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    Steuer(straf)rechtliche Verantwortlichkeit und Haftung des GmbH-Geschäftsführers

    von RAin Ingeborg M. Meyer, FAin Steuerrecht, München

    Der Beitrag geht auf die Möglichkeiten der Haftungsinanspruchnahme des GmbH-Geschäftsführers für Steuern der Gesellschaft und dessen steuerstraf- und bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit ein.

    1. Steuerliche Verantwortlichkeit

    Zu den Pflichten des GmbH-Geschäftsführers gehört auch, für die ordnungsgemäße Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH zu sorgen (§ 34 Abs. 1 AO).

    1.1 Beginn und Ende der steuerlichen Verantwortlichkeit

    Die steuerliche Verantwortlichkeit des Geschäftsführers einer GmbH beginnt bereits mit seiner Bestellung als Geschäftsführer und nicht erst mit seiner Eintragung ins Handelsregister. Es genügt, wenn der Geschäftsführer in einem Gesellschaftsvertrag oder in einer Gesellschafterversammlung wirksam bestellt worden ist, wobei sogar ein mündlich gefasster Gesellschafterbeschluss ausreicht (BFH/NV 88, 683).

    Bei Gründung einer GmbH ist der Geschäftsführer bereits verantwortlich für die steuerliche Pflichterfüllung, wenn der Gesellschaftsvertrag, in dem er als Geschäftsführer bezeichnet wird, unterzeichnet ist. Unerheblich ist, ob die GmbH bereits zu diesem Zeitpunkt in das Handelsregister eingetragen ist, da auch Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen nach § 34 Abs. 1 AO deren steuerliche Pflichten zu erfüllen haben.

    Maßgebend ist also stets, ab wann der Geschäftsführer für die GmbH als Geschäftsführer tätig ist. Auch der faktische Geschäftsführer ist für die ordnungsgemäße Erfüllung der steuerlichen Angelegenheiten verantwortlich (BFH GmbH-Stpr. 01, 96).

    Die steuerliche Verantwortlichkeit des GmbH-Geschäftsführers endet mit der Beendigung der Geschäftsführertätigkeit, z.B. bei einem Wechsel der Geschäftsführung, mit Abberufung durch Gesellschafterbeschluss oder mit Niederlegung seines Amtes oder mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Auch hier ist der Zeitpunkt der Eintragung ins Handelsregister unerheblich. Ebenso wenig spielt die arbeitsrechtliche Beendigung des Geschäftsführervertrages eine Rolle.

    Die steuerlichen Pflichten können auch nicht rückwirkend durch Anfechtung des Gesellschaftsvertrages beseitigt werden.

    1.2 Umfang der steuerlichen Verantwortlichkeit

    Zu den steuerlichen Pflichten gehören Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten, Erklärungs-, Auskunfts-, Vorlage- und Duldungspflichten sowie die Pflicht zur Einbehaltung und Entrichtung der Steuern. Der GmbH- Geschäftsführer muss bei der Erledigung der steuerlichen Pflichten die gesetzlichen Bestimmungen beachten. Er muss sich mit den steuerlichen Pflichten vertraut machen (BFH/NV 95, 941) und ggf. einen Fachmann konsultieren.

    Insbesondere hat der Geschäftsführer auch dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den verwalteten Mitteln entrichtet werden. Dabei darf der Fiskus mit seinen Steuerforderungen, auch wenn sie noch nicht festgesetzt sind, nicht schlechter behandelt werden als andere GmbH-Gläubiger (BFH BStBl II 73, 465).

    Sind Steuerschulden der GmbH bereits absehbar, so muss auch Sorge dafür getragen werden, dass sie im Zeitpunkt der Fälligkeit erfüllt werden können (BFH BStBl II 90, 767). Die Ansprüche gegen die GmbH müssen aber dem Grunde und der Höhe nach feststehen, d.h. bereits entstanden sein und noch fortbestehen. Eine Festsetzung ist nicht erforderlich. Nur wenn unerwartete Zahlungsschwierigkeiten auftreten, können diese dem Geschäftsführer nicht angelastet werden.

