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  • 27.08.2009 | Innergemeinschaftliche Lieferungen

    EuGH überprüft Rechtsansicht des BGH, BVerfG sieht Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG

    von Dr. Jörg Schauf und Carsten Höink, Bonn

    BGH legt seine Rechtsansicht zum Ausschluss der Steuerbefreiung aufgrund „missbräuchlicher Berufung auf das Gemeinschaftsrecht bei kollusivem Zusammenwirken“ dem EuGH zur Überprüfung vor (BGH 7.7.09, 1 StR 41/09, Abruf-Nr. 092725).

     

    BVerfG setzt Vollstreckung der Freiheitsstrafe im vom BGH am 20.11.08 (1 StR 354/08, Abruf-Nr. 090530; Entscheidung zum Ausschluss der Steuerbefreiung aufgrund Missbrauchs des Gemeinschaftsrechts) entschiedenen Fall aus, da zweifelhaft ist, ob die Rechtsansichten des BGH die Grenzen des Wortsinns überschreiten (BVerfG 23.7.09, 2 BvR 542/09, Abruf-Nr. 092726).

     

    BFH äußert ebenfalls ernstliche Zweifel an der Rechtsansicht des BGH (BFH 29.7.09, XI B 24/09, Abruf-Nr. 092713).

     

    1. Rechtsprechung des BGH

    Auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH und des BFH wurde allein auf das Vorliegen der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG (innergemeinschaftliche Warenbewegung, steuer­pflichtiger Abnehmer, Unterliegen der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland) für die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen abgestellt (Schauf/Höink, PStR 09, 58). Daraufhin bemühte der BGH den gemeinschaftsrechtlichen Missbrauchsbegriff, um bei kollusivem Zusammenwirken von Lieferant und unternehmerischem Abnehmer zwecks Verschleierung der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland die Steuerbefreiung im Inland zu versagen (Sackreuther, PStR 09, 62; Schauf/Höink, PStR 09, 134): Missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern seien nicht durch das Gemeinschaftsrecht gedeckt (BGH 20.11.08, 1 StR 354/08, wistra 09, 159). Dies gelte nicht nur, wenn innerhalb einer Lieferkette Scheingeschäfte vorgenommen würden, sondern erst Recht dann, wenn Warenkreisläufe in Gang gesetzt würden, deren einziges Ziel es ist, die Ware durch Scheingeschäfte künstlich zu verbilligen (BGH 19.2.09, 1 StR 633/08, PStR 09, 81).  

     

    2. Widerspruch durch FG Baden-Württemberg

    Das FG Baden-Württemberg ist im Beschluss vom 11.3.09 (1 V 4305/08, Beschwerde eingelegt, BFH: XI B 24/09, Schauf/Höink, PStR 09, 134) der Rechtsansicht des BGH entgegengetreten und hat die Aussetzung der Vollziehung gewährt, obwohl der Unternehmer - bei objektivem Vorliegen der Voraussetzungen der Steuerbefreiung für inner­gemeinschaftliche Lieferungen - bewusst wahrheitswidrig im Wege der Differenzbesteuerung abgerechnet und somit die Verschleierung der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland begünstigt hatte. Es äußerte erhebliche Zweifel an der Rechtsprechung des BGH, denn der Unternehmer berufe sich insoweit bereits deshalb nicht missbräuchlich auf das Gemeinschaftsrecht, weil die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung objektiv vorlagen.