berechnet. Ihren steuerlichen Aufzeichnungspflichten kommt die Klägerin dadurch nach, dass sie die Ausgangs- und Eingangsrechnungen gemeinsam mit den dazugehörenden Kontoauszügen der Bank chronologisch erfasst. Daneben verwendet die Klägerin das Kanzlei-Rechnungswesen-Programm des Sozius A (RA), welches sich auf einem in der Kanzlei befindlichen büroeigenen Rechner befindet. Die Kanzleidaten werden zunächst am Arbeitsplatz des Gesellschafters W auf einer Festplatte gespeichert. Die Datenauswertung, -aufbewahrung und -sicherung sowie die Instandhaltung wird in der Kanzlei eigenverantwortlich vorgenommen.  

     

    Für Zwecke der USt wird eine Excel-Datei geführt. In dieser werden, geordnet nach Jahren und Voranmeldungszeiträumen, die vereinnahmten Entgelte, die zum Vorsteuerabzug berechtigenden Eingangsleistungen, Art des Umsatzes bzw. Namen des Kunden, die Bemessungsgrundlage sowie die Steuer erfasst. Hierzu werden die entsprechenden Daten aus dem Kanzlei-Rechnungswesen-Programm extrahiert. Mit Hilfe dieses Programms werden auch die geschuldete USt und die abziehbaren Vorsteuerbeträge berechnet. Am Ende des Kalenderjahres werden zur Aufbewahrung die auf der Festplatte des W gespeicherten Daten in eine Word-Datei überführt.  

     

    In 2005 erließ das beklagte FA gegenüber der Klägerin eine Prüfungsanordnung betreffend USt und gesonderter Gewinnfeststellung der Jahre 2002 und 2003. Die Prüferin bat daraufhin am 5.4.05 die Klägerin schriftlich, ihr gemäß § 147 Abs. 6 AO vor Prüfungsbeginn die Buchhaltungsunterlagen als CD-ROM zu überlassen. Die Klägerin stellt der Prüferin daraufhin eine CD-Rom zur Verfügung, die allerdings nur die als Word-Datei gespeicherten Daten enthielt, da nach Auffassung der Klägerin eine weitergehende Herausgabepflicht nicht bestehe. Alternativ könne sie jedoch den Datenbestand in einem Raum der Kanzlei zur Einsicht zur Verfügung stellen. 

     

    Mit Schreiben vom 2.6.05 forderte das beklagte FA die Klägerin unter Hinweis auf die Prüfungs­anordnung sowie § 147 Abs. 6 AO und § 200 Abs. 1 S. 2 AO nun erneut auf, ihm die Sachkonten der Jahre 2002 und 2003 in maschinell auswertbarer Form als CD vorzulegen, soweit diese in elektronischer Form geführt wurden. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die automationsunterstützten Prüfroutinen mit WinIDEA auf externen Rechnern nicht eingesetzt werden könnten. 

     

    Sowohl gegen die Aufforderung vom 5.4.05 als auch vom 2.6.05 legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein und begründete diesen damit, dass der Datenzugriff mangels Buchführungspflicht nicht zulässig sei. Nach Widerruf der Aufforderung vom 5.4.05 wies das FA den Einspruch gegen die Aufforderung vom 2.6.05 als unbegründet zurück und führte hierzu Folgendes aus:  

     

    Wegen der Aufzeichnungspflichten nach § 22 UStG könne das FA die Rechte aus § 147 Abs. 6 AO auch gegenüber der nicht buchführungspflichtigen Klägerin geltend machen. Das FA berief sich dabei auf die GDPdU. Da die Prüfer zum Teil abweichende Arbeitszeiten hätten und deshalb schon – zur Wahrung des Steuergeheimnisses – gehalten seien, das Notebook nicht unverschlossen in den Räumen der Klägerin zurückzulassen, sei die Forderung zur Überlassung der betrieblichen Daten außerhalb der Räume der Klägerin zu Recht erfolgt. Die Daten würden nach ihrer Überlassung mit Hilfe der bundesweit eingesetzten Prüfsoftware WinIDEA überspielt, so dass im Anschluss daran nicht mehr auf den überlassenen Datenträger, sondern nur noch auf die konvertierten Daten auf dem Notebook zugegriffen werde. Die Bitte der Prüferin sei auch deswegen nicht ermessensfehlerhaft, da die EDV-Buchhaltung der Klägerin ohne zusätzlichen Aufwand zur Gewährleistung einer nur kurzen Prüfung vor Ort auf einem maschinell auswertbaren Datenträger zur Verfügung gestellt werden kann. Hingegen sei die von der Klägerin angebotene alternative Vorgehensweise nicht vertretbar, da die automationsunterstützten Prüfroutinen mit WinIDEA auf externen Rechnern nicht eingesetzt werden können und so der beabsichtigte Rationalisierungseffekt nicht erreicht werde.  

     

    Das FG Hamburg gab der Klage statt, da die Anforderung wegen Ermessensüberschreitung aufzuheben war. Das Gericht führt hierzu aus:  

     

    • § 147 AO ist auch auf die Aufzeichnungspflichten nach § 22 UStG anwendbar. Dies folge bereits daraus, dass die gesetzlichen Aufzeichnungs­pflichten regelmäßig zum Zwecke einer späteren Überprüfungsmöglichkeit normiert werden, sodass aus der Aufzeichnungspflicht gleichzeitig auch eine Aufbewahrungspflicht besteht (Akzessorietät). Zudem stelle § 146 Abs. 5 S. 1 HS. 2 AO klar, dass § 146 AO nicht nur auf die nach HGB Buchführungspflichtigen Anwendung findet. Insofern stehe einer Anwendung des § 147 AO auf die Aufzeichnungspflichten nach § 22 UStG i.V. mit §§ 63 ff. UStDV auch nicht entgegen, dass die Klägerin nicht nach handelsrechtlichen Vorschriften gem. § 140 AO buchführungspflichtig ist und den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt.

     

    • Werden aufzeichnungspflichtige Gegenstände auf Datenträgern erfasst und aufbewahrt, unterliegen sie den Zugriffsrechten des § 147 Abs. 6 AO auch dann, wenn und soweit parallel anderweitige, nicht digitale Aufzeichnungen geführt werden. Bereits aus dem Wortlaut des § 147 Abs. 6 AO folge, dass den Finanzbehörden ein eigenes Einsichts-, Nutzungs- und Auswertungsrecht der mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems gespeicherten aufzeichnungspflichtigen Daten habe.