    2. Haftungsinanspruchnahme des Geschäftsführers

    Nach § 69 AO haftet der Geschäftsführer einer GmbH als deren gesetzlicher Vertreter, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht bzw. nicht rechtzeitig festgesetzt oder nicht bzw. nicht rechtzeitig erfüllt werden oder Steuervergütungen/-erstattungen (z.B. Vorsteuer-Guthaben) ohne rechtlichen Grund erfolgen. Die Haftung umfasst auch die wegen der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge (§ 69 S. 2 AO).

    2.1 Vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung

    Vorsätzlich handelt, wer seine Pflichten kennt und deren Verletzung in seinen Handlungswillen einbezieht oder zumindest billigend in Kauf nimmt (BFH BStBl 83, 655). Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen in der Lage war, in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat (BFH BStBl 89, 491). Man unterscheidet bewusste und unbewusste Fahrlässigkeit. Unbewusste Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand den Erfolg, d.h. die zum Schaden führende Pflichtverletzung, bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt hätte voraussehen können, aber nicht vorausgesehen hat. Bewusste Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn jemand den Erfolg zwar für möglich gehalten, aber darauf vertraut hat, er werde nicht eintreten. Für leichte Fahrlässigkeit haftet der Geschäftsführer nicht.

    Für den Grad des Verschuldens ist auf die subjektiven Fähigkeiten des Geschäftsführers abzustellen. Allerdings soll sich nach Auffassung des BFH (BFH/NV 98, 1325) niemand auf eigenes Unvermögen berufen können. Wer den Anforderungen nicht gerecht werden kann, darf das Amt des Geschäftsführers nicht übernehmen, muss es niederlegen oder durch geeignete Maßnahmen dafür sorgen, dass eine ordnungsgemäße Geschäftsführung gesichert ist. Der BFH hat deshalb eine haftungsbegründende Verantwortlichkeit des Geschäftsführers auch dann angenommen, wenn dieser der Aufgabe intellektuell nicht gewachsen war oder seine pflichtgemäße Geschäftsführung gegenüber den Mitgeschäftsführern nicht durchsetzen konnte oder an einer langwierigen, schweren Krankheit litt.

    2.2 Besonderheiten bei den verschiedenen Steuern

    Für die einzelnen Steuern gelten folgende Besonderheiten:

    2.2.1 Lohnsteuer

    Nach der BFH-Rspr. darf der Arbeitgeber unabhängig von der Befriedigung der übrigen Gläubiger das FA hinsichtlich der Lohnsteuer nicht schlechter behandeln als die Arbeitnehmer hinsichtlich der ausgezahlten Nettolöhne (BFH/NV 88, 764). Die Löhne sind vielmehr in einem Umfang zu kürzen, der eine gleichmäßige Befriedigung der Arbeitnehmer und des FA hinsichtlich der auf die gekürzten Löhne entfallenden Lohnsteuer sicherstellt (BFH BStBl II 88, 859). Denn die abzuführende Lohnsteuer ist nach Auffassung des BFH ein Teil des geschuldeten Bruttoarbeitslohns, den der Arbeitgeber treuhänderisch für den Arbeitnehmer und den Fiskus einziehen muss. Der GmbH-Geschäftsführer als Vertreter des Arbeitgebers kann sich auch nicht darauf berufen, andernfalls hätte die Gefahr einer Arbeitsniederlegung durch die Arbeitnehmer bestanden (BFH/NV 86, 378). Er kann sich nicht damit entschuldigen, dass die Banken die Kreditmittel ausdrücklich nur zur Zahlung der Nettolöhne zur Verfügung gestellt haben (so wohl BFH BStBl II 83, 655). Der GmbH- Geschäftsführer darf deshalb keiner Vereinbarung mit einer Bank zustimmen, die einseitig den Fiskus schlechter als die Arbeitnehmer stellt (BFH/NV 92, 575). Dies gilt im Übrigen auch für die Auszahlung des eigenen Arbeitslohns als Geschäftsführer.

