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  • 22.11.2010 | Der Steuerberater fragt, der Steuerstrafverteidiger antwortet

    Reichweite des Zwangsmittelverbots nach § 393 Abs. 1 S. 2 und S. 3 AO

    von RA Dirk Aue, Jarosch & Partner, Düsseldorf

    Nachdem die Selbstanzeigenwelle langsam abebbt, mehren sich nun die Fälle, dass Steuerpflichtige, die die Chance versäumt haben, ihre Steuererklärungen zu berichtigen, Besuch von der Steufa erhalten. Unsicherheit besteht bei der Frage, ob und inwieweit der Mandant verpflichtet ist, dem umfassenden Aufklärungsansinnen der Steufa Folge zu leisten.  

    Frage des Steuerberaters

    Mein Mandant verfügt über ein Depot bei der Credit Suisse in der Schweiz. Das Vermögen in der Schweiz wurde zuletzt gemehrt durch eine Erbschaft im Jahr 2000, die noch in 2000 - allerdings unvollständig - erklärt wurde, und eine nicht angezeigte Schenkung im Jahr 2006. Die Kapitalerträge hat der Mandant in seinen ESt-Erklärungen ebenfalls nicht berücksichtigt. Nach Auswertung der Credit Suisse CD hat die Steufa das Strafverfahren wegen des Verdachts der Hinterziehung von ESt für die VZ 2004 bis 2008 eingeleitet und „bittet“ um Vorlage von Erträgnisaufstellungen und Vermögensverzeichnissen ab 1999 sowie um Mitteilung der Herkunft des Vermögens. Ist mein Mandant verpflichtet, Angaben zu machen? Drohen Zwangsmittel, wenn er seine Mitwirkung verweigert?  

    Antwort des Verteidigers

    Auch im Steuerstrafverfahren gilt ohne Einschränkung das verfassungsrechtliche Gebot, dass niemand gezwungen werden darf, sich in einem Strafverfahren selbst zu belasten („nemo tenetur se ipsum accusare“). Dies ergibt sich für das Strafverfahren, soweit es den Beschuldigten betrifft, aus § 136 StPO und für den Zeugen aus § 55 StPO. Um der Selbstbelastungsfreiheit aber auch im Besteuerungsverfahren zur Geltung zu verhelfen, sieht § 393 Abs. 1 S. 2 AO vor, dass Zwangsmittel (§ 328 ff. AO) unzulässig sind, wenn der Steuerpflichtige dadurch gezwungen wäre, sich selbst zu belasten. Dies gilt gemäß § 393 Abs. 1 S. 3 AO in jedem Fall, wenn und soweit das Steuerstrafverfahren eingeleitet ist. Aus diesem Grund kann vorliegend die Aufforderung, Erträgnisaufstellungen vorzulegen, auch im Besteuerungsverfahren keinesfalls mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden.  

     

    Auch für noch nicht entdeckte Steuerstraftaten gilt das Zwangsmittelverbot. Ein Problem kann sich in dieser Konstellation - genau wie in Fällen des § 55 StPO oder des § 103 AO - daraus ergeben, dass diejenigen Tatsachen, die das Zwangsmittelverbot begründen, gerade nicht offenbart werden können. Um ein Leerlaufen der Vorschrift zu vermeiden, sind deshalb an die Glaubhaftmachung der Tatsachen, auf die der Steuerpflichtige die Unzulässigkeit von Zwangsmitteln stützt, keine hohen Anforderungen zu stellen (Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, § 393, Rn. 27 m.w.N.; BGH 7.5.87, 1 BJs 46/86, StV 87, 328 zu § 55 StPO; BFH 7.5.07, X B 167/06, BFH/NV 07, 1524 zu § 103 AO). Insbesondere dürfen die Anforderungen nicht so weit gehen, dass sie nur durch eine Selbstbelastung zu erfüllen wären.