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  • 01.04.2008 | Checkliste

    Schätzung von Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe der Steuererklärung

    von RA Dr. Carsten Wegner, FA StrR, Berlin

    Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, darf sie schätzen (§ 162 Abs. 1 S. 1 AO), insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige  

    • über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag,
    • weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder

     

    Anknüpfend an einen Erlass des Finanzministeriums NRW vom 9.3.06 (FM NRW S 0338) ist bei einer Schätzung aufgrund der Nichtabgabe einer Steuererklärung auf folgende Punkte zu achten: 

     

    1. Allgemeine Grundlagen

    Frage 

    Antwort 

    1.Worin liegt das Ziel einer Schätzung? 

    Ziel der Schätzung ist es, diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben. Eine Schätzung soll in sich schlüssig sein; ihre Ergebnisse sollen wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (BFH 28.11.07, X R 11/07, Abruf-Nr. 080681). 

    2.Welche Anforderungen werden an das FA gestellt? 

    Das FA ist (nur) gehalten, diejenigen Erkenntnisse, deren Beschaffung und Verwertung ihm zumutbar und möglich gewesen wären, auszuschöpfen.  

    3.Ist eine Schätzung rechtswidrig, weil sie von den – später bekannt gewordenen – tatsächlichen Verhältnissen abweicht? 

    Nein. Solche Abweichungen sind notwendig mit einer Schätzung verbunden, die in Unkenntnis der wahren Gegebenheiten erfolgt. Die einer Schätzung stets anhaftende Unsicherheit soll daher nicht zu Lasten des FA gehen, weil der Steuerpflichtige durch seine Säumigkeit den Anlass für die Schätzung gegeben hat. 

    4.Ist es ermessensgerecht, wenn sich das FA bei steuererhöhenden Tatsachen an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientiert? 

    Nach Ansicht des BFH (BStBl II 86, 226; BStBl II 01, 381) ja. Begründet wird dies damit, dass der Steuerpflichtige durch die Nichtabgabe seiner Erklärung möglicherweise Einkünfte verheimlichen will. Dementsprechend soll sich das FA bei steuermindernden Besteuerungsgrundlagen an der unteren Grenze des in Betracht kommenden Schätzungsrahmens orientieren können. 

    5.Wann ist eine Schätzung nichtig? 

    Nichtigkeit ist selbst bei groben Schätzungsfehlern, die auf einer Verkennung der tatsächlichen Gegebenheiten oder der wirtschaftlichen Zusammenhänge beruhen, regelmäßig nicht anzunehmen (BStBl II 01, 381). Sie liegt aber vor, wenn das FA sich nicht an den wahrscheinlichen Besteuerungsgrundlagen orientiert, sondern bewusst zum Nachteil des Steuerpflichtigen geschätzt hat.  

    6.Wie ist mit „Strafschätzungen“ des FA zu verfahren? 

    Sie sind nichtig. Dies ist z.B. der Fall, wenn das Schätzungsergebnis trotz vorhandener Möglichkeiten, den Sachverhalt aufzuklären und Schätzungsgrundlagen zu ermitteln, krass von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht und in keiner Weise erkennbar ist, dass überhaupt und ggf. welche Schätzungserwägungen angestellt wurden. Die Schätzung darf nicht dazu verwendet werden, die Steuererklärungspflichtverletzung zu sanktionieren und den Steuerpflichtigen zur Abgabe der Erklärungen anzuhalten (BFH BStBl II 01, 381). 

    7.Welche inhaltlichen Anforderungen werden an einen Schätzungsbescheid gestellt? 

    Auch für Schätzungsbescheide gilt das Bestimmtheitsgebot des § 119 Abs. 1 AO. Dazu gehört zunächst der Hinweis in der Begründung des Bescheides, dass die Besteuerungsgrundlagen geschätzt wurden. Darüber hinaus müssen die Besteuerungsgrundlagen deutlich werden. Erwartet werden können Angaben zu den Schätzungsgrundlagen und den hierzu führenden Anhaltspunkten und Überlegungen (str.). Zu den Anforderungen an die Schlüssigkeit sowie die Begründung des Schätzungsergebnisses siehe auch BFH/NV 01, 1217; 04, 1618. 

    8.Unterliegen Schätzungsbescheide der finanzgerichtlichen Kontrolle? 

    Ja, Schätzungen sind als Tatsachenfeststellungen in vollem Umfang durch das FG nachprüfbar. Behördenintern empfohlen wird deshalb, bestimmte finanzbehördliche Vordrucke zu verwenden. 

    9.Wie weit reicht die Prüfungskompetenz des BFH? 

    Die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen durch das FG gehört zu den tatsächlichen Feststellungen, an die der BFH als Revisionsinstanz grundsätzlich gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist. Die Bindung des BFH entfällt dann, wenn das FG bei der Schätzung gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, allgemeine Erfahrungssätze oder gegen die Denkgesetze verstoßen hat (BFH 5.12.07, X B 4/07, Abruf-Nr. 080892).