    Die grob fahrlässige bzw. vorsätzliche Pflichtverletzung besteht in diesem Fall darin, dass der Geschäftsführer die Nettolöhne ungekürzt ausgezahlt und nicht zur Befriedigung des FA um die anteilig in ihnen enthaltene Lohnsteuer gekürzt hat. Aus der Tatsache, dass über mehrere Monate hinweg ungekürzt die Nettolöhne ausgezahlt worden sind, folgert der BFH, dass ausreichend Mittel vorhanden waren, um jeweils die für den vorangegangenen Monat angemeldete Lohnsteuer zu entrichten. Wer in Kenntnis der für den Vormonat entstandenen, nicht abgeführten Lohnsteuern die Löhne im nächsten Monat in vollem Umfang auszahlt, handelt seiner Verpflichtung zuwider und haftet deshalb unbeschränkt (BFH BStBl II 88, 859). Denn die Berechnung der Haftungssumme richtet sich – so der BFH – nicht nach den Umständen der einzelnen Lohnzahlungszeitpunkte, sondern nach den Verhältnissen während des gesamten Haftungszeitraums, während dessen der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer und das FA gleichmäßig befriedigen muss.

    Für die pauschale Lohnsteuer nach §§ 40 bis 40b EStG gilt die verschärfte Lohnsteuerhaftung nicht, weil es sich hierbei um eine Steuer handelt, die der Arbeitgeber schuldet (BFH BStBl II 90, 767).

    2.2.2 Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer

    Nach der BFH-Rspr. (z.B. BStBl II 93, 8 und BFH/NV 92, 785) haftet der GmbH-Geschäftsführer bei unterlassener oder nicht rechtzeitiger Anmeldung bzw. Erklärung und/oder Entrichtung der Umsatz- und Körperschaftsteuer nur insoweit für eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung, als er die Steuerschulden aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln hätte tilgen können. Bei insgesamt nicht ausreichenden Zahlungsmitteln liegt eine schuldhafte Pflichtverletzung des GmbH- Geschäftsführers nur insoweit vor, als er die vorhandenen Mittel nicht zu einer in etwa anteiligen Befriedigung der privaten Gläubiger und des FA verwendet.

    Die Haftung erstreckt sich deshalb auf den Betrag, um den der Fiskus im Verhältnis zu den anderen Gläubigern benachteiligt wurde. Die Berechnung der Haftungssumme erfolgt, indem man die im Haftungszeitraum aufgelaufenen gesamten Verbindlichkeiten einschließlich Bankschulden und Personalkosten sowie der USt-Schulden den insgesamt erbrachten Zahlungen gegenüberstellt und deren prozentualen Anteil an den Gesamtverbindlichkeiten quotenmäßig ermittelt. Wurden USt-Zahlungen in Höhe dieser Quote oder mehr geleistet, ergibt sich keine Haftung des Geschäftsführers. Erreichten die Zahlungen für Umsatzsteuer jedoch nicht die Quote, so entspricht die Differenz dem Haftungsbetrag.

    Nach der BFH-Rspr. (BStBl II 95, 230) ist der Grundsatz der anteiligen Tilgung in folgendem Fall nicht anzuwenden: Der Umsatzsteuer, für welche die Haftung in Frage steht, liegen keine unternehmerischen Geschäftsvorfälle oder die Verwertung von Gegenständen der Konkursmasse zu Grunde. Es handelt sich vielmehr um eine vorsätzliche und pflichtwidrig herbeigeführte USt-Schuld nach § 14 Abs. 3 UStG, von welcher der Rechnungsaussteller weiß, dass sie aus den vorhandenen Mitteln des Steuerschuldners nicht getilgt werden kann.

