01.03.2007 | BVerfG
Ist die Hinterziehung von Erbschaftsteuer weiterhin strafbar?
Die durch § 19 Abs. 1 ErbStG angeordnete Erhebung der ErbSt mit einheitlichen Steuersätzen auf den Wert des Erwerbs ist mit dem Grundgesetz unvereinbar. Denn sie knüpft an Werte an, deren Ermittlung bei wesentlichen Gruppen von Vermögensgegenständen (Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) den Anforderungen des Gleichheitssatzes nicht genügt. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens bis zum 31.12.08 eine Neuregelung zu treffen. Bis zu der Neuregelung ist das bisherige Recht weiter anwendbar (BVerfG 7.11.06, 1 BvL 10/02, Abruf-Nr. 070442). |
Sachverhalt
In § 19 Abs. 1 ErbStG ist unabhängig davon, aus welchen Vermögensarten sich Nachlass oder Schenkung zusammensetzen, für alle steuerpflichtigen Erwerbe einheitlich ein nach dem Wert des Erwerbs progressiver Steuertarif bestimmt, zusätzlich wird nach Verwandtschaftsgraden differenziert. Um mittels dieses Tarifs zu einem in Geld zu entrichtenden Steuerbetrag zu gelangen, müssen die dem steuerpflichtigen Erwerb unterfallenden Vermögensgegenstände in einem Geldbetrag ausgewiesen werden. Bei nicht als Geldsumme vorliegenden Steuerobjekten ist deshalb die Umrechnung in einen Geldwert mittels einer Bewertungsmethode erforderlich, um eine Bemessungsgrundlage für die Steuerschuld zu erhalten.
Das ErbStG bestimmt, dass sich die Bewertung nach den Vorschriften des BewG richtet. Die Werte der einzelnen Vermögensgegenstände werden danach nicht einheitlich, sondern auf unterschiedliche Art und Weise ermittelt. Das Gesetz nennt als Regelfall den gemeinen Wert, also den Verkehrswert. Bei der Bewertung inländischen Grundbesitzes kommt in wichtigen Teilbereichen ein Ertragswertverfahren zur Ermittlung des Grundbesitzwerts zur Anwendung. Der Wert des Betriebsteils von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen bemisst sich nach seinem Ertragswert. Darüber hinaus bedient sich das Erbschaftsteuerrecht bei der Bewertung von Betriebsvermögen des Steuerbilanzwerts.
Entscheidungsgründe
Die Vorlage durch denBFH (NJW 02, 3197) betrifft die Frage, ob die Anwendung des einheitlichen Steuertarifs nach § 19 Abs. 1 ErbStG auf alle Erwerbsvorgänge wegen gleichheitswidriger Ausgestaltung der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage bei den unterschiedlichen Vermögensarten verfassungswidrig ist. Das BVerfG bejaht diese Frage. § 19 Abs. 1 ErbStG vom 17.4.74 (BGBl I, 933) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.2.97 (BGBl I, 378) sei in allen seinen seitherigen Fassungen mit Art. 3 Abs. 1 GG insofern unvereinbar, als er die Erwerber von Vermögen, das gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 HS. 1 und S. 2 ErbStG und § 12 ErbStG i.V. mit den von § 12 ErbStG in Bezug genommenen Vorschriften des BewG bewertet wird, unabhängig von der jeweiligen Vermögensart mit einheitlichen Steuersätzen belastet. Trotz Unvereinbarkeitserklärung mit dem Gleichheitssatz ist es nach Ansicht des BVerfG geboten, ausnahmsweise die weitere Anwendung des geltenden ErbStG bis zur gesetzlichen Neuregelung zuzulassen. Der Gesetzgeber wird verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 31.12.08 zu treffen.
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