28.09.2009 | Haftung
Sozialversicherungsbeiträge in der Krise
Die Zahlung von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung durch den Geschäftsführer ist nach der Insolvenzreife der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nicht vereinbar und führt zur Erstattungspflicht nach § 64 S. 1 und 2 GmbHG (BGH 8.6.09, II ZR 147/08, NJW 09, 2599, Abruf-Nr. 092498). |
Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer GmbH, über deren Vermögen am 30.11.05 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Beklagte war alleiniger Geschäftsführer der Schuldnerin, die seit Ende 2003 durchgehend überschuldet war. Zwischen Juni und August 2005 veräußerte der Beklagte Gegenstände aus dem Anlage- und Umlaufvermögen für insgesamt 35.000 EUR. Aus den Verkaufserlösen zahlte er 28.000 EUR an verschiedene Gläubiger, davon etwa 17.000 EUR an Sozialversicherungsträger. Mit der Klage wird die Erstattung dieser Zahlungen verlangt.
Entscheidungsgründe
Der Geschäftsführer einer GmbH ist nach § 64 Abs. 2 S. 1 und 2 GmbHG a.F. (= § 64 S. 1 und 2 GmbHG n.F.) zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Insolvenzreife geleistet werden, wenn die Zahlungen nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. § 266a Abs. 1 StGB stellt nur das Vorenthalten der Arbeitnehmerbeiträge unter Strafe. Zahlungen der Arbeitnehmerbeiträge sind daher mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar, weil dem Geschäftsführer nicht angesonnen werden kann, fällige Leistungen nicht zu erbringen, wenn er dadurch Gefahr läuft, strafrechtlich verfolgt zu werden (BGH 29.9.08, II ZR 162/07, DStR 09, 496). Dieses Risiko besteht für Arbeitgeberanteile nicht, sodass sie nicht zwingend gezahlt werden müssen, um Straflosigkeit zu vermeiden. Damit entfällt dann aber auch das haftungsrechtliche Privileg.
Praxishinweis
Nur ausnahmsweise ist nach Eintritt der Insolvenzreife eine die Masse schmälernde Zahlung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar. Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen einer Ausnahme ist der Geschäftsführer (BGH 5.5.08, II ZR 38/07, DStR 08, 1346). Darzustellen wäre, dass die Zahlung der Abwendung von größeren Nachteilen für die Masse diente oder der Beklagte strafbewehrte Verbindlichkeiten tilgte. Bedenklich ist, wenn der BGH ausführt, es bestehe keine tatsächliche Vermutung, dass der Geschäftsführer allein auf rückständige Arbeitnehmeranteile gezahlt habe. Zwar regelt § 4 BVV (Beitragsverfahrensverordnung) die Reihenfolge der Tilgung bei Teilzahlungen dahingehend, dass Arbeitnehmeranteile nur dann vorrangig getilgt werden, wenn der Arbeitgeber eine Tilgungsbestimmung trifft. Wegen des Risikos nach § 266a StGB bzw. einer bei einer eingetretenen Strafbarkeit stets erstrebten Strafmilderung kann eine konkludente Tilgungsbestimmung aber stets vermutet werden (a.A. BGH 26.6.01, VI ZR 111/00, ZIP 01, 1474).(AW)
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