    2.2.3 Eingangsabgaben und Verbrauchsteuern

    Dagegen gilt der Grundsatz der anteiligen Tilgung nicht für die Anmeldung und Entrichtung von Einfuhrabgaben (Zöllen). Hier besteht die Pflicht, die Abgaben im Fälligkeitszeitpunkt (vorrangig) zu entrichten (BFH BStBl II 89, 491).

    2.3 Haftungsinanspruchnahme bei mehreren Geschäftsführern

    Bei mehreren GmbH-Geschäftsführern trifft grundsätzlich jeden von ihnen die Verantwortung für die steuerlichen Pflichten. Die Haftung von mehreren Geschäftsführern kann aber durch Verteilung der Geschäfte begrenzt werden. Erforderlich für eine Haftungsbegrenzung ist eine eindeutige schriftliche Regelung der Geschäftsverteilung (BFH BStBl 86, 384). Die Begrenzung der Haftung gilt insoweit und so lange, wie kein Anlass besteht, an der exakten Erfüllung der steuerlichen Pflichten durch den hierfür zuständigen Geschäftsführer zu zweifeln, oder solange allgemein die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft für eine Überprüfung der ordnungsgemäßen Erfüllung der steuerlichen Pflichten keinen Anlass gibt (BFH BStBl II 84, 776; 86, 384).

    Aber auch wenn die Aufgabenverteilung nicht schriftlich vorgenommen wurde, sind die anderen Geschäftsführer bei Geschäften des allgemeinen Geschäftsverkehrs (z.B. Einbehalten und Abführen der Lohnsteuer) nicht zur Nachprüfung verpflichtet, wenn diese Geschäfte regelmäßig von einem bestimmten Geschäftsführer wahrgenommen werden und die wirtschaftliche Lage oder die Person des handelnden Geschäftsführers keine Veranlassung zu einer Überprüfung geben (BFH BStBl II 86, 384).

    Auch derjenige, der nur „pro forma“ nach außen das Amt als GmbH-Geschäftsführer innehat, kann unter Umständen in Haftung genommen werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob er die Geschäftsführung tatsächlich ausüben kann (BFH/NV 95, 941). Er und der im Handelsregister eingetragene Geschäftsführer müssen durch geeignete Aufsichtsmaßnahmen dafür sorgen, dass der faktische Geschäftsführer die steuerlichen Pflichten tatsächlich erfüllt (BFH/NV 88, 6). Im Rahmen der Ermessensausübung für die Inanspruchnahme eines von mehreren Geschäftsführern kann es aber eine erhebliche Rolle spielen, wer faktisch intern in der Geschäftsführung für den kaufmännischen Bereich und die steuerlichen Angelegenheiten zuständig ist (BFH/NV 95, 941).

    2.4 Haftung des Geschäftsführers bei Beauftragung Dritter

    Beauftragt der GmbH-Geschäftsführer Dritte, z.B. Angestellte des Betriebs, mit der Erfüllung der steuerlichen Aufgaben, so muss er diese Personen sorgfältig auswählen und überwachen (BFH/NV 89, 72). Er hat sich über den Geschäftsgang so eingehend zu unterrichten, dass er unter normalen Umständen mit der ordnungsgemäßen Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten und der Steuerzahlungen rechnen kann. Werden die steuerlichen Angelegenheiten durch den beauftragten Dritten nicht ordnungsgemäß erledigt, muss der Geschäftsführer einschreiten, sonst verhält er sich grob fahrlässig.

    Ein Verschulden des steuerlichen Beraters bei der Fertigung der Steuererklärungen braucht sich der GmbH-Geschäftsführer aber nicht zurechnen zu lassen. Trifft ihn kein Auswahl- und Überwachungsverschulden und hat er keinen Anlass, die inhaltliche Richtigkeit der vom Berater gefertigten Steuererklärung zu überprüfen, so haftet er nicht für die auf der fehlerhaften Steuererklärung beruhende Steuerverkürzung.

    2.5 Ursächlichkeit der Pflichtverletzung

    Die Pflichtverletzung muss für den eingetretenen Schaden, d.h. die Nichtfestsetzung oder die nicht rechtzeitige Festsetzung, die Nichterfüllung oder nicht rechtzeitige Erfüllung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis ursächlich sein. Daran fehlt es z.B., wenn zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung keine Zahlungsmittel oder kein vollstreckbares Betriebsvermögen mehr vorhanden ist und deshalb auch bei fristgerechter Abgabe der Steuererklärung die geschuldete Steuer nicht mehr hätte getilgt werden können (BFH BStBl 91, 678). Eine zu späte oder unzutreffende Erfüllung der Steuererklärungspflicht kann allerdings zu einer Haftung führen, wenn dadurch aussichtsreiche Vollstreckungsmöglichkeiten des FAs vereitelt worden sind (BFH BStBl 91, 678).

    2.6 Grundsatz der Akzessorietät

    Für die Haftung gilt der Grundsatz der Akzessorietät, d.h. der Geschäftsführer haftet nur dann für Steuerschulden der GmbH, wenn diese im Zeitpunkt der Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid noch bestehen. Nicht erforderlich für die Haftungsinanspruchnahme des Geschäftsführers ist, dass die Steuer bei der GmbH bereits festgesetzt ist (BFH BStBl 95, 817).

    2.7 Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid

    Liegen die Voraussetzungen des § 69 AO vor, kann das FA den GmbH-Geschäftsführer nach § 191 AO mit Haftungsbescheid als Haftungsschuldner in Anspruch nehmen. In den Fällen des § 69 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginnt mit dem Ablauf des Kalenderjahres der Verwirklichung des Haftungstatbestandes, d.h. mit der Pflichtverletzung.

    § 191 Abs 1 S.1 AO räumt dabei dem FA ein Entschließungs- und ein Auswahlermessen ein. Das FA muss deshalb nach pflichtgemäßen Ermessen entscheiden, ob es gegen den Geschäftsführers überhaupt einen Haftungsbescheid erlässt. Dabei ist grundsätzlich die Inanspruchnahme des Steuerschuldners vorrangig (BFH BStBl 95, 300). Besteht ein Haftungsanspruch gegenüber mehreren Personen, so liegt eine Gesamtschuldnerschaft nach § 44 Abs. 1 AO vor. Das FA kann unter sachgerechter Ermessensausübung wählen, welche/n Gesamtschuldner es in Anspruch nehmen will (BFH BStBl II 90, 1008).

    2.8 Zahlungsaufforderung bei Haftungsbescheid

    Grundsätzlich darf der nach § 69 AO verantwortliche Haftungsschuldner nur auf Zahlung in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg blieb oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos wäre (§ 219 Abs. 1 S. 1 AO). Diese Einschränkung gilt allerdings nicht für Abzugssteuern und wenn der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

    2.9 Mögliche Einwendungen gegen den Haftungsbescheid

    Hat der Geschäftsführer als gesetzlicher Vertreter der GmbH die Steuerfestsetzung gegenüber der Gesellschaft rechtskräftig werden lassen, so kann er als Haftungsschuldner keine Einwendungen mehr gegen die Steuerfestsetzung vorbringen (BFH/NV 95, 282).

    2.10 Finanzgerichtliche Überprüfung des Haftungsbescheides

    Ob § 69 AO erfüllt ist, unterliegt einer uneingeschränkten Überprüfung des FG. Soweit allerdings Ermessensentscheidungen betroffen sind, sind diese nach § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar. Das FG kann sein Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens des FA setzen. Ermessensentscheidungen des FA sind deshalb nur anfechtbar, wenn das FA die Grenzen des Ermessens überschritten oder in einer Weise von seinem Ermessen Gebrauch gemacht hat, die dem Zweck der Ermächtigung nicht entspricht, oder wenn die Begründung des Haftungsbescheids nicht erkennen lässt, von welchen Überlegungen sich das FA leiten ließ (BFH BStBl II 90, 1008). Allerdings kann das FA nun seit StÄndG 2001 (BGBl I 01, 3794, 3806) seine Ermessenserwägungen bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen. Wird der Haftungsbescheid wegen eines Ermessensfehlers aufgehoben und ist noch keine Festsetzungsverjährung (§§ 191 Abs. 3, 171 Abs. 3a S. 3 AO) eingetreten, so kann das FA einen neuen, regelmäßig vom Tenor her unveränderten, aber besser begründeten Haftungsbescheid erlassen (BFH BStBl II 93, 581).

    3. Steuerstraf- und bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit

    Voraussetzung für die steuerstrafrechtliche Verantwortlichkeit eines Geschäftsführers ist, dass er (zumindest bedingt) vorsätzlich gegenüber Finanzbehörden falsche Angaben macht (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder es pflichtwidrig unterlässt, Angaben zu steuerlichen Sachverhalten zu machen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO).

    3.1 Verantwortlichkeit bei mehreren Geschäftsführern

    Sind bei einer GmbH mehrere Geschäftsführer bestellt, so ist nur derjenige für die Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO zu Gunsten der Gesellschaft strafrechtlich zu belangen, der zumindest bedingt vorsätzlich handelt. Dies ist der Fall, wenn ein Geschäftsführer weiß (direkter Vorsatz) oder es für möglich hält (bedingter Vorsatz), dass durch sein oder das Verhalten des anderen Geschäftsführers Steuern hinterzogen werden und es billigend in Kauf nimmt oder sich damit abfindet (BGH NJW 99, 2563).

    3.2 Berichtigungspflicht nach § 153 AO

    Der GmbH-Geschäftsführer ist gemäß § 153 Abs. 1 AO verpflichtet, eine Steuerverkürzung unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen, sonst begeht er eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO.

    4. Haftungsinanspruchnahme nach § 71 AO

    Ein GmbH-Geschäftsführer kann nach § 71 AO für die Steuern einer GmbH haften, soweit er diese vorsätzlich verkürzt hat. (Mit-)Geschäftsführer, denen eine nur leichtfertige Steuerverkürzung angelastet werden kann, haften dagegen nicht nach § 71 AO, allerdings kann für sie eine Haftung nach §§ 34, 69 AO in Betracht kommen. Zu beachten ist, dass auch hier bei der Umsatzsteuer und bei der Körperschaftsteuer ebenfalls der Grundsatz der anteiligen Tilgung gilt, wenn die Anmeldungen oder Erklärungen nicht oder nicht rechtzeitig abgegeben werden und dadurch eine Steuerverkürzung eintritt (BFH BStBl II 93, 8).

    Eine wirksame Selbstanzeige (§ 371 AO) schließt nicht aus, dass der GmbH-Geschäftsführer nach § 71 AO in Anspruch genommen wird, da die Selbstanzeige nur im Strafverfahren, nicht aber im Besteuerungsverfahren gilt.

    Die Haftung nach § 71 AO umfasst die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie die Hinterziehungszinsen. Allerdings reicht die Haftung nur soweit, wie der Vorsatz des Täters gereicht hat. Das FA ist bei dem Erlass eines Haftungsbescheides nicht an die Entscheidung des Strafgerichts gebunden, sondern prüft eigenständig die Tatbestandsvoraussetzungen. Gegen einen GmbH-Geschäftsführer kann deshalb auch dann ein Haftungsbescheid nach § 71 AO ergehen, wenn das gegen ihn gerichtete Strafverfahren mit einem Freispruch oder einer Einstellung des Verfahrens geendet hat. Die Festsetzungsfrist für einen Haftungsbescheid nach § 71 AO beträgt bei vorsätzlicher Steuerverkürzung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre.

    Quelle: Praxis Steuerstrafrecht - Ausgabe 08/2003, Seite 185

    Quelle: Ausgabe 08 / 2003 | Seite 185 | ID 105729